Sear Bliss
Interview mit Oberhäuptling Andras zu "The Arcane Odyssey"

Interview

„The Arcane Odyssey“ war für mich persönlich eine große Enttäuschung. Grund genug, bei den Ungarn anzufragen, ob für die Zukunft eventuell Besserung in Aussicht steht. Oberhäuptling Andras war professionell genug, meine unhöflichen Fragen ausführlich zu beantworten.

Sear Bliss

Wenn Du Dir die Kritik zum Album durchgelesen hast, wirst Du wissen, dass „The Arcane Odyssey“ mich nicht unbedingt begeistert hat. Aber natürlich wirst Du zum jetztigen Zeitpunkt kaum etwas Negatives zur Scheibe sagen, deshalb werde ich gar nicht erst fragen, ob Du mit TAO noch zufrieden bist. Es ist wahrscheinlich Euer bestes Album. Stattdessen könntest Du einfach berichten, wie die anderen Kritiken ausgefallen sind. Wir sind mit diesem Interview eher spät dran, da sollte sich schon einiges angesammelt haben.

Es ist eigenartig, dass Dir die Scheibe nicht zusagt, denn die meisten Kommentare waren wirklich gut. Besser als wir erwartet haben. Ich habe mehr als 100 Reviews gelesen, und von denen waren nur vier negativ (eines davon Deins). Ganz nebenbei, ich kann damit leben, wenn jemand dieses Album nicht mag. Wir sind daran gewöhnt, dass unsere Alben die Hörerschaft spalten. Das liegt wohl ganz einfach daran, dass unsere Scheiben so unterschiedlich sind. Wir haben uns nie wiederholt, und das ist gut so, denke ich. Wie ich bereits erwähnt habe, waren die meisten Kritiken sehr gut, TAO war CD des Monats im englischen Magazin Zero Tolerance und auch in ein paar Webzines. Wir haben auch viel Lob von unseren Fans bekommen.

Um noch etwas bei den Reaktionen zu bleiben: Bist Du der Meinung, dass Euch die Zusammenarbeit mit Candlelight schon weitergebracht hat? Seid Ihr in Magazinen präsent, in die ihr vorher nicht gekommen seid?

Candlelight ist viel größer als alle unsere alten Plattenfirmen, und natürlich haben bessere Promotion und Vertrieb uns enorm geholfen. Klar, es gibt jetzt Reviews und Interviews in Magazinen, die vorher nichts von uns wissen wollten. Daran kann ich nichts Schlimmes erkennen.

Lass uns auf das Album zu sprechen kommen. Wie unterschied sich der Kompositions- und Aufnahmeprozess von früheren Scheiben? Habt Ihr zum Beispiel mehr Musik erst im Studio geschrieben?

Wir haben uns diesmal viel mehr auf die Details konzentriert. Wir haben im Studio selbst keine Musik geschrieben, das war alles vorher fertig. Aber wir haben eine Menge Details im Studio hinzugefügt. Wenn einer von uns eine gute Idee hatte, dann haben wir sie ausprobiert und bei Gefallen das Lied modifiziert. Mir sind eine Menge Dinge eingefallen, als ich mir die Stücke im Studio angehört habe, und es ist ein spannender Prozess, Sachen hinzuzufügen, aber insgesamt waren wir ziemlich gut vorbereitet. Der Hauptunterschied zu früheren Aufnahmen besteht darin, dass wir vor dem eigentlichen Studiotermin eine Menge Demos gemacht haben. Und dass wir mehr auf Kleinigkeiten geachtet haben, auf Tempi, Sounds usw.

Ihr habt eine Menge Zeit im Studio zugebracht. In Anbetracht des Ergebnisses könnte man fast meinen, etwas zu viel. Ganz allgemein, empfindest Du es als gefährlich, zu lange im Studio zu sein? Besteht die Möglichkeit, es schlicht zu übertreiben, das Wichtigste aus den Augen zu verlieren?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Album nie gut genug sein kann. Man kann nie hundertprozentig zufrieden sein. Je mehr Zeit man im Studio zubringt, desto besser wird das Ergebnis ausfallen. Das ist meine Meinung als Musiker. Sicher, einige Leute sehen das ganz anders, aber ich weiß, wie stressig es ist, wenn man nicht genug Zeit hat und ständig in Eile ist. Ich mag die Arbeit im Studio, und dieses Mal haben wir verschiedene Mixes und verschiedene Studios ausprobiert und das beste Resultat genommen. Wir wollten einen kraftvollen, nicht zu sauberen Klang. Ich denke, das ist uns gelungen. Andererseits stimmt es natürlich, man kann den Blick fürs Wesentliche verlieren, wenn man zu lange im Studio rumdoktort. Da muss man halt einen guten Mittelweg finden. Ich denke zum Beispiel, dass man einen guten Drumsound nicht in ein paar Stunden hinbekommt. Es hat uns nach jedem Lied zwei, drei Stunden gekostet, die Drums wieder ordentlich einzustellen. Ich denke nicht, dass wir einen besseren Sound hätten, wenn wir uns diese Zeit nicht genommen hätten. Aber das ist wie gesagt nur meine Meinung.

Du hast in unserem letzten Gespräch gesagt, dass das neue Album Elemente aller seiner Vorgänger vereinen würde. Persönlich sehe ich es durchaus als nahen Verwandten von „Glory And Perdition“, wenn auch etwas simpler und ein bisschen langsamer. Ist das die Ausrichtung, die Dir für die Zukunft von SEAR BLISS vorschwebt, weg vom Epischen, hin zu leichter zugänglichem Material?

Meiner Meinung nach sind die Songs auf TAO epischer und komplexer als auf „Glory And Perdition“. GAP enthielt kürzere Lieder und einfache Strukturen. Um den anderen Teil Deiner Frage zu beantworten: Wir planen nie voraus. Unsere Alben sind nicht Teil einer konstanten Entwicklung. Wenn man sie sich anhört, wird man feststellen, dass sie sich sehr voneinander unterscheiden. Man weiß nie, was die nächste Scheibe bringt. Ich denke nicht, dass unsere neues Album eine Fortsetzung des Vorgängers ist, und ich habe auch noch keine Ahnung, wohin es mit der nächsten CD gehen wird.

„The Arcane Odyssey“ bietet eine Menge Riffs und andere Elemente, die man nicht unbedingt als Black Metal bezeichnen kann. Seid Ihr es leid, ausschließlich BM zu machen? Was für „Fremdeinflüssen“ gebt Ihr Euch privat so hin, woher bezieht Ihr die Inspiration für diese Elemente?

Was ich im heutige BM vermisse, ist Innovation. Schau Dir nur all die großartigen Bands der 80er an! Bathory, Venom, Celtic Frost/Hellhammer: die waren alle originell und innovativ. Damals war Black Metal Innovation. Ich sehe nichts Falsches daran, genrefremde Ideen zu verarbeiten. Selbst höre ich auch sehr viel verschiedene Musik. Ich mag Musik, die eine spezielle dunkle Ausstrahlung und kalte Atmosphäre besitzt, ganz egal, ob das Keyboardmusik ist oder Metal.

Keyboards als führendes Instrument sind bei Euch mittlerweile mehr oder weniger verschwunden (auch wenn sie durchaus noch oft präsent sind). Seid Ihr der Meinung, mit „Forsaken Symphony“ bereits „In The Nightside Eclipse“ fürs neue Jahrtausend gemacht zu haben und wollt jetzt etwas Anderes versuchen?

Wir folgten diesmal der „weniger ist mehr“-Regel und setzten Keyboards nur da ein, wo es nötig war. „FS“ ist ein wichtiges Album, aber wir wollen uns nicht wiederholen. „The Arcane Odyssey“ ist das Album, das SEAR BLISS anno 2007 repräsentiert.

Die Bläser sind wahrscheinlich das wichtigste Markenzeichen in Eurer Musik. Beim Anhören von TAO kann ich mich nicht immer des Eindrucks erwehren, dass sie vielleicht ein bisschen zu bewusst als Markenzeichen eingesetzt werden. „Omen Of Doom“ etwa klingt stellenweise fast nach Swing, das ist bei allem Willen zu Geschmacksvielfalt dann doch schwer zu verdauen. Aber zur Frage: Wie lange könnt Ihr mit den Bläsern weitermachen, bevor das Ganze zum Gimmick verkommt? Wieviel Potential für konstante Erneuerung und Weiterentwicklung siehst Du?

Wir haben die Bläser genauso eingesetzt wie früher auch. Nur spielen eben jetzt zwei oder drei Instrumente gleichzeitig verschiedene Melodien, was für einen bombastischeren und reicheren Klang sorgt. Wir versuchen immer, uns auf den Song an sich zu konzentrieren und es mit den Bläsern nicht zu übertreiben. Bei „Lost And Not Found“ beispielsweise waren wir mit den Bläsern nicht zufrieden, wir experimentierten mit verschiedenen Melodien, bis wir schlussendlich entschieden, dass das Stück ohne Bläser besser funktioniert. Also steht das Lied jetzt ohne Bläser auf dem Album, obwohl viele verschiedene Varianten aufgenommen worden sind.
Ich sehe jede Menge Potentiel in den Bläsern und ich bin mir sicher, wir werden mit diesen Instrumenten auch weiterhin neue Pfade beschreiten, neue Möglichkeiten erforschen. Bläser klingen sehr kraftvoll und aggressiv, das passt sehr gut zu Metal. Auf jeden Fall haben wir nichts mit Swing zu tun, und der von Dir genannte Song auch nicht.

Um die vorigen Fragen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Wohin geht die Reise mit SEAR BLISS? Nach „Forsaken Symphony“ war „Glory And Perdition“ ein recht logischer nächster Schritt. Und auch wenn ich TAO nicht sonderlich mag, so passt das Album doch irgendwie ins große Ganze (sofern dieses existiert). Aber wie wird es jetzt weitergehen?

Wir planen nie etwas vor einem neuen Album, und ich kann wirklich nicht sagen, was als Nächstes kommt. Es ist zu früh, über die Ausrichtung des kommenden Albums zu spekulieren, TAO ist ja gerade erst erschienen. Ich habe ja bereits gesagt, dass sich alle unsere Alben voneinander unterscheiden, dabei wird es wohl bleiben. Beim Schreiben jedes Albums werden jeweils die momentanen Eindrücke verarbeitet, also wird auch die nächste Scheibe ihren Entstehungszeitraum reflektieren.

Nachdem ich jetzt ausführlich gemeckert habe: Was gefällt Dir an TAO denn am meisten? Welche Elemente sagen Dir am meisten zu und welcher ist Dein Lieblingssong?

Mein Lieblingsstück ist wohl „Blood On The Milky Way“, der Opener. Das Lied enthält alle Elemente, die SEAR BLISS ausmachen. Es ist ein langer, epischer Song mit vielen verschiedenen Emotionen, eine Art Zusammenfassung dessen, wofür SEAR BLISS stehen. Ich mag auch die Botschaft des Liedes und die beeindruckende ungarische Legende, um die es in dem Stück geht. Wir haben unglaublich viel Arbeit und Zeit in dieses Album investiert und wir sind mit dem Resultat wirklich sehr zufrieden. Es mag peinlich klingen, aber ich glaube wirklich, dass das unsere bisher beste Leistung ist (Hehe, siehe oben… -Ed.). Es ist kein einfaches Album, es braucht seine Zeit und man muss es sehr oft hören, um die Eindrücke zu verstehen, die wir vermitteln wollten. Aber ich denke, es ist die Mühe wert…

Wovon handeln diesmal eigentlich die Texte? Anhand von Liedernamen und Albumtitel könnte man meinen, es gäbe zumindest eine lockere inhaltliche Verbindung zwischen den einzelnen Kompositionen. Also, worum geht’s?

Nur der erste und der letzte Song sind miteinander verbunden. Beide handeln von einer alten ungarischen Legende, Weg der Krieger (Hadak utja). Auch das Cover zeigt diese beeindruckende Saga. Diese Legende erzählt, wie die Milchstraße in der ungarischen Mythologie entstanden ist. Ich werde jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen. Eine genauere Beschreibung findet man im Booklet. Die anderen Texte drehen sich um „typische“ SEAR-BLISS-Themen, würde ich sagen. Es geht um die spirituelle Seite menschlichen Denkens. Sie sind dunkel und mysteriös, wie immer.

Ich habe schon kurz nach den Vorteilen eines größeren Labels gefragt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, ob eine Plattenfirma ihre Bands auf vernünftige Touren schickt. Werden Candlelight Euch mit ein paar größeren Gruppen durch Europa touren lassen, um die Welt wissen zu lassen, dass es Euch gibt?

Ja, es gibt Pläne, das Album mit einer Tour zu unterstützen, aber Einzelheiten stehen noch nicht fest. Wir würden wirklich sehr gern durch Europa touren, und ich hoffe es klappt noch vor dem Sommer.

Das wär’s für dieses Mal. Vielen Dank, dass Du meine nicht immer netten Fragen tatsächlich beantwortet hast. Ich werde versuchen netter zu sein, wenn das nächste Album ansteht.

Kein Problem. Wenn Dir etwas nicht gefällt, musst Du auch nicht nett sein. Auch wenn ich Dir in vielen Punkten nicht zustimmen kann, so kann ich andere Meinungen dennoch akzeptieren und respektieren.

Galerie mit 27 Bildern: Sear Bliss - Necrophobic Tour 2024 in Erfurt
01.02.2008

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