Sodom
"...Dann ham’ wir gesacht, dat wir dat jetzt machen."

Interview

Das Ruhrgebiet ist schon eine kulturelle Oase. Eine Oase, die aus hässlichen und zweckmäßigen Betonklötzen sowie Industrie besteht, aber hey. Wer denkt schon nicht gerne an Ralf Richter, Piranha Bytes (R.I.P. Sweet Prince) , das Turock, die Zeche Carl, Pommes Currywurst, Trinkhallen und das Rock Hard Festival? Von den ganzen stumpfen und sympathischen Gestalten die dort ihr Unwesen treiben, nicht zu reden. Nur in diesem kulturellen Biotop konnte ein Mann wie Thomas Such, (aka Tom Angelripper) tatsächlich gedeihen. Als ehemaliger Malocher bleibt er auf ewig Teil dessen, was seine Heimat am Leben gehalten hat. Und als Gründer von SODOM, fungiert er immer noch als eine Art lebendiges Wahrzeichen des Ruhrgebiets. Anlässlich des Re-Releases des 92er Klassiker „Tapping The Vein“ haben wir uns nicht nur mit ihm, sondern auch noch mit dem ehemaligen Gitarrero Andy Brings zusammengesetzt. Letzterer ist musikalisch äußerst umtriebig und ebenfalls ein einzigartige Persönlichkeit, wie es sie nur im Pott geben kann. Da die beiden zwei echte Typen mit Ecken und Kanten sind, ist es klar, dass sie nicht immer einer Meinung sind. Doch weil sie gemeinsam mit stolz auf die Vergangenheit blicken können, ist es ein umso schöneres und interessanteres Gespräch geworden.

Viel Spaß!

 

Hallo.

Tom: Moin!

Oh, Andy ist auch da. Hat alles geklappt. Super. Mein Name ist Philipp und es ist eine Ehre euch zu treffen. Fangen wir direkt mit der ersten Frage an, wat?

Tom: Ich hab hier so n’ Echo drin … drin… drin…

Hä? 

Tom: Nein, hahaha

Hast mich verarscht, wat?

Andy: Kleiner Running Gag bei uns.

Tom: Nein, kein Echo… Echo… Echo…

(Lacht) Okay, wir sind heute hier um ein bissel über den Re-Release von „Tapping The Vein“ und die damalige Zeit zu sprechen. Obwohl die „Persecution Mania“ und die „Agent Orange“ eure wohl bekanntestem Alben sind, hat die „Tapping The Vein“ den wohl größten Kultstatus. Sie wird von den Hardcore-Fans wohl am meisten gehört. Wann habt ihr gemerkt, dass das Ding einen Re-Release braucht?

Tom: Ganz lange schon. Es gab ja bisher keinen Re-Release davon.

Andy: Als wir einen Kontoauszug gemacht haben.

Das ist ne’ gute Antwort!

Tom: Sie sollte eigentlich schon 22 zum Jubiläum kommen… Viele wissen nicht, dass der Backkatalog von SPV nach BMG rübergewandert ist. Dann hatte BMG vor längerer Zeit die „Agent Orange“ re-releast, genau wie vor kurzem die „M16“. Da fing unsere Zusammenarbeit an… Doch dann gab es Vertragsprobleme. Die kann ich hier natürlich nicht so ausführlich erklären…

Musst du auch nicht.

Tom: Mit Andy hatte ich sowieso seit zig Jahren Kontakt. Wir waren im Grunde gut vorbereitet. Das ganze Material war schon da und wir hatten alles schon gesammelt. Dann ham’ wir gesacht, dat wir dat jetzt machen. Vertrag werden wir schon irgendwie zustande kriegen.

Okay. Cool. Das Ding ist ja in mehrerer Hinsicht signifikant. Es ist die letzte Platte, wo der Chris Witchhunter drauf trommelt. Und ihr habt das Ding bei Dieter Dierks im Studio aufgenommen. Habt ihr euch während der Aufnahmen gedacht „Woah, hier wurden die ganzen geilen SCORPIONS-Alben aufgenommen“ oder war euch das eher wurst?

Tom: (Zu Andy) Erzähl mal.

Andy: Ich weiß, dass der Chris ein Riesenfan des schwarzen Albums von METALLICA gewesen ist. Dieser große Drumsound – in diese Richtung sollte dat gehen. Was er natürlich nicht bedacht hat, ist, dass die meisten Lieder von SODOM und „Tapping The Vein“ Blinker links mit 220 KMH sind. Da muss man den großen Raum hinterher wieder rausdrehen, damit sich das alles nicht überlappt. Aber bei „One Step Over The Line“ und „Reincarnation“ merkt man schon, dass der Raum eine einzigartige Aura und Magie hat. Und man darf nicht vergessen: Damals gab es entweder kleine Scheißstudios oder sauteure und große Studios.

Also, es gab keinen Middle Ground….

Andy: Nicht so richtig. Zuhause aufnehmen ging auch nicht. Es sollte einfach der Next Step sein. War es dann ja auch. Witzigerweise war ich letztens das erste Mal seit 32 Jahren wieder im Dierks Studio um da ein bisschen die Luft zu schnuppern… Da hat sich nichts verändert. Der Raum ist der Raum. Natürlich atmet er Geschichte. Du weißt, dass in dem Raum wo du stehst, „Rock You Like A Hurricane“ gemacht wurde.

Geil.

Andy: Es hat eine Aura und Energie… Für mich ist das ganze SCORPIONS-Werk mit Dieter Dierks die Bibel. Die Hardrock-Bibel. Auch ACCEPT und die PLASMATICS waren da… Natürlich geht man da anders rein als in einen Bunker. Ich bin froh, dass wir das gemacht haben. Als wir die Rechnung bekommen haben, waren wir dann aber nicht so froh.

Haha!

Andy: Mittlerweile ist das allerdings alles Folklore. Aber diese charakterstarke und unique Sound gehört genau so zu dem Album, wie die Songs.

Bringt mich direkt zur nächsten Frage. Was ich an der Platte geil finde, ist diese pulsierende Bassdrum. Wie habt ihr es hinbekommen, dass sie so klingt, wie sie klingt?

Tom: Da gibt es ein Video von. Andy hatte damals viel gefilmt. Ich glaub, wir hatten Teppiche vor die Bassdrum gelegt.

Andy: Unter anderem.

Tom: Bevor wir es gemacht haben, haben wir gehört, dass METALLICA teilweise auch Betonröhren aus dem Straßenbau davorgelegt haben.

Betonröhren?

Tom: Ja, wie du sie aus dem Tunnelbau kennst. Dafür waren wir natürlich offen. Wir wollten es probieren und nicht einfach nach Schema F arbeiten, so wie alle anderen. Wir wollten es besser oder noch ganz anders haben. Die METALLICA-Bassdrum vom schwarzen Album hat mich auch die ganze Zeit beschäftigt. Wie kann man so nen’ Sound kriegen? Auch wenn man ne alte VAN HALEN-Platte hört, denkt man sich „Wie kann man so eine Bassdrum hinkriegen?“ Dat haben wir versucht. Wir haben es jetzt nicht unbedingt so hingekriegt. Denn auch wenn man bei Dierks ist, ist klar, dass ACCEPT oder die Scorpions anders wie SODOM klingen. Wenn man nicht wüsste, dass wir im Dierks-Studio aufgenommen haben, würde man wahrscheinlich auch nicht auf die Idee kommen. Viele Sachen haben wir auch beim Harris (Johns, legendärer Produzent) aufgenommen. Wir haben viel rumexperimentiert. Es hat teilweise schon Tage gedauert, bis wir uns für etwas entschieden haben. Diese Experimentierfreude war auf jeden Fall immer da.

Andy: Ich kann ergänzen, dass das mit den Teppichen auf jeden Fall stimmt. Lange Teppiche, damit man noch Mikrophone ans Ende der Teppichröhre legen kann. Weil ich zum ersten Mal im großen Studio war, hat mich das alles wahnsinnig beeindruckt. Auch, dass alles so lange gedauert hat. Als ob das alles nix gekostet hätte. Da wurde wirklich alles mit einem Zirkel und  Geodreieck vermessen. Die METALLICA-Bassdrum hatte auch einen leichten Click…

Das meinte ich auch, es hat so einen Click, der alles so pulsieren lässt.

Andy: Genau. Damals haben wir überlegt, „wie wir es machen können“, während man heutzutage einfach ein Sample darübergelegt oder es mit dem EQ bearbeitet hätte. Aber damals haben wir auch einen Bogen Pergamentpapier auf den Studioteppich getan. Dann wurde mit dem Fingernagel dagegengeschnippt um das Klicken aufzunehmen. Mittels primitiver Sampletechnologie, die mein Telefon heute vermutlich besser kann, wurden dieser dann auf jede Bassdrum gelegt. Da ging wohl leider auch ein ganzer Tag für drauf, der dann auch nur 3000 Mark gekostet hat. Aber all das, gehört mich zur Platte.

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10.11.2024

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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1 Kommentar zu Sodom - "...Dann ham’ wir gesacht, dat wir dat jetzt machen."

  1. blackthrash sagt:

    Danke für das Interview 🙂