Smith/Kotzen
Poeten des Rock

Interview

Lange ist es her, dass IRON MAIDEN-Gitarrist Adrian Smith sich musikalisch außerhalb des Kosmos der eisernen Jungfrauen bewegte. 2012 veröffentliche er „Awoken Broken“ mit Sänger Mikee Goodman unter dem Bandnamen PRIMAL ROCK REBELLION. Seitdem hielten ihn MAIDEN stest auf Trab. Doch mit Ausnahmegitarrist und -sänger Richie Kotzen fand er einen Partner, der ein kreatives Feuer entfachte. Das gemeinsame Projekt der beiden hört auf den schlichten Namen SMITH/KOTZEN – und ihr Debüt ist zweifellos jetzt schon ein Anwärter auf das beste Hardrock-Album des Jahres. Im persönlichen Gespräch zeigt sich Smith als bodenständiger Mensch, dem es bei allem, was er tut, um nichts anderes als das bestmögliche Ergebnis geht.

SMITH/KOTZEN haben einen langen Weg hinter sich

Adrian Smith und Richie Kotzen ist eine Kombination, die ziemlich überraschend kam. Erinnerst du dich noch an dein erstes Treffen mit Richie und wie du es empfunden hast?

Meine Frau brachte mir seine Musik vor etwa sechs oder sieben Jahren näher. Mir gefiel, was ich hörte. Es war schön bluesiger Rock mit einem tollen Sänger. Ich kaufte ein Haus in Los Angeles, weil ein Teil meiner Familie dort lebt. Dort haben wir Richie und seine Frau kennengelernt. Unsere Frauen freundeten sich an, wir gingen öfter zusammen essen und auf Partys. Dann hatten wir den ersten Jam und kamen einfach richtig gut aus. Meine Frau schlug vor, wir sollten mal ein paar Songs gemeinsam schreiben und dann kam eins zum anderen.

Wenn das jetzt schon einige Jahre her ist, warum hat es so lange gedauert bis zu eurem gemeinsamen Album? Wart ihr mit euren anderen Projekten so beschäftigt?

Naja, ich spiele in dieser Band, die mich sehr auf Trab hält und Richie hat eine sehr erfolgreiche Solokarriere am Laufen. Wir setzten uns erst Anfang 2019 zusammen und legten uns darauf fest, etwas zu machen. Dann setzten wir uns zusammen und in der ersten Session entstanden einige coole Songs. Wir hatten unsere Gitarre, ein paar Mikrofone und spielten und sangen gemeinsam. Richie ist natürlich für seinen Gesang bekannt und ich habe da über die Jahre auch ein bisschen was gemacht und wollte mehr in diese Richtung gehen. Es klang alles sehr frisch und Richie hat einen extrem großen Stimmumfang, vermutlich größer als ich. Das allein gab uns eine Menge Möglichkeiten, wo wir musikalisch hingehen konnten.

„Für mich ist es ein großer Spaß, in meinem Alter noch etwas Neues zu entdecken.“

Jetzt hast du schon erwähnt, dass Richie für seinen Gesang bekannt ist, während viele Leute da draußen wohl eher nicht auf dem Schirm haben, was für ein guter Sänger du bist. Wie war es für dich, bei SMITH/KOTZEN wieder in die Rolle des Lead-Sängers zurückzukehren?

Richie singt wohl etwas mehr als mich und das ist auch gut so, denn er hat über die Jahre viel mehr Erfahrung auf dem Gebiet gesammelt als ich. Ich mein, ich singe seit Beginn meiner Karriere, als ich noch nicht mal richtig Gitarre spielen konnte und mit Dave Murray von IRON MAIDEN in meiner ersten Band gespielt habe. Aber ich habe das Gitarrenspiel schnell gelernt und habe es viele Jahre getan. Ich habe meine Rechnungen bezahlt, indem ich in zahllose Bars aufgetreten bin, selbst wenn ich krank war. Damals hatten wir alle schon große Marshall-Amps, was es für den Gesang schwierig gemacht hat, gegen die Lautstärke anzukommen. In den 90ern, als ich nicht bei MAIDEN war, hatte ich ein paar Bands, in denen ich mehr über Gesang gelernt habe. Man hat eben nicht einfach eine Stimme, sondern muss es trainieren und für sich entdecken. Für mich ist es ein großer Spaß, in meinem Alter noch etwas Neues zu entdecken.

Neben dem Gesang bist du aber genau wie Richie sehr bekannt für dein Gitarrenspiel. Wenn du jetzt deine Arbeit bei IRON MAIDEN mit der bei SMITH/KOTZEN vergleichst, siehst du einen Unterschied in deinem Spielstil? Persönlich habe ich das Gefühl, dass du auf dem neuen Album sehr viel bluesiger spielst als bei MAIDEN.

Ja, da hast du Recht. Ich spiele allerdings nicht gerade alten Blues wie bei B.B. King oder Albert King, wobei ich diese Musiker natürlich sehr respektiere. Ich bin eher mit Leuten wie Gary Moore oder Brian Robertson aufgewachsen, aber die wurden sicherlich von den ursprünglichen Bluesspielern beeinflusst und stellen so etwas wie die zweite Generation dar. Paul Kossof von FREE und Mick Ralphs von BAD COMAPNY gehören wohl auch dazu, genau wie Richie Blackmore, wobei er wohl schon einer der ersten Shredder war, weil er diese klassische Seite und Virtuosität mitbrachte. Aber ich bin mit dreckigem Bluesrock aufgewachsen und auch ein bisschen mit PRIEST, BLACK SABBATH, UFO und Michael Schenker. Es gibt also auf jeden Fall Blueseinflüsse bei SMITH/KOTZEN, wobei unser Album keine Blues-Platte ist, sondern ein Hardrock-Album mit ein bisschen Blues hier und da, was ich liebe. Ich denke, das ist einfach zeitlos.

SMITH/KOTZEN auf den Spuren von PAT TRAVERS

Die Instrumente auf dem Album haben du und Richie komplett selbst gespielt, korrekt? Wie habt ihr entschieden, wer was spielt, sowohl im Hinblick auf die Gitarren als auch die anderen Instrumente?

Ja, das ist weitestgehend korrekt. Wir haben uns im Studio mit unseren Gitarren und ein paar Mikrofonen hingesetzt. Da haben wir die Songs in Blocks zusammengestellt. Richie war meistens für die Refrains verantwortlich, weil er eben so einen großen Stimmumfang hat. Die Entscheidung, wer was sing oder auf der Gitarre spielt, hatte großen Einfluss auf die Identität der Songs. Aber sowas fand ich schon immer cool. Ich mag Gitarristen, die auch singen, wie Stevie Ray Vaughan oder Eric Clapton. Was die anderen Instrumente angeht, haben wir nach und nach die Basslinien und das Schlagzeug entwickelt, letzteres hat Richie auf den Demos gespielt. Die Basslinien haben wir komplett übernommen, das können eben gut selbst und wir wollten zu jedem Zeitpunkt unserer Vision möglichst treu bleiben. Für die finalen Aufnahmen haben allerdings andere Schlagzeuger manche Songs eingespielt. Für zwei oder drei Songs holten wie Tal Bergman ins Studio, der ein großartiger Sessiondrummer ist, aber auch Nicko McBrain von IRON MAIDEN ist dabei. Er ist in dem Song „Soul On Fire“ zu hören. Der Song erinnert ein wenig an PAT TRAVERS, von dem wir große Fans sind. Nicko hat mal in seiner Band gespielt und hat deswegen genau den Spielstil drauf, den der Song brauchte.

„Die Gitarre muss dem Song dienen.“

Du und Richie habt sehr unterschiedliche Spielstile an der Gitarre, die sich bei SMITH/KOTZEN sehr gut ergänzen. Wie würdest du eure beiden Stile beschreiben?

Richie begann im Alter von acht Jahren damit, Gitarre zu spielen und das wohl in erster Linie aus musikalischen Gründen. Ich fing an Gitarre zu spielen als ich 15 Jahre alt war, weil ich einen Job brauchte, in einer Band sein wollte und das irgendwie glamourös klang (lacht). Ich habe das Spielen quasi autodidaktisch gelernt, aber Richie bekam vom Kindesalter an eine richtige musikalische Ausbildung. Er hat eine solidere technische Basis und kann nahezu alles spielen. Er kann Jazz und shredden gleichermaßen, letzteres ist mir nie gelungen. Er war Teil der Shred-Generation, in der sich alle mit ihrer Geschwindigkeit übertrumpfen wollten. Das war nie so mein Ding, obwohl ich die Disziplin sehr bewundere, die dafür nötig ist. Es ist ja fast schon eine athletische Leistung. Für mich ging es immer eher darum, tolle Songs zu schreiben. Die Gitarre muss dem Song dienen. Ich spiele bis zu dem Punkt, an dem es für mich gut klingt und dann bin ich zufrieden. Ich greife nicht immer nach der Stratosphäre. Ich möchte ein Gefühl und eine Melodie rüberbringen. Richie kann das natürlich auch, aber er ist eben auch ein Shredder. Es ist toll, dass wir auf dem Album das Beste aus beiden Welten haben können.

Du hast schon ein wenig über das Songwriting gesprochen, aber lass uns da nochmal ins Detail gehen. Habt ihr die Songs für SMITH/KOTZEN alle gemeinsam von der Pike auf entwickelt oder hattet ihr im Vorfeld schon jeweils Ideen ausgearbeitet, die ihr im Studio zusammengetragen habt?

Ich habe ein paar Ideen mitgebracht. Für „Running“ hatte ich zum Beispiel schon ein paar Riffs und eine grobe Struktur. Ich hatte eine Strophe und Richie kam mit dem großartigen Refrain um die Ecke. Für „Scars“ haben wir einfach ein bisschen rumgedudelt, bis ich mit ein paar passenden Akkorden ankam. Richie entwickelte daraufhin die Gesangslinien und den Text. Bei MAIDEN läuft das anders. Da müssen alle sehr gut vorbereitet sein und bringen nur konkrete, bereits ausgearbeitete Songideen an. Doch Richie ist sehr gut darin, spontan auf etwas einzugehen. Wenn er dann eine Idee hat, inspiriert mich das wieder und so spielen wir uns die Bälle hin und her. Die Chemie war einfach großartig. Ich habe schon mit einer Menge Leute gearbeitet. Da sitzt man manchmal in einem Raum, versucht etwas zu schreiben und es funktioniert einfach nicht. Das wird dann richtig unangenehm. Aber mit Richie lief es einfach wie am Schnürchen.

Der Opener des Albums ist „Taking My Chances“. Der Song fungiert ebenfalls als Lead-Single der Platte. Was macht ihn so besonders für SMITH/KOTZEN, dass ihr ihm eine solche Prominente Stellung zukommen lasst?

Es ist ein toller Song mit einem starken Riff, welches die Aufmerksamkeit der Leute erweckt. Wir singen beide in dem Song und es gibt ein wenig Fusion im Mittelteil, was für ein besonderes Feeling sorgt. Es ist ein rockiger Up-Tempo-Track, der das Album repräsentiert.

„Wenn du Musik spielst, kann das eine große Last von deinen Schultern nehmen.“

Was hat euch denn zu den Lyrics des Albums inspiriert? Ich habe das Gefühl, dass sie in erste Linie persönliche, fast schon autobiografische Geschichten erzählen. Ist dem so?

Ja, auf jeden Fall! Sehr oft haben wir einfach Melodien gesungen, um sei festzuhalten, ohne Text. Doch da kamen meistens schon die ersten Schlüsselwörter auf, wie „Scars“ zum Beispiel. Das kam oft wie aus dem Nichts. Die Musik hat einfach für eine Atmosphäre gesorgt, die uns in ein bestimmtes Mindset versetzte. Richie kam dann mit dem Text für „Scars“ um die Ecke, der davon handelt, welche Einflüsse deine Lebenserfahrungen auf dich haben. Die Texte handeln einfach vom Leben, das ist eine weitere Verbindung zum Blues, der oft einen therapeutischen Zweck erfüllt, wenn es darum geht, Gefühle einfach raus zu lassen. Wenn du Musik spielst, kann das eine große Last von deinen Schultern nehmen. Danach fühlst du dich großartig.

Wenn die Songs allesamt vom Leben handeln, gibt es dann noch ein konkreteres übergeordnetes Thema? Ich hatte beim Hören das Gefühl, dass Beziehungen, egal ob freundschaftlicher oder romantischer Natur, in den Texten oft eine Rolle spielen.

Ja, frühere Beziehungen, in denen etwas schiefgelaufen sind, hinterlassen immer Spuren. Das zieht sich durch das ganze Leben. „Running“ handelt von einer Person, die vor sich selbst flüchtet, indem sie jede Nacht Party macht und sich mehr oder weniger langsam selbst tötet. Insbesondere junge Leute durchleben so etwas häufig. Es geht häufig um solche Themen, denn das Leben an sich ist eine große Quelle der Inspiration und wir versuchen, sie auf poetische Weise aufzugreifen.

Quelle: Foto: John McMurtrie
19.03.2021

"Irgendeiner wartet immer."

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