Sentry
"Ich liebe diese Soundverbieger"
Interview
SENTRY ist das Nachfolgeprojekt von drei ehemaligen MANILLA-ROAD-Musikern. Das Debüt hat in der metallischen Welt kräftig Eindruck hinterlassen. Wir schnappten uns Eric „Kalli“ Kaldschmidt für eine Fragerunde zum neuen Album und zum ersten SENTRY-Konzert.
Hallo Eric, vielen Dank für Deine Zeit. Ihr habt euren ersten Gig beim Up The Hammers in Athen hinter euch und dort eure komplette Debüt-Scheibe gezockt. Wie waren die Reaktionen der Fans?
Hallo, und gerne „Kalli“; das ist mein Szenename und ansonsten nennt mich nur meine Mutter „Eric“, haha. Ja, es war eine echt aufregende Angelegenheit. Wir wussten, dass der erste Gig für SENTRY mindestens gut werden muss. Daher waren wir etwas angespannt. Am Ende waren aber alle zufrieden. Einerseits, weil wir die Scheibe von vorne bis hinten ohne Probleme durchgezockt hatten, andererseits weil die Reaktionen des Publikums so euphorisch waren. Für eine neue Band, deren Debüt gerade erst eine Woche erhältlich ist, war das überwältigend.
Gab es enttäuschte Gesichter, dass anstatt einem MANILLA-ROAD-Cover „Incarnation Of Evil“ von CANDLEMASS gespielt wurde?
Natürlich stand im Vorfeld die Frage im Raum, ob und welche MANILLA-ROAD-Songs wir spielen werden. Aber wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir uns nicht auf den Lorbeeren von Mark Shelton und MANILLA ROAD ausruhen, sondern unser eigenes Material in den Vordergrund stellen wollen. Die Reaktionen darauf waren in der kompletten Bandbreite zwischen „cool“ über „mutig“ bis „unverständlich“ zu verorten.
Zwei Dinge sind jedenfalls klar: Durch die Historie werden SENTRY und MANILLA ROAD immer in einem Atemzug genannt. Und: Man kann es nie Allen recht machen. Daher ist unser Anspruch, die neuen Songs für sich wirken zu lassen, denn wir sind davon überzeugt, dass wir sehr starkes Material geschrieben haben, was uns zahlreiche überschwängliche Reviews bestätigen.
Euer Debüt ist seit Anfang März draußen. Gab es irgendwo keinen Beifall für das bärenstarke Werk? Haben Dich die die vielen lobenden Worte überrascht?
Tatsächlich ist die schlechteste Kritik bis dato eine 7 von 10 möglichen Punkten gewesen, größtenteils haben sich die Kritiker schon fast vor Freude über unsere Scheibe überschlagen. Dazu kann ich nur sagen, dass wir dank Corona insgesamt über vier Jahre mit den Songs unseres Debüts verbracht haben, ehe sie veröffentlicht wurden. In dieser Zeit haben wir unseren Stil finden und ausarbeiten können. Letztlich haben wir bis kurz vor dem Mix der Platte noch an Details gefeilt und jeder Song ist uns im Laufe der Jahre ins Blut übergegangen. Anscheinend hört man das.
Hinzu kommt noch die absolut „echte“ Produktion mit echtem Schlagzeug, unzähligen Mikrofonen, echten Röhrenverstärkern und Gitarrenboxen. Das macht den Gesamtsound von SENTRY nochmal organischer und auf alle Fälle andersartig, wenn man 95% der regulären Veröffentlichungen im sogenannten Metal-Bereich heranzieht.
Von den aktuellen Ereignissen zurück zum Start. Du warst beim MANILLA-ROAD-Tribute auf dem Keep It True 2019 mit auf der Bühne. Wie bist Du zum Gitarristen von SENTRY geworden? Hat Neudi (Andreas „Neudi“ Neuderth, Drummer von SENTRY, Anmerkung der Redaktion) Dich überredet?
Es war nicht nötig, irgendwen zu irgendwas zu überreden. Wir hatten bereits während der Proben für die Tribute-Show ein unglaublich großartiges Feeling. Andere würden von Magie sprechen. Wir waren uns schnell einig, dass diese Konstellation einfach weiter gemeinsam Musik machen muss.
Bei der personellen Konstellation von SENTRY schlüpfst Du irgendwo in die Mark-Shelton-Rolle und wirst mögliche Vergleiche über Dich ergehen lassen müssen. Last oder Ansporn für Dich?
Eine Sache, die mir während der Vorbereitung für die Tribute-Show aufgefallen war, ist, dass Marks Gitarrenspiel gar nicht so weit von meinem Stil entfernt war. Daher konnte ich mich spieltechnisch gut in die MANILLA-ROAD-Songs hineinversetzen. Jedoch will und werde ich nicht mit dem Gedanken „Wie würde Mark das jetzt spielen?“ ans Songwriting für SENTRY gehen. Dafür habe ich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte zu hart an meinem eigenen Stil gearbeitet, der SENTRY zumindest gitarrentechnisch einen eigenen Stempel aufdrücken sollte. Dass die Kombination mit Neudi, Bryan (Bryan „Hellroadie“ Patrick, Sänger, Anmerkung der Redaktion) und Phil (Phil Ross, Bassist, Anmerkung der Redaktion) dann doch nach MANILLA ROAD klingen kann, liegt in der Natur der Sache.
SENTRY ist eine internationale Band, wo zwischen den jeweiligen Duos in den USA und Deutschland viel Wasser und Kilometer liegen. Wie oft habt ihr euch während der Produktion eurer Debütscheibe getroffen? Wie funktioniert die Zusammenarbeit auf über die Distanz?
Wir haben nach der KIT-Show 2019 und dem ersten SENTRY-Gig auf dem Up The Hammers letzte Woche genau fünf Tage zusammen im Studio in Wichita verbracht, um Bryans Gesang aufzunehmen. Der Rest geschah online mittels Dateiaustausch, Videokonferenzen und eben diesem ganzen neumodischen Schnickschnack.
Wie ist der Produktionsprozess insgesamt gelaufen? Neudi erzählte, dass die Scheibe bereits vergangenes Jahr komplett fertiggestellt war. Habt ihr die Zeit der Pandemie für das Songwriting genutzt? War Dein Studio der Dreh- und Angelpunkt für das SENTRY-Debüt?
Wie gesagt, der einzige Weg, uns während der Pandemie auszutauschen und voranzukommen, war über das Internet. Letztlich hatten wir eine Vision vom Gesamtsound und daran hat jeder nach Kräften gearbeitet. Angefangen habe ich mit dem Songwriting schon früh nach dem KIT und im ersten Jahr haben wir zunächst Demos verschickt, um die stilistische Richtung für SENTRY zu finden, woraus sich dann die Songs für das Debüt herauskristallisiert hatten.
Mit Neudis Drums hatten wir gleich nach der Produktion der letzten TRANCE-Scheibe „Metal Forces“ im Jahr 2021 begonnen. Über Wochen hinweg war er immer mal tageweise bei mir im Studio und hat zig Variationen der Songs eingetrommelt. Phil und Bryan haben in Wichita die Songs geprobt und mir dann immer neue Spuren geschickt, wenn Fortschritte gemacht wurden. So ergab sich nach und nach ein Bild, wie die Songs klingen würden. Ich habe über drei Jahre hinweg die Gitarren aufgenommen und immer wieder daran rumgefeilt, beispielsweise mit analogen Gitarreneffekten wir Flanger, Phaser, viel Wah und dergleichen. Ich liebe diese Soundverbieger, weil sie einerseits den Gitarrensound um so viel wärmer machen und andererseits fast niemand mehr bewusst mit diesen Effekten arbeitet.
Die Vocal-Session in Wichita haben wir über Monate hinweg minutiös vorbereitet, so dass wir innerhalb der kurzen Zeit, die im Studio blieb, alles eintüten konnten. Danach kam der Mix bei mir im Studio dran, was auch nochmal einige Wochen gedauert hat. Mir ist wichtig, dass man die Musiker einfängt, mit Ihrem individuellen Sound und keine 08/15-Produktion abliefert. Das Finden des SENTRY-Sounds hat daher einige Zeit in Anspruch genommen, aber jetzt ist es umso einfacher, diesen Sound zu beschreiben: groß, erdig, warm, aber trotzdem zeitgemäß und nicht antiquiert.
Du hast viele Songs geschrieben und das sehr abwechslungsreiche „Raven’s Night“ nennst Du als einen Deiner Favoriten auf dem Album. Was macht für Dich „Raven’s Night“ besonders?
Zunächst muss man wissen, dass „Raven’s Night“ aus einem Jam heraus zwischen Neudi und mir entstanden ist. Der Song hat sich aus dem Nichts vor uns entfaltet. Wir hatten diesen Jam glücklicherweise mitgeschnitten und dachten, dass wir ihn vielleicht mal als Bonustrack auf eine kommende SENTRY-Veröffentlichung packen werden. Was man auf der Platte hört, ist weitestgehend genau das, was wir damals improvisiert hatten.
Außerdem hat Bryan eine unfassbar großartige Gesangslinie mit sehr viel Gefühl dafür geschrieben. Ich hatte beim ersten Mal, als ich seine Demos dazu gehört hatte, Tränen in den Augen. Aber das ist es ja auch, was Musik erreichen soll: Sie soll Dich berühren. Plus die Idee mit dem Intro/Outro, den Lead Breaks am Ende des Songs, die eingesetzten Gitarreneffekte, Phils phänomenaler Bass… hach, ich könnte stundenlang darüber philosophieren. Alle diese Details machen den Song für mich jedenfalls so speziell und zu meinem Favoriten auf dem Album.
Wir müssen über „Funeral“ sprechen. Bei der Vorgeschichte und der düsteren Atmosphäre klingt „Funeral“ als Abschluss der LP wie ein Gruß an Mark Shelton. Ist die Interpretation korrekt?
Dieser Gedanke liegt nahe, jedoch befasst sich der Song auch mit dem Abschied von weiteren uns nahen Personen, die wir verloren haben. Mein Vater ist Ende 2020 von uns gegangen, Phil hatte ebenfalls einen herben Verlust in der engsten Verwandtschaft zu beklagen, so dass „Funeral“ sinngemäß unsere verstorbenen Helden auf dem Weg nach Valhalla begleitet.
„Awakening“ ist der härteste Song auf eurem Debüt. Wer hat die Nummer kreiert? Ist der Song eventuell ein Fingerzeig für die Zukunft, dass SENTRY musikalisch eine härtere Gangart einschlägt?
„Awakening“ ist ein Song aus meiner Riff-Mottenkiste, der im krassen Gegensatz zum restlichen SENTRY-Material steht. Einerseits wollen wir uns stilistisch nicht zu festlegen. Andererseits besitzt dieser Hassbolzen eine so erfrischende Wirkung zwischen dem restlichen, eher getragenen Material, dass wir dieses Blastbeat-Beast einfach aufnehmen mussten, um es für uns und die Hörerschaft interessant zu halten.
Wer von Euch ist der größte CANDLEMASS-Fan? Was sprach für „Incarnation Of Evil“ als Cover-Version? Hat das instrumentale „Black Candles“ von CANDLEMASS das doomige „Black Candles“ von SENTRY beeinflusst?
Wir alle lieben CANDLEMASS. Ein Highlight für mich war, dass Leif Edling ebenfalls beim Mark-Shelton-Tribute teilgenommen hatte. Dass wir „Incarnation Of Evil “ als Bonus auf die CD-Version gepackt haben, hat aber andere Gründe.
Ich wollte, bevor wir mit den Gesangsaufnahmen für unser eigenes Material beginnen, einen Song „außer Konkurrenz“ ins Rennen schicken. Also musste ein Song her, bei der die Gesangslinie schon in Stein gemeißelt ist und Bryan und ich uns aufeinander einschießen konnten. Was lag näher, als einen Song von CANDLEMASS zu wählen? Eigentlich war das unser Testballon, bevor wir an die eigentliche Arbeit gehen wollten. Da Bryan mit seiner Interpretation aber den Vogel abgeschossen hat, mussten wir „Incarnation Of Evil “ einfach als Bonus dazu packen.
Zu Deiner anderen Frage: „Black Candles“ war initial der Arbeitstitel für diesen Track, welchen ich aufgrund der Stimmung des Songs gewählt hatte. Bryan hat den Titel aufgegriffen und ihn textlich weitergesponnen, so dass auch der fertige Song so hieß. Am Ende war es also nicht beabsichtigt, da sich der Arbeitstitel meist ändert, wenn der Text geschrieben ist. Dieser Titel passt einfach wie die Faust aufs Auge zu diesem dunklen Stück Musik.
Blicken wir in die Zukunft. SENTRY ist für das Storm Crusher Festival im September bestätigt. Wie sieht eure Planung für Live-Konzerte aus? Erstmal nur ausgewählter Festivals oder geht es auch in Clubs?
Wie haben mittlerweile eine weitere Bestätigung, eine Woche nach dem Storm Crusher Festival für das Rager’s Elite im schönen Hamm. Dazwischen werden wir entweder die eine oder andere Clubshow spielen oder mit den Aufnahmen für die nächste Scheibe beginnen. Neue Songs sind schon in Planung.
Wann folgt die Bestätigung für einen Live-Gig auf dem Keep It True oder dem Headbangers Open Air?
Das musst Du die Veranstalter vom Keep It True oder dem Headbangers Open Air fragen.
Vielen Dank für Deine Zeit, die berühmten letzten Worte liegen bei Dir.
Danke für Deine Zeit und Dein Interesse, Dir dieses Interview bis zum Schluss durchgelesen zu haben, liebe Leserschaft. Falls Du unser Debüt noch nicht kennst, wird es allerhöchste Zeit. Nur wenige Exemplare der Erstauflage(n) sind noch erhältlich. Ansonsten freu ich mich auf alles, was für SENTRY noch so kommen mag.
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Stile | Epic Doom, Epic Metal, Heavy Metal |
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