Sixx:A.M.
Interview mit Frontmann James Michael

Interview

SIXX:A.M. haben im April  mit „Prayers For The Damned“ ein verdammt starkes viertes Album vorgelegt. Grund genug uns im gemütlichen Hamburger Knust einzufinden und Frontmann James Michael alle Infos zum kreativen Prozess und den Gedanken hinter der Band zu entlocken.

Hey James, erst mal Glückwunsch zum neuen Album! Ich finde nicht nur, dass es eure bislang beste, sondern auch eure härteste Scheibe ist. Wie kam es dazu? Habt ihr drei euch zusammengesetzt und gesagt: „Diesmal wollen wir richtig Ärsche treten?“

James: Tatsächlich war es genauso! Letztes Jahr waren wir einen Monat auf der „Modern Vintage“ Tour in den Vereinigten Staaten unterwegs. Wir haben eine Menge ausverkaufter Shows gespielt und viel darüber gelernt, was auf der Bühne gut funktioniert und was nicht. Das war wie ein Ausbildungslager für uns. Als wir nach der Tour ins Studio gingen, wussten wir schon, dass wir zwei Alben machen würden. Denn damit wollten wir die nächste Phase in der Karriere von SIXX:A.M. einläuten, wo wir eine regelmäßig tourende Band sein werden. Wir wussten, dass wir diese Songs live spielen werden, also wollten wir sehr viel härter rocken. Es sollte verdammt aggressiv werden. Deshalb haben wir unsere Live-Band mit ins Studio genommen. Außerdem haben wir ganz bewusst wirklich harte Grooves und Gitarrenriffs eingebracht. Und wie immer bei SIXX:A.M. haben wir uns sehr viel Mühe mit den Texten gegeben, damit die Botschaft eines jeden Songs eine starke Bedeutung hat.

Passenderweise geht es in meiner nächsten Frage um die Texte. Diese handeln oft von sehr negativen Emotionen und Erfahrungen. Trotzdem vermitteln die meisten Songs auf „Prayers For The Damned“ einen positives Gefühl. Wie schafft ihr es so unterschiedliche Gefühle zu verbinden und es natürlich klingen zu lassen?

James: Das ist eine gute Frage! Bei SIXX:A.M. haben wir das von Anfang an so gemacht. Wenn du zurück blickst auf „The Heroin Diaries Soundtrack“ – was jetzt fast zehn Jahre her ist – Da haben Songs wie „Life Is Beautiful“ das gleiche getan. Es geht um Heroinsucht. Doch es geht auch darum, Hoffnung zu finden und zu erkennen, wie schön es ist, sich von so etwas zu erholen. SIXX:A.M. beschäftigen sich offen mit sehr schwierigen Themen in harten Songs, die manchmal auch traurig sind. Aber wir finden immer einen Weg, Hoffnung aufzuzeigen. Nimm zum Beispiel einen Song wie „Prayers For The Damned“ oder „Rise“. In „Rise“ geht es darum, dich selbst aufzubauen und positive Veränderungen in deinem Leben herbeizuführen.

Ich habe das Gefühl, das mit der härteren Musik auch dein Gesang dreckiger und kraftvoller geworden ist. Was hast du auf „Prayers For The Damned“ anders gemacht?

James: Danke! Weißt du, ich denke in den letzten zehn Jahren sind wir alle drei bessere Musiker geworden. Wir haben uns zu immer mehr angetrieben und mein Gesang ist da keine Ausnahme. Ich habe sehr hart daran gearbeitet, jeden Abend auf Tour ein zweistündiges Set singen zu können. Die Gegebenheiten auf Tour sind verdammt hart, also braucht man eine starke Stimme. Außerdem bin ich der Produzent der Band. Deshalb habe ich mich als Sänger noch weiter angetrieben. Denn wir haben einen bestimmten Standard bei SIXX:A.M. und wenn meine Stimme dieser Herausforderung nicht gewachsen wäre, würde das nicht funktionieren.

Wie du bereits gesagt hast, bist du auch der Produzent der Band. In der Vergangenheit hast du aber auch mit sehr vielen anderen Künstlern gearbeitet. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit anderen Musikern von einer SIXX:A.M.-Produktion für dich?

James: Großartige Frage! Da gibt es eine Menge Unterschiede. Der offensichtlichste ist natürlich, dass ich der Sänger der Band bin. Dadurch entsteht fast schon ein Interessenkonflikt. Denn als Produzent muss ich sehr hart zu den Musikern sein und sie immer weiter antreiben. Also muss ich auch hart zu mir selbst als Sänger sein. Das kann zu etwas Durcheinander führen. Ich denke, egal ob ich mit SIXX:A.M., PAPA ROACH, MÖTLEY CRÜE, den SCORPIONS oder wem auch immer arbeite, mein Job als Produzent ist immer der Gleiche. Es geht nicht nur darum, den Vorstellungen der Musiker gerecht zu werden. Es geht auch darum, die Sicht der Fans zu repräsentieren. Das Erste, was du als Produzent tun musst, ist, der Band ein angenehmes Gefühl zu geben, damit sie sich auch von ihrer verletzlichen Seite zeigt. Dadurch kommen neue Dinge zum Vorschein und die Musiker tun etwas, das sie noch nie zuvor getan haben. Genau das wünscht du dir als Fan. Jedes Mal, wenn du ein Album kaufst oder eine Show besuchst, möchtest du etwas Neues von dem Künstler erfahren, dass du bislang nicht kanntest. Du möchtest, dass es eine einzigartige Erfahrung ist. Mein Job als Produzent ist es, diese Einzigartigkeit zu erreichen. Außerdem kann ich mich immer auf meine beiden Bandkollegen verlassen. Denn ich vertraue ihnen und sie vertrauen mir. Und das macht vieles einfacher. Manchmal, wenn ich andere Bands produziere, gibt es dieses Vertrauen nicht. Dann musst du sehr viel Zeit darauf verwenden, dieses Vertrauen herzustellen. Manchmal gelingt das nicht. Aber ich habe glücklicherweise zwei sehr vertrauenswürdige Bandkollegen.

Vorhin hast du gesagt, dass ihr bei „Prayers For The Damned“ von Anfang an das Ziel hattet, zwei Alben zu machen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

James: Wie gesagt, wir sind jetzt fast zehn Jahre zusammen. In diesen zehn Jahren haben wir vier, bald fünf Alben veröffentlicht. Aber wir waren nur sehr wenig auf Tour. Deshalb betrachten wir uns in gewisser Weise immer noch als brandneue Band. Und als neue Band müssen wir uns noch beweisen. Also wollten wir die nächste Phase unserer Karriere mit einer Menge Musik beginnen und haben ganz bewusst Material für zwei Alben geschrieben. Auf Tour werden uns eine Menge Leute sehen, die uns noch nicht kennen. Und denen wollen wir zeigen, wer wir jetzt sind, mit Musik, die wir jetzt erschaffen. Und wenn ihnen das gefällt, können sie zurück gehen zu „The Heroin Diaries Soundtrack“, „Modern Vintage“ oder „This Is Gonna Hurt“ und mehr über uns lernen.

Bei so viel Material: Wie habt ihr entschieden, welche Songs auf „Prayers For The Damned“ und welche auf den Nachfolger kommen?

James: Das war ein interessanter und spannender Prozess. „Rise“ sollte zum Beispiel erst auf dem zweiten Album sein. Aber als wir mehr Musik geschrieben haben, haben wir angefangen, die Songs rumzuschieben. Außerdem gibt es eine übergeordnete Botschaft, die sich vom Anfang von Volume eins bis zum Ende von Volume zwei entwickelt. Der erste Teil endet mit „Rise Of The Melancholy Empire“ und der Chor, mit dem der Song ausfadet, ist gleichzeitig der Anfang von Volume zwei. Die Geschichte setzt sich also fort. Wir hatten sehr viel Spaß dabei, die richtige Reihenfolge zu finden. Außerdem war es uns wichtig, dass beide Alben gut ausbalanciert sind.

Wie du bereits gesagt hast, habt ihr in der Vergangenheit wenig getourt. Wann und wieso habt ihr euch dazu entschlossen, SIXX:A.M. auf das nächste Level zu heben und eine tourende Band daraus zu machen?

James: Dafür gab es einige Gründe. Der erste ist, dass die Fans uns immer unterstützt haben und sehr viel Geduld mit uns hatten. Sie haben uns dazu inspiriert, das zu tun. In der Vergangenheit war Nikki sehr viel mit MÖTLEY CRÜE beschäftigt, DJ verbrachte die letzten Jahre mit GUNS ‘N‘ ROSES und ich habe eine Band nach der anderen produziert. Es war also eher ein Logistik-Problem. Es hat uns wirklich das Herz gebrochen, dass wir nicht touren konnten, weil unsere Fans so begierig darauf waren, uns zu hören. Wir haben jedes noch so kleine Fenster genutzt, um aufzutreten. Doch davon gab es nur sehr wenige. Als Nikki bei MÖTLEY CRÜE ausstieg und DJ seine Arbeit mit GUNS ‘N‘ ROSES beendete, sahen wir den perfekten Zeitpunkt gekommen, um SIXX:A.M. zum Mittelpunkt unseres Lebens zu machen. Und das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Wir haben eine Menge Spaß hier draußen und die Fans können SIXX:A.M. endlich live sehen. Außerdem ist es schön für die Fans, zu wissen, dass noch eine Menge neuer Musik kommen wird. Sie brauchen sich nicht mehr fragen, ob es weitergehen wird. Sie wissen, dass SIXX:A.M. gekommen sind, um zu bleiben.

SIXX:A.M. sind ein Trio. Doch um zu touren braucht ihr natürlich einen Schlagzeuger. Gab es je einen Punkt, an dem ihr darüber nachgedacht habt, einen vierten Mann in die Band aufzunehmen?

James: In der Vergangenheit haben wir mit vielen verschiedenen Schlagzeugern gearbeitet. Dann habe ich letztes Jahr eine kanadische Band produziert, bei der Dustin Steinke Schlagzeug spielte. Er hat mich völlig weggeblasen und da dachte ich: „Wenn SIXX:A.M. auf Tour gehen, dann ist er unser Mann!“ Also hab ich ihn den anderen vorgestellt und es hat sofort gepasst. Ich hoffe, er wird für immer mit uns spielen. Er ist phänomenal und ein Teil der Familie. Doch ich denke, der Kern von SIXX:A.M. werden immer wir drei sein. Denn SIXX:A.M. ist eine kreative Kraft und wir haben eine Chemie untereinander, die einfach funktioniert. Aber unsere Live-Band ist fantastisch und wenn du uns in fünf Jahren noch mal auscheckst, werden es mit Sicherheit die gleichen Leute sein.

Alle Mitglieder von SIXX:A.M. sind sehr erfahren Musiker, die schon seit Jahrzehnten als professionelle Musiker arbeiten. Gibt es trotzdem etwas, das ihr unbedingt noch machen möchtet? Seid ihr immer noch hungrig?

James: Oh, absolut! Wir sind so hungrig darauf, etwas zu erschaffen und Grenzen zu sprengen. Bei der Gründung von SIXX:A.M. kamen wir drei zusammen und haben gesagt: „Hey, es gibt keine Regel, keine Grenzen, keinen Rahmen. Was auch immer wir machen wollen, machen wir auch!“ Denn uns ist es egal, ob wir jemals ins Radio kommen oder was sonst passiert. Wir möchten einfach nur etwas Besonderes erschaffen, das uns etwas bedeutet. Doch ich denke wir alle haben instinktiv diese Pop-Ader, wodurch wir Songs schreiben, die kommerzielles Potential haben. Wir haben schon einige Hit-Songs geschrieben, doch das war nie unser Ziel. Unser Ziel war es nur, keine Regeln zu haben. Das haben wir auch bei den neuen Alben eingehalten. Und ich denke, das macht SIXX:A.M. so besonders.

Jetzt wo SIXX:A.M. eure Hauptband, habt ihr noch Zeit für andere Projekte oder gibt es nur noch SIXX:A.M.?

James: Das kann ich nicht sagen. Ich liebe SIXX:A.M. sehr. SIXX:A.M. sind drei beste Freunde und unsere Musik ist ein Nebenprodukt dieser Freundschaft. Das ist eine sehr glückliche Situation für uns. Wir sind so kreativ, dass wir alle möglichen Sachen geplant haben, die vielleicht nichts mit SIXX:A.M. zu tun haben. Wir schauen einfach, was die Zukunft so bringt. Ich hoffe, ich habe noch eine Menge guter Jahre und dass sie alle in irgendeiner Form SIXX:A.M. beinhalten.

Also kein Ende in Sicht für SIXX:A.M.?

James: Oh nein, wir fangen gerade erst an!

Galerie mit 14 Bildern: Sixx A.M. live in Hamburg Juni 2016
29.06.2016

"Irgendeiner wartet immer."

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