Skálmöld
"Packen Sie Ihren Penis ein!" - und andere Geschichten
Interview
Zehn Jahre haben die Isländer SKÁLMÖLD als Band mittlerweile auf dem Buckel. In dieser Zeit haben sie in unveränderter Besetzung fünf Alben, diverse Singles bzw. Splits und eine Live-DVD herausgebracht. Fleißig waren sie auch auf den Bühnen Europas, wo sie fast jedes Jahr auf Tour und Festivals anzutreffen waren. Am 30.08.2019 gaben SKÁLMÖLD schließlich bekannt, dass 2019 das vorerst letzte aktive Jahr für sie sein wird, denn ab 2020 legt die Band eine Pause auf bislang unbestimmte Zeit ein.
Zum Abschluss sollte es aber noch mal eine richtige Sause geben. Zur Wintersonnenwende am 21.12.2019 gab es deshalb drei Jubiläums- und Abschlusskonzerte in der isländischen Heimat Reykjavík. Mit dabei waren die langjährigen Freunde FINNTROLL. Wir waren vor Ort und haben uns mit einigen der SKÁLMÖLD-Jungs zusammengesetzt, um die letzten zehn Jahren Revue passieren zu lassen und schon mal vorzufühlen, wie lange wir denn nun auf SKÁLMÖLD-Action verzichten müssen.
Wir trafen Fronter Björgvin Sigurðsson und Gitarrist Baldur Ragnarsson in den Katakomben des herrschaftlich anmutenden Reykjavíker Gamla Bíó (Altes Kino). Spontan gesellte sich gegen Ende auch noch Gitarrist Þráinn Árni Baldvinsson dazu. Die drei sprachen über die besten und lustigsten, aber auch über die gruseligsten und traurigsten Erfahrungen, die sie mit der Band in den vergangenen zehn Jahren machen durften. Dabei entstand vor allem ein Eindruck: Dass es SKÁLMÖLD sicher nicht lange auf der Bank aushalten werden und sich vermutlich innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder zurückmelden dürften.
Hi Björgvin, hi Baldur! Vor der ersten Frage eine kleine Zusammenfassung. SKÁLMÖLD gibt es jetzt zehn Jahre, eure Texte sind auf Isländisch und ihr kommt von diesem sehr abgelegenen Fleckchen mitten im Ozean. Trotzdem ist es euch letztes Jahr für die Orchestershows gelungen, Leute aus 37 Ländern nach Island zu locken. Auch jetzt sind wieder Leute aus zahlreichen Ländern für eure Jubiläumsshows angereist. Wenn ihr an die letzten zehn Jahre zurückdenkt, wo ihr angefangen habt und wo ihr jetzt seid, an welchem Punkt hattet ihr das erste Mal das Gefühl, dass ihr da wirklich etwas am Laufen hattet, dass Fahrt aufgenommen hat und sich zu etwas Größerem entwickelt hat?
Björgvin: Die ursprüngliche Idee war, eine Band zu gründen und einfach ein wenig Musik zu schreiben und aufzunehmen, und dann zu sehen, was passieren würde. Das erste Album „Baldur“ war schon fast fertig, bevor wir überhaupt darüber gesprochen haben, vielleicht mal live zu spielen.
Baldur: Dann wurde uns quasi aus dem Nichts angeboten, in Wacken zu spielen. Bevor das erste Album draußen war. Da sind wir auf den Geschmack gekommen.
Björgvin: Ich glaube, der Moment, in dem mir klar wurde, dass wir da etwas hatten, war…
Baldur: … gestern [beide lachen].
Björgvin: Das war wahrscheinlich während der zweiten oder dritten Tour. Die erste Tour – die Heidenfest-Tour – war irgendwie immer noch surreal.
Baldur: Ja. Während dieser Tour haben wir uns als Band auch sehr verändert.
Björgvin: Stimmt. Dann haben wir 2013 mit FINNTROLL und 2014 mit ARKONA und ELUVEITIE zwei große Touren gemacht. Da hat man das erste Mal richtig gemerkt, dass wir das Potenzial hatten, eine Anhängerschaft aufzubauen. Da sind das erste Mal Leute in SKÁLMÖLD-Shirts bei den Shows aufgetaucht, die gekommen waren, um SKÁLMÖLD zu sehen. In Island waren wir bereits mit dem ersten Album vergleichsweise groß. Es wurde in den ersten paar Monaten 4.000 Mal verkauft. Für Island ist das gut. 5.000 bedeutet Gold-Status. Bei Metalbands kommt das quasi nicht vor. Die beiden Releaseshows für das Album waren ausverkauft, was einfach irre war.
Baldur: Wir wussten also, dass wir für die Isländer etwas richtig gemacht hatten. Für mich hieß das aber nicht zwangsläufig, dass das auch international funktionieren würde. Da hatte ich aber ordentlich unrecht.
Kommen wir mal wieder in die Gegenwart zurück. Wie fühlt es sich an, kurz davor zu stehen, die vorerst letzte SKÁLMÖLD-Show zu spielen?
Baldur: Es fühlt sich gut an. Wir haben schon zu Anfang, als wir die Band gegründet haben, darüber gesprochen. Einige von uns kannten sich damals noch nicht sehr gut. Die Abmachung war, alles zu geben, bis zu dem Punkt, an dem jemand das nicht mehr will. Falls mal jemand genug hat, hören wir halt auf. Ich erinnere ich normalerweise nicht an viel, aber das ist die Richtschnur, die ich seit dem ersten Tag im Hinterkopf habe. Wenn ich also höre, dass jemand eine Pause machen möchte, na klar. Ich will nicht mit meinen Freunden unterwegs sein, wenn die lieber woanders wären.
Björgvin: Ich denke, dass es für uns als Band nicht gesund ist, Dinge zu erzwingen. Dann wären wir in zwei Jahren ausgebrannt. Es ist gut, jetzt einen Strich drunter zu machen und diese Pause einzulegen. Einfach mal ein halbes Jahr oder Jahr nicht darüber nachzudenken. Bis wir wieder das Bedürfnis verspüren, neue Musik zu machen. Ende letzten Jahres, am Ende der Tour, hatte ich diese Gedanken, ob es das alles wert ist. Ich hatte Spaß an den Shows und am Reisen mit den Jungs, aber der Funke hat gefehlt. Und sobald wir die Unterhaltung gehabt hatten, dass wir Ende 2019 eine Pause einlegen werden, habe ich schon wieder den „Hunger“ gespürt.
Baldur: Die Pause ist also nichts Schlimmes. Wir betreiben nur frühzeitige Schadensbegrenzung und verhindern, dass sich das Ganze in eine Richtung entwickelt, die wir nicht möchten. Als die Entscheidung für die Pause gefallen ist, hatte ich das Gefühl, dass ich sie nicht brauche. Jetzt bin ich aber froh, dass wir das machen. So ist es besser für alle.
Es ist an der Zeit für ein kleines Best-of und Worst-of. Nennt mir eine denkwürdige Erfahrung, die euch als Band oder in der Zeit mit SKÁLMÖLD passiert ist, und an die ihr euch noch lange erinnern werdet.
Baldur: Das ist vielleicht etwas offensichtlich, aber die Shows mit dem Orchester sind einfach etwas ganz Besonderes. Das war anders als alles andere, was ich je im Bereich Musik gemacht habe.
Björgvin: Vor allem, als wir es zum zweiten Mal gemacht haben. Beim ersten Mal war ich persönlich total nervös.
Baldur: Ja, du warst ein Wrack! Er hat einen Monat nicht geschlafen.
Björgvin: Ich erinnere mich kaum an die Shows. Aber als wir es letztes Jahr zum zweiten Mal gemacht haben, hatten die Band, das Orchester, die Chöre, die Crew und so weiter das ja schon mal gemacht. Deshalb sind alle viel entspannter daran herangegangen, weil wir wussten, dass es funktionieren würde. So war es zumindest für mich.
Baldur: Böbbi [Björgvin] hatte früher krasses Lampenfieber und hat die ersten Jahre teilweise Wochen oder Monate nicht schlafen können. Deshalb spielt er übrigens auch ohne Brille. Es war einfach besser, das Publikum nicht sehen zu können.
Björgvin (lacht): Ja. Wenn ich also so mache [anstachelnde Geste für das Publikum], dann gucke ich gar nicht wirklich.
Baldur: Er zeigt gar nicht auf dich, denn er kann dich nicht sehen.
Du trägst also gar keine Kontaktlinsen?
Baldur: Nein, er ist blind wie ein Maulwurf.
Björgvin: Für die Orchestershows musste ich welche tragen, denn ich musste den Dirigenten sehen [alle lachen]. Mittlerweile fühle ich mich auf der Bühne aber viel wohler.
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Stile | Melodic Death Metal, Pagan Metal, Viking Metal |
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Wenn ich überlegen würde, welche Musik am wenigsten ein klassisches Orchester braucht, käme mir Pagan/Folk/Viking wohl als erstes in den Sinn. Es soll ja aber auch Leute geben, die ein Steak mit Zuckerguss mögen. Muss ja, im übertragenen Sinne..