Shining
Niklas Kvarforth über "IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends" und persönliche Musiktipps
Interview
„Ich hatte eine ziemlich stressige Woche. Aber abgesehen davon, dass ich mich fühle, als würde ich kurz vorm Herzinfarkt stehen, geht es mir eigentlich ganz gut.“ Na, das ist doch mal eine Ansage, Herr Kvarforth!
Gerade einmal zwei Wochen ist es her, dass der 31-jährige Multiinstrumentalist mit seinen Mitstreitern „IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends“ auf den Markt gebracht hat. Der neunte SHINING-Output zeugt einmal mehr von der perfektionistischen Herangehensweise der Schweden. Rigoros wird der seit „Halmstad“ (2007) geprägte Stil weiterverfolgt, immer besser greifen exzentrische Vocals, gehässige Knüppelausbrüche und feingetunte Gitarrenpassagen ineinander. Auch Papa Kvarforth hat nicht viel zu meckern: „Glaubt mir oder nicht, aber ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem, was am Ende dabei herausgekommen ist. Im Grunde habe ich versucht, die besten Parts der letzten Alben zu nehmen und sie zu einem finalen Statement verschmelzen zu lassen.“
Fixes Line-up? – „Ich drücke die Daumen!“
Nicht nur musikalisch, auch bandintern scheint im Hause SHINING derzeit vieles rundzulaufen. Nach dem Wiederein- und Ausstieg Ludwigs Witts (jetzt GRAND MAGUS) und einem kurzen Intermezzo mit dem niederländischen Gitarristen Sebastiaan Bats wurden die vergangenen Tourneen mit Euge Valovirta und Rainer Tuomikanto an Sechssaitern und Trommeln absolviert. Nun sind beide erstmals auf einem Studioalbum der Band zu hören, was den Bandchef etwas Hoffnung schöpfen lässt: „Es ist schon irgendwie schräg, ich meine, das jetzige Line-up hält sich tatsächlich schon seit drei Jahren. Das ist ein Rekord! Wenn man sich allerdings unsere Bandgeschichte anguckt, würde es mich nicht wundern, wenn es bald wieder irgendeinen Wechsel gibt. Ich drücke natürlich trotzdem die Daumen.“
Die geschäftlichen Voraussetzungen scheinen jedenfalls geschaffen. Neben endloser Mitgliederfluktuation waren es nämlich insbesondere externe Querelen, die Kvarforths Baby in den letzten Jahren das Leben schwer machten. „Zur Zeit von ‚Redefining Darkness‚ (2012) hatten wir Probleme mit unserem Label, unseren Booking-Agenturen und so ziemlich jedem, der versucht hat, diese Band auf jede erdenkliche Art und Weise zu zerstören. Wir hatten sehr lange mit den Folgen zu kämpfen und letztendlich mündete alles in einer langen Periode aus Stille, Frustration und Wut. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich dann auch entschlossen, die gewohnte Albumnummerierung wegzulassen. Ein ziemlicher arroganter Schritt, über dessen Folgen ich mir nicht bewusst war. Aber nun, nach diesem ganzen Desaster habe ich mich entschlossen, die Tradition fortzuführen.“
„Nichts geht auf Kosten der künstlerischen Integrität!“
Dabei zeichnet sich der Vorgänger nicht nur durch die fehlende lateinische Etikettierung, sondern zugleich auch durch den erstmals wieder erhöhten Anteil an englischen Texten aus. Ein Faktor, von dem auf „IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends“ rein gar nichts mehr zu spüren ist. „Da habe ich überhaupt keine Kontrolle drüber. ‚Within Deep Dark Chambers‘ beispielsweise ist komplett auf Englisch gehalten. Für gewöhnlich ist es aber eben leichter, sich in seiner Muttersprache auszudrücken. Da steckt aber nie eine bewusste Entscheidung hinter.“ Auch die musikalische Evolution SHININGs geht laut Niklas Kvarforth eher intuitiv als kalkuliert vonstatten. Dementsprechend versucht er mit neuerlichen Akzentuierungen in Form von Banjo oder Saxofon gar nicht erst, den typischen SHINING-Sound krampfhaft zu durchbrechen, sondern rundet ihn vielmehr ab. „Ich bin offen für alles, was zu meinen Songs passen könnte. Das bedeutet aber nicht, dass ich zwingend versuche, etwas Ungewöhnliches einzubinden, um damit irgendjemanden zu schocken. Ich mache die Musik ja für mich selbst. Sicher, letztendlich will man auch Alben verkaufen, aber niemals auf Kosten der künstlerischen Integrität.“
„RAMMSTEIN interessieren mich nicht.“
„Offen für alles“ – eine Devise, der SHINING auch bei der Auswahl der Bonustracks zu „IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends“ folgen. Dort findet sich neben einer weiteren Neuaufnahme von „Black Industrial Misery“ auch ein Cover zur wohlbekannten RAMMSTEIN-Ballade „Ohne dich“. Hierzu hält sich der um deutsche Aussprache bemühte Fronter jedoch bedeckt: „Ich möchte nicht verraten, warum ich gerade dieses Lied gewählt habe. Es steckt eine ziemlich lange, persönliche Geschichte dahinter. Fakt ist, dass ich die Musik RAMMSTEINs teilweise durchaus mag, auch wenn mich die Band selbst nicht wirklich interessiert.“
Kvarforth ist eben kein Fanboy. Kein Wunder, schließlich versucht er während seiner Kreativprozesse ohnehin keine fremde Musik zu hören. Gut, dass er jetzt nach Release wieder mehr Zeit dafür hat. „Ich muss schon sagen, in den letzten Monaten kamen erschreckend viele großartige Alben raus, wesentlich mehr als ich erwartet hätte.“ Drum hat Niklas Kvarforth auf der nächsten Seite für alle, die etwas Abwechslung zu „IX – Everyone, Everything, Everywhere, Ends“ benötigen, noch ein paar Musiktipps dagelassen.
„…future milestones that should be purchased by every single living organism on the planet.”
TRIPTYKON – „Melana Chasmata„
BEHEMOTH – „The Satanist„
DØDHEIMSGARD – „A Umbra Omega„
MYSTICUM – „Planet Satan„
THÅSTRÖM – „Den morronen“