Soilwork
Der Kapitän meiner Gedanken
Interview
Mit dem Titel „Verkligheten“ setzen SOILWORK ein deutliches Zeichen. Sich ein schwedisches Wort für diese Veröffentlichung auszusuchen passt, wie die bekanntliche Faust aufs Auge. Sich wieder mehr auf die ureigenen Wurzeln besinnend, steht eben dieses Wort für den aktuellen Sound der skandinavischen Melodic Death Metal- Schmiede. Unvermittelt. Pur. Wirklich. Nach Veränderungen in der Band galt es sich Zeit zu nehmen und eben diese Veränderungen zu nutzen, neue Synergien wirken zu lassen. Das Ergebnis ist „Verkligheten“. Frontmann Björn „Speed“ Strid, der sich aktuell auf Tour mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA befindet, nimmt sich etwas Zeit, um mit mir über die neue Scheibe und was sie für ihn persönlich bedeutet, zu sprechen.
Hey „Speed“. Zu erst einmal möchte ich dir bzw. euch gratulieren. Ich habe vor einigen Tagen gelesen, dass die im Januar startenden Tour mit AMOPRHIS, JINJER und NAILED TO OBSCURITY bereits in einigen Städten ausverkauft ist. Scheint sehr gut zu laufen bei euch.
Offensichtlich. Danke. Ja. Wow. Das wird eine harte Zeit für mich. Ich bin gerade noch unterwegs mit THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA, dann habe ich eine kurze Feiertagspause und dann geht es direkt weiter mit der SOILWORK-Tour im Januar. Aber ich liebe es (lacht).
Lass uns etwas über „Verkligheten“ reden. Ich gebe zu, ich hab es nicht so mit dem schwedisch und weiß komplett nicht, wie man das Wort ausspricht.
Oh. Das ist nicht schwer (an dieser Stelle bringt mir „Speed'“ kurz die korrekte Aussprache des schwedischen Wortes bei, indem er es ganz langsam ausspricht und mich nachsprechen lässt). „Verkligheten“ ist vergleichbar mit dem deutschen Wort Wirklichkeit.
Ah danke. Das Album betitelt sich mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine Art eigene Wirklichkeit handelt. Eure Art Wirklichkeit. Was steckt dahinter?
Auf dem Album arbeiten wir sehr stark mit unterschiedlichen Kontrasten. Gerade im Bereich der Lyrics, einige sind sehr realistisch, andere eher fiktiv. Der Name spukte uns schon vor Jahren im Kopf herum, aber ihn damals zu verwenden, passte irgendwie nicht. Diesmal passt der Name aber ganz genau zu der Musik. „Verkligheten“ ist verträumt aber gleichzeitig auch sehr, wie sage ich es am besten, ja bodenständig. Sehr realistisch. Aber, hey, das Album einfach nur „Reality“ zu nennen, wäre irgendwie eher uninteressant gewesen (lacht) und deshalb „Verkligheten“. Und außerdem sieht das Wort auf dem Album echt gut aus (lacht).
Haha. Absolut. Beim ersten Hören dachte ich sofort: Wow, das Ding ist aber sehr leicht zugänglich, noch melodischer als im Vergleich z.B. zu „The Ride Majestic“. Gleichzeitig bekommt es durch die ernsten Lyrics eine gewisse Tiefe. Lag der Fokus diesmal bewusst darauf, auf diese Art die Menschen „einzufangen“?
Schwer zu sagen. Ich glaube es war einfach vom Gefühl her an der Zeit sich dem jetzt so hinzugeben. Wir haben diesmal bewusster mit einzelnen Elementen gespielt. Das Album ist weniger groove-orientiert sondern pusht mehr vorwärts, alleine schon durch die rasanten Drummingparts. Gleichzeitig sind wir aber auch durch Rockbeats und Heavy Metal-Sound supermelodisch unterwegs. Sicherlich wird es einige überraschen. Aber das ist das,was es irgendwo ausmacht: Wir wollen uns aber auch den Zuhörern überraschen. Wir wollten diesmal etwas weiter weg vom US-Metal-Sound und mehr nach skandinavischen Metal klingen. Weniger Groove als zum Beispiel bei „Sworn To The Great Devide“. Klar stehen wir auch noch heute hinter dieser Veröffentlichung, aber es fühlte sich diesmal so an, als wären wir eben das nicht mehr. Als wäre es nicht das, wo wir aktuell stehen. Man hört oft so Fragen wie: „Könnt ihr mal wieder ein Album herausbringen, das wie früher klingt?“ Aber das funktioniert nicht für uns. Im Zuge der ganzen Veränderungen haben wir uns diesmal für einen Stil entschlossen, der weitaus mehr Druck hat, sehr präsent im Sound ist und mehr zupackt.
Sicherlich hat hierbei auch der neue Drummer Bastian Thusgaard einiges dazu beigetragen?
Oh ja. Bastian unterstützte uns in der Vergangenheit ja schon als Tour-Drummer und währenddessen hatten wir viel Zeit uns richtig kennen zulernen, bevor wir mit dem Schreibprozess für das neue Album begannen. Das war wichtig. Dieselbe, persönliche Ebene zu finden. Bastian liefert diese abgefahrenen, technisch-raffinierten Drummings, beherrscht aber natürlich auch das klassische Drumplay. Seine Art und seine Ideen sind sehr inspirierend und ich bin sehr beeindruckt von ihm, was er mit seinen knapp 26 Jahren auf dem Kasten hat (lacht). Aber letztendlich hinterlässt jeder von uns auf seine Art einen Fußabdruck auf einer neuen Veröffentlichung. Sven mit seinem Keyboard schafft es zum Beispiel innerhalb eines Songs die Stimmungen aufzufangen und gleichzeitig zu verändern. David und ich haben diesmal die kompletten Texte geschrieben, was sich einfach so entwickelt hat, ohne große Absprachen. Ja, jeder hat einen großen Teil dazu beigetragen.
„Verkligheten“ ist auch sowas wie eine Zuflucht vor der Wirklichkeit, eine Zuflucht vor harten Zeiten. Welcher Teil von „Verkligheten“ beschreibt das Thema “harte Zeiten”am besten?
Oh krass. Gute Frage. Ich glaube, wir haben hier im allgemeinen ein sehr gutes Bild darüber gezeichnet, wie wichtig es ist der Boss (lacht) oder ja Kapitän deiner eigenen Gedanken zu sein. Das ist eine Sache, die ich selber über die Jahre hinweg lernen musste. Verstehst du was ich meine?
Du meinst, sich nicht unnötig in Gedanken zu verrennen?
Genau. Und das ist ein täglich und ständiger Kampf, sich selbst nicht zu sehr in etwas zu verbeißen, sich nicht zu sehr zu hinterfragen, nicht zusehr mit seinen eigenen Gedanken zu kämpfen. Sicherlich gibt es Gedanken, die es wert sind und wichtig sind, sie zu hinterfragen, aber gleichzeitig musst du auch in der Lage sein, los zulassen und darfst dich nicht unnötigerweise in etwas zu vergraben. Ich war jahrelang gefangen und gelenkt von dem, was in meinem Kopf vorgeht. Aber am Ende habe ich gelernt, dass nur ich alleine der Herr bin über dessen, was in meinem Kopf passiert. Heute fällt mir das Loslassen sehr viel leichter.
In der akuellen Single-Auskopplung „Full Moon Shoals“ geht es darum sich in einer Blindheit zu verlieren? Auch ein Kampf, den du mit dir ausmachst?
Ja, auch hier handelt es sich mehr um eine persönliche Reflektion und dem Umgang mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten, die in einem schlummern. Also wenn ich mich selbst betrachte, gibt es da die melancholische Seite, die aufgeregte Seite, die ernste Seite, etc. Und hauptsächlich geht es darum,nicht einer Seite zuviel Aufmerksamkeit zu schenken. Du fragst dich selber: „Warum tue ich mir das an? Es gibt doch so vieles, was mich ausmacht.“ Die eigenen “Features”, die man hat, aber nicht nutzt (lacht). Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, um als Person zu reifen, zu wachsen, sich wohl zufühlen, und um die Augen mehr für das Positive um einen herum, zu öffnen.
Weise Worte. Was bedeutet dir dieses Album persönlich?
Sehr viel. Ich meine, es hat ja schon etwas gedauert, aber das war auch mehr als nötig. Wir haben diese Pause einfach auch gebraucht. Naja, und dann setzt du dich hin, fängst wieder an zu schreiben und weißt nicht, wie es wird, ob es wieder so klappt, wie die Male davor. Ob das, was du schreibst auch was taugt. Das macht dich nervös. Aber glücklicherweise war es dann doch einfacher für mich als gedacht, mich in den Texten und der Musik auszudrücken. Vielleicht fühlt es sich deshalb so real für mich an, so unfassbar präsent. Wir haben trotz aller neuen Einflüsse geschafft, uns unseren Sound beizubehalten, unsere Einzigartigkeit beizubehalten.
So. Wir sind schon fast am Ende. Die letzten Sätze überlasse ich natürlich dir.
Oh gerne. Ich freue mich sehr auf die Tour und auf unsere Fans in Deutschland, freue mich darauf die neuen Songs live zu performen. Vor allem mit diesem tollen Line-Up. Und natürlich sage ich jedem: Hört euch das neue Album an. Es wird euch auf eine Art Reise mitnehmen. Danke dafür, dass ihr uns über die Jahre so treu geblieben seid.
Danke dir für deine Zeit und hab einen schönen Abend.
Lieben Dank. Bis hoffentlich bald.