Somewhere In Nowhere
"Nur für mein Ego brauche ich die LP nicht"
Interview
SOMEWHERE IN NOWHERE bringen auf ihrer kommenden Platte „Rise Of The Lost Souls“ neue Songs mit älteren Aufnahmen zusammen. Neben der CD-Auflage gibt es eine richtig kultige Tape-Edition zu erwerben. Wie es dazu kam und was die Heavy-Metal-Band für die Zukunft plant, verrät Schlagzeuger Daniel Müller im ausführlichen Interview.
Nicht aus der Bahn geworfen
Hey Daniel, „Rise Of The Lost Souls“ erscheint in zwei streng limitierten Tape-Versionen über Burning Sun Records und als CD über Witches Brew Records. Wie kam es zu dieser Veröffentlichungsweise?
Hi Dominik, vielen Dank für Dein Interesse an SOMEWHERE IN NOWHERE! Wir hatten zunächst ein anderes Label für unsere CD geplant, doch das ist aus diversen privaten Gründen des Inhabers im letzten Moment abgesprungen. Ich kann den Schritt verstehen und nachvollziehen, und es gibt auch kein böses Blut zwischen uns. Nur der Zeitpunkt war blöd, weil die Tapes da schon fertig waren und wir nur noch auf ihn gewartet hatten. Die Dateien wurden am selben Tag für beide Labels freigegeben. Aber egal, ist passiert und hat uns auch nicht aus der Bahn geworfen!
Ursprünglich wollte ich die Cheryl von Witches Brew vor Jahren schon gefragt haben, ob sie unsere CD rausbringen will, aber das Label war damals Bankrott und kurzfristig dicht gemacht worden. In letzter Zeit kamen aber wieder neue Veröffentlichungen von Witches Brew raus, und ich fragte sie eines Tages einfach, ob sie unsere CD nicht machen will. Wir sehen uns häufiger, da sie mit dem Marco von Goat Of Mendes liiert ist und sie öfter bei den Proben dabei ist. Bei GOAT OF MENDES spiele ich ja ebenfalls, der Sash von Somewhere In Nowhere war dort auch mal Bassist, und Cheryl hatte das letzte GOAT OF MENDES-Album „Hagzussa“ 2017 ebenfalls auf CD veröffentlicht. Insofern war das ein logischer Schritt. Sie meinte, sie will es auf jeden Fall machen, kann aber erst Ende August, da sie noch sechs Alben vorher in der Warteschleife hatte.
Zwischen dem Mastern im Februar und dem Release Ende August sind jetzt knapp sechs Monate vergangen. Das geht von der Wartezeit tatsächlich noch und sieht gar nicht mehr so sehr nach Verzögerung aus, wie es zunächst den Anschein hatte. Übrigens ist der Deal auch gut: Sie presst 500 CDs und will selbst nur 300 behalten, die sie benötigt, um die Pressung wieder reinzubekommen. Wir werden also 200 Freiexemplare für uns bekommen. Mehr geht eigentlich nicht! Die Tape-Version hat mir der Zoltán von Burning Sun selbst vorgeschlagen. Er hat ein Fanzine und ein kleines Label, mit dem er hin und wieder Tapes und Promo-CDs pressen lässt. Wir sind seit Jahren Facebook-Freunde, tauschen Tonträger und schreiben viel. Er findet unser Album gut und hat sogar die Booklets der CD und des Tapes komplett entworfen.
Zoltán war es auch, der uns den Cover-Zeichner vorschlug und die Idee mit den zwei Farben der Tapes hatte. Beide sind an das Artwork angelehnt, also nicht wahllos wie bei den ganzen heutigen Vinyl-Versionen. Ich fand orange zunächst etwas obskur, aber tatsächlich gehen die bisher besser weg als die schwarzen. Er selbst wollte nur je ein schwarzes und ein orangenes Tape für sich haben und hat dem Cover-Zeichner, Alex Mihályfi-Tóth, der ebenfalls aus Ungarn kommt, noch eins geschickt zwecks Portos sparen. Den Rest der Edition durften wir komplett behalten, da Zoltán zwar gerne Sachen rausbringt, aber nicht gern selbst verkauft. Außerdem sind wir in Ungarn wohl noch weniger Verkaufsschlager als hier im eigenen Land. Aber für uns ist das natürlich gut!
„Nur für mein Ego brauche ich die LP nicht“
War auch eine Vinyl-Version im Gespräch? Aktuell wirkt es manchmal so, als sei das inzwischen das einzige physische Format, das bei den Leuten so richtig gut ankommt.
Nein, das war für uns nie ein Thema. Die Kosten sind zu hoch und die Wartezeiten zu lang. Von der Spielzeit her, wir sprechen immerhin von 57 Minuten, hätte es eine Doppel-LP werden müssen. Die können wir als Hobby-Band nicht stemmen, und auch ein Label würde damit kein Risiko eingehen, da uns ja praktisch kaum jemand kennt. Natürlich hätten wir auch nur die fünf neuen Songs für die LP nehmen können, aber das hätte ich auch blöd gefunden. Ich bin selbst Sammler und suche mir eigentlich immer die Version mit den meisten Songs. Wenn die CD und das Tape zehn Songs haben, warum dann eine LP mit nur fünf Songs kaufen? Nur weil es kultiges Vinyl ist? Wenn ein Label jetzt natürlich ankommen und sagen würde, „Boah geil, Alter, davon will ich unbedingt eine LP-Version rausbringen“, dann bin ich der Letzte, der „nein“ sagt. Aber ganz ehrlich: Ich bin der einzige Vinyl-Sammler bei uns in der Band. Und nur für mein Ego brauche ich die LP nicht.
Auf dem Cover sehen wir einige engelsgleiche Figuren aus dem Himmel kommen, die anscheinend gegen Menschen kämpfen. Was genau hat es mit dem Artwork auf sich?
Das Cover stammt von einem Ungarn namens Alex Mihályfi-Tóth. Der Kontakt kam auch über Zoltán, denn er hat auch einige seiner Fanzines illustriert. Ich schickte ihm als Inspiration den Bandcamp-Link wo er alle alten Songs hören, die Texte lesen und Artworks von uns ansehen konnte, da er uns ja gar nicht kannte. Bei „Rise Of The Lost Souls“ handelt es sich zwar nicht um ein Konzept-Album, aber die Texte kann man schon so zusammenfassen, dass es im Prinzip um den Kampf zwischen Gut und Böse und düstere Parallelwelten geht. Die Menschheit ist schlecht und wird sich zugrunde richten, und es muss etwas passieren, damit die Welt nicht untergeht. Also müssen höhere Mächte ans Werk! Da wir aber keine religiöse Band sind, müssen statt Gott eben Erzengel oder Krieger mit Streitwagen her, die den Römern ähnlichsehen, haha! Das ist auch viel mehr Metal!
SOMEWHERE IN NOWHERE schließen mit der Vegangenheit ab
Und in welchem Zusammenhang steht das Cover zum Titel der Platte?
Ich habe es aus Versehen gerade schon fast beantwortet, sehe ich gerade. Wie gesagt: Im Prinzip lassen sich einige Songs inhaltlich ganz gut zusammenfassen, auch wenn das nicht so beabsichtigt war. Das Cover nimmt die wichtigsten Gemeinsamkeiten auf und stellt die Kernaussage, nämlich dass übermenschliche Kräfte für uns das Böse besiegen müssen, weil die Menschheit noch nie in Frieden leben konnte, ganz gut dar. Uns war schon wichtig, dass das Artwork etwas mit den Texten zu tun haben soll. Und ich finde, der Alex hat das super gemacht!
Die ersten fünf Songs von „Rise Of The Lost Souls“ sind neue Aufnahmen. Die anderen fünf stammen von eurer „Promo 2015/2016“. Wieso habt ihr euch dazu entschlossen, diese Songs gemeinsam mit dem neuen Material auf die Platte zu packen?
Das war eigentlich die Idee des alten Label-Chefs. Er fand, dass die CD zu kurz ist und fragte nach Bonusmaterial, was wir aber nicht hatten. Wir kamen dann auf die Idee, unsere „Promo 2015/´16“ mit drauf zu packen und extra dafür mastern zu lassen, damit der Sound-Unterschied zwischen den beiden Aufnahmen nicht zu krass ist.
„Promo 2015/2016“ war die abgespeckte Version unseres ersten Albums, „Back From Nowhere, Into Eternity“, die eigentlich nur zum Verschicken als Bewerbung für Gigs gedacht war und nur noch die Songs enthielt, die noch stellvertretend für die Band waren und bisher nie aus der Setlist geflogen waren. Somit sind nun alle Songs, die wir immer noch live spielen, endlich auf einer gepressten CD erhältlich und die Vergangenheit somit abgeschlossen.
Eure letzte richtige Platte vor „Rise Of The Lost Souls“ war „Back From Nowhere, Into Eternity” aus dem Jahr 2013. Warum hat es bis zur neuen Platte satte zehn Jahre gedauert?
Tja, das ist einfach so passiert, haha! Ich habe mich auch erschrocken, dass es schon so lange her ist! Ja, warum hat es so lange gedauert? Als die CD rauskam, haben wir erstmal wieder viel live gespielt, um die CD zu promoten. Dann hatten wir zwischenzeitlich einen zweiten Gitarristen, mit dem es aber menschlich überhaupt nicht funktioniert hatte. Mit ihm gingen auch die drei neuen Songs, die alle aus seiner Feder stammten. 2015 kam dann Olschi zurück in die Band. Er war früher schon einmal dabei, von 2001 bis 2006 oder so, und als wir ihn fragten, ob er nicht wieder Bock hätte, sagte er zu. Dann fingen wir erst wieder neu mit dem Songwriting an.
Die Aufnahmen haben aber auch ewig gedauert. Dafür gab es mehrere Gründe: Wir haben normalerweise nur an den regulären Probeterminen aufgenommen, einmal die Woche für zwei Stunden. Da schafft man nicht so viel. Hinzu kamen gesundheitliche und private Probleme einiger Musiker, Nachwuchs, die Tatsache, dass man sich während Corona nicht mit mehr als drei Leuten treffen durfte, wenn überhaupt, zwei Bandmitglieder arbeiten in Wechselschicht und haben nicht immer Zeit. Eins ergab das andere und zack, waren neun Jahre um. Dann kam noch das Mastern und das Warten auf das Presswerk, und jetzt ist es tatsächlich schon zehn Jahre her, dass man auf eine neue CD von uns warten musste.
Mit der nächsten CD muss es aber wieder schneller gehen, sonst bin ich Rentner, wenn das nächste Album von uns rauskommt, haha! Aber ob ihr es glaubt oder nicht: In den zehn Jahren hat es die Band immer gegeben, und sie war immer aktiv! Natürlich hätten wir auch zwei Wochen Studio mit einem externen Produzenten buchen können. Aber letztendlich sitzt jetzt jeder Schlag genau da, wo er hinsoll, und mit dem Sound sind wir auch rundum zufrieden. Für Laien, die sich alles selbst angeeignet haben, haben wir das schon ganz gut hinbekommen! So haben wir immerhin nichts zu nörgeln! Eine Steigerung ist sowohl spielerisch als auch produktionstechnisch zwischen den Aufnahmen zu hören, die beide komplett in Eigenregie im Proberaum entstanden sind.
SOMEWHERE IN NOWHERE machen neu aus alt
Mit „Sons Of The Sea” habt ihr einen Song von eurem ersten Album für „Rise Of The Lost Souls“ nochmal aufgenommen, wenn ich das richtig sehe. Was macht den Track so besonders, dass er auf dieser Platte nochmal zum Zuge kommt?
Ja, das stimmt! Wir hatten bereits bei den Aufnahmen zu „Back From Nowhere, Into Eternity“ gemerkt, dass unsere Songs eigentlich immer schon auf zwei Gitarren ausgelegt waren. Sash hatte damals alle Klampfen allein eingespielt. „Sons Of The Sea“ war immer der Song, bei dem das am meisten aufgefallen ist. Und als Olschi zurück in der Band war, haben die beiden Gitarristen die Parts auseinandergenommen und aufgeteilt.
Zudem war die alte Version auch viel zu schnell und wurde durchgehend auf 180 BPM eingespielt. Live führte das immer zum Abschiss und endete im Chaos. Jetzt haben Strophe, Bridge und Refrain drei verschiedene Geschwindigkeiten, sind einfacher zu spielen und klingen viel geordneter. Der schnellste Part mit 180 BPM ist aber geblieben! „Sons Of The Sea“ geht jetzt aber schon fast als neuer Song durch.
Laut Metal Archives seid ihr bereits seit 1996 aktiv. Sprich: in drei Jahren steht euer dreißigjähriges Bandjubiläum an. Viele Bands, insbesondere im Underground, überstehen nicht mal ein Jahrzehnt Jahre. Wie habt ihr das geschafft, mit SOMEWHERE IN NOWHERE so lange aktiv zu bleiben?
Ja, das stimmt! Und André, Sash und Lars sind immer schon dabei gewesen. Sie bilden den harten Kern der Band. Dass André und Sash Brüder sind, spielt sicherlich eine Rolle, aber auch, dass André Lars praktisch seit der Schulzeit kennt. Ich glaube, dass die Band so lange durchgehalten hat, weil sie nie professionell durchgestartet ist. Sie sind als Schülerband gestartet und wollten nie Rockstars werden, die davon leben können. Musik sollte Hobby bleiben. Das Hobby sollte Spaß machen. Denn wenn es keinen Spaß macht, macht es auch keinen Sinn mehr! Die Band nahm sich nie zu wichtig. Songs schreiben, ab und zu mal etwas aufnehmen, viel live spielen und Spaß haben. Ich glaube, das ist es, was die Band immer zusammengehalten hat.
Ziele sind gesteckt
Habt ihr für euer Jubiläum bereits Pläne, zum Beispiel in Form einer speziellen Show?
Drei Jahre klingt viel, aber wenn man mal sieht, wie viel Zeit wir immer mit Aufnahmen verballern. Trotzdem ist das noch eine ganze Weile hin. Keine Ahnung! Ich weiß auch nicht genau, wie eine spezielle Show aussehen soll, ehrlich gesagt. Songs, die nicht aufgenommen wurden, gibt es nicht viele. Und sie sind nur rausgeflogen, weil die Band sich damit nicht mehr identifizieren konnte.
Im Archiv wühlen ist also nicht drin. Es gibt weder unveröffentlichte Demo-Aufnahmen noch exklusive Japan-Bonustracks. Viele Ex-Mitglieder gibt es tatsächlich auch nicht. Und entweder sind sie aus gutem Grund nicht mehr dabei oder seit vielen Jahren nicht mehr aktiv. Es wird also keine Wacken-mäßige 3-Stunden-Show mit 20 Gastmusikern geben, haha! Keine Ahnung, vielleicht ergibt sich ja ein Konzert im Lükaz mit einer größeren Band oder ein cooles Tagesfestival oder so. Mal sehen.
Wie sieht ansonsten eure Planung für die Zukunft der Band aus? Gibt es noch Ziele, die ihr mit SOMEWHERE IN NOWHERE auf jeden Fall erreichen wollt?
Sonderlich hoch sind unsere Ziele eigentlich nicht gesteckt. Es soll kein Zwang oder Druck entstehen, und der Spaß soll auch nicht verloren gehen. Wir wollen, so wie 2013 und ´14 nach dem Release von „Back From Nowhere, Into Eternity“, wieder halbwegs regelmäßig live spielen; vielleicht ein- bis zweimal im Monat, vorzugsweise samstags, weil wir alle berufstätig sind. Nicht immer nur der Opener sein, wäre auch ganz nett. Was wir auf jeden Fall in den Griff bekommen müssen, ist es, weniger Jahre mit unseren Aufnahmen zu verbringen! Ansonsten gehen wir die Lage aber ganz entspannt an.