Sólstafir
Interview mit Guðmundur Óli Pálmason zu Svartir Sandar
Interview
Drei Mal 10/10 Punkte mit den letzten drei Alben bei metal.de. Vielen Bands dürfte das bislang nicht gelungen sein. Doch SÓLSTAFIR haben es geschafft. „Svartir Sandar“, so der Titel des neusten Meisterwerks, feiert beinahe durchgehend Höchstwertungen seitens der Presse, wenngleich von Seiten der Hörerschaft nicht durchgehend Begeisterung zu hören ist. Schlagzeuger Guðmundur Óli Pálmason hat sich die Zeit genommen unserer Fragen Herr zu werden.
Hey Gummi, ich hoffe bei dir ist alles klar. Mit „Svartir Sandar“ habt ihr erneut ein Meisterwerk veröffentlicht. Da die Reaktion bei „Köld“ bereits weitestgehend begeistert war, waren die Anforderungen an dieses Album natürlich umso höher, zumindest seitens der Presse. Habt ihr Druck verspürt? Und sag mir doch bitte direkt noch, wie es kommt, dass ihr selbst „Köld“, zumindest nach meinem Empfinden, noch einmal toppen konntet.
Ich persönlich habe schon etwas Druck gespürt, bevor wir mit dem Schreiben anfingen. Ich habe mich gefragt, wie wir es schaffen sollten den Standard zu halten, da die Leute “Köld” anscheinend wirklich mochten. Aber in dem Moment, in dem wir mit dem Schreiben anfingen, habe ich aufgehört darüber nachzudenken. Wir haben noch nie auch nur eine einzige Note geschrieben, um jemand anderes als uns selbst zufrieden zu stellen, und bis jetzt hat das immer funktioniert.
„Köld“ habt ihr ja in Schweden aufgenommen, seid ihr ins gleiche Studio gegangen oder wohin hat es euch diesmal verschlagen?
Nein, dieses mal haben wir uns entschieden, die Aufnahmen näher an unserem Wohnort zu machen, da wir wenig Lust darauf hatten, für vier Wochen im Studio zu leben und dort schlafen, arbeiten, essen und atmen zu müssen.
Wir haben uns daher für ein Studio außerhalb von Reykjavik entschieden. Früher war das Gebäude eine Schwimmhalle, die Akustik dort ist also umwerfend.
Ganz kurz zu eurem Labelwechsel. Die letzten Alben erschienen ja bei Spinefarm, ein ebenfalls großes Label, nun seid ihr zu Season Of Mist gegangen. Was hat euch dazu bewogen, die Plattenfirma zu wechseln, und konntet ihr schon Unterschiede in der Zusammenarbeit feststellen?
Die Dinge haben sich eindeutig zum Besseren gewandt, seit wir bei Season of Mist sind. Spinefarm haben uns im Grunde völlig ignoriert, trotz der guten Reviews, die wir bekamen. Wir spielten zum Beispiel das erste Konzert zur „Köld“-Tour in Helsinki (wo sich auch der Hauptsitz von Spinefarm befindet), und wir hatten ihnen schon Monate vorher gesagt, dass wir bei der Gelegenheit CDs mitnehmen wollten, um sie dann direkt auf Tour zu verkaufen. Aber als wir dort ankamen, hatten sie gerade mal 50 Stück für uns bereitgestellt, welche nach den ersten drei Konzerten ausverkauft waren – und das auf einer Tour mit über 30 Terminen!
Ich muss aber dazu sagen, dass Spinefarm genau zu der Zeit, als wir sie verließen, einen neuen Chef bekamen, den wir persönlich kennen, und ich bin mir sicher, dass er die richtige Person ist, um das Label zu seinem alten Ruhm zurück zu verhelfen. Und dazu waren sie noch das einzige Label, das uns damals im Jahr 2005 überhaupt unter Vertrag nehmen wollte.
Mit Season of Mist liegen die Dinge ganz anders. Wir kommunizieren viel häufiger mit ihnen, als es je mit Spinefarm der Fall war, und das, bevor das Album überhaupt herauskam! Und sie promoten uns auch, was Spinefarm nie gemacht haben!
Bei allen Trademarks von SÓLSTAFIR, die unverkennbar auch auf „Svartir Sandar“ zu finden sind, hat man doch den Eindruck, frische und neue Ideen zu finden. Da euer Sound allein schon recht einzigartig ist, woher kommt all die Kreativität?
Das ist schwer zu sagen. Alles was du je gesehen, gehört, getan, gedacht und erlebt hast, beeinflusst dich auf die eine oder andere Weise. Manche Einflüsse werden zu Inspirationen und andere haben haben sogar eine gegenteilige, hemmende Wirkung.
Im Grunde versuchen wir Musik zu schreiben, wie sie von unseren Herzen kommt.
Apropos Kreativität, Aðalbjörn Tryggvason (Gesang und Gitarre)sagte in einem Interview Anfang 2009, er habe seit Ende 2007 keinen Song mehr geschrieben, nun habt ihr innerhalb von zwei Jahren eine Doppel-CD fertiggestellt. Wie ist das möglich? Vor allem auf dem Niveau und in der dafür dann doch sehr kurzen Zeit.
Bisher haben wir uns nie darauf konzentriert, „ein Album zu schreiben“, wenn du verstehst, was ich meine. Statt dessen haben wir immer mal wieder einen Song geschrieben. Dieses Mal sind wir sehr systematisch an die Sache heran gegangen. Abgesehen von “ Þín Orð“ ist das gesamte Album zwischen Februar und Mai dieses Jahres entstanden. Wir waren von 10 oder 11 Uhr morgens bis 17 Uhr abends im Proberaum, manchmal auch länger, fünf oder sechs Tage pro Woche und haben uns wirklich aufs Schreiben konzentriert.
Aber das heißt trotzdem nicht, dass wir alle Zutaten vorher schon im Kopf hatten. Addi, der Gringo (Sæþór Maríus Sæþórsson, Gitarre; Anm. d. Red.) und Svavar (Austman, Bass; Anm. d. Red.) hatten alle Ideen, auf denen wir dann aufbauen konnten.
All eure Texte sind erneut in Isländisch verfasst, und man kann sich zwar einige Songtitel herleiten, doch deren Inhalt wird für Leute, die der Sprache nicht mächtig sind, kaum zu erschließen sein. Soweit ich es sehe, geht es häufig um Stürme, Träume und Reisende, ganz, ganz grob gesagt natürlich. Kannst du uns dazu noch etwas mehr erzählen, und hat der Titel „Svartir Sandar“ (Schwarzer Sand) einen Bezug zum Vulkanausbruch in Island (2010)?
Nicht direkt. Tatsächlich hatte ich den Titel “Svartir Sandar” schon vorher im Kopf.
Unsere ersten Veröffentlichungen waren alle auf Isländisch, aber dann wechselten wir nach und nach zum Englischen. Dieses Mal fanden wir, dass Isländisch der bessere Weg wäre, es passt einfach zur Musik.
Ich persönlich habe genug von isländischen Bands, die die ganze Zeit nur auf Englisch singen, und die meisten von ihnen erreichen nie ein Publikum außerhalb Islands. Worin besteht denn da der Sinn? Dafür aber ist der Großteil unseres Publikums ironischerweise nicht aus Island.
Wir nehmen uns nie vor, ein Konzept-Album zu schreiben, und haben das auch noch nie getan. Aber im Nachhinein stellen wir immer fest, dass jedes Album doch einem roten Faden folgt. Obwohl die Texte von Aðalbjörn und mir stammen und wir nie über ein Konzept gesprochen haben, scheint es doch so, als wären wir uns immer einig, wenn es um das Schreiben von Texten geht. Auf unseren ersten Alben ging es hauptsächlich um das Heidentum, „Masterpiece of Bitterness“ dreht sich um Licht und Feuer und „Köld“ ist ein Album voller verdammter Lovesongs.
Das „Konzept“ von „Svartir Sandar“ ist eine verlorene Seele, die durch eine kalte, schwarze Vulkanlandschaft wandert, und die voll ist von Bedauern und sogar Schuldgefühlen aus der Vergangenheit. Aber es gibt natürlich Abweichungen, und das ist nur eine Art, das Album im Ganzen zusammenzufassen.
Ihr habt in „Fjara“ sogar mit einem Chor gearbeitet. Viele mögen sowas als kitschig bezeichnen, ich fand es in dem Fall sehr stimmungsvoll und passend. Wie kamt ihr denn zu einem Chor, und wie verlief die Zusammenarbeit von denen mit einer Metalband (im weitesten Sinne)?
Für den Titel-Song haben wir mit einem kompletten Chor gearbeitet, der von unserem Freund Gunnar Ben von SKÁLMÖLD geleitet wurde. Aber auf „Fjara“ sind nur zwei zusätzliche Sänger zu hören, und zwar unsere Freunde Ragnheiður (Heiða) und Hallgrímur. Beide sind erfahrene Rock-Musiker, daher war es also nichts Neues für sie.
Und die Mitglieder von Hljómeyki (der Chor im Titelsong) waren sehr professionell, sie haben den Song nie gehört, haha. Aber es ist vielleicht lustig zu erwähnen, dass einiger Mitglieder des Chors auch in der isländischen Black/Death Metal Band ATRUM spielen (die wiederum mit einem anderen Chor auf ihrem genialen Debüt Album arbeiteten) und ich glaube, ein paar andere Chormitglieder haben auch auf dem SKÁLMÖLD-Album gesungen.
Eine Sache noch zur Musik an sich. Etwas was ich sehr faszinierend an „Svartir Sandar“ finde, ist, dass ihr bei aller Melancholie und den stürmischen, rasanten Parts eine Menge Raum für Sanftmut gefunden habt, ich denke da beispielsweise an einige Melodien oder auch stellenweise die Vocals, etwas das mir in der Vergangenheit so bei euch gar nicht begegnet ist. Woher plötzlich dieser Sanftmut, kann man das überhaupt erklären oder empfindest du es gar gänzlich anders?
Das liegt vielleicht daran, dass wir den größten Teil des Albums am Vormittag geschrieben haben, haha. Nein, im Ernst, ich denke, das ist nur ein Bestandteil unserer natürlichen Entwicklung.
Eine kleine Überraschung ist sicher das Sample einer Wettervorhersage. Soweit ich weiß, ist die Moderatorin in Island sehr bekannt. Kannst du uns etwas mehr darüber verraten und gerade auch, warum ihr das Sample ausgewählt habt?
Es ist im Grunde gar kein Sample. Sie hat extra für uns diese Wettervorhersage vorgetragen, die einfach verdammt schlechtes Wetter ankündigt. Es passt perfekt zum Konzept des Songs.
Sie st einfach DIE Stimme im isländischen Radio, und jeder in Island kennt sie. Ein paar meiner Freunde waren ziemlich überrascht, als sie den Song das erste Mal hörten, und dachten, jemand hätte das Radio eingeschaltet.
Übrigens, ich hoffe die Hörer merken, dass „Draumfari“, „Skinningskaldi“ und „Stormfari“ ein Song sind, der nur in drei Teile gesplittet wurde.
Du hast ja das Foto zum „Köld“-Cover geschossen und bist auch so ein sehr begeisterter Fotograf, wie ich weiß. Auf „Svartir Sandar“ sieht das Cover eher nach einem Gemälde aus, aber trotzdem die Frage, hast du dich erneut am Artwork beteiligt oder es diesmal gänzlich aus der Hand gegeben?
Das Cover und das ganze restlich Artwork (darunter auch jeweils ein Bild passend zu jedem Song) stammen von einem norwegischen Künstler namens Kim Holm. Wir haben ihn getroffen, als wir in Bergen gespielt haben und er kam zu der Show, um ein paar Skizzen zu machen. Wir wussten, dass sein Stil perfekt zur Musik und zum Konzept des Album passen würde, daher schickten wir ihm die Songs und die Texte zusammen mit ein paar groben Übersetzungen, und er hat sie auf seine Art interpretiert. Wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit!
Mal etwas weg von „Svartir Sandar“. Bei den Aufnahmen zu „Köld“ habt ihr alle ziemlich verstreut gewohnt, du z.B. in London. Wie ist es inzwischen, bist du bzw. seid ihr alle wieder in Island? Oder wo lebt ihr derzeit und wie funktioniert das als Band, wenn man soweit auseinander und voneinander getrennt lebt?
Eigentlich lebten wir vor und während der Aufnahmen zu „Köld“ alle in Island. Aber zwischen der Aufnahme und der Veröffentlichung des Albums verging mehr als ein Jahr, und zu dem Zeitpunkt lebte ich in London, Addi war in Glasgow, Svavar im Osten Islands und der Gringo in Reykjavik (im Süd-Westen). Aber seit Mitte 2010 sind wir alle wieder in Reykjavik, außer Svavar, der aber immer mal wieder nach Reykjavik kommen konnte und schließlich auch wieder hierher zurück gezogen ist, kurz nachdem wir mit der Arbeit an „Svartir Sandar“ anfingen. Aber jetzt hat Addi eine Freundin, die in London lebt, und es sieht so aus, als würde er bald auch dort wohnen… Haha, es scheint so, als könnte keiner von uns lange an einem Ort bleiben.
Bislang seid nur für ein oder zwei Festival-Shows Ende des Jahres hier in Deutschland bestätigt. Da ihr euch bislang als sehr tourfreudige Band gezeigt hat, gehe ich davon aus, dass ihr demnächst auch wieder auf ausgedehnte Tour kommt. Gibt es da schon konkrete Pläne in welchem Zeitraum und eventuell auch mit welchen Bands?
Ja, wir planen zur Zeit einige Tourneen. Aber leider ist die ganze Booking-Angelegenheit wie ein riesiger Sandkasten, in dem sich erwachsene Männer wie kleine Kinder aufführen und sich gegenseitig bekämpfen. Daher schließt eine Tour eine andere aus, obwohl sie an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten stattfinden. Und wenn wir auf einer Tour spielen, können wir keine Festivals bestätigen, bis die Tour zu Ende ist, und wenn die Festivals erst später bekannt geben dürfen, dass wir dort spielen, buchen sie uns auch nicht und so weiter, bla bla bla. Es ist echt ein verdammter Mist, der am Ende nur den Bookern zu Gute kommt, aber nicht den Bands oder den Fans!
Aber ihr werdet uns definitiv bald auf Tour sehen!
So damit wären wir soweit auch durch. Es war mir ein Vergnügen und ich hoffe dir ebenso. Die letzten Worte überlasse ich an dieser Stelle dir.
Ich danke dir Jan, für deine Unterstützung! Kauft unser Album, es ist ziemlich gut, versprochen!