Skálmöld
Baldur im Interview: "Danke, dass ihr uns das ermöglicht."

Interview

Bei SKÁLMÖLD ist aktuell einiges los. Nicht nur, dass sie vor gut einem Monat zum wiederholten Male einige Shows mit dem rund 200-köpfigen isländischen Nationalorchester und -chor gespielt haben, sie sind auch kurz davor, mit „Sorgir“ ihr fünftes Studioalbum zu veröffentlichen. Es gab also Gesprächsbedarf. Zudem ist ein Interview oder allgemein ein Gespräch mit SKÁLMÖLD immer ein Heidenspaß (no pun intended), wie sich schon in unserem letzten Interview zu isländischen Klischees gezeigt hat.

Anders als damals war dieses Mal nicht die komplette Band anwesend, sondern wir sprachen mit Gitarrist Baldur Ragnarsson auf Skype. Der hatte allerdings als Verstärkung seine fünf Monate alte Tochter mit am Start. Das hatte zwar ein etwas holpriges, dafür aber wieder lustiges Interview zur Folge. Die Kleine gab ab und an ihren eigenen Senf dazu und stellte unter Beweis, dass ihre Schreihalsqualitäten denen ihres Papas in nichts nachstehen.

Baldur Ragnarsson von Skálmöld – Photo Credit Gupbi Hanneson

Hi Baldur! Eure „SKÁLMÖLD og Sinfóníuhljómsveit Íslands“-Shows– also die mit dem Symphonieorchester und dem Chor – sind jetzt einen Monat her. Das mitzuerleben war monumental! Wie war die Erfahrung für dich dieses Mal?

Baldur: Oh, wow, ist es schon ein Monat? Also dieses Mal bin ich persönlich entspannter da rein gegangen, weil ich wusste, dass es funktionieren würde [lacht]. So ging es wahrscheinlich vielen von uns. Ich war auch sehr glücklich darüber, neues Material von den letzten beiden Alben „Með Vættum“ und „Vögguvísur Yggdrasils“ mit einbringen zu können. Dieses Mal war keiner gestresst. Wir wussten, wir mussten uns einfach nur gut vorbereiten und es auf den Punkt durchziehen. Und genau so ist es dann gelaufen. Für mich war es einer der spaßigsten Auftritte meines bisherigen Lebens. Es hat einfach alles toll funktioniert. Alle waren sehr zufrieden. Das Orchester, der Chor und alle, die sonst noch daran mitgearbeitet haben. Es hat einfach unglaublichen Spaß gemacht. Wir haben wirklich Glück damit gehabt, das noch mal machen zu können.

Gab es von den vier Abenden einen, den du als den besten bezeichnen würdest?

Baldur: Sie waren sehr unterschiedlich, denn das Publikum war immer sehr verschieden. Freitagabend war der Fanclub da. Mittwoch war die letzte Show, die wir angekündigt haben. Da waren dann die neugierigen Leute, die normalerweise nicht unbedingt diese Art der Musik hören und nur mal schauen wollten. Freitag war – was das Publikum angeht – der lauteste Abend. Wegen des Fanclubs, natürlich. Die haben richtig Stimmung gemacht. Die machen immer richtig Stimmung. Was das Spielen angeht, da kann ich wirklich nicht zwischen den Abenden wählen. Es hat immer total Spaß gemacht. Ich habe jede Show sehr genossen.

Wird es ein Video von den Shows geben? Ich habe zwar Kameras gesehen, aber eher wenige.

Baldur: Wir haben es aufgenommen, haben aber noch keine Ahnung, was wir damit machen werden. Wir wollten nicht hinterher bereuen, es nicht gefilmt zu haben. Wir haben aber keine konkreten Pläne, was wir mit dem Material anstellen werden. Es ist aber da. Wir wollten sichergehen, dass eine Aufnahme existiert.

Böbbi (Sänger Björgvin Sigurðsson) hat mal gesagt, dass „Sorgir“ viel heavier und düsterer werden würde, als die Alben davor. Ich stimme da voll zu. Ihr habt über die letzten Jahre immer mehr an Härte abgenommen und seid jetzt womöglich an eurem härtesten Punkt angekommen. Wie kam es dazu?

Baldur: Ja, das stimmt. Eine Sache, die ich besonders daran mag, in SKÁLMÖLD zu sein, ist, dass wir es nie darauf ansetzen, das Gleiche zwei Mal zu machen. Uns allen ist sehr wichtig, die Dinge interessant zu halten. Die Atmosphäre des Albums rührt hauptsächlich daher, welche Bandmitglieder den Großteil der Musik schreiben. Böbbi und ich neigen dazu, härteren Kram zu schreiben. Bibbi [Bassist Snæbjörn Ragnarsson] schreibt viel melodisches, folkiges Zeug. Genau wie Þrási [Gitarrist Þráinn Árni Baldvinsson]. Wir entscheiden vorher nicht, dass es zum Beispiel das härteste Album werden soll. Wir legen einfach los und schauen, wohin es uns führt. Alles Weitere ergibt sich dann.

Skalmöld – Rockharz 2018

Da „Sorgir“ härter geworden ist, bedeutet das wohl, dass du und Böbbi das meiste geschrieben habt.

Baldur: Wir haben vieles auf diesem Album geschrieben, das steht fest. Es hat aber jeder Material zu diesem Album beigesteuert. Jón ist zum Beispiel wirklich gut im Strukturieren der Songs. Er ist sogar unglaublich gut darin. Þráinn hat auch einiges beigesteuert. Böbbi und ich haben aber wirklich viel für dieses Album geschrieben und wir neigen dazu, härtere Riffs zu schreiben. Jedes Album ist aber immer eine Mischung aus Material von uns allen. Manche Alben sind mehr von den einen dominiert, manche von den anderen. „Sorgir“ ist auf jeden Fall etwas kälter, rauer und härter als das letzte.

Für die meisten ist es ziemlich schwierig, SKÁLMÖLD-Songs zu verstehen, weil sie auf Isländisch sind. Kannst du uns die Titel übersetzen und vielleicht kurz erklären, worum es in den einzelnen Stücken geht?

Baldur: Das Album ist im Grunde in zwei Parts unterteilt. Der Albumtitel „Sorgir“ bedeutet „Sorgen“. Die zwei Teile heißen „Sagnir“, was so viel wie „Geschichten“ bedeutet, und „Svipir“, was grob übersetzt „Geister“ bedeutet. Es gibt acht Stücke auf dem Album, die vier Paare bilden. Der erste und der fünfte Song sind ein Paar. Sie erzählen die gleiche Geschichte aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Der Sagnir-Song ist aus der Sicht der Person, der die Geschichte widerfährt. Im Svipir-Song hat man genau die gleiche Geschichte, aber aus einer anderen Perspektive.

Es sind also vier Geschichten, die aus sehr unterschiedlichen Sichtweisen erzählt werden. Aus der von Menschen und anderen Wesen, die in den Geschichten ganz verschiedene Rollen einnehmen. Das alles ist sehr düster und dramatisch. Was die Titel angeht, so werde ich die Geschichten nicht zu sehr spoilern. „Ljósið“ bedeutet „das Licht“. „Sverðið“ ist „das Schwert“. „Brúnin“ ist „der Rand“ und „Barnið“ ist „das Baby“ – wie das hier [zeigt auf seine Tochter]. „Skotta“, „Gangári“, „Móri“ und „Mara“ sind alles Namen verschiedener mythologischer Wesen und Geister.

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Wie teilt ihr euch bei SKÁLMÖLD eigentlich die Gitarrenparts auf? Þráinn spielt fast alle Solos. Gibt es bestimmte Parts, bei denen ihr einfach sagt „den will ich spielen!“, oder wie läuft das?

Baldur: Þráinn spielt im Grunde alle Solos. Ich spiele ab und zu einige Parts, die man vielleicht Solos nennen könnte, aber es sind keine dieser olympischen Solos. Von den Gitarristen in SKÁLMÖLD ist er der wirklich, wirklich, wirklich gute. Wir sind alle gut, aber er ist auf jeden Fall der Solo-Gitarrist. Ich glaube, die Leute vergessen auch gerne, wie verdammt gut Böbbi ist. So muss ich mir keine Gedanken um den Rhythmus machen. Ich kann mich also irgendwo dazwischen aufhalten. Ich kann im Grunde machen, was ich will, zum Beispiel Harmonien spielen, während Böbbi sich um den Rhythmus kümmert.

Þráinn schreibt alle seine Solos, Böbbi und ich schreiben viele der Riffs und normalerweise auch die Harmonien. Für viele meiner Riffs braucht man drei Gitarren. So schreibe ich einfach. Ich sage den beiden dann, was sie dabei zu spielen haben. Ich habe mich bisher nur zwei Mal für ein Solo gemeldet [lacht], normalerweise mache ich das nicht. Da wir diese beiden tollen Gitarristen an beiden Enden des Spektrums haben, kann ich also in der Mitte machen, was ich will, solange ich den Song nicht versaue. Ein Album, auf dem nur ich spiele, würde wahrscheinlich keinem sonderlich gefallen. Das klingt echt komisch, wenn die beiden nicht gleichzeitig auch spielen. Ohne sie ergibt es keinen Sinn. Wenn wir nur zwei Gitarristen hätten, könnte ich das nicht machen.

Die erste Single „Sverðið“ ist einer der am wenigsten harten Songs auf dem Album. Wieso habt ihr euch dazu entschieden, diesen Song von „Sorgir“ zuerst zu präsentieren?

Baldur: Naja, ich weiß nicht. Wir mögen den Song, und es ist definitiv ein SKÁLMÖLD-Song. Er ist sehr folky, hat aber auch diesen langen, härteren Mittelteil, der sich ziemlich von dem, was wir sonst so machen, unterscheidet. Den Teil hat Gunnar geschrieben. Es handelt sich dabei um eine Fuge, die total durchdacht ist. Ich hatte davon gar keine Ahnung, aber als wir das dem Orchester vorgelegt haben, meinten die sofort, „oh ja klar, eine Fuge“. Der Song hat uns einfach allen gefallen. Das gilt auch für die zweite Single, „Móri“.

Das ist kein typischer SKÁLMÖLD-Song, klingt aber trotzdem nach SKÁLMÖLD. Das war auch ein Song, den wir einfach sehr mögen. Viel weiter haben da gar nicht gedacht. Ich finde, zusammen sind die beiden Song sehr gute Repräsentanten für „Sorgir“. Es schlägt aber sehr viele verschiedene Richtungen ein, und man hätte wahrscheinlich jeden Song als Single nehmen können und es wären einige Aspekte nicht darauf vertreten. Ich liebe dieses Album wirklich, das wir da gerade gemacht haben. Es ist auf jeden Fall mein Lieblings-SKÁLMÖLD-Album.

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Wir kommen zur letzten Frage, die sich wirklich mit den Songs beschäftigt. Es geht um das letzte Stück, „Mara“. Es klingt zwar nicht so, erinnert mich wegen der Art, wie es komponiert ist, aber sehr an „Kvaðning“. Die Länge, die unterschiedlichen Teile, der Fokus auf bestimmte, epische Melodien… So was habe ich in dieser Form auf den letzten paar Alben vermisst. Wolltet ihr gezielt wieder so ein Stück dabei haben?

Baldur: Nicht gezielt. Ich glaube, auf den letzten beiden Alben hatten wir Songs, die sehr lang und teilweise dramatisch waren, aber nicht auf die gleiche Art, nicht so folkig. „Vanaheimur“ ist ein wenig düsterer. Ich glaube, das kommt wieder darauf an, wer es schreibt. „Kvaðning“ ist eine Mischung aus Bibbi und Þráinn, die das meiste Material für den Song geschrieben haben. „Mara“ stammt von Bibbi. Ich glaube, der hat den ganzen Song geschrieben. Er neigt dazu, diese erhebenden, folkigen, melodischen und sehr cleveren Songs zu schreiben.

Das ist seine Stärke, und das ist definitiv sein Song [Pause]. Dann steuern wir alle was bei, nehmen alles wieder auseinander und setzen es neu zusammen – aber ja, man hört auf jeden Fall, dass das sein Song ist. Geplant war es aber nicht. Wir schauen uns einfach das Material an und suchen uns die Parts aus, die wir mögen. Daraus bauen wir dann das Album auf, und ab einem gewissen Punkt entwickelt sich die Atmosphäre des Albums von selbst. Wir alle arbeiten gerne so und setzen nicht vorher Regeln und Limits fest.

Damit wären wir durch. Hast du von deiner Seite vielleicht noch was hinzuzufügen?

Baldur: Ich will eigentlich nur den Leuten danken, die unsere Alben kaufen und zu unseren Konzerten kommen. Die nach Island reisen, um uns mit einem Orchester spielen zu sehen. Es ist sehr beeindruckend, wenn man aus Island ist und ziemlich aggressive Musik in seiner total bizarren Sprache macht, die keiner versteht, und die Leute trotzdem zu den Konzerten kommen. Dass wir die Möglichkeit haben, in andere Länder zu reisen und dort für die Leute spielen zu können.

Das darf man nicht für selbstverständlich halten, das ist einfach der Wahnsinn. Ich würde also gerne allen dafür danken, und ich hoffe, dass allen das neue Album gefällt. Ich für meinen Teil liebe es und bin ziemlich sicher, dass die Leute es auch lieben werden. Aber ja, danke, dass ihr uns das ermöglicht. Den größten Spaß im Leben habe ich, wenn ich reisen und Musik spielen kann. Ich habe die Möglichkeit, beides zu tun, was fantastisch ist.

Vielen Dank für das Interview!

Baldur: Danke auch!

Quelle: Baldur Ragnarsson, Skálmöld
05.10.2018

headbanging herbivore with a camera

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