Sodom
Interview mit Tom Angelripper über "Lords Of Depravity II"
Interview
Nach fünfjähriger Wartezeit haben die deutschen Kult-Thrasher SODOM endlich den zweiten Teil der “Lords Of Depravity”-DVD veröffentlicht, die den Werdegang der Band ab 1995, einen Mitschnitt des Jubiläumskonzertes in Wacken 2007, sowie jede Menge Bonus-Material enthält. Tom Angelripper hat sich mit uns ausführlich über das DVD-Package, die vergangenen fast 30 Jahre, die er mit SODOM verbracht hat, und über die weiteren Pläne der Band unterhalten.
Grüß dich, Tom. Wie geht es dir heute?
Danke, mir geht es gut! Hatte zwar viel Arbeit in den letzten Monaten mit der Fertigsstellung des Packages, aber das mache ich ja gerne. Die Hitze macht mir zwar etwas zu schaffen, aber wem geht das wohl nicht so.
Da kann ich dir nur zustimmen! Ok, ihr habt gerade den zweiten Teil der “Lords Of Depravity”-DVD veröffentlicht. Wie fühlt ihr euch jetzt damit? Es hat immerhin fünf Jahre gedauert, das Package fertig zu stellen!
Also ich fühle mich momentan vor allem wirklich befreit, die Veröffentlichung war längst überfällig. Denn eigentlich sollte die DVD schon einiges früher heraus kommen, das hat sich aber wegen SPV dann ein wenig verzögert. Irgendwann haben wir dann die Vereinbarung getroffen, dass wir das Ding jetzt machen und ab dann haben wir sehr zielstrebig daran gearbeitet. Ich bin dann nach Berlin gefahren zum Produzenten und wir haben sehr intensiv daran gearbeitet. Ich bin unglaublich froh, dass es jetzt fertig ist. “Lords Of Depravity” Teil eins und zwei sind jetzt da und wir können wieder nach vorne schauen.
Ihr habt am vergangenen Wochenende Release-Party in Berlin gefeiert. Diese war zwar bestimmt nicht so aufregend, wie die in Thailand (Interessierte können sich das Spektakel auf der DVD anschauen), aber ihr hattet bestimmt auch so jede Menge Spaß. Erzähl mal, wie wars?
Wir haben einfach ein paar Journalisten und Fans natürlich ins Blackland eingeladen, das ist ein relativ kleiner Laden übrigens, Eintritt frei, haben die DVD laufen lassen, dann spielte eine kleine Vorband und dann gab es noch eine Stunde SODOM live. Anschließend haben wir noch den Wacken-Film laufen lasssen, also den zweiten Teil der DVD und das war ein wirklich cooles Abendprogramm alles in allem. Für mich war es vor allem interessant, die Menschen zu beobachten, wenn sie den Film anschauen, ob sie zwischendurch pinkeln gehen oder Bier holen und erstaunlicherweise blieben alle brav sitzen. Es waren circa 200 Leute da und der Laden war knackevoll, das war die Hölle! Natürlich gab es auch jede Menge Freibier. Die Release-Party in Thailand hat damals natürlich ein Vermögen gekostet, die Leute einfliegen zu lassen, mehrere Tage Hotels und Verpflegung, so bescheuert waren wir damals eben, denn das Geld ist uns vom Gewinn natürlich wieder abgezogen worden. Aber was macht man nicht alles für eine gute Promotion. Von den Mags, die da waren, haben wir durchgängig sehr gute Bewertungen bekommen, haha! Ach, wir haben früher einfach viel Scheiße gemacht, das hätte man alles einfacher haben können. Dennoch war es etwas Besonderes. Und in Berlin war es trotzdem cool und es spricht sich auch so rum, wenn die Leute aus dem Laden kommen und einen coolen Abend hatten. Viele kaufen dann natürlich auch die DVD.
Aber kommen wir zu der zweiten “Lords Of Depravity”-DVD selbst. Sie befasst sich mit der Band-History von 1995 bis 2009.
Eigentlich nur bis 2007, bis zu der Jubiläums-Show in Wacken. Die ganze Geschichte mit Chris Witchhunter haben wir dann quasi noch nachgereicht, weil es die Leute natürlich interessiert hat, warum er die Show nicht mitspielen konnte.
Ok. Was waren denn deine persönlichen Hoch- und Tiefpunkte in dieser Zeit?
Der entscheidende Höhepunkt für mich ist glaube ich, dass es die Band nach weiteren 15 Jahren immer noch in dieser Besetzung gibt. Wenn irgendjemand rausfliegt oder die Band verlässt, kann man das auf einer DVD natürlich kontrovers zeigen und diskutieren, das hatten wir allerdings dieses Mal nicht. Wir hatten fast Angst, dass es zu langweilig wird so! Wirkliche Tiefen gab es eigentlich überhaupt nicht. Der Anfang der 90er ist auf dem Film vielleicht etwas zu bitter rüber gekommen, so schlimm war das gar nicht. Nach den beiden Alben Anfang der 90er “Get What You Deserve” und “Masquerade In Blood” habe ich kontinuierlich weiter gemacht und bis Bernemann und Bobby dazu kamen, da lag gar nicht so viel Zeit dazwischen. Es gab Anfang der 90er einen gewissen Einbruch und viele Bands haben aufgegeben oder resigniert, wir allerdings haben sowieso immer weiter gemacht. Das wird auf dem Film alles etwas dramatisch dargestellt, aber so zieht man die Zuschauer eben auch gleich von Beginn an in einen Bann.
Ein weiterer Höhepunkt ist natürlich auch die Entstehung von Onkel Tom und die ersten Veröffentlichungen, gerade, als es mit SODOM nicht ganz so gut lief. Die Band gibt’s ja auch immer noch. Zwischenzeitlich hab ich auch mal bei DESPERADOZ mitgemacht, aber ansonsten erklärt sich der Film glaube ich einfach von allein. Wir haben wirklich alles drin gelassen, was passiert ist. Viele denken z.B. immer, wie schön es wäre in Südamerika auf Tour zu gehen, aber wo bitte ist das denn schön? Das ist es überhaupt nicht und das wollte ich den Leuten auch mal etwas näher erklären. Dass man manchmal wirklich froh sein kann, wenn man lebendig von dort nach Hause kommt.
Haha, ja die drei Südamerika-Touren sind auf der DVD wirklich der Brüller. Eine Sache habe ich mich dabei wirklich gefragt. Nach all den Verrücktheiten, die ihr mitmachen musstet, seid ihr trotzdem immer wieder hingefahren, um dort zu touren. Warum nur??
Ach, manche Dinge können auch überall passieren. In Deutschland zwar nicht unbedingt, aber in den Staaten haben wir auch einige verrückte Dinge erlebt. Außerdem fahre ich gern nach Südamerika, die Fans dort sind so dankbar dafür, es sollten viel mehr Bands dort spielen. In Deutschland kann man ja jede Band an jedem Wochenende überall sehen, aber dort ist es einfach etwas ganz Besonderes. Wir haben z.B. auch als erste Band in Bulgarien gespielt oder in Mexiko, man hatte das Gefühl, die Zeit ist stehen geblieben, weil die Menschen so unglaublich dankbar waren. Und für so etwas lebe ich einfach und die Menschen dort leben es richtig. Wie sie ausrasten, wenn man auf die Bühne kommt, das ist der Wahnsinn. Alles andere in Südamerika allerdings ist purer Horror. Und auch darüber muss man mal berichten, da auf vielen DVDs nur die schönen Seiten der Musik aufgezeigt werden. Es gibt nicht nur Sex, Drugs & Rock ‚N Roll, das ist harte Arbeit! Das ist manchmal bitter und sogar tragisch zum Teil und SODOM ist eine Band, die sehr fannah ist, also wollen wir auch diese Seiten zeigen. Und für die Fans fahren wir auch immer wieder hin. Wir haben außerdem immer die Herausforderung gesucht und in Ländern gespielt, wo vorher noch niemand war, in Tasmanien z.B.! Wer kann schon behaupten, schon mal in Tasmanien gespielt zu haben? Ist doch schön! Machen wir ’ne kleine Party, man kommt gut rum, warum also nicht? Wir wollen auch nichts beschönigen, es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, und das muss gesagt werden. Ursprünglich wollte ich eine reine Tour-Doku machen, aber sowas kann man ja vielleicht noch nachreichen. Das macht den Film allerdings auch besonders interessant, glaube ich. So was würde ich mir mal von MOTÖRHEAD wünschen, die komplette Aufarbeitung der Bandgeschichte von allen Seiten.
Diese DVD umfasst auch genau die Zeit, die du mit deinen Bandkollegen Bernemann und Bobby verbracht hast. 2011 steht dieses Line-Up bereits 15 Jahre. Hättest du das gedacht, als du SODOM mit den Jungs damals ins Leben zurück gerufen hast? Schließlich haben sich bei SODOM vorher die Musiker, besonders die Gitarristen, die Klinke in die Hand gegeben?
Eigentlich nicht. Normalerweise hat sich ungefähr alle drei Jahre immer irgendwas geändert. Es gab aber immer handfeste Probleme, wenn ich jemanden rausgeworfen habe, dann ging es einfach nicht mehr anders. Und einige sind auch von alleine gegangen. Die aktuelle Besetzung klappt einfach, weil wir auf derselben Wellenlänge sind, wir sind im selben Alter, wir verfolgen dasselbe Ziel und ich selbst habe mich natürlich auch verändert. Früher war ich fast schon etwas cholerisch, heute kann man ja über alles reden. Manchmal hat es mir hinterher wirklich leid getan. Aber ich denke auch, dass viele sich im Nachhinein geärgert haben, SODOM verlassen zu haben. Der Frank Blackfire z.B. ist ein großartiger Gitarrist, spielt aber jetzt auch nicht mehr auf den großen Bühnen. Mir tut es fast etwas leid für ihn, dass er gegangen ist und bei KREATOR auch relativ schnell wieder raus war. Normalerweise kann man mit mir wirklich reden, ich bin ja kein Diktator. Ich nehme mir zwar einige Entscheidungen raus, weil ich gewisse Erfahrungen habe und dann mache ich das einfach so. Deshalb kommen wir einfach gut klar, es läuft super, man kennt sich nach so vielen Jahren sehr gut.
Und das ist bereits das ganze Geheimnis, bereits 15 Jahre mit denselben Menschen zusammen arbeiten zu können? Gab es denn nie richtige Probleme?
Ja, es funktioniert einfach. Wir sind zwar nicht ganz wie ein altes Ehepaar, das auch ohne Liebe einfach zusammen bleibt, aber so ähnlich ist es schon. Man hat sich aneinander gewöhnt, freut sich aber dennoch immer wieder, wenn man sich wieder sieht. Man ist nicht mehr so emotional wie früher. Das bereue ich schon, man hätte auch dem Witchhunter ja vielleicht noch eine Chance geben können, wenn er nur aufgehört hätte zu saufen. Jetzt sind wir in dem Alter, in dem wir einfach abgeklärter sind. Wenn ich mich von einem von den beiden trennen würde, würde mich das einen großen Schritt zurück werfen, ich müsste wieder von vorn anfangen und ich weiß nicht, ob ich dazu noch die Kraft habe. Klar, wenn es gar nicht mehr geht, geht es einfach nicht mehr, aber man muss versuchen, an einer solchen Beziehung zu arbeiten und zu schauen, dass alle an einem Strang ziehen und alle zufrieden sind. Zwar sagen die anderen schon, dass es meine Band ist und sie eben “nur” Schlagzeuger oder Gitarristen sind, aber so ist das ja nicht. Ohne sie könnte ich keine Band machen. Und ich kenne eine Menge Bands, die sich untereinander wirklich hassen. Ich will jetzt nicht über KREATOR sprechen, aber ich glaube nicht, dass die jeden Abend noch gemeinsam in die Kneipe gehen, die Professionalität haben sie aber trotzdem, das durchzuziehen und das konnte ich früher nicht, da war ich eher der Revoluzzer. Ich stehe als Frontmann allerdings schon ein wenig im Mittelpunkt und habe die Band ja auch gegründet, deshalb mache ich z.B. auch unsere Interviews. Das soll aber jetzt nicht eingebildet klingen, ich war bei der Entstehung der Band und auch der DVD aber auch mehr involviert und konnte deshalb besser Auskunft geben, so viel Arbeit und Zeit, wie ich da rein gesteckt habe.
Das sieht man allerdings beim Ergebnis auch, wie viel Herzblut und Zeit drin steckt!
Ich glaube, die meiste Arbeit machte es, das ganze Material zu sichten und zu digitalisieren. Wir lassen uns ja nicht immer von einem Kamera-Team begleiten und ich habe einen Karton daheim stehen, aus dem ich jetzt mal eben die DVD zusammen basteln kann. Und alles musste chronologisch geordnet werden.
Bestimmt war es auch nicht einfach, das ganze Material überhaupt aufzutreiben!
Bei der ersten DVD war das noch schwieriger. Ich habe selbst natürlich einiges verwahrt und auch bei den Klassentreffen mit SODOM rumgefragt, ob noch jemand altes Material hat und so kam das alles zusammen. Das war beim zweiten Teil wirklich lange nicht so schlimm wie beim ersten, man konnte sich auch noch genau an alles erinnern, wann man wo gespielt hat usw. 1982, da haben wir fast gar nichts mehr bekommen. Irgendwann mussten wir den Sack dann zu machen und alles Weitere konnte eben nicht mehr berücksichtigt werden.
Um nochmal auf das 15-jährige Bestehen des Line Ups zu sprechen zu kommen. Das 25-jährige SODOM-Jubiläum hast du ganz groß begangen, plant ihr sowas ähnliches vielleicht auch dabei?
15 Jahre sind noch kein Jubiläum. Außerdem sind wir immer beschäftigt, machen z.B. gerade ein neues Album, was wir der Plattenfirma noch dieses Jahr auf den Tisch legen wollen, wir kommen also sowieso gar nicht dazu. Klar trinken wir schon unser Bierchen zusammen, aber ich sehe 15 Jahre nicht als wirkliches Jubiläum an. Darüber können wir bei 25 Jahren wieder reden.
Dann vielleicht wieder mit SODOM an sich? Denn in zwei Jahren gibt es die Band ganze 30 Jahre. Habt ihr dafür vielleicht schon konkrete Pläne oder zumindest Ideen?
Stimmt, das ist auch schon bald. Unglaublich gerne würde ich noch eine solche Jubiläumsshow machen wie in Wacken, aber nicht auf einem Festival! Das bringt so viele Probleme mit sich, alles geht nach der Uhr und wir haben es halbwegs über die Bühne gekriegt. Trotzdem würde ich es in einem kleineren Kreis machen, vielleicht in der Turbinenhalle in Oberhausen. Also ich habe noch nie gesehen, dass eine Band sowas gemacht hat, wir haben ja wirklich alle noch lebenden und verfügbaren Musiker zusammen getrommelt. Also eine solche Show wollten wir glaube ich wirklich machen, vorausgesetzt ich lebe dann noch, das kann man ja heutzutage alles nicht mehr vorher wissen. 30 Jahre sind echt eine Wahnsinns-Zeit. Als ich 1982 angefangen habe, hätte ich nie damit gerechnet, so weit zu kommen. SODOM haben damals aber auch ziemlich schnell einen Plattenvertrag bekommen, damit konnten wir damals erst gar nichts anfangen und dass sich das über die Jahre so etabliert, das ist doch schön! Wir haben wirklich konsequent weiter gemacht, abgesehen von meiner ONKEL TOM-Eskapade, aber das lief ja nebenher, ich habe SODOM nicht vernachlässigt. Eigentlich gab es nur MOTÖRHEAD, SLAYER und SODOM, die wirklich durchgängig und ohne jede Pause von Anfang an dabei waren.
Anlässlich dieser besagten Jubiläums-Show hast du alle erreichbaren ehemaligen Band-Mitglieder zusammen gerufen zu den sogenannten “Klassentreffen”, um den gemeinsamen Auftritt zu organisieren. Wie war es, die ganzen Gesichter wieder zu sehen und wie liefen diese Treffen ab?
Ich hatte die erste DVD natürlich schon im Auge und wenn ich Interviews von den Leuten dafür will, muss ich sie natürlich vorher fragen. Mit manchen hatte ich auch vorher schon Kontakt, mit Andy Brings z.B. Mit Witchhunter allerdings war es am schwierigsten, den hatte ich ja seit 1992 nicht mehr gesehen und wir hatten auch keinerlei Kontakt. Naja, ich habe dann alle in die Zeche Carl eingeladen, alles auf meinen Deckel und wir labern einfach über die alten Zeiten. Und jeder war sofort mit dabei und hat sich auch bereit erklärt, dann ein Interview für die DVD zu geben, sogar Atomic Steif, mit dem es damals sogar rechtliche Probleme gab. Wenn das jemand abgelehnt hätte, wäre es natürlich schade gewesen.
Du hast gerade deine Verbindung zu Chris Witchhunter angesprochen. Vor zwei Jahren ist er als eines der SODOM-Gründungsmitglieder verstorben und darauf wird auf der DVD relativ ausführlich eingegangen, du selbst hältst dich dabei aber eher zurück, wie ich finde. Wie hast du das persönlich erlebt, du kanntest ihn immerhin seit 1982.
Ich kann dazu nur wenig sagen. Ich hatte zwar dann, als es um die Aufnahme der “The Final Sign Of Evil” ging, wieder ein wenig Kontakt mit ihm, aber er hat mich immer noch gehasst. Er wollte ja nicht einmal, dass ich im Studio bin, wenn er dort ist. Das war eine sehr skurrile Situation. Er hat mir nie verziehen und hätte es auch bis heute nicht, wenn er noch leben würde. Ach, wahrscheinlich sitzt er jetzt irgendwo da oben und hat es immer noch nicht. Ich hatte nie eine Gelegenheit, mich mit ihm zu versöhnen, aber das wäre mit ihm auch nicht gegangen. Er war am Ende in einer ganz anderen Welt. Aber jetzt ist er nun mal gestorben, wir haben uns lange damit auseinander gesetzt, aber jetzt muss auch mal gut sein. Ich habe mich da wirklich zurück gehalten, denn mir war am wichtigsten, was die anderen darüber denken. Klar habe ich ein paar Statements abgegeben und es gibt sogar noch ein längeres Interview nur mit mir zu diesem Thema, aber ich wollte den Tod von Witchhunter auf der DVD eigentlich nicht so austreten, weil es erst nach Wacken war. Ich wollte eigentlich nur, dass die Leute wissen, warum er nicht mehr auftreten konnte dort. Aber dann kamen noch Interviews mit seiner Mutter rein und Ronny, der Produzent, meinte dann, wir müssten auch einen emotionalen Faktor auf der DVD einarbeiten, deshalb haben wir das so ausführlich drin gelassen, aber ich wollte nicht, dass der Tod eines Ex-Musikers der wichtigste Punkt auf einer DVD ist. Das wollte ich vermeiden und deshalb habe ich mich auch persönlich davon etwas distanziert. Das erkennt man auch. Ich wollte wirklich nicht, dass es so aussieht, als wolle ich damit Kasse machen. Da hätte man eine ganze DVD von machen können mit der Jubiläums-Show, ausführlichen Interviews, die Shows dazu, das wäre eine sehr schöne Sache gewesen und das Geld hätte man danach der Mutter geben können, wenn denn etwas übrig bleibt, was bei DVDs wirklich nicht selbstverständlich ist. Allerdings habe ich diese Idee verworfen, als ich von einigen Bands die Freigaben nicht bekommen habe, die Plattenfirmen Stress gemacht haben usw. Dann dachte ich mir nur, dann eben nicht. Auf einer solchen DVD hätte ich mich allerdings auch ausführlicher geäußert, bei “Lords Of Depravity” allerdings ist das ein wenig zu lang geworden. Aber so ein Interview mit der Mutter, das kann man einfach nicht kürzen oder rausschneiden. Alles ist für das Verständnis wichtig.
Kurz zuvor habt ihr noch gemeinsam das “The Final Sign Of Evil” Album eingespielt. Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr eure Debüt-EP neu aufgenommen habt?
Tja, so ist das eben mit den Plattenfirmen manchmal, da fällt denen ein, das könnte man ja nochmal veröffentlichen und dann wird das eben gemacht, ich halte da selbst auch nichts von. Die “Agent Orange” haben wir ja auch gerade neu veröffentlicht. Ich bin da immer der Meinung, man muss den Fans auch etwas geben, wenigstens noch ein altes Konzert, neu geschnitten und hergemacht, als Bonus drauf packen. Bei der EP wusste ich ja, dass wir noch Material dazu haben, wir wollten ja von Anfang an ein ganzes Album machen, da hat uns die Plattenfirma aber zurück gepfiffen. Nun wollten sie, dass ich das mit Bernemann und Bobby mache, aber das glaubt mir doch kein Mensch, wenn ich mit dem neuen Line Up eine Platte von 1984 neu einspiele. Es geht nur mit dem alten Line Up. Der Produzent, der Toto, hat sich dann jeden Tag mit dem Witchhunter runter gesoffen, nur, um überhaupt an ihn ran zu kommen. Dass er Alkoholiker war das weiß jeder und der Toto musste mit ihm auf ein Level kommen, um ihn am nächsten Tag wieder ins Studio zu kriegen. Und das war genau die Zeit, in der es mit ihm ganz krass bergab ging. Ich hab mich da etwas raus gehalten, er wollte mich, wie gesagt, ja nicht einmal im Proberaum dabei haben. Er hat mich wirklich bis zum letzten Moment gehasst und ich kann vor einem Menschen wie Toto nur den Hut ziehen, der sich für dieses Projekt so herab gelassen hat, sich in seinen Lebensstil eingefühlt hat und seinen Trink-Rhythmus aufgenommen hat. Es war zwar alles unglaublich schwierig, aber bei der Veröffentlichung glaube ich, dass wirklich alle was davon haben. Es sind neue Songs darauf, aber sie hat den Charme der 80er Jahre, so klingt sie ja auch. Ich wollte keine Hochglanz-Produktion, das muss poltern und rumpeln! Das haben wir geschafft! Und Witchhunter hat sich damit noch einmal ein Denkmal setzen können, auch wenn er die ganze Situation völlig falsch aufgenommen hat. Er hat in einer Phantasie-Welt gelebt und wirklich geglaubt, er wäre jetzt wieder der neue Drummer von SODOM und das hat er auch seiner Mutter erzählt. Dabei war es doch nur ein Projekt, mit dem wir die alte Geschichte abschließen wollten, um dann wieder getrennte Wege zu gehen.
Aber wie hätte er sich es denn vorstellen können, wieder mit dir in einer Band zu spielen, wenn er dich doch so gehasst hat?
Ja, er hat mich tatsächlich so gehasst. Er hat immer allen erzählt, dass ich schon wieder angeschissen kommen werde, um ihn zurück zu holen. Das war natürlich nur Wunschdenken. Er war ja sowieso nicht mehr in der Lage, auch nur eine Stunde live zu spielen, dazu hatte er nicht mehr die körperliche und geistige Konstitution. Er war wirklich so fertig, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Aber das hat er alles nicht wahrhaben wollen.
Naja, die “The Final Sign Of Evil” haben wir dann fertig gemacht und ich glaube, die Platte lohnt sich wirklich. Viele remastern alte Scheiben nur, wir haben alles komplett neu gemacht. Und die Plattenfirma hat nun mal die Rechte und die Möglichkeiten, sowas zu machen, also helfe ich, wenn ich kann, auch.
Wie sieht es eigentlich mit dem Kontakt zu Peppi aus, der bei der Platte die Gitarre eingespielt hat?
Ach, der gute Peppi! Das war immer derjenige, der das unbedingt machen wollte. Er hat auch immer den Witchhunter daheim abgeholt und zur Probe mitgebracht oder zum Studio. Der hat sich da richtig reingehängt. Witchhunter selbst musste man ja verhätscheln, der wäre wahrscheinlich nie selbst da hingekommen, hatte auch eh kein Auto oder so. Und Peppi hat ihn immer abgeholt, erstmal ein Bier getrunken mit ihm oder auch mal einen Schnaps, er hat ihm sogar Geld gegeben. Er hat ja auch so lange nichts gemacht und jeder andere hätte irgendwann bestimmt gesagt, dass der Witchhunter ihn am Arsch lecken kann, aber der hatte so einen Bock darauf, das zu machen. Er meinte auch, er fühlt sich wieder wie 1984. Für mich ist es nichts Besonderes, im Proberaum zu stehen, aber ihn hat das richtig gereizt, wieder eine Gitarre in die Hand zu nehmen. Und jetzt ist Peppi auch wieder zurück im Geschäft, hat eine eigene Band gegründet, bringt da seine Platten raus, also hat es auf jeden Fall was gebracht, aber das Thema “The Final Sign Of Evil” war damit auch abgeschlossen.
30 Jahre sind eine sehr lange Zeit, mit der du dich beim Drehen und Zusammenstellen der DVD einmal komplett auseinander setzten musstest.
Ja, leider musste ich mich noch einmal mit allem auseinander setzen. An vieles hatte ich mich gar nicht mehr erinnert. Das war bei der ersten DVD allerdings noch viel schlimmer. Ich habe dann alte Videos angeschaut und dann kamen die ganzen Erinnerungen wieder hoch. Ganz am Anfang war jede Show etwas Besonderes, heute spielen wir häufiger und man weiß gar nicht mehr, was bei den einzelnen Shows war. Aber das Anschauen und auch darüber Sprechen hat wirklich Spaß gemacht. Das war bei den Klassentreffen genauso. Dann fällt einem auch erstmal auf, wie das den anderen geht. Der Andy Brings z.B. hat nur zwei Jahre bei SODOM gespielt, die wird er mit Sicherheit nie vergessen, für mich gehen diese zwei Jahre nach 25 regelrecht unter. Deshalb musste ich bei vielen nachfragen, wie alles genau war, aber das macht die ganze Sache auch interessant.
Wie war das denn genau für dich, auf diese wahnsinnig lange Geschichte von SODOM als Ganzes zurück zu blicken? Immerhin hast du quasi dein Leben mit dieser Band verbracht, Höhen und Tiefen mit SODOM durchlebt, viele Probleme gemeistert usw.?
Ja, das ist mein Lebenswerk. Und wir werden auch weiter machen mit SODOM, so lange es noch geht, auch wenn die Zeiten irgendwie immer schwieriger werden. Wenn es mir irgendwann keinen Spaß mehr macht, höre ich auch auf, keine Frage, aber ich bin fast 50 Jahre alt, ich weiß nicht, wie lange es noch geht. Aber ich mache es immer noch gerne und ich bin auch niemand, der still sitzen kann. Wenn ich das nicht mehr mache, dann eben etwas Anderes. Zur Zeit arbeite ich in drei Bands, mit ONKEL TOM steht ein neues Album an, mit DIE KNAPPEN machen wir gerade wieder was, ich bin gerne im Geschäft, das ist mein Leben. Natürlich habe ich auch meine Hobbys, ich gehe z.B. gerne auf die Jagd, aber ich muss auch immer irgendwas Geschäftliches machen. Als erstes auf dem Plan steht momentan das neue SODOM-Album.
Gut, dass du das ansprichst! Kannst du uns denn schon ein wenig über das neue Material erzählen?
Ja, wir machen gerade eine Vorproduktion dazu und haben den Waldemar Sorychta als Produzenten, den kennt man ja und die Arbeit mit ihm ist, als hätte man ein viertes Bandmitglied. Man muss sich auch mal was gefallen lassen. Es ist auch interessant, wenn ein Außenstehender dann seine Ideen mit einbringt. Letztendlich entscheiden wir das klar selbst, aber es kann immer sein, dass man einen gewissen Aha-Effekt hat und es dann auch so umsetzt, wie es einem jemand vorschlägt. Ich finde, die letzte SODOM-Platte hat etwas unter der Produktion gelitten, das ist meine Meinung und wir haben uns eben entschlossen, dass das diesmal auf jeden Fall besser werden muss. Die neuen Songs erinnern mich an die “Code Red”-Scheibe und auch ein wenig an alte TANK-Sachen, das kam aber unbewusst, denn ich bin ein großer TANK-Fan. Ich freue mich richtig drüber, dass man bei manchen Riffs sagen kann, das könnten auch TANK gespielt haben oder dass die Vocals auch der Algy (Anm. d. Verf.: Algy Ward, Bassist und Sänger von TANK 1980-88, 1997-2008) gesungen haben. Die Songs auf “Code Red” z.B. hatten auch immer gute Refrains, die ins Ohr gingen und darauf haben wir auch beim neuen Album wert gelegt. Wir machen kein Album, sondern zwölf Songs. Früher hat man von einer Platte die zwei besten Songs als Single veröffentlicht, diesmal versuchen wir eben, zwölf Singles zu machen. Wir haben sehr viel Material verworfen, das auch gut war, aber es sollte eben einfach alles geil sein und da muss man sich richtig Mühe geben. Auch die neuen Texte habe ich eine befreundete Engländerin korrigieren lassen und sie meinte, das seien die geilsten Texte, die sie je von uns gelesen hat. Wir sagen nicht, dass es das beste Album ist, was wir je gemacht haben, das entscheiden die Fans. Aber wir müssen das ja auch irgendwann abschließen und sagen, wir sind der Meinung, dass es jetzt so passt und wir alles gegeben haben, ganz wichtig ist, dass der typische SODOM-Stil rauskommt und die Räudigkeit und Rotzigkeit, die wir mal hatten, kann auch gerne wieder mehr drin sein. Und das sagt Waldemar auch, SODOM muss wieder klingen wie SODOM. Wenn man früher eine Platte eingelegt hat, beispielsweise die “Black Metal” von VENOM, hat man sofort gehört, das sind VENOM, ganz groß! So soll es bei uns auch sein. Wir wollen natürlich nicht klingen wie VENOM, sondern wie SODOM und was immer das ausmacht, müssen wir versuchen raus zu holen.
Ihr habt den Zeitraum, der zwischen “M-16” und “Sodom” liegt, auf der DVD als viel zu lang beschrieben. Seit diesem Album sind allerdings auch schon wieder vier Jahre vergangen. Was hat euch so lange aufgehalten?
Das Label! Ich glaube, SODOM sind in der Lage, jedes Jahr ein neues Album zu veröffentlichen, aber diese Option liegt bei der Plattenfirma und erst wenn diese sie ausspricht, kannst du die Platte machen. Wenn die das nicht machen oder zuerst andere Optionen aussprechen, wie ein Live-Album z.B., dann ist das eben so. Das finde ich immer so schade, die Band selbst kann nicht entscheiden, wann ihre Platte raus kommt. Ein Jahr nach dem Release von “Sodom” hatten wir schon wieder ein neues Album zusammen. Also uns hält nichts auf, wir proben zwei Mal die Woche, da schafft man ein Album schnell. Aber die Verträge im Musikbusiness sind manchmal so dick wie Telefonbücher und man blickt einfach nicht mehr durch. Und trotzdem ist man von der Plattenfirma abhängig und will sie auch nicht vor den Kopf stoßen. Also wir sind nicht faul, das lag nicht an uns. Trotzdem ist es jede Menge Arbeit, wir müssen auf das Label warten, dass die uns grünes Licht geben, dass die uns das Geld geben usw. Aber wenn mit SODOM nichts geht, dann mache ich eben was mit ONKEL TOM.
Das letzte ONKEL TOM-Full Length-Album liegt schon zehn Jahre zurück. Du sagtest vorhin, die Band gibt’s noch und es gibt auch bald ein neues Werk! Kannst du schon etwas dazu verraten?
Ja, das hat sich alles etwas in die Länge gezogen. Wir haben zwar immer mal wieder irgendwo gespielt, aber kamen nie dazu, neue Songs zu schreiben, weil wir nicht proben konnten, die Distanz ist einfach zu groß, die zwei anderen wohnen im süddeutschen Raum. Aber das habe ich ja jetzt geändert, die beiden Saschas sind raus und das neue Line Up habe ich erstmalig letztes Jahr in Wacken ausprobiert. Das sind alles Leute aus der Nähe und wir proben jetzt konsequent. Ich glaube, wir haben schon 20 neue Titel geschrieben, nicht nur Cover-Versionen, aber auch viel eigenes Zeug. Und ich bin ganz begeistert vom neuen Drummer und dem neuen Gitarristen, das Album wird einfach ein richtiges Monster. Ich glaube, es ist das beste deutschsprachige Album, was je eine Band gemacht hat. Die ONKELZ können sowieso nach Hause gehen, DIE TOTEN HOSEN sowieso und wie sie nicht alle heißen. Das ist einfach was, wenn man mit Kollegen zusammen sitzt und Bier trinkt, dann kann man die Platte anschmeißen. Wir wollen niemanden zum Alkohol verleiten, darum geht es nicht. Keiner von uns ist Alkoholiker, aber wenn sich die Gelegenheit mal ergibt an einem schönen Abend, warum nicht? Na ja, wir müssen klar noch eine Plattenfirma finden, die das raus bringt, ich habe eventuell auch schon eine, ich habe es auch SPV angeboten, aber die hatten da keinen Bock drauf. SODOM und ONKEL TOM werden nicht gleichzeitig rauskommen, ONKEL TOM wird etwas später kommen, vielleicht im Januar. Wir können damit vor allem die ganze musikalische Bandbreite abdecken, einige Songs sind schon fast Death Metal, andere sehr thrashig, Schunkellieder gibt es natürlich auch.
Nochmal zurück zu SODOM: Ihr habt die geplante US-Tour canceln müssen, wie kams?
Ja, das lag am örtlichen Promoter in Kanada. Der sollte alles in die Wege leiten und am Ende hatten wir eine Woche vor Abflug keine Visa. Das hätte in der kurzen Zeit auch nicht mehr geklappt. Als Touristen einzureisen, wäre zu gefährlich gewesen, wenn sie einen dann erwischen, ist man richtig dran. Das ist mal bei NEVERMORE passiert, die haben denn deren Laptop und sogar die Mails gecheckt und das mit den Gigs rausgefunden. Wir waren wirklich bitter enttäuscht, wir saßen hier mit gepackten Koffern und hatten uns wahnsinnig gefreut, u.a. aufs Maryland Deathfest, wo wir spielen sollten.
Ihr spielt in diesem Sommer einige Festival-Shows, aber vor allem im Ausland. Können auch deutsche Fans in diesem Jahr noch häufiger mit euch rechnen?
In Deutschland sind es nur ein paar Sachen, das With Full Force z.B., Wacken leider diesmal nicht, das Graspop wäre auch mal schön gewesen, aber die Veranstalter wollen nur Bands mit neuem Album, obwohl das für die Show eigentlich total unwichtig ist. Nächstes Jahr wird aber auf jeden Fall mehr los sein. Es ist aber verdammt schwierig, heutzutage noch die Bude voll zu kriegen, bei großen Festivals muss man also auf jeden Fall dabei sein, damit die Leute sehen, dass wir noch leben und hier sind, viele Leute sehen einen dort auch. In Deutschland gibt es allerdings so viele Festivals, eigentlich sind es schon zu viele. Na ja, wir sind trotzdem gut gebucht und können uns nicht beschweren. Im Ausland haben wir jetzt auch immer eine Kamera dabei, denn wer weiß: Vielleicht gibt es irgendwann einen dritten Teil der DVD. Wir haben jetzt auf jeden Fall ein Archiv angelegt und sammeln Material. Wann, wie und ob überhaupt, dazu will ich aber auch gar nichts näheres sagen. Erstmal steht das 30-jährige Jubiläum an, noch eine Show mit den ehemaligen Musikern wäre schon klasse.
Danke für das Interview. Die letzten Worte gehören dir!
Danke und Entschuldigung für das lange Warten auf das neue Album an unsere Fans. Unterstützt uns weiter und habt bitte Verständnis. Wir werden euch mit Sicherheit nicht enttäuschen und geben nochmal richtig Gas!
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