Sirenia
Interview mit Morten Veland zu "Nine Destinies And A Downfall"
Interview
Den vielzitierten, ungeschriebenen Marktgesetzen, denen zufolge das dritte Album über Wohl und Wehe einer Band entscheiden soll, begegnen SIRENIA anno 2007 mit geballter kommerzieller Angriffslustigkeit. Wie bereits im Review beklagt, bedeutet dies eine musikalische Ausrichtung, die Mastermind Morten Veland nur allzu gern als innovativ hinstellt und auch verstanden haben möchte. „Als ich damit anfing, Material für dieses Album zu schreiben, habe ich mir angeschaut, was ich bislang gemacht hatte, und einfach versucht, dieses Mal etwas weiter zu gehen, als in den letzten Jahren. Ich bemerkte, dass mich mein bisheriges Schaffen mittlerweile langweilte und dass ich etwas Neues, Frisches, Anderes brauchte.“ Schuldig im Sinne der Anklage!
Dieses „Neue“ und „Frische“ beinhaltet u.a. die Abkehr vom klassischen Gothic Metal-Duett aus extremen männlichen Vocals und der unverständlich säuselnden Trällerelse. Mit Monika Pedersen hat sich Morten eine ausdrucksstarke Frau an die Seite geholt und damit die Stimme SIRENIAs neu definiert. „Ziel dieses Albums war, Metal auf kraftvolle Art mit süßen Melodien zu verbinden. Ich habe angefangen zu experimentieren: ich habe von sechssaitigen Gitarren zu Zwölfsaitern gewechselt und Neues gesucht. Ich wollte mehr Melodie in meinen Songs. Je weiter der Songwriting-Prozess fortschritt, desto stärker merkte ich, dass die Songs nach mehr Melodie verlangten. Auf dieses Weise bekamen die weiblichen Vocals mehr Gewicht, während ich meine eigenen, extremen Vocals stark zurückgenommen habe.“
Wirklich neu klingt das nun aber wirklich nicht – weder in der Theorie, noch auf Platte. Das hat man an anderer Stelle so auch schon gehört. Vor allem in den letzten zwei, drei Jahren waren einschlägige Kapellen Dauergast in den Gazetten und Airplay-Listen aller Herrenländer. Einflüsse von etwa LEAVES‘ EYES oder EVANESCENCE streitet Morten aber auch gar nicht ab. „Das erste EVANESCENCE-Album habe ich gehört. Vielleicht hat mich das wirklich irgendwie ein wenig inspiriert. Das neue kenne ich zwar noch nicht, das erste hat mir allerdings gut gefallen. Selber höre ich mir eher alte Musik aus den Siebzigern und Achtzigern an. Ich versuche, mich nicht von allzu viel Aktuellem beeinflussen zu lassen. Ich will, dass SIRENIA anders klingt, als das, was es heute sonst überall gibt. Ich schreibe diese Art Musik nun seit elf Jahren. Für mich ging es immer darum, sie weiter und weiter zu tragen und zu entwickeln. Ein Grund dafür, dass wir uns von anderen Bands unterscheiden, ist wahrscheinlich der, dass wir uns viel mehr auf die weiblichen Vocals konzentrieren, und die extremen Vocals reduzieren.“
Bezogen auf die erwähnten Vergleiche fragt man sich zwar, was er genau meint, im Lichte seiner Ex-Band erscheint der Terminus „andere Bands“ zunächst jedoch deutlich eingeschränkter. Eine Emanzipation vom von ihm selbst kreierten TRISTANIA-Sound steht jedoch mit Sicherheit nicht im Vordergrund, zumal sich Morten seit seinem Rauswurf vor sechs Jahren nicht mehr mit dem Schaffen seiner ehemaligen Kollegen auseinandergesetzt hat. „Damals gab es viel böses Blut zwischen uns. Zwischenzeitlich reden wir wieder miteinander, aber ich habe mich entschlossen, nicht mehr viel darüber zu sprechen. Ich respektiere sie und was sie tun. Ihre neuen Alben höre ich mir aber nicht an.“
Die deutlich kommerziellere Ausrichtung ist allerdings kein Zufallsprodukt. „Früher hatte ich vielleicht 15 verschiedene Parts in einem Song, der dann acht oder neun Minuten dauerte. Diesmal wollte ich einfach mit guten Melodien und eingängigen Riffs schnell auf den Punkt kommen. Das Keyboard hat bei SIRENIA schon immer eine sehr wichtige Rolle gespielt. Die Songs sind insgesamt etwas einfacher ausgefallen. Zuvor konnte ich Songs mit sechs oder sieben Minuten Länge schreiben, jetzt kommt alles schneller auf den Punkt und hat ständig Melodien, Power und Groove. Für mich geht es nur darum, die Musik zu machen, die ich wirklich mag. Das gilt natürlich auch für alle Beteiligten in der Band. Wir möchten reisen und Orte sehen, wo wir noch nie zuvor gewesen sind, und unsere Musik neuen Menschen vorstellen. Das Wichtigste für uns ist, genau das zu spielen, was wir spielen möchten, und die Chance zu bekommen, das zu tun. Ich bekomme jeden Tag Post von Menschen aus Ländern, in denen wir noch nie gewesen sind, die uns fragen, wann wir endlich bei ihnen spielen werden. Wir hoffen, dass wir in Zukunft diese Orte bereisen können, wo wir noch nie zuvor waren.“
Trotzdem hat der ehemalige Lachsfabrikarbeiter, der auch schon am Fließband eines Antennenherstellers seine Fingerfertigkeit unter Beweis gestellt hat, viel Wert auf eine saftige Produktion der Gitarren gelegt. „Bei der Produktion eines Albums sind Gitarren- und Drumsound immer sehr schwierig genauso hinzubekommen, wie man sich das vorstellt. Es ist auch immer Geschmackssache – aber bei diesem Album finde ich sowohl Gitarren- als auch Drumsound superb! Der massive, kraftvolle Sound ergibt mit den süßen, melodischen Vocals genau den gewünschten Kontrast. Wir haben sehr hart daran gearbeitet, das zu erreichen.“
Auch wenn er sein Geld mittlerweile selbst als ausführender Produzent im eigenen Studio verdient, hat Morten für „Nine Destinies And A Downfall“ keinen Weg gescheut. „Die Drums haben wir im Jailhouse Studio in Kristiansand, im Süden Norwegens, aufgenommen. Die meisten anderen Parts haben wir im Sound Suite Studio in Frankreich eingespielt. Gemischt und gemastert wurde dann im Antfarm Studio in Dänemark. Ein paar Kleinigkeiten hier und da habe ich dagegen in meinem eigenen Studio aufgenommen.“