Soulfly
Interview mit Max Cavalera zu "Savages"

Interview

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SOULFLY schießen mit „Savages“ richtig scharf und halten neben einigen hochkarätigen Gastsängern vorallem eine Platte bereit, die sich gut am Stück hören lässt und Lust auf Konzerte macht. Die Band hat die Aggression etwas zurückgefahren, trotzdem kaum Druck eingebüßt und wieder mehr auf die guten, alten SOULFLY-Trademarks vertraut. Wir sprachen mit Max Cavalera und fühlten dem sympathischen Fronter und der neunten Veröffentlichung ordentlich auf den Zahn.

Du hast für „Savages“ beinahe 1000 Riffs geschrieben. Wie behältst du da den Überblick und was braucht ein Riff, um letztendlich auf der Platte zu landen?

Ein Riff muss dieses besondere Gefühl verbreiten, das letztendlich einen coolen Song ausmacht. Das haben nur wenige und deshalb schreibe ich immer sehr viele und später höre ich sie mir an und treffe die Auswahl. Ich bin mir sicher, dass da noch einige gute Riffs dabei waren und ich eigentlich beinahe jedes hätte nehmen können, ich hebe natürlich alles auf und nutze das eventuell mal für ein anderes Projekt. Ich war wirklich sehr aufgeregt, mit Terry Date arbeiten zu können und wollte das bestmögliche Album machen und das Beste was ich dafür tun konnte, war gute Riffs zu schreiben. Ich entschied mich dafür viele zu schreiben und ich denke, einige davon gehören zu den besten, die ich je geschrieben. „Bloodshed“ zum Beispiel, ist einer meiner Favoriten der besten Riffs, die ich in den letzten zwanzig Jahren geschrieben habe und gehört zu meinen drei Lieblingsriffs überhaupt. Aber ich finde, dass „Savages“ sehr viele gute Riffs hat, ich mag sie sehr gerne.

Ich auch! Du sagtest, dass „Bloodshed“ zu deinen drei Favoriten generell gehört, was sind denn die anderen beiden?

Ich mag das Riff von „Jumpdafuckup“, dafür habe ich sechs Stunden gebraucht und meine Gitarre kaputtgemacht, habe sie auf den Boden geworfen, draufgetreten und getreten. Dann habe ich mich nochmals drangesetzt und das Riff fertiggestellt. Das andere ist „Refuse Resist“. Es klingt sehr rebellisch, es fühlt sich an als ob man damit einen Aufruhr starten könnte.

Ich mag von „Savages“ den Song „Fallen“ sehr gerne. Er startet so harmlos und dann kommt der Blastbeat und überrollt dich und die erste Zeile, die du singst „this is the end of the world as we know it“ erinnerte mich sofort an den Song von R.E.M. in einer brutalen Version (Max lacht). Du hast ihn mit Jamie von I DECLARE WAR zusammen gesungen. Wie läuft das ab, kommst du zu ihm mit dem fertigen Song oder mit einer Idee und ihr entwickelt es gemeinsam?

Wir hatten das Eröffnungsriff und besonders wenn Marc (Gitarrist von SOULFLY) es spielte, dann hörte es sich nach CANNIBAL CORPSE an, es klang dann sehr viel mehr nach Death Metal. Wir wollten das verstärken als ich dann meinen Text schrieb, es ist lustig dass du an R.E.M. gedacht hast. Ich dachte da gar nicht daran, als ich es schrieb, aber jetzt da du es erwähnt hast macht es echt Sinn… Ich sang jedenfalls schon ziemlich brutal und wir wollten es noch brutaler, so ähnlich wie damals bei „World Scum“, den ich ja mit Travis von CATTLE DECAPITATION gemacht habe. Und ich dachte als an all die neuen Bands, die ich gerne mag. I DECLARE WAR, MAN MUST DIE, ARMED FOR APOCALYPSE, ich mag die alle sehr. Ich dachte also I DECLARE WAR könnt gut passen und so kontaktierte ich sie. Jamie bekam beinahe einen Herzinfarkt, als ich ihn anrief. Ich denke er ist ein großer Fan und war sehr überrascht von mir gefragt zu werden, ob er auf einem SOULFLY Album mitsingen will, er war wirklich sehr aufgeregt. Ich schickte ihm den Song, denn er konnte nicht kommen und er machte seinen Part im eigenen Studio. Er tritt wirklich Ärsche,ich mag seinen ultrabrutalen Gesang und er singt exakt genauso bei I DECLARE WAR.

Coole Stimme und ich mag den Song wirklich sehr, sehr gerne. Ein toller Moment auf dem Album.

Wie gesagt, ich auch und dein Sohn hat ebenfalls einen guten Song gemacht mit dem Blastbeast und generell der Schlagzeugarbeit in „Fallen“.

Ja, es ist wirklich ein Death Metal Song geworden und das kommt irgendwie noch von der „Enslaved“-Mentalität. Einiges klingt noch so, „Fallen“, „Cannibal  Holocaust“, „K.S.C“, einiges hätte locker auf „Enslaved“ sein können, da hätte auf jeden Fall gepasst. Ich bin sehr froh, dass sie auf „Savages“ sind, denn ich wollte auf der Platte alles vereinen, was ich an SOULFLY mag. Und eine Sache davon ist der neue Extreme Style gemixt mit Death Metal, der es erlaubt Stücke wie „World Scum“ oder auch „Plato E Plomo“ zu schreiben.

Als wir uns in Karlsruhe getroffen haben, hast du mir erzählt, dass das neue Album stellenweise wie CANNIBAL CORPSE klingen könnte. Dann wurde „Bloodshed“ veröffentlicht und ich konnte dein Statement nicht so ganz nachvollziehen, aber nachdem ich „Fallen“ hörte, wusste ich was du meintest. Du hast den Song „El Comegente“ auf dem Album, Tony singt spanisch und du portugiesisch ist das richtig?

Ja!

Ich habe mich gewundert, dass du ihn als Gast aufgeführt hast, er ist ja schließlich der Bassspieler von SOULFLY. Ist er denn normalerweise nicht so involviert in die Songerstellung oder was war diesmal anders, dass du ihn bei „El Comegente“ als Gast aufgeführt hast?

Wir haben ja schon „Plato O Plomo“ über Pablo Escobar gemacht und viele Leute mochten diesen Track von „Enslaved“ und wir wollten so eine Art von Teil 2 machen. Die Idee kam dann, als ich im Internet nach Serienkillern gestöbert habe, dabei bin ich dann auf Vargas gestoßen, diesen Kannibalen aus Venezuela. Ich dachte mir sofort „Verdammt ist das verrückt“ und je mehr ich über ihn las, umso mehr wuchs mein Interesse an der Geschichte. Er hat zehn Leute gegessen, sich aus deren Augäpfeln eine Suppe gekocht und lauter so krankes Zeug. Ich erzählte Tony von dem Kerl und er schaute sich das auch genauer im Internet an. Wir fingen ziemlich schnell an, Ideen für einen Text zu haben und auch der Titel „El Comegente“ war schnell gefunden, das war sein Spitzname und bedeutet so viel wie „der Menschenfresser“, sein anderer Spitzname war „Hannibal Lector of the Andes“ nach dem Kinofilm „Das Schweigen der Lämmer“, aber „El Comegent“ klang eher nach einem Albumtitel. Auf jeden Fall machte es richtig Spaß mit Tony enger zusammenzuarbeiten, er kann sehr brutal singen und bringt die spanisch-mexikanischen Vocals echt tödlich rüber, er hat eine tolle Stimmung macht ja jetzt auch alle Backing-Vocals für SOULFLY live, ich denke er ist eine richtige Bereicherung für SOULFLY und bringt die Band voran. Ich denke das könnte für viele Leute einer ihrer Lieblingstracks vom Album werden, es ist ein sehr langer Song und er hat dieses verrückte lange Outro, das irgendwie nach LED ZEPPELIN klingt. Für mich hört es sich an, als ob man über die Anden fliegt, das führt dich echt an einen höheren Punkt und nimmt dich mit. Es ist toll einen Partner wie Tony zu haben, mit dem ich sowas machen kann.

Ich habe mich auch über ihn informiert und war etwas beruhigt, denn er tötete vorrangig Männer, da ihm Frauen angeblich nicht so geschmeckt haben.

Ja stimmt, das ist richtig (lacht).

Ich mag deine Stimme generell sehr gerne, aber dich in deiner Muttersprache singen zu hören ist doch nochmal was ganz anderes. Ich denke ich würde ein Album komplett mit portugiesischen Lyrics von SOULFLY kaufen. Kannst du dir sowas vorstellen, ein Album nur in deiner Muttersprache mit neuen Songs oder auch mit Stücken, die du schon veröffentlicht hast?

Das haben mich schon manche gefragt, warum ich denn kein brasilianisches Album mache oder auch mal ein komplettes Dub-Album, da ich diese Musik auch sehr gerne höre. Keine Ahnung, eventuell mal irgendwann, jetzt bin ich ja erstmal beschäftigt mit dem Album, der Tour und der Allstars-Tour im Dezember. Aber ausschließen würde ich das nicht, mal sehen zukünftig könnte ich mir das schon vorstellen.

Du hast auch ein Lied mit Mitch von NAPALM DEATH gemacht, meiner Meinung nach ist das eines der besten Kollaborationen, die du je gemacht hast. Eine perfekte Symbiose von beiden Stammbands. Ich habe gelesen, er hat dich spontan im Studio besucht, das heißt also das Stück war eigentlich für dich alleine vorgesehen?

Ja, der Song war schon fertig und aufgenommen und für mich alleine gedacht. Er kam zum Studio und wir hingen eigentlich nur rum, wir kennen uns schon so lange und es ist verrückt, dass wir in den letzten zwanzig Jahren noch nie zusammen gearbeitet haben, das ist Bullshit und musste jetzt genau aufhören. Was wir getan haben ist, dass wir uns jeden Satz geteilt haben. Ich einen Teil und er den nächsten, unsere Stimmen harmonieren sehr gut zusammen. Bei NAPALM DEATH ist es immer so, dass er gegen einen wahre Blastflut ansingen muss und immer in den aggressivsten Grind-Core Momenten zum Tragen kommt. Das wollte ich genau anders haben. K.S.C. ist ein langsamer Song, schon so was wie ein Doom Song und ich wollte ihn auf einen langsamen Song singen lassen. Ich erklärte ihm, worum es geht nämlich um die Rache der Indianer. Es geht darum wie sie sie getötet haben, also sehr brutal und die Attitüde sollte sein „fuck the cowboys – wir sind für die Indianer“.

Toller Song, gefällt mir gut.

Ich hatte ja die Lyrics schon fertig und konnte ihm sagen, dass er sich darum schon mal keine Gedanken machen musste. So konnten wir uns auf den Rest konzentrieren und für ihn war es einfacher, denn er musste nur singen und es war klar das es gut wird. Bei Jamie von I DECLARE WAR war es auch so, ich gab ihm den Text und er sang. Der einzige der seinen Text selbst schrieb war Neill für „Ayatollah Rock’n’Rolla“, die richtig Ärsche treten.

Du hast ja jetzt schon fast mit jedem Künstler gearbeitet, gibt es irgendjemand den du  noch auf deinem Zettel hast. Eventuell auch jemand, der nicht in der Metalszene ist, ich habe mal gehört dass GOJIRA gerne mit BJÖRK arbeiten würden.

Ich würde sehr gerne mal mit Damian Marley arbeiten, er ist toll und seine Stimme ist der von Bob Marley sehr ähnlich. Sein Album „Welcome To Jamrock“ ist toll, sehr sehr modern und gut gemacht, er hat eine tolle Persönlichkeit. Ich weiß er ist näher an Hip Hop als an Metal, er hat was mit NAS gemacht und auch mit ihm getourt. Aber ich denke, das ist möglich und ich könnte das hinkriegen. Eine große Reggae-Metal-Platte! (lacht)

Was war denn eigentlich das erste Lied, welches du für „Savages“ geschrieben hast. Ich würde mal auf „Spirales“ tippen, der klingt enorm nach alten SOULFLY-Platten.

Ich denke der erste war dann doch „Master Of Savagery“, da mag ich das Eröffnungsriffs sehr gerne. Klingt nach SLAYER und ist grundsätzlich sehr groovig, es hat den besten Breakdown-Teil den ich je für SOULFLY geschrieben habe. Wenn es in der Mitte bricht, der Basspart kommt und dann das folgende Riff – Ich liebe es so sehr und könnte es immer und immer wieder spielen. Lange habe ich gezögert, ob ich darauf singen soll oder es einfach so stehen lassen soll. Ich entschied mich für Letzteres, um es nicht zu ruinieren und einfach ein Riff sein zu lassen, ich bin froh über die Entscheidung.

Ja, das ist ein Fehler den viele junge Bands machen. Ich bin auch Fan davon, einfach mal die Musik sprechen zu lassen…

…ja, man darf gar nicht soviel singen und muss auch mal die Musik atmen lassen, von Zeit zu Zeit einfach mal so stehen lassen. Man muss nicht immer auf jeden Part singen.

Und Musik sagt ja auch soviel ohne Worte.

Weniger ist mehr manchmal, wenn man weniger singt klingt der Song auch manchmal besser und kann mehr Kraft entwickeln. Ich bin ein Fan von Stücken, in denen die Musik auch mal das Ruder übernimmt und Raum für den musikalischen Part gelassen wird. Besonders wenn man soviel Zeit in die Entwicklung von Riffs steckt und dann alles ruiniert.

Das macht auch letztendlich irgendwie die Atmosphäre aus. Einige Band könnten es mal mehr Fokus auf die Musik legen und darauf, welche Kraft Musik entfesseln kann. Du bist ja auch von einigen Künstlern inspiriert und hast unter anderem auch NINE INCH NAILS genannt. Mich würde mal interessieren, welches Fragment man von dieser Band in deiner Musik wiederfinden kann?

Ich denke mal, die Geräusche zwischen den Stücken, das ist irgendwie so Richtung NINE INCH NAILS, MINISTRY und GODSMACK. Ich arbeitet mit Sam, der unter anderem auch viele Soundgeschichten für das Spiel „Halo“ gemacht hat und sich mit elektronischen Klängen gut auskennt. Es wäre eine Schande gewesen nicht mit ihm zu arbeiten, denn er war in dem Studio in dem wir aufnahmen und bot mir seine Dienste an. Ich sagte ihm „ich finde schon was, was du tun kannst“ und so kamen wir auf die Idee mit den Geräuschen, jeder Song auf „Savages“ hat ein seltsames Geräusch am Ende. Das funktioniert am besten, wenn man das Album am Stück hört. Es entfaltet sich dann richtig und klingt gruselig, macht „Savages“ zu etwas Besonderes. Manchmal ist die Stille zwischen den Stücken etwas langweilig und daher kam diese Idee mit den Fabrikgeräuschen, Maschinengeräuschen, Affengeräusche und ich denke es ist ganz cool geworden. Es hört sich natürlich nicht an wie NINE INCH NAILS, aber daher kam irgenwdie die Inspiration.

Und das ist auch eines der größten Vorteile der Platte, man kann sie sehr gut am Stück hören. Ich habe in meine Review geschrieben, dass man nach „Savages“ gerne auf ein Konzert gehen möchte, das ist ein weitere Vorteil. Ich mag nicht diese Alben, die 2 Knallerstücke haben und 8 mittelmäßige, die man immer wegdrücken will und es gibt nichts Besseres, als wenn die Platte Lust auf live macht.

Sehe ich auch so.

Es ist schön, wenn das Album als eine Einheit steht.

Eben es soll eine Erlebnis sein, das ganze Album zu hören und nicht nur Teile davon.

Jeder sollte eigentlich mal zu einem SOULFLY Konzert gehen, bevor er irgendwie über eure Musik urteilt. Ich habe dich ja gerade in Karlsruhe gesehen und du bekamst auch wieder dein Fußballshirt. Steht das mittlerweile auf deinem Rider oder machen die Veranstalter das schon freiwillig?

Ja es ist auf meinem Rider (lacht), eine Idee die noch von SEPULTURA stammt. Damals kam die Option auf es draufzuschreiben, da ich ja Fußballfan bin und man wirklich alles draufschreiben kann. Mittlweile habe ich schon 5000 Stück und ich finde es eine schöne Geste. Einerseits eine Erinnerung an die Städte, in denen ich war und andereseits verbündet man sich mit dem lokalen Fußballclub der Stadt. Die Leute freuen sich.

Im besten Fall, wenn sie nicht für ein anderes Team sind! Letzte Frage: Es gibt mit „El Comegente“ einen Song auf „Savages“, der von Kannibalen handelt und mit „Cannibal Holocaust“ einen Titel, der auf einem fiktiven Splatter-Film basiert. Vor was muss man sich deiner Meinung nach mehr fürchten, Zombies und Monstern oder Menschen?

(lacht) Kann man gar nicht so genau sagen, vor beidem am besten. Ich befasse mich lieber mit dem Bösen und es findet überall statt, das scheint meine Berufung zu sein und das kann ich am besten verarbeiten. Es scheint vorbestimmt. THE BEATLES zum Beispiel, die waren dazu da um richtig gute Liebeslieder zu schreiben und ich bin eben dazu da, um über das Böse und den grausigen Teil zu singen und Metal zu machen. Sowas liegt mir und es ist wohl mein Auftrag.

Na ja, wer weiß. Hast du denn schon mal versucht ein Liebeslied zu schreiben?

(zögert)…Nein, ich denke das könnte ich gar nicht. Auf die Idee bin ich auch noch gar nicht gekommen. Genauso wenig, wie ich je versucht habe ein Lied für das Radio zu schreiben, das liegt mir einfach nicht und ich kümmere mich lieber um die rohen, brutalen Sachen (lacht).

Vielen Dank für das Interview, ich wünsche dir viel Erfolg für die neue Platte und wir sehen uns auf der nächsten Tour.

 

06.10.2013
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