Simon Hawemann
Enemy Of The Music Business

Interview

Jetzt haben wir fast 45 Minuten über Business geredet und damit einen Punkt, der mich in den letzten Jahren an der Musik immer mehr angekotzt hat.

Dito.

Und da guck ich jetzt relativ positiv gestimmt in die Zukunft und hoffe, dass die Szene sich mal wieder etwas gesundschrumpft. Ihr wart zum Beispiel mit WFAHM eine Band, die ich mir gerne angehört und angeschaut habe, wo ich mir auch mal ein Shirt gekauft habe, aber wo man sich bei den Konzerten gedacht hat, dass man mit den anderen Leuten im Publikum nichts zu tun haben möchte. Und das geht mir in anderen Stilrichtungen vom Metal ähnlich. Da schaue ich mit einem positiv pessimistischem Blick in die Zukunft und hoffe, dass nur noch die Leute dabei bleiben, die auch mit Herzblut dabei sind.

Ich neige dazu ähnlich zu denken, aber bin ich wirklich der Gradmesser des guten Geschmacks, der darüber zu entscheiden hat, welches Gesundschrumpfen wirklich gesund ist? Das hat natürlich auch immer viel mit subjektiven Geschmack zu tun.

Bands, die jetzt einfallsreich sind und sich überlegen, was man mit der Musik machen kann ohne immer die übliche Laufbahn zu gehen, die werden überleben und es für die Leute spannend machen. Und dann wird es Bands geben, die einfach nur rum sitzen und hoffen, dass alles so wird wie vorher. Die werden es eventuell nicht überleben. Wenn dieser Einfallsreichtum diese Zeit zu überstehen nicht da ist, ist die Frage, ob diese Band es dann verdient hat, diese Zeit zu überstehen. Ich kenne ein paar Bands, die ich jetzt nicht beim Namen nennen möchte, bei denen ich sehe, wie sie versuchen diese Zeit zu überbrücken und es ist einfach nur peinlich. Schauen wir auf Patreon, was diese Bands dort als Perks anbieten. Wie läuft das ab, wie kommen diese Bands darauf, dass das eine gute Idee ist? Wie kommen die auf die Ideen, dass man Geld dafür verlangen kann, der Band im übertragenen Sinne beim Popeln zugucken zu dürfen? Patreon eröffnet ja auch ganz gute Möglichkeiten. Es ist ein monatliches Abo deiner Lieblingsband und warum sollte man dann nicht etwas Greifbares anbieten.

Auf 50 Stück limitierte Shirts.

T-Shirts machen einige Bands und das ist auch ok. Aber wenn du jemand in der Band hast, der gut Artworks machen kann, warum dann nicht jeden Monat ein exklusives Artwork als Kunstdruck im Postkartenformat. Handnumeriert, liebevoll gemacht und du verschickst es an deine Abonnenten. Vielleicht wäre ich dann auch bereit 30$ im Monat auszugeben, damit die Band die schwere Zeit übersteht und hätte dann noch ein Sammlerstück von der Band in der Hand. Ich hätte etwas greifbares in der Hand und wäre mir sicher, dass es davon jeden Monat nur 40 Stück gibt. Mein Eindruck von Patreon ist, dass die Ideen darauf beschränkt sind, was man von seinem Computer aus machen kann. Ich würde da gerne mehr Einfallsreichtum sehen und bin als Fan immer gerne bereit für sowas Geld auszugeben. Es muss zwar nichts heißen, aber ich habe noch kein Patreon entdeckt, wo ich mir gedacht hätte, dass das jetzt wirklich cool wäre. Da ist soviel Bullshit dabei, zum Beispiel dass man 20 US-Dollar im Monat zahlen muss, um ein Band-Shoutout auf Instagram von dem Bandmitglied deiner Wahl zu bekommen.

Ja, so sinnlose Sachen wie sich eine Probe per Webcam anschauen zu dürfen.

Natürlich gibt es Die-Hard-Fans, für die soetwas wertvoll ist und denen will ich sowas auch nicht absprechen. Aber ich glaube auch, dass es nicht ausreichend ist, um als Band durch diese Phase zu kommen, als Band zu überleben und dabei auch ein gutes Bild abzugeben. Aber die Leute werden auch älter und ein Shoutout von einem Bandmitglied bei Instagram zu kriegen, das zieht vielleicht mit 16, aber nicht bei einem 30jährigen Fan der Band. Bands sollten da auch kritischer sein, wenn sie sich nicht in ein paar Monaten anhören wollen, dass sie sich zum Affen gemacht haben. Wenn man nichts hat außer Touren, ist es schwierig, jetzt irgendwas zu finden, um das Überleben der Band zu garantieren. Ich versteh die Verzweiflung, bin nicht schadenfroh, wünsch mir da aber auch mehr Einfallsreichtum. Es ist doch eine kreative Branche und ich will dann auch mehr Kreativität sehen.

Aber das gab es ja alles schon vor Covid. Die Situation hat sich jetzt ja nur noch verschärft.

Ich fand Patreon auch vorher schwierig. Nichts gegen die Plattform, denn man könnte viele coole Sachen machen. Nur problematisch war es bis zu einem gewissen Punkt schon immer und jetzt durch Covid bleibt für viele Bands nichts anderes mehr übrig. Ich bin in so einer Facebook-Gruppe, wo viele junge Musiker sind, deren Bands das Level erreicht haben international touren zu können. Sie sind also weit davon entfernt Rockstars zu sein, wollen jetzt einen Patreon starten und kommen dann mit der Frage was man da anbieten könnte. Wenn man das fragen muss, ist es schon Problem Nummer Eins und ist es wirklich die Lösung auf den Stapel von unnötigen Ideen noch etwas draufzulegen. Gerade wenn du eine jüngere Band mit jüngeren Fans bist, sollte es dir klar sein, dass die Fans nicht jeden Monat 50€ bei zehn verschiedenen Bands für Perks hinlegen können. Du hattest ja gesagt, dass wir viel über Business geredet haben und das es sehr nervt. Und das nervt aber, wenn man als Musiker immer in die Röhre guckt.

Aber als Fan doch genauso.

Als Fan interessiert mich die Business-Seite von Bands überhaupt nicht.

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Quelle: Interview mit Simon Hawemann am 01.06.2020
11.08.2020

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