Solefald
Interview mit Cornelius zu "Black For Death"
Interview
Ein Jahr nach „Red For Fire“ vollenden die Norweger SOLEFALD mit „Black For Death“ die zweiteilige „Icelandic Odyssey“ und damit ein Meisterwerk, das nicht nur für das bisherige Schaffen des Duos ein Ausnahme bildet, sondern ebenso für den traditionellen Viking Metal. Extravagant waren SOLEFALD schon immer. Und unberechenbar. Bereits auf ihrem Debüt „The Linear Scaffold“ waren Genres für Lazare und Cornelius nichts weiter als nebensächliche Einteilungen, die man so leicht überwinden kann, wie einen Strich auf einer Landkarte. Und genau dieses Album ist heute präsenter den je. Diesen unbekümmerten Weitblick und die schrankenlose Experimentierfreudigkeit haben sich SOLEFALD bis heute bewahrt. Cornelius, die treibende Kraft hinter dem Duo, sprach über die beiden Konzeptalben. Der 27-jährige kosmopolite Norweger mit der beeindruckenden Vita, der hauptberuflich Schriftsteller ist, neben norwegisch und englisch auch französisch spricht und an der Pariser Sorbonne wissenschaftliche Papiere zu philosophischen Themen in drei verschiedenen Sprachen veröffentlicht, lebt seit kurzem in Berlin und hat im März sein neues Buch „Fagernorn. Quadra Natura 0111“ veröffentlicht. Trotz all dieser Meriten ist er ein äußerst freundlicher und zugänglicher Gesprächspartner, mit einer Menge zu erzählen.
Hast du dich in Berlin schon eingelebt?
Ja, ich gewöhne mich langsam an den Rhythmus der Stadt. Am Anfang habe ich in Wedding gewohnt, einem Stadtteil, der einem nicht unbedingt empfohlen wird. Es ist ein bisschen wie Neukölln. Jetzt lebe ich in Prenzlauer Berg, was mir um einiges besser gefällt. Ich bin sehr glücklich, in Berlin zu sein.
Was machst du eigentlich in Berlin? Arbeitest du dort?
Nein, das nicht. Von Beruf bin ich ja Schriftsteller, und damit kann ich arbeiten, wo immer ich will. In Berlin gibt es eine Menge gute Bibliotheken und eine lange Tradition in Literatur.
Kannst du von der Schreiberei leben?
Ja! Zur Zeit schon. Dadurch lebe ich derzeit ein sehr freies Leben ohne Verpflichtungen.
Jetzt wo dein Buch und das neue Album erschienen sind, wohl schon! Ihr habt „Black For Death“ in denselben Sessions aufgenommen wie „Red For Fire“, richtig?
Ja und nein. Die meisten Songs haben wir von Dezember 2004 bis März/April 2005 aufgenommen. Im Frühjahr 2005 haben wir sie dann abgemischt. Zwei Songs von „Black For Death“ wurden erst diesen Frühling aufgenommen und abgemischt. Im Juni wurde das Album dann letztendlich zusammengesetzt und gemastert. „Black For Death“ ist demnach noch ziemlich neu. Ich wurde schon einige Male gefragt, ob mir das Album nicht zum Hals heraushängt, aber das ist nicht der Fall. Der Song „Red For Fire, Black For Death“ existiert bereits seit 1999, kurz nachdem wir „Neonism“ veröffentlicht haben. Es ist ein ziemlich alter Song, der seither aber nie wirklich hineingepasst hat, da er zu schwarzmetallisch ist. Aus irgendeinem Grund haben wir ihn nicht auf „Pills Against The Ageless Ills“ verwendet, sondern ihn einfach herumliegen lassen. Wir haben ihn dann mit nach Island genommen und beschlossen, ihn auf einem der neuen, epischeren Alben zu verwenden. Der andere Song ist „Queen In The Bay Of Smoke“. Ich weiß nicht ob du mit unserem Demo-Tape vertraut bist. Zwei der Songs vom Demo haben wir auf unser Debüt übernommen, die anderen beiden wurden nie wieder verwendet. „Queen In The Bay Of Smoke“ ist eine Hälfte eines dieser Demo-Songs und wurde 1995 komponiert. „Black For Death“ beinhaltet somit sehr altes, aber auch ganz neues Material. Einige Stellen sind tatsächlich sehr old school.
„Black For Death“ erscheint mir eine Spur extremer als „Red For Fire“, was die Bandbreite der Stilistiken angeht. Dadurch ist das Album nicht ganz so leicht zugänglich wie sein Vorgänger, der mit Songs wie „Sun I Call“ oder „White Frost Queen“ stellenweise ziemlich eingängig war.
Das mag stimmen. Für mich ist es allerdings ein logischer Schritt. „Red For Fire“ war der erste Teil der „Icelandic Odyssey“ und unser erstes episches Album überhaupt. Auf „Red For Fire“ wollten wir ein neues Gesicht präsentieren. Bei „Black For Death“ sind die Leute schon damit vertraut. Hätten wir die beiden Alben andersherum veröffentlicht – also zuerst das experimentellere, dann das eingängigere – würde das für mich keinen Sinn machen.
Ich finde schon, dass ihr die Reihenfolge hättet verändern können. Es ist ja nicht so, dass eure Diskographie eine einheitliche Entwicklung offenbart. Bei SOLEFALD weiß man nie, was man kriegt. Man kann sich nur sicher sein, dass es etwas Besonderes und etwas Neues ist.
Das sollte ich eigentlich überhaupt nicht kommentieren. Das Unvorhersehbarste wäre es, etwas extrem Vorhersehbares machen zu wollen. Aber es stimmt schon, was du sagst. Niemand wusste jemals, was er von uns zu erwarten hat.
Wie hat sich deine Sicht auf das „rote Album“ in der Zwischenzeit verändert?
Ich höre mir meine eigenen Alben nicht oft an. Eigentlich nur kurz vor Veröffentlichung und wenn die Promotion losgeht. Wenn ich mir „Red For Fire“ allerdings anhöre, klingt es für mich absolut großartig. Was den ganzen Sound und die Kompositionen angeht, denke ich, dass es unser bestes Album ist. Ich liebe auch unsere ersten beiden Alben sehr, „In Harmonia Universali“ ist auch ziemlich gut, aber „Red For Fire“ bleibt einfach unser professionellstes und reifstes Album. Da gibt es nichts zu diskutieren. Die ersten beiden Songs gehen mir direkt ins Herz, und auch die Produktion ist… ich will nicht sagen zeitlos… aber doch genau das trifft es irgendwo. Wir haben keine Synthesizer verwendet, sondern echte Instrumente. Es gibt also keine Synths, die irgendwann einmal altbacken klingen werden.
Wie seid ihr eigentlich auf Garm [ULVER – Anm. d. Red.] gekommen, um ihn auf „Loki Trickster God“ singen zu lassen?
Seit Garm überhaupt Alben veröffentlicht, war er schon immer eine sehr chaotische Persönlichkeit, und nannte sich „Trickster“ und „Jester“. Auch sein Label heißt „Jester Records“. Er hat schon immer diesen bösen Clownscharakter gespielt. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund hat er noch nie Loki, den Gott des Chaos und der Unvorhersehbarkeit, gespielt. Ich habe diesen Text ganz speziell für Garm geschrieben. Er ist ein cooler Typ, wir kennen ihn beide und wir haben eine Menge gemeinsam mit ihm und ULVER. Sie haben zwar Jahre vor uns angefangen und SOLEFALD sind auch immer eine Spur konventioneller geblieben, aber dennoch gibt es einige Parallelen. Wir sind beide Teil der Osloer Szene.
Vom ersten Album, „The Linear Scaffold“, sagtet ihr, es sei „red music with black edges“. Jetzt gibt es mit den beiden Teilen der „Icelandic Odyssey“ ein rotes und ein schwarzes Album. Gibt es da einen Zusammenhang oder ist das nur Zufall?
Das ist überhaupt kein Zufall. Die „Icelandic Odyssey“ ist mit dem roten und dem schwarzen Album eine Erforschung der Kultur unserer Ahnen, der nordischen Vergangenheit und dem Zeitalter der Wikinger. Auf der anderen Seite ist sie eine Rückkehr zu den Wurzeln SOLEFALDs. Nicht nur aufgrund der Farben rot und schwarz, sondern auch wegen des Riffings und der primitiven, traditionellen Black Metal-Vocals. Auch insgesamt sind einige Songs wieder deutlich härter als noch auf „Pills Against The Ageless Ills“ und „In Harmonia Universali“. Auf den neuen Alben gibt es einige sehr ruhige, aber auch sehr harte Momente. In diesem Aspekt gehen wir zurück bis zu „The Linear Scaffold“. Bei SOLEFALD ging es immer um die Kombination dieser Extreme.
Mit Sicherheit. Wenn man sich all diese Alben ins Gedächtnis ruft, fallen einem kaum musikalische Einflüsse ein, die nicht zu SOLEFALD passen würden.
Da stimme ich dir zu. „Neonism“ war zum Beispiel quasi all inclusive. Mit der Zeit sind wir zwar etwas wählerischer geworden, was die stilistischen Einflüsse angeht, aber unser Weg ist mit „Black For Death“ noch nicht beendet. Es wird auch in der Zukunft Überraschungen geben, da bin ich mir sicher.
Für die Produktion auf Island habt ihr finanzielle Unterstützung von einem Songwriter-Fonds erhalten. Wie kam es dazu?
Ich habe diese Unterstützung schon öfter für die Texte erhalten, die ich schreibe. Das Geld in diesem Fonds kommt von den Lizenzgebühren, die für die Verwendung der Texte eingenommen werden. Das Geld fließt dann an die Künstler und Autoren zurück, um weitere Projekte finanzieren zu können. Es ist keine Entschädigung für illegales Downloaden, aber vom Prinzip her ähnlich. Es ist auch eine Art von Kompensierung für entgangene Einnahmen. Dieses Geld hat es uns erlaubt, nach Reykjavik zu fahren und unsere Musik zu schreiben.
Welche Musik hörst du dir persönlich an?
Ich habe einen etwas verspäteten Musikgeschmack. Wenn gerade wieder alle eine bestimmte Band toll finden, teile ich diesen Enthusiasmus nicht, was aber nicht heißt, dass ich die Musik nicht mag. Bei Büchern ist es genauso. Ich lasse erst ein paar Jahre verstreichen, was bedeutet, dass ich gerade frühe RADIOHEAD und SIGUR RÓS mag. Ich entdecke gerade diese Ambient-Bands. 1999 und 2000 fand jeder RADIOHEAD toll. Ich habe mir damals einen Song angehört und dachte nur „Aaach, komm!“, aber heute entdecke ich, worum es eigentlich geht. Um mich herum spricht heute keiner mehr von diesen Bands, sodass ich sie irgendwo für mich allein habe. Das gefällt mir. Worauf ich auch sehr stehe – auch wenn sie sehr populär sind – sind MUSE.
Suchst du eine Art Intimität mit der Musik, die du nicht hast, wenn jeder darüber spricht?
Ja, vielleicht ist es das. Oder es ist eine Art Ego-Komplex. MUSE sind da eine Ausnahme. Sie sind überall in den Medien, ich kaufe ihre Alben und denke, sie sind großartig. Bei anderen Bands ist es allerdings tatsächlich so, dass ich mir die Alben erst kaufe, wenn der Hype vorüber ist. Wenn ich mir dann ein Album kaufe, bedeutet es, dass mich niemand dazu drängt. Mit SOLEFALD ist es ganz ähnlich. Wir verkaufen zwar einige Alben während der Promo-Phase, aber auch einige ein paar Jahre danach. Die Leute kaufen unsere Alben sehr regelmäßig, die Promo-Kampagne generiert nur einen kleinen Teil unserer Verkäufe.
Und das obwohl ihr schon ewig nicht mehr live gespielt habt. Ihr habt in eurer gesamten Laufbahn nur eine einzige Tour gespielt – und die ist über zehn Jahr her…
Stimmt! Wir haben damals hauptsächlich in Deutschland getourt und es gibt eine ganz nette Anekdote dazu. Der letzte Gig dieser Tour war in Stuttgart und ich bin in Baggy-Pants auf die Bühne gegangen, sah also ziemlich nach HipHop aus. Bei einem Song ist mir eine Saite gerissen und beim darauffolgenden dann gleich die nächste an der anderen Gitarre. Ein paar Tage nach Ende der Tour habe ich gehört, dass jemand von Nuclear Blast im Publikum war und unserem damaligen Label Avantgarde Music gesagt hat „wenn SOLEFALD so weitermachen, zerstören sie sich noch selber“ [Cornelius zitiert das in einem übertrieben ernsten Tonfall – Anm. d. Red.]. Vielleicht hatte er damit sogar recht. Wir haben uns zwar nicht selber zerstört, aber sicher auch nicht gerade einen guten Eindruck hinterlassen. Trotzdem haben wir gute Erinnerungen an diese Tour mit HAGGARD und TRISTANIA.
Werdet ihr irgendwann noch einmal touren, oder habt ihr Angst, euch tatsächlich zu zerstören?
Nein, selber habe ich nicht wirklich Angst davor. Aber es wäre sicher ein Risiko. Mit unserem Status als Band würde uns niemand eine schlechte Show verzeihen. Es würde eine lange Vorbereitung und nicht wenige sehr fähige Musiker erfordern. Und da wir in unterschiedlichen Ländern leben, ist es im Moment schwierig, das zu realisieren. Mit 20 haben wir uns darum keine Sorgen gemacht – wir konnten einfach rausgehen und spielen. Aber jetzt haben wir einen Ruf zu verlieren. Lazare macht sich darüber Gedanken und ich kann von mir auch nicht behaupten, dass es mir egal wäre. Ich sage nicht, dass wir nie wieder auf Tour gehen, aber das wird sehr lange vorher geplant werden müssen.
Es wäre schade, wenn es eure Musik nie auf der Bühne geben würde.
Finde ich auch! Mittlerweile liegen sechs Alben auf dem Tisch und niemand wird sagen, dass keiner der Songs Live-Qualitäten hat. Im Gegenteil: wir haben eine Menge. Aber wir brauchen halt den richtigen Anlass und die richtige Vorbereitung.