Soilwork
im Gespräch zu "A Whisp Of The Atlantic"

Interview

SOILWORK haben kürzlich mit „A Whisp Of The Atlantic“ eine neue EP an den Start gebracht. Der Titeltrack ist mit seinen knapp siebzehn Minuten Laufzeit ein wahrer Melodic-Death-Metal-Brocken, der erst einmal geschluckt werden muss. Gitarrist David Andersson setzte sich virtuell mit uns zusammen, um die Hintergründe der Scheibe zu erläutern. Als hauptberuflicher Arzt lässt er uns zudem noch ein Stück tiefer in die derzeit leider immer noch allgegenwärtige Pandemie blicken.

Wieso kamt ihr auf die Idee, zwischen zwei Alben eine EP zu veröffentlichen?

Wieso nicht? (lacht) Wir hatten keine großen Pläne. Nach dem letzten Album „Verkligheten“ hatten wir eine gute Atmosphäre in der Band mit unserem neuen Line-up. Ich dachte, es wäre zu schade, ein paar Jahre nichts zu tun. Also schrieb ich „Feverish“, „Desperado“ und „Death Diviner“ als Stand-Alone-Singles und ich dachte mir ein Videokonzept mit einer Storyline aus. Dann kam die Pandemie und unsere Festivals wurden alle abgesagt. Also dachte ich, wir könnten ja noch mehr Kram aufnehmen.

Seit langer Zeit hatte ich die Idee, dass es echt Spaß machen würde, einen richtig epischen, progressiven Song mit SOILWORK zu schreiben, weil die Leute das von uns nicht erwarten. So schrieb ich „A Whisp Of The Atlantic“. In der Zeit, in der wir sonst die Festivals gespielt hätten, haben wir dann ein Studio gebucht und den Song und „The Nothingness And The Devil“ aufgenommen. Nuclear Blast hatte dann Interesse daran, sie als Vinyl-EP zu veröffentlichen. Da alle Songs durch ein gemeinsames Konzept verbunden sind, kam es gut zusammen. Es ist eine nette Ergänzung unseres Backkataloges.

„A Whisp Of The Atlantic“ ist euer längster und epischster Song. Gab es einen bestimmten Grund oder eine bestimmte Motivation, solch ein Lied zu schreiben?

Nein, es hat einfach Spaß gemacht. (lacht) Ich höre viel progressiven Rock wie YES und GENESIS und als Songwriter ist es immer eine Herausforderung, etwas zu schreiben, was Hörende so lange bei der Stange hält. Und ich denke, das haben wir mit „A Whisp Of The Atlantic“ geschafft. Es geht einfach um den Spaß daran und darum, mit der Musik neue Bereiche auszuloten.

Was ist die Idee hinter dem Musikvideo zu „A Whisp Of The Atlantic“?

Das Konzept des Songs ist, wie man mit der Entfremdung umgeht, die jeder fühlt, wenn sich die Welt verändert. Die Welt in der wir heute leben, ist komplett anders als die Welt vor einem Jahr. Ich hatte diese Vision einer Frau aus Atlantis, die in unsere Welt kommt und versucht, mit all der neuen Information und den neuen Eindrücken klarzukommen.

Zudem geht es darum, dass nichts für ewig währt und dass man versuchen sollte, sich die speziellen Momente des Lebens zu bewahren und das Meiste aus ihnen zu machen. Das Leben ist größtenteils recht langweilig, aber manchmal gibt es diese magischen Momente, die man oft nicht wahrnimmt, bevor sie schon wieder vorbei sind. Es geht also um diese flüchtige Existenz von Glück und Magie in einer sonst deprimierenden Welt.

Werdet ihr das Lied live aufführen, entweder später auf der Bühne oder im Livestream?

Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Wir haben einen Stream mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA gemacht, welcher Spaß gemacht hat. Aber ich denke mit SOILWORK müsste ein Livestream etwas extravaganter sein, weil es schwer ist, das Gefühl des Konzertes rüberzubringen, wenn du nur auf der Bühne stehst und spielst. Aber wir werden sehen.

Im Januar gehen wir mit SOILWORK zurück ins Studio, um das nächste Album aufzunehmen. Da ich nicht denke, dass vor Ende 2021 Tourneen oder Festivals stattfinden werden, werden wir einfach damit weiter machen, Dinge aufzunehmen und zu veröffentlichen. Hoffentlich werden unsere Fans sich unterhalten fühlen und es gut finden, dass wir Musik produzieren und sie aus der Ferne unterhalten.

Wie gehen SOILWORK mit der Pandemie um?

Ich bin Arzt in einem Krankenhaus in Stockholm, also habe ich tagtäglich damit zu tun. Wir haben Glück, dass wir uns immer noch treffen können und Musik aufnehmen können. Selbst als Arzt habe ich keine Idee, wie es alles am Ende ausgehen wird, also versuche ich nur, bescheiden zu sein. Hoffentlich geht alles vorüber.

Normalerweise plant man einen Albumrelease um eine Tour herum und gerade können wir das nicht erwarten. Also ist das einzige, was wir tun können, mehr Musik zu erschaffen. Wir haben alle Spaß im Studio, wir beenden gerade die Arbeit an einem neuen THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA-Album, welches vor kommendem Sommer erscheinen wird. Dann werden wir nach dem Sommer das neue SOILWORK-Album veröffentlichen. Alle Liveshows, die wir spielen können, sind nächstes Jahr ein Bonus, der obendrauf kommt. Aber eine ausgiebige Tour wird erst geschehen können, denke ich, wenn die meisten geimpft sind.

Ich denke auch, dass wir noch eine Weile mit der Situation leben müssen. Es ist in diesen Zeiten vermutlich viel schwerer geworden, als Arzt zu arbeiten, oder?

Die Sache, die Covid-19 von der Grippe unterscheidet, ist eigentlich, dass die Leute über so einen langen Zeitraum krank werden. Wenn du eine normale Grippe bekommst, bist du vielleicht eine Woche krank, mit Covid-19 kann es sein, dass du für sechs Wochen Sauerstoff brauchst. Es dauert einfach länger. Ich hatte es selber im März und ich war knapp einen Monat krank. Das ist ein großer Grund, warum es so eine Belastung für das Gesundheitssystem ist.

Viele Leute reden über die Sterberate, aber die ist im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten gar nicht so hoch, aber die Länge der Krankheit und die Symptome können sich über einen Monat ziehen und dann liegst du halt auch einen Monat im Krankenhaus. Das ist etwas, das die Krankheit von den meisten Atemwegserkrankungen unterscheidet.

Zurück zu fröhlicheren Themen. Was sind deine drei Lieblingssongs von SOILWORK und warum?

Die ich selber geschrieben habe, oder…?

Wie du möchtest.

Von denen, die ich selber geschrieben habe zum einen „Stålfågel“. Er ist richtig catchy und ein Livefavorit. Er hört sich ein bisschen an wie ABBA goes Death Metal. Wenn ich einen Song schreibe, versuche ich immer, etwas Neues zu erschaffen, was man so noch nicht gehört hat und mit „Stålfågel“ ist mir das gut gelungen.

Dann bin ich sehr stolz auf „A Whisp Of The Atlantic“, weil ich lange, epische Lieder mag und der sehr gut geworden ist.

Wenn ich in die Zeit zurück gehe, als ich noch nicht in der Band war, finde ich „Bastard Chain“ immer noch großartig. Es ist eine Art Redneck-Roadmovie-Song mit Death Metal dabei. Ich liebe AC/DC und „Bastard Chain“ ist eine Art Death-’n‘-Roll-Song mit progressiven Einflüssen. Es macht auch total viel Spaß, den live zu spielen.

Welche Ziele haben SOILWORK noch offen? Was möchtest du noch erreichen?

Auf einem persönlichen und kreativen Level bin ich sehr dankbar, dass ich Musik auf einem professionellen Level mit diesen tollen Musikern schreiben darf. Dadurch, dass ich einen Job habe, brauche ich die Musik nicht, um Miete zu bezahlen, ich mache es nur, weil ich Spaß daran habe.

Mein Traum beim Aufwachsen war es, ein professioneller Rockmusiker zu werden, der Gitarre spielt und Alben veröffentlicht. Ich bin nun in der Lage, das zu tun und ich bin immer noch dankbar dafür. Mein Ziel für SOILWORK ist, so lange damit weiter zu machen, Musik zu machen, bis es nichts mehr zu sagen gibt. Ich habe eigentlich die meisten Ziele im Leben erreicht.

Natürlich wäre es cool, wenn man viel Geld verdient und durch das Musikmachen reich wird. Aber das wird eher nicht passieren. Wir haben eine fantastische Fanbase, unser Merch wird gekauft und vielleicht wachsen wir noch ein bisschen, aber wir sind halt nicht METALLICA. Wir sind auf einem großen Label, verkaufen eine gute Menge an Alben und unsere Konzerte sind gut besucht. Was könnte ich mehr verlangen? Es ist schon viel mehr, als ich als Kind mir erträumt habe. Wir haben totale kreative Freiheit, wir können tun, was wir wollen und haben dabei viel Spaß.

Danke dir für deine Zeit und auch für deine Arbeit in dieser schwierigen Zeit. Wenn du noch was aus deinem System spülen möchtest, ist jetzt die Zeit dafür!

Wir haben eine Weihnachtssingle mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA namens „Paper Moon“ veröffentlicht. Wenn ihr in Weihnachtsstimmung kommen wollt, hört euch das Lied auf YouTube oder in den Streamingservices an. Es ist ein wirklich schöner Song und er wird euch vielleicht auch eine Träne entlocken.

Galerie mit 29 Bildern: Soilwork - Rising From The North Tour 2024 in Frankfurt
Quelle: Interview mit David Andersson
17.12.2020

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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