Somnuri
"Manchmal muss man überschüssiges Fett abschneiden."
Interview
Nicht wenige dürften sich verwundert die Augen gerieben haben, als SOMNURI mit ihrem neuen Album „Desiderium“ unseren Juli-Soundcheck gewonnen haben. Nicht nur, weil die Kapelle aus Brooklyn hierzulande bislang noch nicht allzu bekannt ist, sondern vor allem auch, weil Sludge nun nicht unbedingt ein Genre (wenn es sich dabei überhaupt um ein Genre handelt) ist, das die Massen vereint. Grund genug, uns die frisch gebackenen Soundcheck-Gewinner – in Form von Drummer Phil SanGiacomo – zu schnappen und ein wenig über die Entstehung von „Desiderium“ auszufragen. Und für alle, die bis zum Ende lesen, haben wir vielleicht noch ein kleines Goodie.
Erst einmal herzlichen Glückwunsch – mit Eurem neuen Album habt Ihr unseren Juli-Soundcheck gewonnen! Wie sind denn die Reaktionen zur Platte bislang?
Die Reaktionen sind wirklich großartig. Man hofft natürlich immer auf gute Resonanz von den Leuten, aber wenn sie berichten, dass sie das Album schon zig Mal gehört haben, innerhalb der ersten Woche nach Veröffentlichung, dann fühlt sich das ziemlich gut an.
Ihr werdet gerne als Sludge gelabelt. Was haltet Ihr davon – seht Ihr das selbst auch so? Gerade die neue Platte wildert ja doch in vielen sehr unterschiedlichen Genres.
Sludge ist mehr eine akustische Charakteristik unseres Sounds. Die Klangfarbe der Gitarren und ihre Stimmung, das Tempo, die Grooves, usw. Die Einflüsse der Band sind weit verstreut und das kann man sicher auch in der Musik hören, aber letztendlich geht es darum den Hörer wissen zu lassen, welche Energie und welchen Sound wir rüber bringen, ohne da jetzt super spezifisch zu sein.
Es drängt sich aufgrund des Stils ein wenig auf: Ihr werdet gerne mit MASTODON verglichen. Geht der Vergleich für Euch in Ordnung oder nervt es mittlerweile eher?
Es nervt überhaupt nicht. MASTODON sind ein großer Einfluss, aber sie haben so viele Alben und kreuzen selbst so viele verschiedene Stilrichtungen. Es gibt ähnliche Herangehensweisen, aber wir versuchen immer zu machen, was wir wollen. Wenn wir befürchten würden, etwas klingt zu stark nach einer Sache oder nicht stark genug nach einer anderen, würden wir uns und unserem Publikum einen Bärendienst erweisen. Wenn es sich um einen authentischen Einfluss handelt, lassen wir es einfach laufen.
Der Sound von „Desiderium“ hat einerseits ordentlich Wumms, klingt aber auch ziemlich analog und warm. Vieles aus dem Bereich Sludge klingt ja produktionstechnisch eher staubtrocken – warum seid Ihr hier einen anderen Weg gegangen?
Wir haben uns dazu entschieden, die Drums und die Gitarren in den Silver Chord Studios – dem Zuhause von GOJIRA – hier in Brooklyn, New York aufzunehmen. Wir lieben den Vibe der Crew und der Drum Room klingt einfach fantastisch. Unser langjähriger Freund und Toningenieur Justin Mantooth aus den Westend Studios in Kansas City ist her geflogen um alles aufzunehmen und er tendiert dazu, sich einem sehr natürlichen Sound zu verschreiben, fast schon grungey. Er benutzt viel externes Equipment im Mixingprozess und am Ende klingt das sehr organisch. Ich liebe auch eine Menge Heavy Music mit gesampelten Drums, tighten Gitarren-Sounds und allem was technisch möglich ist, aber das ist einfach nicht, was wir machen. Weil wir Gleichgesinnte bezüglich dieser Herangehensweise sind, passen wir einfach gut zusammen und am Ende ist etwas dabei herausgekommen, dass groß, heavy und fies klingt, aber immer noch klar und definiert ist. Es lohnt sich außerdem, aus den Aufnahmen zu einem Album zu kommen und zu wissen, das wir nicht jeden winzigen Fehler behoben haben, sondern es sich um ein lebendiges, atmendes Etwas handelt.
Eure Songs sind für das Genre knackig kurz, auch habt Ihr dieses Mal auf lange sieben- bis achtminütige Tracks wie auf den Vorgängeralben verzichtet. Wolltet Ihr Euer Songwriting auf dieser Platte gezielt straffen?
Wir sind nicht gegen längere Songs, aber dieses Album ergab sich einfach relativ schnell, vielleicht mit ein bisschen geradlinigeren Strukturen. Wir versuchen die bestmöglichen Songs zu schreiben, die für uns und den Hörer etwas bedeuten und manchmal heißt das, dass man ein wenig überschüssiges Fett abschneiden muss. Vor allem ist es aber auch schön, mehr Songs live spielen zu können und ein abwechslungsreicheres Set mit mehr Austauschmöglichkeiten zu haben. Es gibt ältere Songs von uns, die wir einfach nicht in ein Set bekommen, wenn wir für jemand anderes eröffnen, weil wir dafür zwei andere streichen müssten. Es ist also ein Balanceakt, aber auch nichts worüber wir allzu viel nachdenken. Wenn der Song nach längeren Parts verlangt, dann scheuen wir nicht davor zurück. „Coils“ ist beispielsweise ein Song, der sich einfach so anfühlt, dass er dieser ausgedehnte Track sein muss, der niemals einen wirklich stabilen Untergrund hat.
Textlich dreht sich „Desiderium“ um eine Traumserie, die Justin erlebt hat und die mit einem Selbstmord endet. Würdet ihr die Platte als Konzeptalbum bezeichnen? Inwieweit passt es aus Eurer Sicht dazu, dass viele Songs geradezu hoffnungsvoll klingen?
Justin hatte eine Traumserie, die sich darum drehte, mehrere verschiedene Leben zu leben oder unterschiedliche Realitäten zu erleben. Ich hatte ähnliche Träume und Vorahnungen und wir dachten, das wäre ein cooles Thema um es ein wenig mehr zu betrachten. Ich denke es ist ziemlich weit verbreitet, sich vorzustellen ein anderes Leben zu leben oder eine andere Realität zu erleben. Justin hat auch Gedanken über den Tod als Transformationsprozess erlebt. In einem seiner Träume wurde er von seiner Großmutter besucht, die ihm versicherte, das alles gut werden würde, ohne dabei ein einziges Wort zu sprechen. Viele der Songs haben anhaltende Themen, die diese Ideen aufgreifen.
Alle Songs durchziehen häufige, teils abrupte Wechsel von Tempo und Stimmung. Hat das mit dem lyrischen Thema zu tun, oder ist das einfach etwas, was sich bei Euch immer während des Schreibens ergibt?
Das ist tatsächlich etwas, das einfach passiert. Die Musik tendiert dazu, die Stimmung zu diktieren und die Lyrics sind erst einmal nur Wörter oder Sätze, die sich dann zu detaillierteren Konzepten verwandeln. Die Melodie und die Platzierung des Gesangs sind etwas, über das wir ständig nachdenken und dann hilft die Story quasi, sich selbst zu schreiben, wenn wir grob wissen worum es im Song und auf dem Album gehen soll.
In vielen Songs klingt Ihr auch ordentlich nach Alternative Rock, mich erinnert das gerade auch an ALICE IN CHAINS. Steht Ihr selbst auf solche Musik, oder ergibt sich das eher zufällig, weil der Klargesang von Justin in diese Richtung geht?
Wir sind auf jeden Fall große ALICE IN CHAINS-Fans, eigentlich der gesamten Grunge-Ära. Wir haben sogar ein Cover des Songs „Dirt“ für die Tribute-Platte „Dirt Redux“ von Magnetic Eye Records aufgenommen und letztens ein Cover von SOUNDGARDENs „Mailman“, für das gleiche Label. Das sind Projekte, die viel Spaß machen, die Vocals sind so ein wichtiger Teil der Musik und es ist eine Ehre mit diesen Bands verglichen zu werden, aber das ist sicher nichts worüber wir bewusst nachdenken, wenn wir schreiben. Manchmal, wenn wir Harmonien übereinander schichten oder so etwas, wird das offensichtlicher. Aber das ist nun mal einfach Musik, Deine Einflüsse sind immer irgendwo tief in Dir verwurzelt.
Ihr seid jetzt bei MNRK Heavy gelandet, einem US-Label, dass gerade dabei ist richtig durchzustarten. Was könnt Ihr uns über die Zusammenarbeit sagen, wie kam es dazu?
Es war toll mit dem MNRK Team zusammen zu arbeiten. Sie unterstützen uns hervorragend und am Ende des Tages mischen sie sich absolut nicht in den kreativen Prozess ein. Es gibt immer diese Vorstellungen davon, dass größere Labels Künstlern sagen, wie etwas zu klingen hat, welche Art Songs sie schreiben sollen oder wie sie sich zu präsentieren haben, aber das tun sie absolut nicht. Sie lassen uns wir selbst sein und das führt letztlich auch zur authentischsten Musik.
Eine ziemlich offene Frage zum Abschluss des Interviews: Würdet Ihr Eure eigene Musik als progressiv bezeichnen und was definiert progressive Musik für Euch?
Die Wörter „Progressive“ oder „Prog“ können manchmal einen bestimmten Beiklang haben, als ob sie bedeuten würden, dass die Musik von ihrer Struktur her ganz besonders komplex oder super technisch ist, aber für uns bedeutet es einfach, dass wir versuchen die Grenzen unserer spielerischen Fähigkeiten und Fähigkeiten als Songwriter zu überwinden und aus unserer Komfortzone auszubrechen. In diesem Sinne sind wir total cool damit, dass dieses Wort öfter mal erwähnt wird.
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Stile | Alternative Metal, Death Metal, Progressive Metal, Sludge |
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