Skálmöld
"Ach ja, der Präsident ist auch wieder da."

Interview

Nach einigen Schwierigkeiten im Presswerk, die zu gleich zwei Terminverschiebungen bei der Veröffentlichung führten, ist es nun endlich so weit. Das SKÁLMÖLD-Livealbum „10 Year Anniversary – Live in Reykjavík“ kommt am 23.10.2020 in CD-, LP- und BluRay-Format. Bereits bei den Aufnahmen Ende Dezember 2019 waren wir in Reykjavík dabei und haben SKÁLMÖLD ausgiebig zu ihren bisherigen zehn Jahren Bandgeschichte ausgefragt. Anlässlich des Releases ein knappes Jahr später haben wir uns erneut zusammengesetzt, wenn auch virtuell. Wie es der Band seit dem ergangen ist, erfahrt ihr hier von Björgvin Sigurðsson (Leadgesang, Gitarre) und Þráinn Árni Baldvinsson (Leadgitarre, Gesang).

Hi Björgvin, hi Þráinn! Das letzte Mal haben wir uns vor zehn Monaten während der Shows zum zehnjährigen SKÁLMÖLD-Jubiläum in Reykjavík getroffen. Wie ist es euch seither ergangen? Wie fühlt sich das Jubiläum nun nach zehn Monaten für euch an?

Þráinn: Naja, also zuerst einmal steht die Welt auf dem Kopf. Es ist irgendwie surreal. Ich erinnere mich noch, wie ich in dein Interview mit Baldur und Böbbi [Björgvin] reingeplatzt bin. Alle hatten total viel Spaß. Ich weiß nicht mehr, ob das nach der zweiten oder nach der letzten Show war, aber nach der zweiten Show war mir innerlich schon klar, dass das nicht die letzten Shows sein würden. Wir hatten ja geplant, nur eine Pause einzulegen. Danach, als Corona aufkam, waren wir ziemlich mit dem Release des Live-Albums beschäftigt. Es war also sogar gut, keine Shows mehr zu spielen, sondern uns hierauf zu konzentrieren, und darauf, unsere Kräfte wieder zu sammeln.

Björgvin: Also was das Kräftesammeln angeht, bin ich nicht so sicher. Ich habe all meine Energie einfach in meine reguläre Arbeit gesteckt [lacht].

Skálmöld sind (v. l.): Jón Geir Jóhannsson, Baldur Ragnarsson, Þráinn Árni Baldvinsson, Björgvin Sigurðsson, Gunnar Ben, Snæbjörn Ragnarsson. Credit: Guðni Hannesson

In der SKÁLMÖLD-Doku, die zur BluRay gehört, gibt es einige sehr persönliche und emotionale Statements von euch. Halten diese Emotionalität und Leidenschaft, die ihr im Rahmen der Shows gefühlt habt, bis heute noch an?

Þráinn: Bis zu diesen Shows lief alles auf Tempo 100. Ich habe die gesamte Gefühlspalette durchgemacht. Die zweite Show hat mich sehr berührt und ich habe realisiert, dass das definitiv nicht das Ende ist. Ich war auch froh, die Pause einzulegen, obwohl ich ein paar Wochen davor noch gar nicht froh darüber war. Ich bin ziemlich stolz. Ich habe mir die Show angesehen und finde sie wirklich gut. Ich finde, wir sollten wieder spielen, aber das sehen wir dann.

Björgvin: Wir hatten uns fast ein Jahr im Voraus für die Pause entschieden. In den Monaten vor den Shows – darüber haben wir mal gesprochen, Þráinn – haben wir dann immer Social-Media-Posts von befreundeten Bands gesehen, Fotos von Touren und so weiter. Wir waren uns einige, dass wir das auf eine merkwürdige Weise schon da vermisst haben [lacht].

Þráinn: Ja, ich weiß noch, wie du mich angerufen hast. Wir haben die Pause im August angekündigt, und Anfang Oktober haben wir uns unterhalten, und du nur so „stell dir vor, wir wären jetzt hier und da…“ [beide lachen].

Björgvin: Ich für meinen Teil vermisse es, zu touren und Shows zu spielen. Ich kann es kaum erwarten, dass wir wieder unterwegs sind.

Þráinn: Da stimme ich zu.

Björgvin: Hoffen wir mal, dass die Pandemie sich bis dahin erledigt hat.

Þráinn: Es war glaube ich im April, als wir eine E-Mail von unserer Managerin bekommen haben, in der stand, „seht ihr, gut, dass wir uns entschieden haben, dieses Jahr auszusetzen.“ Sie war gerade dabei, bei ihren anderen Bands alles abzusagen.

Vor allem finanziell hattet ihr da echt Glück. Viele Bands hatten durch die Absagen ja hohe Kosten.

Þráinn: Auf jeden Fall. Wir haben da Freunde, die schon den ganzen Merch für eine US-Tour hatten und dann genau eine einzige Show in Philadelphia gespielt haben. Das ist furchtbar. Du zahlst alle Flüge, den Merch…

Björgvin: Ja, für eine Band dieser Größenordnung sind die Kosten, alle Leute und den ganzen Kram da rüber zu bekommen, immens. Die Kosten wieder reinzuholen oder sogar ein klein wenig Geld mit nach Hause zu nehmen, dauert normalerweise vier oder fünf Wochen. Wenn eine Tour also nach einer Show gecancelt wird, ist das nicht gut.

Galerie mit 20 Bildern: Skálmöld – Summer Breeze Open Air 2019

Ihr habt zwar schon ein Live-Album, aber das ist mit dem Orchester. Das neue Live-Album ist also das erste von SKÁLMÖLD allein. Die Setlist ist dabei schon so ein kleines Best-of-SKÁLMÖLD. Was glaubt ihr, wird den Leuten daran am meisten gefallen?

Þráinn: Eine Sache hat mich überrascht. Ich liebe Live-Alben von anderen Bands, und ich weiß ganz sicher, dass einige meiner Lieblingsbands Sachen noch mal neu aufnehmen, mit denen sie nicht zufrieden sind. Oder sie machen anderweitig noch was im Studio. Das hier ist 100% live und es ist ziemlich gut, ich bin echt stolz.

Björgvin: Am Tag nach den Aufnahmen gingen die Dateien nach Deutschland.

Þráinn: Keine Schönheitskorrekturen oder Re-Recordings. 100% live. Einfach SKÁLMÖLD auf der Bühne. Nur wir, wie wir Spaß haben. Vielleicht ein wenig feierlicher wegen des Jubiläums.

Ich persönlich habe mich ja darüber gefreut, dass ihr „Gleipnir“ wieder ans Ende gepackt habt. Die letzten Jahre habt ihr es immer am Anfang gespielt.

Þráinn: Darüber war ich auch froh, denn das Solo ist recht schwierig zu spielen, weil es so schnell ist. Am Anfang des Sets bin ich oft noch nicht aufgewärmt genug.

Björgvin: Du solltest dich einfach mal richtig aufwärmen, so wie ich [lacht]. Für mich war es sehr schön, ein ‚richtiges‘ Live-Album zu haben. Kein Schnickschnack.

Habt ihr Aufnahmen von allen Shows verwendet? Es kommt mir vor, als wäre es nur eine einzige. Oder habt ihr zusammengestückelt?

Björgvin: Nur eine. Ich glaube, die zweite. Beim Bild sind ein paar Momente vielleicht von anderen Abenden, aber der Ton ist komplett vom Freitag.

Þráinn: Bei den Aufnahmen vom Publikum kann es gut sein, dass jemand, der an einem anderen Abend da war, plötzlich doch im Video ist.

Oder sie waren einfach an beiden oder allen Abenden da. Manche Leute habe ich jeden Abend gesehen. Womit wir beim nächsten Thema wären. In der Doku sprecht ihr unter anderem über die Leute, die von überall her anreisen. Die SKÁLMÖLD-Fans, die interviewt werden, sagen alle, wie fannah ihr seid. Wie ist eure Connection zu den Fans jetzt in der Pause?

Björgvin: Ich habe aktuell sehr wenig Kontakt. Ich bin kein Social-Media-Typ.

Þráinn: Er ist nicht mal mit mir auf Facebook befreundet [lacht].

Björgvin: Wenn ich nicht physisch mit der Band irgendwo bin, habe ich also nicht so viel Kontakt mit den Fans. Aber wenn wir eine Show spielen – egal ob in Island oder in Europa – gehe ich vor und nach der Show immer ins Publikum, um die Atmosphäre aufzusaugen. Das mag ich sehr. So habe ich schon so viele nette Leute getroffen, die schon lange Fans der Band sind. Oder solche, die uns zum ersten Mal sehen, und gerade erst zu Fans werden. Diese Momente sind mir sehr wichtig und irgendwie vermisse ich sie [lacht]. Aber das holen wir nach. Bald. Recht bald. Glaube ich. Þráinn?

Þráinn: Ich bin derjenige, der sich normalerweise immer meldet, wenn unsere Managerin fragt, wer etwas auf Social Media machen kann. Davon habe ich in letzter Zeit also recht viel gemacht. Die Fans sind super wichtig. Keine Fans, keine Show. Wir hätten so auch nie die ganzen Shows mit dem Synfonieorchester machen können. Das wissen wir also sehr zu schätzen. Ich denke, es ist nicht für jeden leicht, auf Social Media zu interagieren. Mir fällt es sogar leichter, als nach der Show rauszugehen und Leute zu treffen. Nicht, dass ich das nicht machen will, aber ich bin nicht gut darin.

Ich fühle mich wohler, wenn ich das auf Social Media mache. Es ist auch gerade dann, wenn wir nicht auf Tour sind, wichtig, diese Connection zu haben. Ich mag diese Facebook-live-Sachen sehr gerne. Leute von überall her werfen Fragen mit ein und freuen sich darüber, dass wir das tun. Und ich freue mich einfach, dass Leute, die nicht unsere Familienmitglieder sind, mögen, was wir machen [lacht].

Skálmöld im Interview – gute Stimmung trotz 2020.

Komplett anderes Thema. In der SKÁLMÖLD-Doku sieht man auch Bilder aus Reykjavík und die typischen isländischen Landschaften, Wasserfälle und so weiter. Man kennt Island in den letzten Jahren nur voller Touristen, die jetzt wegen Corona nicht da sind. Wie fühlt sich das an? Wie vor der Tourismusexplosion?

Þráinn: Ein bisschen. Wir hatten schon immer Touristen, aber nicht Millionen. Es ist echt komisch, irgendwo hinzugehen und fast alleine zu sein. Vor ein paar Jahren habe ich mal mit Freunden aus den Staaten den ‚Golden Circle‘ gemacht. Da herrschte das reinste Chaos. Wenn man jetzt herumfährt, sieht man nicht einen einzigen Bus.

Björgvin: Man sieht keine Menschenseele.

Þráinn: Ich glaube, es ist auch gut für die Natur, eine Pause zu bekommen. Aber das wird sich wieder ändern.

Björgvin: Ich denke, es war gut, dass die Isländer mal gezwungen waren, ihr eigenes Land zu bereisen, statt für den Urlaub nach Europa zu fliegen. Viele Isländer hatten davor wahrscheinlich noch nie Urlaub in Island gemacht.

Þráinn: Wir beide haben uns ein paar Mal getroffen, einfach so zum Essen und Trinken. Statt auf Tour zu essen und zu trinken [beide lachen].

Björgvin: Mir hat vor allem das letzte Mal gefallen.

Þráinn: Es war großartig!

Björgvin: Der Tag danach war nicht gut [lacht].

Das ist doch mal ein gutes Schlusswort. Habt ihr denn noch was loszuwerden?

Þráinn: Ich freue mich jetzt einfach darauf, das Album rauszubringen. Wir haben schon viele Shows aufgenommen, also das Audio. Fast alle Festivals und etwa die Hälfte der Shows auf Tour. Böbbi [Björgvin] und ich haben schon oft darüber gesprochen, Live-Alben zu veröffentlichen, selbst wenn es nur auf Spotify oder so wäre. Live-Auftritte sind unser Lieblingsding. Ich mag die Studioalben, aber live ist es besser. Und jetzt bringen wir endlich ein richtiges Live-Album heraus. Obwohl mir das 2013er Live-Album gefällt.

Björgvin: Das jetzt liegt einem näher am Herzen. Eine laute, schwitzige Clubshow [lacht]. Darauf stehe ich.

Þráinn: Es war lustig, im Publikum den Präsidenten zu sehen und sich nur zu denken, „ach ja, der ist auch wieder da.“ Früher wurde man da ein wenig nervös. „Jetzt müssen wir abliefern, der Präsident ist da.“ Aber mittlerweile ist es vollkommen normal.

Danke euch für das Interview!

Dass SKÁLMÖLD ihre selbst auferlegte Pause nicht ewig hinziehen werden, sollte klar geworden sein. Die bereits für April angekündigte Tour mit FINNTROLL könnte ihr Comeback auf die Bühnen werden. Drücken wir Daumen, dass diese wie geplant stattfinden kann.

Quelle: Björgvin Sigurðsson und Þráinn Árni Baldvinsson von Skálmöld
16.10.2020

headbanging herbivore with a camera

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