Servant
"'Death Devil Magick' ist eine sehr düstere Platte"
Interview
SERVANT lassen sich nicht lumpen und bringen nach drei Jahren Bandbestehen bereits ihr drittes Album “Death Devil Magick“ heraus. Wir treffen Sänger Farago und Gitarristen Samael auf der Scherben-Tour mit ELLENDE und GROZA in Hamburg und unterhalten und über Okkultismus, Black-Metal-Klischees und das neue Album.
Am 20.09. ist euer aktuelles Album “Death Devil Magick“ erschienen. Nur ein Jahr nach dem letzten Album – seid ihr auf einem kreativen Höhenflug?
F: Also tatsächlich ist es so, dass wir nach “Aetas Ascensus“ einfach wenig Shows gespielt und die Zeit genutzt haben. Und dann gab es private, persönliche Vorfälle, die dazu geführt haben, dass wir diese Platte haben schreiben müssen. Wir hätten sie also so oder so geschrieben, auch jetzt in dieser kurzen Zeit. Ich weiß nicht, ob man es Höhenflug nennen kann, aber es fühlt sich unfassbar richtig an, mit der Platte auch mit gewissen Dingen abzuschließen. Sie kam, weil sie da war.
Wie habt ihr euren „Aufstieg“ seit 2021 erlebt? Habt ihr damit gerechnet? Seid ihr zufrieden mit der Entwicklung?
S: Ja, definitiv! Wie du sagst, runterbrechen kann man es ja auf drei Jahre und drei Platten. Jetzt merkt man das als Band auch selber mit der Tour zusammen und dem Labelwechsel – wir durften zu AOP wechseln und haben da für uns einen fantastischen Partner gefunden, der 110% hinter der Musik steht. Man hat das Gefühl, dass es jetzt mit den drei Platten alles auf einmal da ist. Alle drei Platten sind dieses Jahr das erste Mal wirklich richtig im Fokus mit der Tour zusammen. Es explodiert alles und wird schlagartig groß. Und das ist natürlich als Band auch total schön.
Auf der einen Seite ist es sehr viel auf einmal, aber auf der anderen Seite eben auch total schön, wie die Resonanz jetzt ist. Was ich jetzt einschätzen kann, ist sehr, sehr positiv und das freut uns ungemein. Das schafft auch Mobilisiertheit im Bezug auf die eigenen Kräfte und aufs Live-Spielen. Es ist einfach toll, das alles so miterleben zu dürfen.
F: Also groß für uns, für den Underground. Für uns als Band, die im Grunde genommen nur drei Jahre als Band aktiv ist. Dafür fühlt es sich echt groß an, überhaupt hier sein zu können. Das ist natürlich klasse.
Ihr habt euch stark von nicht nur, aber vor allem Deutscher Kunst und Literatur inspirieren lassen – deutsche Texte waren keine Option?
S: Wir schließen überhaupt nicht aus, dass wir auch mal die Sprache Deutsch verwenden werden. Jetzt war es einfach nicht so. Weil der Songwriting-Prozess so intensiv war, vor allem auch was die Lyrics anging – so wie die Platte in diesem Jahr entstanden ist, sind die Lyrics ja auch parallel entstanden – ist man natürlich in einer gewissen Blase, in einem gewissen Kosmos und in diesem Fahrwasser und dann hat man einen bestimmten Workflow. Die Transportsprache war in diesem Fall eben Englisch.
F: Es ist allgemein bei uns der Fall, dass wir hauptsächlich auf Englisch performen. Aber ich würde auch nichts ausschließen, egal welche Sprache, es kann alles sein. Das haben wir auch auf den Platten. Auf “Aetas Ascensus“ gibt es eine serbokroatische Stelle hinten beim Song “Licht“. Der Titel ist deutsch und nach hinten hin ist es aber serbokroatisch und jetzt hier haben wir tatsächlich bei “Magick“ das Intro auf Russisch. Die gesprochene Passage. Da haben einige Leute gefragt, was das für eine Sprache ist.
Ihr habt Baudelaire und Nietzsche als Einflüsse angegeben, die sind natürlich schon recht mystisch beziehungsweise okkult. Ich muss natürlich nach Crowley fragen, war der auch ein Einfluss für euch?
S: Der ist nicht dabei. Dieses Okkulte, das sowieso in der Szene dazugehört, hat uns einfach in diesem Jahr für diese Platte nicht interessiert. Der Gedanke war durchaus vorher da, dass wir solche Schriften herannehmen für Inspiration oder wir auch so etwas diskutieren, aber das Gefühl war nicht da.
Das Gefühl war aber dann bei Baudelaire zum Beispiel da, bei den „Blumen des Bösen“, das hat einfach in die Zeit, in den emotionalen Kosmos sehr, sehr, sehr gut gepasst. Dann haben wir uns daran orientiert und da versucht, uns inspirieren zu lassen, das Stück zu nehmen und zu diskutieren und das ist für uns sehr gut aufgegangen. Also deswegen auch da – wir schließen nichts aus, aber es muss authentisch sein und das muss auch für einen Künstler in dem Moment passen, wenn er was verwandeln will und das war diesmal eben einfach Baudelaire.
Für welchen Song gibt es die beste Hintergrundgeschichte?
F: Ich glaube, das ist sehr individuell. Jeder von uns interpretiert da andere Dinge hinein. Samael hat die Texte geschrieben und wir stimmen uns vorher ab, was uns gerade bewegt. Für mich persönlich ist es “Magick“, das ist der letzte Song auf der Platte, da interpretiere ich für mich meinen emotionalen Freiraum. Das ist was für mich dort stattfindet. Lyrisch kann jeder es natürlich so interpretieren, wie er möchte. Das sollte auch jeder. Ich weiß nicht, ob Samael in dem Moment den gleichen Gedankengang hatte oder seinen eigenen, aber das ist es für mich zumindest. Bei dem Song will ich auch gar nicht so tief ins Detail gehen, aber der ist auf jeden Fall sehr wichtig.
Euer vorheriges Album war auch in einem spirituellen Kontext. Was verbindet euch persönlich damit, werdet ihr thematisch in dem Umfeld bleiben?
S: Ich denke schon, dass wir uns thematisch weiter da aufhalten werden. Black Metal ist als Genre generell sehr spirituell und ich glaube, wenn man so eine Art von Musik macht, dann hat man sowieso Berührungspunkte, sonst würde man das nicht machen. Die Lyrics und das, was man nach außen transportiert, ist im Black Metal glaube ich stärker als woanders und das Spirituelle gehört dazu. Wenngleich natürlich auch jedes andere Thema oder jeder andere Themenbereich genauso gut ist, um behandelt zu werden.
Ich habe eine starke Faszination gegenüber Okkultem, Religion und so weiter aber eher in einem „wissenschaftlichen Kontext“, nicht glaubensbezogen. Klar, wir sind schon spirituell interessiert, aber nicht überzeugend, dass wir losgehen und irgendwelche okkulten Glaubenssätze propagieren. Es ist eher eine Behandlung von spirituellen Themen gegossen in Kunst, in Lyrik.
Seit dem letzten Album seid ihr musikalisch deutlich melodischer geworden. Hat sich der Prozess geändert, wie ihr Songs schreibt oder hat sich das diesmal einfach so ergeben?
F: Ich glaube, das ist eine Interpretationsfrage. Das hört jeder unterschiedlich. Beim Songwriting denken wir nicht darüber nach, ob das jetzt in dem Fall melodisch ist oder ob es hart ist, schnell oder langsam. Oftmals ist es einfach eine Darstellung von einer aktuellen emotionalen Situation und das ist das, was im Grunde genommen auch bei der “Aetas Ascensus“ schon der Fall war. Das wurde einfach nur weitergeführt dadurch, dass die Situation es gefordert hat.
Für mich persönlich ist “Death Devil Magick“ eine sehr düstere Platte. Aber ich glaube, das hört jeder unterschiedlich. Wir haben von Leuten gehört, die gesagt haben: „Ihr seid viel, viel härter geworden als vorher“ und andere sagen: „Es ist viel, viel melodischer als vorher“. Das ist glaube ich echt Interpretationssache, aber es wird sich nie was am Songwriting ändern. Der Moment ist da und dann wird der einfach weitergesponnen, bis man irgendwann schlafen gehen muss. Diese Momente müssen auch sofort festgehalten werden, die kommen sonst nicht wieder, weil dein Mindset am Tag hinterher meistens ein ganz anderes ist. Deswegen sollte man das immer so nehmen, wie es ist. Eine Momentaufnahme ist immer ein schönes Bild von einer emotionalen Situation.
Badezimmer Corpsepaint Fotos und Okkultismus sind natürlich schon etwas klischeehaft. Welche Black Metal Klischees machen euch Spaß und wo seht ihr euch gar nicht?
F: Ich persönlich habe auch schon in den 90ern mal in einer Black-Metal-Band gespielt und habe das dann jahrelang nicht getan und für mich ist das ein gewisses Zurückkommen. Man trägt mit dem Corpsepaint Dinge von innen nach außen. Das ist schon so, dass man sich da auch anders fühlt und Dinge anders performt. Ob das jetzt immer Corpsepaint sein muss für eine Black Metal Band oder nicht – oder ob das irgendwelche anderen Masken sind oder keine Masken – ich glaube, das ist relativ egal. Aber für uns ist das in dem Moment eine Sache, um Dinge nach außen zu tragen. Das funktioniert für uns ganz gut. Die Badezimmerfotos, beziehungsweise war das eine Schlachterei… Das Klischee hatte ich völlig erfüllt, wenn man es als Klischee sehen möchte, aber wie gesagt, für uns gehört das dazu.
Wie läuft der Tour-Alltag bei euch ab? Lust und Ecstasy galore oder doch etwas ruhiger?
F: Man hört es schon an meiner Stimme. (lacht) Ziemlich im Arsch alles. Lust und Ecstasy, ich glaube das ist bei jedem unterschiedlich, aber wir sind diszipliniert. Uns ist die Tour extrem wichtig und wir nehmen das ernst, aber trotzdem trinkt man natürlich mal ein Bier oder vielleicht auch zwei. Wir sind den ganzen Tag an der Venue und da hat man keine Zeit, um großartig andere Sachen zu machen. Größtenteils warten wir.
Man kommt zur Venue, dann parkt der Bus und dann stehen die ersten Leute auf, dann hat man Get In, einige tragen das ganze Equipment schon rein und im Grunde genommen kommen dann auch direkt die Soundchecks. Dann gibt’s Dinner und dann geht es schon los. In der Regel so gegen 20 Uhr stehen wir auf der Bühne, da ist nicht so viel Zeit. Dann warten wir, bis die anderen durch sind, dann laden wir ein und dann geht’s weiter. Das ist im Grunde genommen der Touralltag. Klingt vielleicht ein bisschen unspannend, aber das ist, wie es läuft.
Habt ihr gemeinsame Rituale, bevor oder nachdem ihr die Bühne betretet? Seid ihr abergläubisch was das angeht?
F: Auch da sind wir wahrscheinlich relativ langweilig.
S: Das kann man relativ einfach beantworten: haben wir nicht.
Die Art wie ihr die Vocals abmischt und präsentiert ist jetzt sehr anders als auf dem Album vorher. Wie läuft das denn live?
F: Du hörst es schon (lacht). Die Vocals, die bei “Aetas Ascensus“ durchaus ein bisschen anders klangen, sind jetzt noch mehr meine natürliche Stimme. Es sei denn, man ist erkältet und heiser, dann ist es eben manchmal so. Im Grunde genommen versuchen wir natürlich die Songs so zu performen, wie sie auch auf der Platte sind. Allerdings laufen bei uns keine Vocals vom Band, also ist es wirklich das, was gerade auf der Bühne passiert und das ist auch jeden Tag anders. Das kann mal so oder so sein. Das haben wir bewusst nicht gemacht, dass man sich Hilfsmittel dazuholt oder so.
Und auf den Platten ist es auch so, man hört hauptsächlich eine Main-Vocal aus der Mitte. Manchmal gibt’s was Gedoppeltes, aber ansonsten sind die Vocals immer main aus der Mitte mit meiner Stimme – und da ist natürlich Effekt drauf und Hall. Das sind ja auch Stilmittel, aber wir wollen natürlich auch nicht, dass es den Moment zerstört. Wenn du zu viel aufnimmst und viele Signale aufnimmst, dann fehlt oftmals das Detail und man verliert sich. Wie wenn man ganz viele Farben für ein Bild braucht, obwohl man eigentlich vorher eine Mission hatte und dann zersprengt man das, indem man einfach alles draufklatscht. Das ist bei uns nicht der Fall. Nur eine Main-Vocal.
Habt ihr noch weitere Literaturempfehlungen?
S: Das ist schwierig. Das ist jetzt vielleicht langweilig und vielleicht auch zu einfach rausgewunden, aber „Blumen des Bösen“ kann man sich als Gedichtband durchaus mal antun.
Das spannende ist ja sowieso bei Gedichtbänden; man kann immer wieder reingucken, man kann querlesen, man kann einzelne Passagen rausnehmen, mal ein Post It rein, mal was anstreichen. Das Schöne ist dabei, dass man vielleicht mal was findet, das dem eigenen Gemütszustand in der Sekunde, in der Momentaufnahme entspricht. Und das kann helfen, das kann auch glücklich machen. Deswegen vielleicht nicht nur den Gedichtband, sondern Lyrik generell.
F: Also ich glaube, als Black-Metal-Musiker hat man sich wahrscheinlich früher oder später schon mal mit einer Bibel auseinandergesetzt. Und es ist schon faszinierend.
S: Hatte ich auch im Kopf, das zu sagen!
F: Oder allgemein: Glaubensbücher, die sehr unterschiedlich gedeutet werden können. Kann auch der Koran sein. Das ist spannend, weil man merkt, wie Menschen unterschiedlich Dinge interpretieren und wie sie es für sich auslegen oder auch nicht. Oftmals zum eigenen Vorteil. Und das macht die Sache sehr spannend. Vor allem wenn man überlegt, was das für einen Einfluss hat – gesellschaftlich und auf das soziale Empfinden. Wie man Dinge empfindet oder was einem auch vorgesagt wird, wie man Dinge zu empfinden hat. Dann hat die Bibel sicherlich einen sehr starken Einfluss gehabt.
S: Es gibt ja auch fernab der Bibel, das ist ja auch nur eine Schriftensammlung, viele weitere christliche Schriften, die nicht in diesem Buch zusammengefasst sind. Auch alles, was gnostische Schriften angeht, kann man sich mal anschauen.
Amen!