Soilwork
Interview mit Speed
Interview
„The Panic Broadcast“, die neue Scheibe der einstigen Szene-Vorreiter SOILWORK, dürfte nicht wenige Kritiker, die nach der letzten Scheibe das Interesse an der Band verloren hatten, wieder zurück ins Boot holen. Nicht zuletzt die Rückkehr von Gitarrist und Hauptsongwriter Peter Wichers dürfte dafür verantwortlich sein, dass das Songmaterial wieder wesentlich überzeugender klingt als zuletzt. Für Sänger Björn „Speed“ Strid ist das neue Album sogar das beste seit „Natural Born Chaos“, wie er uns im Interview verriet.
Hallo, Speed, wie geht es dir?
Mir gut es super und selbst?
Danke, mir auch, nachdem das Wetter hier jetzt endlich mal besser wurde und der Sommer endlich da ist. Wie ist das Wetter denn in Schweden?
Ziemlich perfekt. Sonnig und warm, aber nicht zu heiß.
Lass uns direkt zur Sache kommen, eure neue Scheibe nämlich, „The Panic Broadcast“. Ihr habt sicherlich schon ein paar Reaktionen erhalten, wie sind die denn bisher ausgefallen?
Fantastisch würde ich sagen. Viele Leute sind sozusagen weggeblasen worden und haben so eine wütende Scheibe nicht mehr von uns erwartet. Und keine, die so vielseitig ist.
Ich finde auch, obwohl Sworn To A Great Divide eine gute Scheibe war, die ein paar starke Songs am Start hatte, haben einige typische SOILWORK-Trademarks ein bisschen gefehlt. Die Dinge, die euch seinerzeit zu Vorreitern dieses Stils gemacht haben. Mit der Rückkehr von Peter sind auch all diese Trademarks wieder da und das Album klingt wie eine Zusammenfassung von allem, was ihr bisher gemacht habt. War die Rückkehr von Peter ein Hauptgrund dafür, dass die Scheibe so klingt, wie sie klingt?
Das ist schwer zu sagen. Er hat natürlich eine sehr spezielle Art, Songs zu schreiben. Es hat sicher auch damit zu tun, dass die letzte Scheibe sehr basisorientiert war und wir das progressive Element der Natural Born Chaos- und A Predator’s Portrait-Ära zurückbringen wollten. Dieses Gefühl wollten wir einfangen, ohne einfach NBC Part II zu machen. Jedes Bandmitglied hat auf dem Album viele Freiheiten und wir wollten uns einfach stilistisch wieder etwas öffnen. Das war sozusagen der Plan.
Ich habe auch gehört, dass euer neuer Gitarrist Sylvian enormen Einfluss aufs Songwriting hatte?
Genau, er hat vier Songs geschrieben. Er hat einen anderen Ansatz als Peter und das hat die ganze Sache noch viel interessanter gemacht. Die Scheibe ist eine gute Mischung aus seinem Stil und dem von Peter. Ich habe auch noch ein paar Riffs geschrieben.
Hat Peters Arbeit als Produzent denn die Art beeinflusst, wie ihr an der Scheibe gearbeitet habt? War es für euch vielleicht teilweise einfacher, eure Ideen umzusetzen?
Es ist natürlich großartig, einen Produzenten in der Band zu haben. Nachdem wir Warrel’s Soloscheibe und ein paar der neuen NEVERMORE-Songs gehört hatten, waren wir überzeugt davon, dass Peter seine Aufgabe gut erledigen würde. Und das war auch der Fall. Es lastete auch etwas Druck auf ihm, denn er musste die neuen Songs soundtechnisch gut umsetzen, gleichzeitg war er an den Kompositionen beteiligt. Das Ergebnis seiner Arbeit ist nun die meiner Meinung nach am besten klingende SOILWORK-Scheibe überhaupt.
Da bin ich geneigt zuzustimmen. Die Scheibe klingt wesentlich natürlicher als ein Teil eurer älteren Alben, besonders dein Gesang.
Richtig, wir haben beim Gesang diesmal komplett auf Effekte und dergleichen verzichtet. Man kann den Gesang nun viel besser fühlen, wenn man so will.
Ein paar der Songs des neuen Albums scheinen einen ordentlichen 80er-Prog-Rock-Vibe zu haben.
Echt? Das ist interessant.
Ich glaube in einem Rock Hard-Interview hast du gesagt, dass der Mittelteil von „Night Comes Clean“ dich sehr an RUSH erinnern würde. Habt ihr solche Parts bewusst als neues Element integriert?
Och, richtig bewusst geschah das glaube ich nicht. Wir haben nicht an bestimmte Bands oder einen bestimmten Stil gedacht. Wir wollten wie gesagt diesen progressiven Vibe unserer Frühwerke wieder einfangen, dabei aber trotzdem auf den Punkt kommen. Diese Elemente sollten nicht zum Selbstzweck verkommen. Wir sind als Songwriter sehr gewachsen und können uns mittlerweile auf so viele verschiedene Arten ausdrücken. Das Album ist gleichzeitig eingängig und progressiv, sehr intensiv, aber auf eine bestimmte Art auch sehr direkt. Das ist schwer zu erklären, aber ich hoffe du weißt, was ich meine, haha. Wir haben eine gute Balance gefunden, und diese Balance zu finden war der Schlüssel zu dem Album.
Ihr hattet schon immer sehr viele verschiedene Elemente in eurer Musik, die komplexen Riffs, die eingängigen Melodien, das Screaming – wie kreiert ihr diese Songs eigentlich? Gibt es einzelne Parts, die ihr dann zusammenpuzzelt oder schreibt ihr immer so lange an einem Song, bis er fertig ist?
Das ist unterschiedlich. Manchmal haben wir ein Riff und bauen den Song darum auf. Dann hat vielleicht Peter noch eine Idee, oder Sven (Keys, der Verf.) möchte etwas hinzufügen. Wir kennen uns mittlerweile sehr gut und obwohl wir so unterschiedliche Backgrounds haben klappt das mittlerweile wie von alleine, weil wir schon so lange zusammen in der Band spielen. Unsere Alben klingen dadurch schon fast persönlich.
Für euch muss das doch sehr schwer sein, neue Ideen zu integrieren. Zu Zeiten von NBC wart ihr eine der ersten Bands, die sich an diese Kombination aus Aggressivität und Melodie herangetraut haben, heute gibt es so viele Bands, die das Gleiche machen. Stört euch das manchmal, dass es immer noch eine weitere Band gibt, die sich an dem versucht, was ihr damals mitgestartet habt?
Ja, ich glaube wir gehörten zu den Originalen und später kam die ganze Metalcore-Szene hinzu. Ich finde viele dieser Bands sehr vorhersehbar. Die habe dann eine Strophe in der geschrien wird und einen clean gesungenen Refrain und das war’s. Wir haben es denke ich immer geschafft, das Ganze interessant zu gestalten und haben mit jedem Album neue Dinge ausprobiert. Wir möchten nicht, dass diese Struktur aufgezwungen klingt, wir geben dem Song, was er verdient.
Bei den Keyboards ist mir diesmal aufgefallen, dass ihr auch da scheinbar einen anderen Ansatz gewählt habt. Früher klang es oft so, als ob die durchaus interessanten Effekte nachträglich zum Song hinzugefügt wurden, was dem Ganzen natürlich mehr Tiefe verlieh. Diesmal scheint Svens Einfluss wesentlich mehr ein elementarer Bestandteil der Songs zu sein.
Richtig. Svens Keyboards werden immer mehr ein Teil des eigentlichen Songs und klingen nicht mehr so „hinzugefügt“ wie das früher manchmal der Fall war. Es passiert viel ihm Hintergrund, ist aber mehr Teil der Komposition an sich, da hast du Recht.
Hast du Lieblingssongs auf der neuen Scheibe?
Da gibt es ein paar. Das Album ist zwar sehr konstant und gleichbleibend gut finde ich, aber ich liebe zum Beispiel den Opener und „Let This River Flow“, auf den ich sehr stolz bin. „Epitome“ ist auch ein sehr interessanter Track und für mich sehr herausfordernd. Einer der interessantesten Songs, die wir je gemacht haben. Da gibt es fast keine Screams, dafür gibt es auf dem Album auch ein paar Songs, bei denen ich fast nur rumschreie. Das war mir wichtig, nicht zu viel nachzudenken und das Gefühl einfach einzufangen. Das macht „The Panic Broadcast“ auch insgesamt so spannend.
Wie schwer ist für dich, die Songs live zu singen? Du musst oftmals innerhalb von weniger als einer Sekunde zwischen harten Schreien und Ohrwurmmelodien wechseln. Gibt es Songs, die du live nicht umsetzen kannst oder achtest du darauf, dass die Songs immer umsetzbar bleiben?
Ich versuche ehrlich gesagt, darüber nicht allzu sehr nachzudenken, da ich mich nicht limitieren möchte. In der Regel klappt die Live-Umsetzung gut, es ist aber viel Übung nötig. Das viele Touren hat auch dazu beigetragen, meine eigene Stimme besser kennen zu lernen. Ich mag aber die Herausforderung bei jedem Album, mir das auch selbst immer wieder beweisen zu müssen.
Einige eurer wichtigsten Alben wurden veröffentlicht, als ihr noch sehr jung wart. Seid ihr nun an einem Punkt, wo es euch eher darum geht, euren eigenen Stil eher zu verteidigen und euch auf gutes Songwriting zu konzentrieren, oder seid ihr immer noch bestrebt, innovativ zu sein und den Hörern etwas Neues zu bieten?
Das ist wie eine stetige Reise. Ich könnte mich niemals hinsetzen und sagen „ok, jetzt haben wir unseren Stil gefunden, lass uns nun darauf konzontrieren“. Das würde bei uns nicht funktionieren. Wenn man in so jungem Alter eine Band gründet ist es so, als ob man mit ihr aufwächst. In diesen Jahren ist so viel passiert, was sich dann auch auf die Musik ausgewirkt hat. Das war also immer eine natürliche Entwicklung. Es ist ein Unterschied, ob man 18 oder 32 ist, und diesen Unterschied hört man auch. Ich finde es gut, dass man auf diese Weise seine Persönlichkeit in die Musik packen kann und mit der Musik und der Band mitzuwachsen.
Gibt es bezüglich der Texte etwas, was du herausstellen möchtest? Die meisten davon dürften ja von dir stammen.
Peter hat diesmal sehr viel ausgeholfen. Es geht im Grunde darum, wie man sich von seinen eigenen Gedanken manchmal übers Ohr hauen lässt, um Missverständnisse und panische Zustände. Ich habe viele Erfahrungen dieser Art verarbeitet.
Gibt es einen Song, der für dich eine besondere Bedeutung hat?
Schwer zu sagen. Eigentlich sind alle wichtig, denn die letzten drei Jahre waren ziemlich verzwickt. Es waren sicherlich die schwersten drei Jahre meines Lebens. Es ist sehr gut, dass ich diese Dinge auf diese Art verarbeiten konnte. Für mich fühlt es sich fast so an, als sei das ganze Album ein einziger Song, weil es sich mit den gleichen Themen befasst.
Als Peter die Band verlassen hat, war es da schon klar, dass er vielleicht eines Tages zurückkommen würde oder dachtet ihr sein Abschied sei endgültig?
Um ehrlich zu sein, habe ich nicht daran geglaubt, dass er zu SOILWORK zurückkehren würde. Er wollte nicht mehr touren, war nicht mehr wirklich heiß auf das ganze Ding. Er hatte andere Dinge im Kopf, ist Vater geworden und konnte sich ein bisschen entspannen. Ich glaube, dass genau dadurch wieder viel in ihm geweckt wurde. Er sieht auf die Band jetzt von einem anderen Blickwinkel. Damals hab ich nicht an seine Rückkehr geglaubt, aber wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass es letztlich doch dazu kam.
Wie schwierig war die Situation für euch, als einer eurer wichtigsten Songwriter von Bord ging? Als ihr beweisen musstet, dass es auch ohne ihn geht?
Sein Abgang hat mich traurig gemacht, und es war nicht einfach. Peter und ich haben SOILWORK immerhin gegründet. Nach einer Weile hab ich das aber als Herausforderung angesehen und gedacht, dass es die Band vielleicht sogar noch weiter nach Vorne bringen kann. Es kommt immer darauf an, was man aus solchen Situationen macht. Wir haben dann ja auch ein gutes Album auf die Reihe gebracht. Als es dann auf Tour ging hab ich ihn aber am meisten vermisst. Da hat etwas gefehlt, als er nicht mit auf der Bühne stand und so weiter. Seine Rückkehr kam uns insgesamt also auf verschiedene Art sehr gelegen.
Was ich dich jetzt gerne mal als schwedischer Musiker fragen würde: Gemessen daran, dass Deutschland etwa 80 Millionen Einwohner hat und Schweden nicht mal 10 Millionen, ist es schon erstaunlich, wie viele Bands es wirklich in Schweden gibt, die Metal spielen. Es vergeht ja keine Woche, an der nicht mindestes eine neue schwedische Band auftaucht. Woher glaubst du kommt diese Begeisterung für Musik in eurem Land?
Das ist nicht mal nur im Metal so. Auch Popmusik oder was Songwriter angeht. Ich weiß, dass Schweden die bestbezahltesten Songwriter außerhalb der USA hat. Von den bestbezahlten kommen irgendwie acht von zehn aus Schweden. Das ist schon Wahnsinn. Ich weiß aber nicht wirklich, warum, haha. Vielleicht sind es die Musikschulen, die wir hier haben. Die sind sehr gut und man macht schon sehr früh Bekanntschaft mit Musik. Ich weiß nicht, ob es damit zusammenhängt, vielleicht ist es auch einfach in unserem Blut (lacht).
Gibt es noch etwas, was du denen, die nach der letzten Scheibe vielleicht das Interesse verloren haben, mitteilen möchtest?
Ja, ich glaube, dass ein paar von denjenigen, vielleicht wieder Zugang zu uns finden können. Ich war seit „Natural Born Chaos“ nicht mehr so stolz auf ein Album, und das ist wirklich die Wahrheit. Wir haben es geschafft, etwas zu kreieren, was auf einigen Alben vorher nicht da war, es ist fast schon wie ein Statement.
Sicherlich ist es das reifste Album, das ihr je gemacht habt, man hört beim direkten Vergleich mit den früheren Werken die Entwicklung, die ihr durchgemacht habt.
Da stimme ich dir vollkommen zu.
Wann kommt ihr denn nach Deutschland?
Im Oktober oder November wird es voraussichtlich eine Tour geben.
Dann sehen wir uns da sicherlich. Ich wünsche dir und der Band alles Gute, Danke für das Interview und ein tolles Album.
Vielen Dank. Ich werde jetzt noch ein bisschen Fußball schauen. Schweden konnte sich ja leider nicht für die WM qualifizieren, deswegen drücke ich unseren Nachbarn Dänemark die Daumen. (die dann auch just an dem Abend ausschieden – d. Verf.)
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