Schlachtung!
Interview zum Album "Mahnmal"

Interview

Um noch mal bei den Tieren zu bleiben: Bei euch heißt es ja, die Tiere seien die Verwandten der Menschen, was natürlich dem Konzept der biblischen Schöpfung widerspricht, die Tiere als zu beherrschende Wesen des Menschen darstellt. Wie steht ihr denn dazu? Religion ist auch gerade in jetzigen Zeiten kein leichtes Thema, aber was bedeutet gerade dieser spezielle Sachverhalt für euch, dass der Mensch quasi den Schöpfungsauftrag hat, sich die Tiere untertan zu machen?

Holger: Oh je… Religion… Dem kann ich mal überhaupt nichts abgewinnen. Das ist Fiktion und Faschismus zugleich in meinen Augen. Scheißelaberei, Unterdrückung und Ausbeutung. Absoluter Müll. Glauben diese Typen eigentlich noch, dass dieser Planet eine Scheibe ist?

Micha: Um es ganz genau zu nehmen, heißt es meiner Info zufolge im hebräischen Original nicht „Mache dir die Erde untertan.“, sondern „Setze deinen Fuß auf diese Erde.“, was zwar eine Formulierung dafür ist, dass ein Herrscher über Land herrschen soll, allerdings ist damit der gute Herrscher gemeint, nicht der Tyrann. Wir könnten außerdem ganz an den Anfang der Schöpfungsgeschichte gehen, wo es (auch in der griechischen Übersetzung) heißt, dass alle Lebewesen Pflanzen essen sollen. Insbesondere die Menschen!

Allerdings sind diese inhaltlichen Argumente für mich völlig irrelevant und ich werde dir sagen, warum es totaler Unsinn ist, sich seine Legitimation für den Umgang mit Tieren oder anderen Menschen 1:1 aus der Bibel, konkret dem AT, zu holen:

Das Alte Testament ist eine Schriftensammlung unterschiedlichster zumeist anonymer Autoren. Das heißt, das ist ein Sammelsurium unterschiedlichster Schriften, von denen die ersten wohl im 9. Jhd. v. Chr. niedergeschrieben wurden. In mündlicher Tradition sind die Geschichten noch viel älter und wurden so bereits unzählige Male verändert, bevor man sie verschriftlicht und einen Kanon gebildet hat; im übrigen auch wieder von politisch/religiös angetriebenen Menschen. So gesehen ist auch die Schöpfungsgeschichte, auf die du anspielst, ein historisches Produkt und gleichzeitig ein Abbild der Werte- und Sittenvorstellungen aus den ersten Jahrtausenden v. Chr. Deshalb finden wir darin auch viele inhaltliche Widersprüche.

Sich also seine Legitimation für egal was aus diesen Schriften zu holen, ist aus diesen Gründen völliger Unsinn, dumm und absolut falsch.

Allerdings: Die Schriften auszulegen und zu schauen, was dort für moralische und gesellschaftlich relevante Aussagen getroffen werden und was sie in Bezug auf unser heutiges Zusammenleben noch für moralische Leitlinien bereithalten, kann sehr sinnvoll sein.

Wir können und müssen kritisch und differenziert über Religion reden; weder ist alles gut noch alles schlecht, was wir in den religiösen Lehren finden, oder würdest du sagen, dass die Kernaussagen der 10 Gebote moralisch falsch sind? Dazu muss ich aber nicht daran glauben, dass heilige Gesetze von einer höheren Macht, die als brennender Dornenbusch spricht, in Steintafeln gebrannt wurden. Das sind Bilder. Bilder, die von den Autoren benutzt wurden, um ihre Botschaft in die Köpfe der Menschen zu kriegen; es sind Metaphern, die gedeutet werden müssen. Da wir hier christlich-jüdisch geprägt sind, halte ich diese Bilder für sehr ausdrucksstark und verwende sie bzw. religiöse Anspielungen immer wieder in unseren Liedern. Ein Beispiel: Die Fehlerquote von Betäubungen beim Schlachten liegt je nach Verfahren bei 3-13%; rechne das mal für die 750 Milliarden Tiere aus, die allein pro Jahr in Deutschland geschlachtet werden… Einem also bei lebendigem Leib geschlachteten und zerteilten Tier die letzten Worte Jesu, „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?!“, in den Mund zu legen, drückt so viel mehr aus als ich mit tausend Worten hätte sagen können.

Die wörtliche Auslegung jeglicher „Heiliger Schriften“ halte ich aber, um das nochmal zu sagen, für völlig falsch und fatal, wie man an jeglichem religiösen Fundamentalismus erkennen kann.

Religion ist nicht per se gut oder schlecht, es liegt wie immer am Menschen, sie zum einen oder zum anderen zu machen, auch wenn ich sagen muss, dass besonders in den Schriftreligionen viele problematische Ansätze vorhanden sind, die die Gefahr bergen, benutzt zu werden, um Leid zu verbreiten, z. B. indem die eigene Gemeinschaft über andere gestellt wird. Wenn Religion aber dazu dient, dass du ein besserer Mensch bist, glaube. Das ist für mich völlig okay. Wenn du sie nicht brauchst, um ein guter Mensch zu sein, glaube nicht. Religion und Glaube machen uns nicht zu besseren oder schlechteren Menschen. Unsere Taten machen es.

Cover zu Schlachtung - Mahnmal

Schlachtung – Mahnmal

Was könnt ihr zum Cover-Design sagen? Wenn ich mir das Bild so ansehe (und nicht eure Musik vor Ohren habe), denke ich eher an Wüste denn an Death/Black/Crust/Grind.

Micha: Die Idee stammt von mir, die Konzeption habe ich ziemlich konkret mit unserer Zeichnerin Eva erarbeitet, bis wir unser „Mahnmal“ geschaffen hatten. Im Übrigen haben wir auf dem Frontcover keine Wüstenbewohner, sondern Tiere, die in unserem Umfeld leben: Du siehst dort einen Hunde-, einen Wildschwein- und einen Reh- sowie Krähenschädel, Federn und einige Zähne der angesprochenen Tiere.

Die Idee für das Cover reicht aber etwas weiter zurück und ist komplexer. Irgendwann hatte ich den Text zu „269 / Aletheia“ fertig und die letzte Zeile lautet „…Mahnmal in Ewigkeit!“. Für mich war mit der Entstehung des Songs schon klar, dass das der letzte auf der Platte sein wird, u. a. weil der Text als Ganzes einen zusammenfassenden Charakter hat. „269 / Aletheia“ besteht aus vertontem Text und nicht vertontem (aber abgedruckten) Text, der aber genauso wichtig für mich und letztlich für das Konzept der Platte und von SCHLACHTUNG! ist. Das Wort „Mahnmal“ ist mir dann als Spitze des Text-Eisbergs nicht mehr aus dem Kopf gegangen und nachdem mir klar war, dass ich den anderen „Mahnmal“ als Titel vorschlagen würde, fingen in meinem Kopf Assoziationen an.

Ein Mahnmal hat die Aufgabe, die Erinnerung aufrecht zu erhalten, dafür zu sorgen, dass bestimmte Sachen nicht aus den Köpfen verschwinden und sich nicht der Schleier des Vergessens darüber legt. Ein Mahnmal soll die Menschen gemahnen, dass das, was Anlass der Errichtung war, nicht erstrebenswert ist und zukünftig verhindert werden muss.

Die Musik inklusive der Texte ist das Mahnmal, das ich den Menschen vorsetzen wollte. Gleichzeitig ist in das Bild noch etwas eingewoben, was an ein Ritual erinnert. Da Karnismus das Tier absolut degradiert und seinen Wert in Kosten/Nutzen/Profit-Maßstäben abwiegt, wollte ich dem Mahnmal über die Anordnung etwas Metaphysisches und Ästhetisches mit auf den Weg geben, einfach um einen Kontrapunkt zu dem kalten, herzlosen Konsums zu bieten.

Dankenswerter Weise haben mir die Jungs seit Anbeginn der Bandgründung sämtliche künstlerische Pforten offengehalten. Mich konzeptionell auf textlicher und auch auf visueller Ebene uneingeschränkt ausdrücken zu dürfen, bedeutet mir echt wahnsinnig viel.

Wie läuft denn so ein Live-Auftritt von euch üblicherweise ab? Gibt es irgendwelche absurden/bizarren Highlights, die sich im Rahmen eures Wirkens als SCHLACHTUNG ereignet haben?

Micha: Schnell, heftig und intensiv. Wir legen da volle Konzentration und Energie rein, würden uns nur wünschen, das öfter tun zu können. Da wir auf keine große Live-Historie mit dieser Band zurückblicken können, kann ich dazu nichts sagen. Absurd/bizarr war bisher nichts.

Holger: … zumindest (noch) nicht mit SCHLACHTUNG!! (lacht)

Was steht für SCHLACHTUNG! in absehbarer Zukunft an?

Holger: Chris und ich arbeiten gerade an neuen Ideen. Feste Songs stehen aber noch nicht, nur Gerüste. Des Weiteren wollen wir mal ein paar Veranstalter kontaktieren.

Micha: Wir wollen verstärkt Gigs spielen, um noch mehr Leuten musikalische Nagelbomben ins Gehör zu donnern. Solange unsere Knochen das mitmachen, sind auch noch Shows mit voller Power und (positiver) Aggression drin! Und bis die bersten, dauert es noch, ha!

Ich bedanke mich dafür, dass ihr euch Zeit genommen habt. Die letzten Worte gehören euch.

Micha: Ich danke dir für die interessanten Fragen! Und an die Leute am Bildschirm: Hört unsere Musik, lest die Texte, kommt zu Shows und nehmt was von der Energie mit, die wir raushauen! In blackgrind we crust, uhh!

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04.07.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Schlachtung! - Interview zum Album "Mahnmal"

  1. Janos sagt:

    Super interessantes Interview.
    Sehr ausführliche Antworten der Band.
    Danke auch an metal.de ohne das Review zum Album wäre ich vielleicht gar nicht oder erst später auf Schlachtung gestoßen.