Skálmöld
Interview mit Björgvin Sigurðsson zu "Baldur"
Interview
Selten hat mich ein Debütalbum so begeistert, wie das bei „Baldur“ von der isländischen Band SKÁLMÖLD der Fall ist. Das Album, das dieser Tage über Tutl Records erschienen ist, verbindet nicht nur auf angenehme Weise verschiedene Metalstile, sondern besteht einfach aus Klassesongs. Dabei ist das Album eher durch Zufall auf einem der Sommerfestivals in meine Hände gelangt – seitdem läuft es aber beinahe täglich in meinem CD-Player. Klar, dass sofort ein Interview mit Björgvin Sigurðsson her musste, dem Gitarristen, Sänger und Sprachrohr der Band. Dann mal los…
Hallo Björgvin, Euer Debütalbum „Baldur“ wurde ja dieser Tage veröffentlicht. Wie fühlst Du Dich gerade, wo all der Stress von den Aufnahmen und der Labelsuche vorbei ist?
Ich fühle mich großartig und irgendwie erlöst. Stolz aber auch. Die Aufnahmen und der Mix des Albums waren bereits im Juni fertig, und seitdem ist eine kleine Ewigkeit vergangen, bis wir das Album endlich fertigstellen konnten. Das Cover war zu dem Zeitpunkt noch nicht fertig, aber das Warten hat sich letztlich gelohnt. Mittlerweile haben wir mit Tutl Records von den Färöern ein Label gefunden, das interessiert darin war, mit uns ernsthaft zusammenzuarbeiten. Es ist wirklich eine Erleichterung, dass wir mit ihnen ein Label gefunden haben, das zu einhundert Prozent hinter uns steht.
Ich habe gesehen, dass Ihr auf Facebook eine recht große Anhängerschaft habt, und auf Eurem Profil gibt es zum Album schon eine riesige Anzahl an Kommentaren zu „Baldur“ – was waren denn die schönsten oder überraschendsten Meinungen zum Album?
Ich muss schon sagen, am meisten überrascht hat mich, als ich den Kommentar „multipler Orgasmus“ gelesen habe. Und es hat mich im Grunde auch ziemlich überrascht, wie viele positive Reaktionen wir aus aller Welt bekommen haben. Am schönsten war sicherlich, als ein Typ geschrieben hat, dass SKÁLMÖLD wie Zucker für Augen, Ohren und die isländische Sprache sei. Wir sind sehr stolz auf unser kulturelles Erbe und unsere Sprache, und unsere Texte sind sehr anspruchsvoll, weswegen das richtig herzerwärmend war.
Das ist natürlich auch Euer Album: „Baldur“ erzählt die epische und dramatische Geschichte des isländischen Wikingers Baldur. Da die Texte ja isländisch sind, kannst Du uns vielleicht eine kurze Einführung in die Geschichte geben?
Wie Du ja schon sagtest, erzählt das Album die Geschichte des Wikingers Baldur. Baldur ist ein wohlhabender Mann, lebt vom Reichtum seines Besitzes und hat eine große Familie („Heima“). Eines Nachts wird sein Heim von einem rätselhaften Dämonen heimgesucht, der all seine Familie tötet und seine Ländereien zerstört („Árás“). Nach einem Moment der Trauer („Sorg“) schwört Baldur Rache. Er findet zwei seiner Leute, Grímur und Gunnar Jarl, die noch am Leben sind („Upprisa“), und zusammen trachten sie nach Rache. Sie reisen durch Wälder und über Gebirge und sie kämpfen mit Trollen und anderen feindlich gesinnten Geistern („För“), als sie sich auf die Suche nach der Kreatur machen. Auf seiner Suche wird Baldur von schrecklichen Träumen geplagt und durchlebt den Alptraum ein zweites Mal („Draumur“), aber er und seine Angehörigen greifen zu den Waffen („Kvaðning“) und bekommen letztendlich ihre Vergeltung („Hefnd“). Aber der Preis der Rache ist hoch, weil alle Männer sterben, sei es im Kampf oder an den Wunden („Dauði“). Zuletzt findet Baldur aber in Valhalla seinen Freiden, zusammen mit seiner Familie und seinen Angehörigen („Valhöll“). Eigentlich also eine recht einfache Rachegeschichte.
Dafür sind die Texte aber recht anspruchsvoll, weil sie den sehr strengen Regeln der traditionellen isländischen Poesie folgen. Vielleicht kannst Du uns diese Regeln ein wenig näher bringen und erklären, warum Ihr sie angewandt habt.
Nun, die Regeln und Traditionen der isländischen Poesie sind schon viele hundert Jahre alt, weshalb es für uns sehr logisch war, diesem Vorbild zu folgen. Es verleiht der Musik eine gewisse Tiefe und verstärkt unsere Absicht, unser Erbe der Wikingerzeit zu ehren.
Was die Regeln angeht, so beziehen sie sich beispielsweise auf die Reimform. Die Reime müssen sich in bestimmten Teilen des Satzes befinden, oder in einer bestimmten Zeile.
Dann gibt es die Regel, die „stuðlar“ oder „höfuðstafir“ heißt. Sie besagt, dass in zwei aufeinanderfolgenden Zeilen Wörter mit demselben Buchstaben beginnen müssen, und zwar zwei Wörter in der ersten Zeile und eins in der nächsten. Wo genau die Wörter stehen müssen, ist in weiteren Regeln genau festgelegt. Ich gebe mal ein Beispiel aus dem Song „Dauði“:
Ligg ég, leka mín sár,
loppinn kólnar minn nár.
Dauðinn dregur mig nær,
dettur yfir mig snær.
Ich selbst bin jetzt kein Experte in dieser Angelegenheit, aber das sind sehr feste Regeln, und dadurch haben die Texte einen besseren Fluss und klingen besser. Ich hoffe, dass das einen kleinen Einblick in isländische Poesie geben konnte.
Wie gesagt, „Baldur“ ist ein Konzeptalbum, aber es gibt nicht nur eine Dramaturgie im gesamten Album. Eigentlich kann jeder Song für sich selbst stehen. War es demnach von Anfang an geplant, dass „Baldur“ ein Konzeptalbum sein sollte?
Ja, genau, das hatten wir von Anbeginn im Sinn. Unser Bassist Snæbjörn Ragnarsson schreibt all unsere Texte und hatte auch die Idee für das Konzept. Wir waren damit einverstanden, und er hatte das Grundkonzept schon beisammen, bevor wir unseren ersten Song fertiggeschrieben hatten.
Noch ein bisschen weiteres Lob: Euer musikalischer Ansatz ist sehr vielschichtig, und man kann Eure Musik nicht einem bestimmten Genre zuordnen: Da gibt es traditionelle Parts, wie in „Heima“ oder „Kvaðning“, es gibt Twin-Leads, schnelle Teile usw. Einfache Frage: Welche sind Eure Einflüsse, und was führte letztlich zu diesem speziellen Mix?
Vom ersten Tag haben wir danach gestrebt, traditionelle isländische Musik mit unseren eigenen Einflüssen zu verbinden. Wir sind alle seit unserer Kindheit Metalfans und sind mit den frühen METALLICA, IRON MAIDEN, ANTHRAX und SLAYER aufgewachsen. Daher war es für uns sehr natürlich, diese Einflüsse miteinander zu vermischen. Wir versuchen nicht etwas zu sein, was uns nicht entspricht. Die Musik auf dem Album ist Musik, die wir selbst mögen, und ich würde es mir tatsächlich zulegen und anhören, wenn ich nicht Mitglied wäre, hehe!
Dazu muss ich noch sagen, dass unser Keyboarder Gunnar einen klassischen Background hat, und als er zu uns in die Band kam, hat er unserer Musik eine ganz neue Dimension verliehen.
Was mich gleich zu meiner nächsten Frage bringt: Ich finde, die Arrangements sind sehr vielseitig. Womit fangt Ihr beim Komponieren an?
Wir schreiben alle an den Songs, und die meisten Stücke werden in unserem Proberaum ausgearbeitet. Grundsätzlich ist es so, dass irgendjemand mit einer Idee, an der er gearbeitet hat, ankommt und wir die dann gemeinsam den Song fertigstellen. Manchmal fügen wir gemeinsam noch Dinge hinzu, manchmal streichen wir auch einzelne Teile, die nicht passen. Aber das ist Teamwork, und deswegen ist dann auch niemand sauer. Bislang jedenfalls nicht, haha!
Beim Track „Hefnd“ hat Aðalbjörn Tryggvason von SÓLSTAFIR einen Part eingesungen. War das von Anfang an geplant, dass er etwas auf dem Album singen sollte, oder benötigte der Song einfach seine Stimme?
Nein, das hatten wir von Anfang an im Sinn. Addi [Aðalbjörn, Amn. d. A.] übernimmt die Stimme dieses Dämonen, des Feindes. Und als Snæbjörn mit der Idee ankam, dass der Dämon sozusagen eine Stimme bekommen sollte, dachte er sofort an Addi. Seine Stimme hat etwas sehr Unheimliches. Und da er ein Freund von uns ist, hat er sofort zugesagt, nicht zuletzt, weil er den Part des Schurken übernehmen sollte.
Eine interessante Sache ist, dass Ihr drei Gitarristen in Euren Reihen habt und es einige Arrangements für diese drei Gitarren gibt. Was war also zuerst: Die drei Gitarristen oder die Musik, die drei Gitarristen benötigte?
Ursprünglich war es unsere Idee, dass wir mehr folktypische Instrumente in unserer Musik verwenden wollten. Baldur Ragnarsson, einer unserer Gitarristen, sollte all diese Instrumente spielen, weil er wirklich jedes Instrument spielen kann, das man ihm in die Hand drückt. Meine Rolle sollte neben dem Singen sein, immer dann die zweite Gitarre zu übernehmen, wenn Baldur mit anderen Instrumenten alle Hände voll zu tun hat. Mit der Zeit sind wir aber immer metallischer geworden und haben die Folkanteile zurückgeschraubt, und außerdem haben wir verstärkt Harmonien in die Riffs integriert, so dass wir mittlerweile drei Gitarristen brauchen.
Noch mal einen Schritt zurück: SKÁLMÖLD gibt es seit 2009, und nur ein Jahr später habt Ihr ein äußerst gelungenes Debütalbum veröffentlicht… da muss es also für jedes Mitglied eine Geschichte vor der Gründung von SKÁLMÖLD geben. Vielleicht kannst Du unseren Lesern einen kurzen Überblick geben, was die Bandmitglieder vorher gemacht haben.
Wir haben alle schon seit vielen Jahren mit Musik zu tun. Beispielsweise sind Snæbjörn und ich seit unserer Kindheit befreundet, und unsere erste Band gründeten wir mit 13. Wir haben seitdem in einer Vielzahl von Bands gespielt, Punk und Death Metal eingeschlossen.
Die anderen Mitglieder waren natürlich auch in der isländischen Musikszene aktiv gewesen und haben mit allen möglichen Stilrichtungen experimentiert. Um nur mal ein paar Namen zu nennen, wo die Mitglieder von SKÁLMÖLD gespielt haben: AMPOP (Pop/Rock), LJÓTU HÁLFVITARNIR (Folk), HRAUN (Pop/Rock), INNVORTIS (Punkrock), KLAMIDÝA X (Rock) und viele andere Projekte.
Wie habt Ihr dann in SKÁLMÖLD zusammengefunden? Gab es ein bestimmtes Ziel, das Ihr mit der Gründung angestrebt habt?
Snæbjörn und ich hatten seit geraumer Zeit darüber gesprochen, dass wir eine Metalband gründen wollten. Es war einfach schon viel zuviel Zeit vergangen, seit wir in einer Metalband gespielt hatten. Er hat die Sache dann in die Hand genommen und mit denjenigen telefoniert und angemailt, die er in der Band haben wollte. Und somit war SKÁLMÖLD dann geboren.
Wir wollten vom ersten Tag unser kulturelles Erbe, unsere Sprache und unsere reiche Geschichte ehren. Es gibt zwar einige richtig gute Bands von Island, aber wir wollten unbedingt in unserer Sprache singen und unser nordisches Kulturerbe in unsere Songs einfließen lassen, da das vorher noch keine isländische Band gemacht hatte.
Dann lass uns mal auf den Bandnamen SKÁLMÖLD zu sprechen kommen. Das ist der Name einer Walküre in der Nordischen Mythologie…
Nicht ganz, denn Skálmöld bezeichnet im Isländischen eine Ära des Kriegs. Im 13. Jahrhundert kämpften auf Island die mächtigsten Clans um die Vorherrschaft. Man kann sogar sagen, dass es in dieser Zeit auf Island einen Bürgerkrieg gab. Und Skálmöld ist das Wort, das benutzt wird, um diese Situation auf Island in jener Zeit zu beschreiben. Die Walküre in der Nordischen Mythologie hat keinen Bezug zu unserem Bandnamen, es ist einfach nur dasselbe Wort.
Ihr habt letztens in Schweden eine Reihe von Gigs gespielt. Wie war es, dort zu spielen und wie seid Ihr beim Publikum angekommen?
Es war großartig! Es war das erste Mal, dass wir außerhalb von Island gespielt haben, und das Publikum hat uns sehr gut aufgenommen. Von den Fans, die da waren, hatten zwar die wenigsten von uns vorher gehört, aber wir haben mit den Gigs einige Fans dazugewonnen. Wir sind sehr glücklich, wie es gelaufen ist.
Das nächste Großereignis steht aber schon an, denn Ihr spielt nächstes Jahr auf dem Wacken Open Air…
Yeah, Wacken! Wir sind richtig stolz, dass wir die Gelegenheit haben, auf dem größten Metalfestival auf der Welt zu spielen. Da wird jeder Traum eines Teenage-Metalheads wahr!
Gibt es darüber hinaus schon Pläne für weitere Festivals oder vielleicht sogar eine kleinere Tour?
Wir hoffen natürlich, weitere Shows in Europa spielen zu können. Wir haben auch schon ein paar Angebote für nächsten Sommer und hoffentlich klappt das auch. Bislang ist aber noch nichts bestätigt. Und was Deutschland angeht, da würden wir natürlich auch gerne einmal touren, im Metal-Herzen Europas!
Letzte Frage: Ich mag Deinen Gesang wirklich sehr, er klingt so unvergleichlich rauh. Was ist also das Geheimnis Deiner Stimme?
Danke, Mann! Seitdem ich in Bands spiele, bin ich derjenige gewesen, der schreien oder grunzen musste. Insofern habe ich also schon ein paar Jahre Übung darin. Aber ich fürchte, dass es kein großes Geheimnis gibt. Ich versuche einfach nur, das zu bringen, was ich kann und von Herzen zu singen.
Eigentlich ein schönes Schlusswort. Hast Du sonst noch etwas, was Du loswerden möchtest?
Wir sind sehr dankbar für die ganzen positiven Reaktionen, die wir bislang bekommen haben – hoffentlich ist das der nur Anfang. Stay metal!
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