Sólstafir
Sólstafir
Interview
Wenn eine Band das perfekte Album aufnimmt, dann sollte man es sich nicht nehmen lassen, sich mit der Band über Album, Gott und die Welt zu unterhalten. Mein Gesprächspartner Aðalbjörn Tryggvason, der Sänger der isländischen Band SÓLSTAFIR, die bereits jetzt schon Kult ist, stand mir dabei Rede und Antwort.
Góðan dag, da es euer erstes Interview auf metal.de ist, wäre es schön, wenn du ein paar Worte zu der Bandhistory und zu den Bandmitgliedern verlieren würdest!
„Guten tag“. Vor zehn Jahren war der Untergrund ein wirklich interessantes Plätzchen, um sich da zu tummeln und als wir, ich Aðalbjörn Tryggvason (Gitarre, Gesang), Halldór Einarsson (Bass) und Guðmundur Óli (Schlagzeug), unser Demo im Jahre ’95, namens „Í Norðri“ aufgenommen haben, machten wir 100 Kopien auf Tape und fingen an, Tonnen von Briefen zu schreiben und das ein paar Jahre lang. 1996 brachten wir unsere MCD „Til Valhallar“ via View Beyond Records heraus und bekamen echt gute Kritiken und ich habe immer geglaubt, dass wir auf „Til Valhallar“ unseren eigenen Stil gefunden haben, mit einem etwas andern Songwriting-Stil. Zum Beispiel benutzten wir nicht die „Standard-Black-Metal“-Gitarrentechnik. Danach produzierten wir einige andere Demos bis wir ’98 in Kontakt mit Ars Metalli kamen und sie unser Full-Length Debütalbum „Í Blóði Og Anda“ (In Blood And Spirit) 2002 nach vielen Verzögerungen und einer Fahrt in die Hölle und zurück, herausbrachten. Ars Metalli gingen etwas später ein und das Album war dann etwas schwieriger aufzutreiben nach der Veröffentlichung. Davor verließ Halldór die Band und Svavar Austmann ersetzte ihn. Weiterhin gab es eine weitere Recording Session ’02, Black Death: The Demo, fünf neue Songs und drei von diesen erschienen via Ketzer Rec/Neodawn Prod. als eine 7″. Es war die Black Death: The EP. Diese 500er Auflage wurde per Vorbestellung ausverkauft. Das war das erste Mal, dass wir als eine Vier-Mann-Band aufnahmen, als Sæþór „Gringo“ Maríus Sæþórsson als zweiter Gitarrist, unsrer Horde hinzustieß. Im März 2004 nahmen wir eine Promo mit neuem Material auf und das verschaffte uns einen Deal mit Spikefarm und jetzt kommt „Masterpiece Of Bitterness“. Mehr Infos auf www.solstafir.com.
OK kommen wir zu eurem neuen Album. Zu aller erst muss ich sagen, dass „Masterpiece Of Bitterness“ einfach perfekt ist! Wie finden es die Leute bei euch in Island?
Die meisten Leute haben das Material schon live gehört, weil wir die letzten zwei Jahre, meistens in Reykjavík, aber auch bei drei Konzerten auf dem Land damit aufgetreten sind. Wir haben über 200 Kopien der Promo mit drei Songs gemacht, die wir rausgaben und hier in Reykjavík verkauften. Aber wir haben sehr gute Resonanz bekommen und unsere „Live-Fanbase“ ist auch stark angewachsen. Bis jetzt ist das Album hier noch nicht erschienen, sodass ich glaube, dass das Gros der Kritiken noch kommen wird.
Eine Frage nebenbei: Wie groß ist die isländische Musikszene eigentlich? Kann man überhaupt von einer Szene sprechen?
Hier gibt es eine riesige Szene mit Rockbands, manche sehr gut, viele scheiße. Es ist seit etwa 1980 so gewesen, aber heute gibt es mehr Bestrebungen der Bands nach Übersee zu gehen und bei einem ausländischen Label zu unterschreiben. Und auf diese Weise ist die Szene nicht so groß und wenn ich sage „Rockbands“, meine ich wirklich alle Arten: Metal, Indi, Elektro, Ambient, Hardcore. Es ist eine kleine Gesellschaft und alle Bands kennen sich mehr oder weniger. Wir haben keine „Metal Clubs“, „Rock Clubs“, „Hardcore Clubs“. Wenn es hier irgendwo eine Bühne mit PA gibt, ist jeder vor Ort.
Ich glaube mit eurem neuen Album habt ihr eure Mitte gefunden! Euer neues Album klingt wesentlich erwachsener als „Í Blóði Og Anda“. Ist der jugendliche Eifer völlig weg?
Ich bin mir nicht sicher worauf du mit dieser Frage hinaus willst. Ich denke, der Eifer und unser Enthusiasmus waren noch nie so stark wie jetzt. Wir machen das gleiche Ding, das wir auch auf „Í Blóði Og Anda“ gemacht haben, bloß auf einem höheren Level. Ich ertappe mich immer wieder, wie ich in Interviews in letzter Zeit zu erklären versuche, dass es nur eine natürliche Entwicklung darstellt. Wir machen immer noch langsame atmosphärische Songs und wir nutzen immer noch Blast Beats und schnelle Double Bass und ich vergewaltige immer noch meine Kehle.
Das letzte Studioalbum wurde ja noch von Extremen beherrscht. Auf der einen Seite „Tormentor“ und auf der andren Seite „Bitch In Black“. Und das neue Album ist eher ausgewogen. Habt ihr bewusst darauf geachtet keine weit auseinanderklaffenden Extreme mehr zu produzieren?
Wie schon gesagt, ich sehe es nicht so, aber ich weiß was du sagen willst. Wir hatten eine Art von Konzept auf „Í Blóði Og Anda“. Die etwas aggressiveren Songs befinden sich auf der ersten Hälfte des Albums und die etwas langsameren melodischen sind auf der zweiten Hälfe zu finden. Auf diesem Album hatten wir nicht den Gedanken es so zu machen, sondern es fügte sich alles ein bisschen natürlicher zusammen. Wenn wir „Tormentor“ auf „Í Blóði Og Anda“ rausgenommen hätten, sähe das „Gesamtkonzept“ des Albums wahrscheinlich anders aus. Wir nahmen einen weiteren Song in der „Masterpiece…“-Session auf, einen kurzen schnellen, aber wir ließen ihn raus, weil dieser einfach nicht zu dem Album passte, obwohl wir alle diesen Song wirklich mögen. Wenn es dieser Song auf die Platte geschafft hätte, würde die Gesamterscheinung wirklich anders aussehen.
Ich habe ehrlich gesagt auf einen Song in der Art von „Bicht In Black“ gehofft. Das war der geilste Song auf dem letzten Album! Warum habt ihr keine Ballade auf das neue Album gepackt?
Man kann nicht einfach so zu sich sagen „Ich werde jetzt einen anderen Black-Metal-Lovesong aufnehmen“. Es ist einfach so passiert und wenn Kola (der den Song eingesungen hat und auch den Text geschrieben hat) nicht die Entscheidung getroffen hätte, nach Island zu gehen, um hier Isländisch zu studieren, würde es jetzt „Bitch In Black“ gar nicht geben.
Die Akustikgitarre am Anfang des letzten Songs „Náttfari“ hört sich sehr nach Country im Stil von Johnny Cash an – das macht den Song sehr nachdenklich und auch etwas traurig! Wie kommt es, dass die Grundstimmung auf dem Album so traurig, nachdenklich und verstörend ausgefallen ist? Ist es typisch isländisch?
Ok, Johnny Cash ist nicht das, was man „typisch isländisch“ nennen würde, oder? Es ist einfach Sæþór, aber auf seine eigene Art und Weise hat er einen gewissen Cash-Stil. Es war einfach ein Riff, den er immer wieder auf der Akustikgitarre wiederholt hat und wir haben daraus einen Song gemacht. Doch er hat in seinem Kopf schon vorgearbeitet. Er ist ein wahres Genie im Erfinden von traurigen, düsteren und atmosphärischen Melodien.
Irgendwie verbinde ich die Songs von „Masterpiece Of Bitterness“ mit dem großartigen isländischen Film „Englar Alheimsins“ (dt. Titel: Engel des Universums). Es hätte genauso gut der Soundtrack zum Film sein können! Kenn ihr diesen Film? Und könnt ihr noch weitere isländische Filme empfehlen?
Yeah, das ist ein geiler Film. Ich würde noch „Hrafninn Flýgur“ (Der Flug des Raben), einen Wikinger-Film, empfehlen. „Sódóma Reykjavík“ ist ein weiterer cooler Film. Und auch „Screaming Masterpiece“ sollte man antesten. Dieser sollte bald in Deutschland erscheinen, ich glaube der Film wird bei mehreren Major Labels vertrieben, die auch SIGUR RÒS, BJÖRK, MÍNUS etc. im Angebot haben.
Viele Bands beschreiben die Studioarbeit als belastend. Wie war euer Studioaufenthalt? Wo habt ihr die Platte aufgenommen und wie lange habt ihr überhaupt gebraucht?
Ja, wir hatten viel Spaß, aber trotz all dem war es schrecklich. Wir haben nur am Wochenende gearbeitet, ok, meistens, und mussten über eine Stunde in ein kleines Dorf an der Südküste fahren, namens Stokkseyri. Wir sind etwa 30 bis 40 Mal dorthin gefahren während des Winters – oft Mitten in der Nacht, durch Schneestürme und mit scheiß Sommerreifen. Und natürlich tendieren Dinge immer dann „nicht zu funktionieren “ oder kaputtzugehen, wenn wir im Studio sind. Dann stinken auch die Räume und man verbringt den Tag mit trinken und darauf warten, dass die anderen ihr Zeug fertig machen. Und das Hauptstudio ist etwas weiter stadtauswärts, praktisch am Arsch der Welt. Darin gibt es keine Toiletten und man kann nicht drinnen rauchen und außerhalb gibt es kein Licht und es fröstelt wenn du dein Zeug draußen machen musst. Die Gitarren haben wir aber anderswo aufgenommen, da gab es wenigstens eine Toilette. Und ich neige dazu, wirklich aufzudrehen während dieser Sessions, paranoid zu werden, sodass mich alles aufregt und alles perfekt zu sein hat und oft laufe ich rum wie ein kopfloses Huhn.
Das Cover-Artwork sieht sehr gewöhnungsbedürftig aus und passt hervorragend zu euer Musik. Habt ihr es selber gestaltet oder habt ihr einen Künstler für Unsummen von Geld daran arbeiten lassen?
Wir haben niemals diese sogenannte „Artwork-Künstler“ oder auch „Logo-Künstler“ gebraucht. Irgendwann hab ich mal einen Brief bekommen mit einem Angebot von einem solchen Typen, welcher viele Logos für Bands macht, sogar für einige legendäre Black Metal-Bands, die man so kennt, aber ich hab das Angebot abgelehnt, aus dem einfachen Grund, weil sie fast alle gleich aussehen. Und zum Beispiel liebe ich unser Logo, es ist zeitlos, nicht originell, nicht unoriginell, es passt einfach perfekt zu uns. Und das gleiche gilt auch für die Layouts, die wir verwendet haben. Wir haben immer etwas für uns gefunden und es benutzt. Das Bild wurde von einem Mädchen, das wir seit Jahren kennen gemalt. Sie wurde sogar von dem National Art College ausgezeichnet und hat ein paar wirklich coole Kunstwerke gemacht, aber das ist meine Meinung, und in der Minute, als ich dieses Bild erblickte, wusste ich, dass wir es verwenden mussten. Aber sage niemals nie. Wenn ein wiedergeborener Salvador Dali uns anbieten würde, für uns ein Albumcover zu malen, würden wir es wahrscheinlich annehmen.
So und jetzt ein paar andere Sachen, die mich interessieren! Ihr habt vor kurzem mit AMON AMARTH zusammen in Reykjavik gespielt. Wie war es für euch?
Ja, wir haben es zweimal gemacht, sie waren zwei Mal hier. Es war einfach nur ein weiterer Gig! Ich muss dazu sagen, dass wir im Grand Rokk gespielt haben und dass wir dort schon dutzende Male aufgetreten sind und so war es nicht wirklich was besonderes. Aber der Booker hat gute Arbeit geleistet und hat gute Promotion gemacht, sodass das Ding gut voll war. Wir haben für die ausländischen Bands eröffnet, aber wir wollen schon Shows haben, die länger als eine Stunde dauern. Wir spielen lange Songs und Vorbands haben nicht wirklich die Zeit dafür.
Eine Frage, die jeden deutschen Fan überaus interessiert: Wann kommt ihr endlich nach Deutschland? Kommt nach Berlin, dann gehen wir zusammen alken!
Wir machen das was wir machen schon sehr lange und hatten es auch angedacht nach dem Release von „Í Blóði Og Anda“. Doch aufgrund einiger Labelprobleme, konnten wir es nicht realisieren. Und nach Deutschland zu kommen ohne neues Album im Gepäck und ohne weitere Unterstützung und das als eine Band ohne Vertrag usw. – das zwang uns, es nicht zu tun. Aber nun haben wir ein neues Album draußen, auf das wir stolz sind und können es atmosphärisch rüberbringen. Wir sind mehr als bereit rüberzukommen für ein paar Konzerte. Das neue Album kommt in Deutschland im Januar raus, bleibt zu hoffen, dass es einigen so gefällt, dass sie uns unterstützen.
Ein durchschnittlicher musikliebender Europäer kennt vielleicht drei Bands aus Island: BJÖRK, SIGUR RÒS und natürlich SÒLSTAFIR – mir fällt da noch PÓSTHÚSIÐ Í TUVA ein. Äußere dich doch bitte mal zu den drei anderen Bands!
Was zur Hölle ist PÓSTHÚSIÐ Í TUVA? Ok, BJÖRK und SIGUR RÓS haben den internationalen Zuspruch bekommen, den sie auch verdienen. Wir sind vielleicht eine von vielen Rock Bands, die eine Liga drunter spielen. Manche machen ihre Arbeit gut, manche nicht. Wirklich coole Bands sind BRAIN POLICE, MÌNUS, NINE ELEVENS, IXXX…
Island ist das Land, in dem die meisten Bücher gelesen werden. Lest ihr wirklich soviel? Und welche Bücher habt ihr als letztes gelesen? Gibt es isländische Autoren die man antesten sollte?
Zur Zeit lese ich ein neues Buch über John Lennon. Ich habe einige Bücher über THE BEATLES gelesen, sodass ich viele Fakten über sein Leben kenne, aber es ist trotzdem immer wieder interessant. Testet mal Halldór Laxness an.
Island ist ein verdammt interessantes Land – was müsste man sich als Heide unbedingt anschauen wenn man Island bereist?
Ja, die Landschaft ist eine endlose und paradiesische Reise für die Augen. Einige dieser Plätze sind Landmannalaugar, Þinvellir, Dyrhólaey und Mývatnssveit (Dimmuborgir). Dann natürlich die Gletscher und die vielen Wasserfälle. Oder man kann auch einfach nur in einem Pub einen Íslenskt Brennivín trinken, das hat auch noch niemand bereut.
Dann was essentielles: Wie bestellt man sich auf isländisch eines eurer völlig überteuerten Biere?
Sag einfach „Bjór“, „Einn bjór“, oder „Tvo bjóra“ 1 oder 2.
Glaubst du an Trolle und Naturgeister? Ich habe gehört, dass es auf Island sogar eine Beauftragte für solche Phänomene gibt, die entscheidet, ob eine Straße oder ein Haus an einer bestimmten Stelle gebaut wird oder nicht.
Nein tu ich nicht. Naturgeister sind vielleicht ein etwas zu weiter Rahmen, aber es gibt Tausende von modernen Geschichten über Baufirmen, die neue Straßen anlegen und wenn diese Leute „spirituelle“ Steine verschoben, gingen Bulldozer und das Equipment aus irgendeinem unersichtlichen Grund kaputt.
Vorletzte Frage: Was bedeutet euch für Metal?
Die ultimative Garderobe für Musik.
So, ich danke dir für das Interview und übergebe das Wort an dich. Sag was dir beliebt!
Danke für die Unterstützung. Wir hoffen im Sommer ein paar deutsche Heavy Metal Bastards zu treffen. Úgg!
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