Scum
Interview mit Bård "Faust" Eithun zu "Gospels For The Sick"

Interview

Norwegische Black Metal Legenden spielen Punk. Neben Samoth und Faust gaben sich auf dem Debütalbum des Allstar-Konglomerats unter anderem Nocturno Culto und Mortiis die Klinke in die Hand. Heraus kam dabei ein ziemlich dreckiger Brocken Punk, der hält, was der Bandname verspricht. Kein Geringerer als Bård „Faust“ Eithun stand meinen Fragen Rede und Antwort und ließ dabei auch den einen oder anderen intimen Blick auf seine Person zu. Faust ist ein äußerst interessanter Mensch, der trotz (oder gerade aufgrund?) seiner bewegten Vergangenheit heute mit beiden Beinen auf der Erde steht.

Scum

Zunächst möchte ich Dich bitten, uns einmal die Entstehungsgeschichte von SCUM nahe zu bringen. Wie kommt es, dass genau diese Leute in der Band sind, die wir heute sehen?

Casey [Chaos (AMEN) – Anm. d. Red.] kannte bereits einige Leute aus der norwegischen Szene. Die Idee, eine Band aus lauter norwegischen Musikern und eben ihm zu gründen, geht auf ihn selbst und Mortiis zurück. Happy-Tom [TURBONEGRO – Anm. d. Red.] kannte auch einige Leute, die im Frühstadium der Band involviert waren, und nach einigem hin und her sind wir da angelangt, wo wir heute sind. Für Casey war es äußerst wichtig, Samoth und mich in der Band zu haben, weil er die Chemie mag, die auf musikalischer Ebene zwischen uns ist.

Gab es denn einen „Masterplan“ für die Band? Wart Ihr Euch über die musikalische Ausrichtung von Anfang an im Klaren?

Nun, die grundlegende Vision war, eine musikalische Mischung aus traditionellem (norwegischem) Black Metal Riffing und der Attitüde von harschem Punk Rock zu erschaffen. Meiner Meinung nach ist uns das gelungen, denn das Album ist zwingend roh, dreckig aber auch heavy. Abgesehen davon haben wir im Studio einfach mit den Aufnahmen angefangen und haben abgewartet, wo uns der Weg hinführt. Ich bin aber zufrieden und froh sagen zu können, dass das Ergebnis so geworden ist, wie ich mir das erhofft habe.

Mortiis, Nocturno Culto und Euroboy haben ja auch ihr Scherflein zu dem Album beigetragen, von daher gehe ich mal davon aus, dass reges Interesse an der Band bestand. Warum, denkst Du, ist das Projekt so interessant für sie?

Mortiis und Nocturno Culto sind gute Freunde von uns und es ist immer leicht, Freunde dazu zu motivieren, Dir auszuhelfen, wenn Du etwas Interessantes am Start hast. Euroboy [TURBONEGRO – Anm. d. Red.] ist Miteigentümer des Studios, in dem wir waren, und kam von Zeit zu Zeit mal vorbei. Und von daher war es ebenso einfach, ihn dazu zu bewegen, ein paar Soli beizusteuern. Du musst wissen, dass er der Riff- und Solomeister Norwegens schlechthin ist! Er ist ein sehr gut ausgebildeter Gitarrist.

Als was würdest du SCUM beschreiben? Ist es nur ein Spaßprojekt wie z.B. BLOODBATH, das nur selten einmal zusammenkommt, um eine neue Scheibe einzuspielen? Oder wird es tatsächlich ernsthaftes Touring geben? Oder wolltet Ihr einfach DIE norwegische Supertruppe schlechthin auf die Beine stellen? Die Proben dürften sich ja ziemlich schwierig gestalten…

Ich sage immer, dass SCUM auf jeden Fall eine richtige Band ist. Allerdings eine Band, die nach ihren eigenen Regeln funktioniert. Wir behalten uns das Recht vor, die Band zu entwickeln, wie uns das passt. SCUM werden sicher keine Band sein, die auf Tour geht, aber wir hoffen, von Zeit zu Zeit einige größere Shows spielen zu können. Die Band kann ziemlich regelmäßig proben, dann eben ohne Casey. Wir müssen uns nur ab und zu mit ihm abstimmen. Wir hatten eben erst unseren ersten Gig beim Øyafestival in Norwegen und das nächste Ding, das ansteht, ist eine Releaseparty im Londoner Underground am 9. September. Um den Titel der „Supergroup“ schere ich mich eigentlich nicht. Egal wie viele „Berühmtheiten“ Du in einer Band hast, es wird immer Leute geben, die Dich zerreißen, wenn Du nicht die Qualität ablieferst, die man von Dir erwartet. Für mich gibt es also keine andere Alternative, als ein großartiges Album zu machen und ich hoffe und denke, die Fans sehen das genauso.

Wie war denn der Gig beim Øyafestival? Wird es in absehbarer Zeit weitere Shows geben? Vielleicht auch in Deutschland?

Nun, seinen Debütgig auf einem Festival zu spielen, das sich hauptsächlich um Rockmusik dreht, und dazu noch bei grellstem Sonnenschein auftreten zu müssen, ist sicher nicht das Beste, das einem passieren kann. Aber ich denke, für unsere erste Show war es OK. Wir hatten eine Crowd und den Leuten schien es zu gefallen. Natürlich würden wir auch in Deutschland spielen, vorausgesetzt wir kriegen ein anständiges Angebot, das es uns ermöglicht, Casey aus Los Angeles einzufliegen. Man muss immer bedenken, dass wir ausreichend Geld benötigen, da es einiges kostet, ihn hier herüber zu bekommen. Klar wäre es einfacher, wenn wir alle in Norwegen leben würden, aber da dem nicht so ist, müssen wir uns damit abfinden.

Du kannst ja eigentlich nicht behaupten, mit Deinen anderen Bands nicht genug ausgelastet zu sein. Welchen Stellenwert hat SCUM also für Dich, wenn Du es in Relation zu Deinen anderen Aktivitäten setzt? Und wie kriegst Du das alles noch mit deinem regulären Job unter einen Hut?

SCUM ist mindestens genauso wichtig wie alles andere, das ich tue. Wenn nicht sogar noch wichtiger. Was ABORYM angeht, so sind sie hauptsächlich eine Studioband. Meine Drumtracks für das nächste Album habe ich bereits eingespielt, sodass mein Job dort erst einmal getan ist. BLOOD TSUNAMI verschlingt einige Zeit, da wir ständig proben, aber das ist OK. Mein regulärer Job beansprucht auch einige Zeit – wie sollte es anders sein – aber durch ihn habe ich eben die Möglichkeit, so viel Zeit in Musik zu investieren. Ich sehe das so: richtige Musiker haben normale Jobs. Man quält sich durch einen Tag harter Arbeit, um abends Metal spielen zu können, hehe.

Hat eine Deiner aktuellen Bands eine derartige Wichtigkeit für Dich, wie sie einst EMPEROR hatten?

Die Dinge entwickeln sich immer weiter und verändern sich. Auch wenn EMPEROR für mich einmal sehr wichtig waren, muss ich sagen, dass mir das, was ich heute tue, genauso viel bedeutet. Du kannst diese heutigen Bands nicht mit denen in den frühen Neunzigern vergleichen. Damals hat keiner von uns gearbeitet, wir lebten von Sozialhilfe und haben Musik gemacht. Wenn man älter wird, kommen andere Verpflichtungen auf einen zu. Aber ich bin dankbar, dass es mir meine Situation trotzdem erlaubt, weiterhin Musik zu machen. Ich könnte nicht ohne leben.

Was hast Du empfunden, als sich EMPEROR aufgelöst haben?

Ich wusste, dass das kommen würde, deshalb war der Schock nicht allzu groß. Ich denke, es war das beste für die Band. „Prometheus“, das letzte Album, war ein würdiges Schlusskapitel für diese Band und ich respektiere das.

Was ist es für ein Gefühl, mit Samoth nach über zehn Jahren wieder in einer Band zu spielen?

Es ist cool, ihn bei SCUM mit ihm Team zu haben. Ich denke das ist auch der Grund, warum ich mich im Studio so wohl gefühlt habe und so entspannt war. Natürlich war ich auch etwas nervös, eben weil es mein erster richtiger Studioaufenthalt seit elf Jahren war. Aber es war alles sehr cool und entspannt, was wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass alles so reibungslos verlief.

Die Bandbreite von Bands, in denen Du involviert bist reicht ja von Black Metal bis hin zu Punk, wobei SCUM irgendwo in der Mitte liegt. Wie entscheidest Du, bei welchen Bands zu mitmachen willst? Was sind Deine bevorzugten Stile und was kannst Du absolut nicht ausstehen? Wer sind Deine persönlichen Favoriten und Geheimtipps?

Ich denke es ist wichtig, dass man mit allen Mitgliedern gut auskommt. Ich mag keine anmaßenden Leute oder Leute mit einer beschissenen Einstellung. Es schert mich nicht, ob eine Band groß ist oder nicht. Wie BLOOD TSUNAMI; es ist eine relativ kleine Band, aber ich mag die Musik und es ist ein Haufen cooler Leute. Ich mag die unterschiedlichen Stile, die diese Bands bieten. Der sinfonische Death/Black Metal von ABORYM ist für mich eine Herausforderung, da ich nie ein Blastbeat Drummer war. In dieser Band muss ich an meine Grenzen gehen. Der Thrash Metal von BLOOD TSUNAMI ist auf seine Weise auch recht anspruchsvoll. Und dann eben noch der Crossover aus Black Metal und Punk bei SCUM, den ich ziemlich schätze, weil ich mich für beide Szenen interessiere. Was ich überhaupt nicht leiden kann? Nun, kuschelige Mitsingsongs, Eurotrance (Eurothrash), Hip Hop usw. Geheimtipps? E.L.O., MANDALA BAND, TANGERINE DREAM (ich habe eine Schwäche für deutschen Synth-Pop), NILE, BLACK SABBATH, MONSTER MAGNET, POISON IDEA, BIOSPHERE, FANTOMAS… da gibt es wirklich eine Menge. Ich hab mir neulich sogar eine Agatocles Compilation gekauft. Aber sie ist nicht so gut, wie ich sie in Erinnerung hatte, haha! Die Erinnerung gaukelt einem oft etwas Besseres vor, als es dann tatsächlich ist.

Würdest Du Dich selbst als Workaholic bezeichnen?

Nicht wirklich. Ich arbeite zwar gern und mag es, beschäftigt zu sein, aber gleichzeitig mag ich das Gefühl, genug Zeit zum Abschalten zu haben und es auch einmal ruhig angehen lassen zu können. Meine Philosophie ist, dass ich jetzt hart arbeiten muss, solange ich noch kann. Denn es mögen andere Zeiten kommen, in denen ich vielleicht nicht mehr dazu fähig sein könnte. Was sagt man zu dieser Zukunftsprognose?

Wenn man an Bård Faust Eithun denkt, kommt einem unweigerlich EMPEROR in den Sinn. Die Zeiten sind jedoch schon lange vorbei. Wie hat sich Bård Faust Eithun seither verändert?

Jeder Mensch verändert sich in zehn bis zwölf Jahren. Meine Liebe zur Musik ist noch immer dieselbe. Der persönliche Blickwinkel verändert sich jedoch wenn man älter wird. Wenn Du jung bist, denkst Du, Du weißt alles. Aber wenn Du älter wirst, merkst Du, dass Du gar nichts weißt. Ich kümmere mich nicht um die Vergangenheit und die Scheiße, die damals abging. Ich konzentriere mich auf die Zukunft.

Wenn Bands im Laufe der Jahre ihren Stil stark verändern, wählen sie manchmal einen anderen Namen, um der Entwicklung Rechnung zu tragen. Wie ist das mit Deinem Pseudonym „Faust“? Repräsentiert es Dich noch immer wie es das früher tat?

Für mich ist beides OK. Ich kann entweder meinen richtigen Namen verwenden oder eben mein Band-Pseudonym, unter dem ich natürlich bekannter bin. Zu Beginn dachte ich, dass der Name sehr gut zu mir passt, denn im Prinzip ist Faust ein Renaissancemensch, der sich auf der Suche nach der Wahrheit die Finger verbrennt – um es auf den Punkt zu bringen. Heute ist es ein leicht einprägsames Pseudonym, da es zahlreiche Verbindungen zwischen „Faust“ und der Metalwelt gibt.

Was bedeutet der Metal für Dich? Hat sich Deine Einstellung diesbezüglich in den ganzen Jahren verändert?

Musik im Allgemeinen bedeutet mir viel. Sie reflektiert meine unterschiedlichsten Gefühle. Metal ist die Art Musik, mit der ich mich am meisten identifizieren kann. Er ist ein effektives Ventil für Aggressionen und Frustration. Gleichzeitig schenkt mir pumpender, harter Metal aber ein gutes Gefühl. Ich werde immer ein Metalhead sein, auch wenn ich, was meinen Musikgeschmack anbelangt, ziemlich eklektisch bin.

Lass uns noch kurz über DISSECTION sprechen. Warum bist Du nach so kurzer Zeit wieder ausgestiegen? Was hältst Du von DISSECTION, wie sie heute sind?

Der Grund für meinen Ausstieg war, dass ich nicht hinter der Philosophie stehe, die die Band vertritt. Es gibt kein böses Blut zwischen uns, und ich habe ihn [Jon Nödtveidt – Anm. d. Red.] auf dem diesjährigen Inferno Festival getroffen. Ich denke, dass sich DISSECTION sehr verändert haben, wenn man sie mit der Zeit vor Jons Inhaftierung vergleicht. Die meisten der neuen Songs kenne ich bereits, da mit Jon bereits vor Jahren ein Demo mit sechs oder sieben Stücken geschickt hat. Ich wusste also, dass diese Veränderungen kommen würden. Ich hoffe, er kann das Erbe DISSECTIONs am Leben erhalten.

Bård, ich danke Dir für dieses aufschlussreiche Interview und wünsche Dir und SCUM für die Zukunft alles Gute. Die letzten Worte an unsere Leser sind Dein!

Danke für die Unterstützung, Mann! Wir sind dankbar für jedes Interesse und jeden Support, den wir bekommen!

01.09.2005

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