Schandmaul
"Für mich ist Unendlich eine der stärksten Scheiben in der Bandhistorie"

Interview

SCHANDMAUL werden 2023 ihren 25. Bandgeburtstag feiern. Ein gutes halbes Jahr vor dem Dienstjubiläum bringen die Spielmannsleute mit „Knüppel Aus Dem Sack“ ihr elftes Studiowerk auf den Markt. Es gibt nicht nur Veränderungen bezüglich Label und Produktionsprozess. Wir konnten mit einem der Bandmitbegründer, Drummer Stefan Brunner, über die Historie sowie dem zur Veröffentlichung anstehenden Werk ein längeres Interview führen. Im ersten Teil geht es um die Historie und den anstehenden Bandgeburtstag.

Schandmaul – Knüppel Aus Dem Sack – cover artwork

Hallo Stefan, SCHANDMAUL wird 2023 tatsächlich bereits 25 Jahre alt. Habt ihr seitens der Band schon Ideen, wie ihr das Jubiläum angehen wollt?

Durch die Pandemie haben wir zweieinhalb Jahre mehr oder weniger verloren, so ist 2018 gefühlt noch nicht so besonders lange her. Wir haben bereits eine Lokation und befreundete beziehungsweise Genre-Bands angefragt, mit welchen wir seit vielen Jahren gemeinsam spielen. Näheres dazu gibt es von uns in Kürze. Wir haben alle unsere runden Bandgeburtstage gefeiert, egal ob es zehn Jahre, 15 Jahre oder die 20 Jahre in Köln waren. Es ist auch etwas Besonderes, wenn eine Band 25 Jahre durchhält.

Es gab im Vergleich zu anderen Bands in der nun fast 25 Jahren Geschichte von SCHANDMAUL sehr wenige Veränderungen. Habt ihr ein Patent entwickelt, dass ihr euch untereinander gut versteht?

Der erste Wechsel basierte darauf, dass fünf Bandmitglieder sich einig waren, was wir machen wollten. Wir sind uns bezüglich der Ausrichtung sehr einig. Wir reden viel miteinander und versuchen eine gute Kommunikation zu pflegen. Wir haben festgestellt, dass durch die Pandemie die Kommunikation untereinander gefehlt und uns dieser fehlende Faktor nicht gutgetan hat. Natürlich haben wir viele E-Mails ausgetauscht. Wir sind eine Band, die sich bei gemeinsamen Treffen in der Regel immer erstmal zu Tisch begibt, egal ob Frühstück oder Kaffeetrinken. Dann reden wir miteinander, und das nicht nur über die Band. Wir reden über das Leben und wie es einem geht. Das ist in den vergangenen zwei Jahren viel zu kurz gekommen, weil wir uns wenig gesehen haben. Das wollen wir wieder verbessern, weil das ein großer und wichtiger Schlüssel ist.

Wir würden gerne die Gelegenheiten nutzen, um mit Dir als einer der Urgesteine der Band ein wenig in der Diskografie zu kramen.
„Wahre Helden“ erschien im Eigenvertrieb 1999. Wie ist das Album damals entstanden und wie siehst Du Songs wie „Teufelsweib“, „Trinklied“ oder „Willst Du“ heute, wenn ihr die Nummern auf der Setlist habt?

Thomas und Ducky (Anmerkung der Redaktion: Martin Duckstein, Gitarrist bei SCHANDMAUL) haben gemeinsam in einer Rockband mit Namen WETO gespielt. Thomas hat parallel viel Output kreiert, was in die Richtung Folk und Mittelalter ging. Songs wie „Teufelsweib“ oder „Trinklied“ waren bei WETO nicht zu platzieren. Dadurch haben wir SCHANDMAUL gegründet. Sechs Freunde, die in einer Kneipe spielen wollen, und einen auf Rock und Mittelalter machen. Live machen die Tracks nach wie vor sehr viel Spaß. Gerade „Willst Du“ genieße ich. Hier spiele ich nicht mit, sondern kann die Menschen vor der Bühne beobachten. Da gibt es regelmäßig Heiratsanträge im Publikum, und das sind einfach Gänsehautmomente beziehungsweise Emotionsschübe.

Wir haben bei „Von Spitzbuben Und Anderen Halunken“ erstmalig zu sechst an der Scheibe gearbeitet

Immer noch ohne Label kam „Von Spitzbuben Und Anderen Halunken“ auf den Markt mit Klassikern wie „Herren Der Winde“ oder „Die Goldene Kette“. Wie würdest Du die Scheibe in der Diskografie von Schandmaul einschätzen?

Bei „Von Spitzbuben Und Anderen Halunken“ waren wir spielerisch und produktionstechnisch noch nicht ganz ausgereift, es war jedoch die erste echte SCHANDMAUL-Scheibe. „Wahre Helden“, mit dem ein oder anderen Cover-Song, war eigentlich nur entstanden, damit wir in unserer damaligen Lieblingskneipe in Gröbenzell einen Abend auftreten können. Wir haben bei „Von Spitzbuben Und Anderen Halunken“ erstmalig zu sechst an der Scheibe gearbeitet. Gerade zum Beispiel „Die Goldene Kette“ spielen wir auch heute noch sehr gerne. Der Song ist einfach zeitlos. In der Retrospektive ist der Output Nummer zwei schon immer noch eine Highlight-Scheibe. Wir graben aktuell von den ersten drei Scheiben Songs im Proberaum aus, da wir im Sommer auf Festivals einige ganz alte Nummern spielen wollen. Einige Tracks haben wir gefühlt eine Ewigkeit nicht mehr gespielt. Im Proberaum ist es wie eine Zeitreise, und es fühlt sich wie vor 20 Jahren an.

Es folgte 2002 der „Narrenkönig“ nun mit FAME Artist Recording als Label. „Vogelfrei“, „Der Hofnarr“ und allen voran „Walpurgisnacht“ sind zeitlose Songs. Wie kam der Deal mit dem Label zustande, und wie siehst Du die Scheibe in der Retrospektive?

Der Deal mit dem Label kam zustande, da wir bereits eine Booking-Agentur für uns gewinnen konnten. Aus unserem Landkreis stammt die Band MEGAHERZ. Wir kannten uns untereinander, und über die Kontakte kamen wir zur Booking-Agentur. Die Booking-Agentur hatte wiederum Kontakte zu Labels und haben unsere Demos weitergereicht. Im Endeffekt haben wir erst viel im Landkreis gespielt, dann folgte der Agenturvertrag, und wir sind in anderen Bundesländern aufgetreten. Dann folgte der Plattenvertrag. „Narrenkönig“ war ein großer Schritt nach vorne für SCHANDMAUL. Die ersten beiden LPs haben wir mit unserem ersten Bassisten aufgenommen. Beim „Narrenkönig“ kam der neue Produzent Thomas Heimann Trosien dazu, der uns bis zur „Leuchtfeuer“ begleitet hat. Es war etwas völlig anderes in einem großen Tonstudio mit einem externen Produzenten zu arbeiten. Es sind Songs auf dem  Album wie das angesprochene „Walpurgisnacht“ oder „Dein Anblick“. Das waren damals Türöffner und sind Sachen, die müssen wir an jedem Abend spielen, egal wo, und die Menschen feiern die Dinger immer noch.

Das war das erste Werk, wo alle sechs Bandmitglieder Profimusiker waren

Zwei Jahre später heißt es „Wie Pech & Schwefel“. Das Label ist geblieben und Nummern wie „Drachentöter“ oder „Geisterschiff“ gehören auch heute noch zu eurem Repertoire. Was denkst Du über das Werk heute?

Thomas und ich mögen die Platte nach wie vor sehr gerne. Das sind einige Songs drauf, die wir viel zu selten gespielt haben. „Der Sumpf“ ist zum Beispiel so eine Nummer. Das war das erste Werk, wo alle sechs Bandmitglieder Profimusiker waren. Die Studentenzeit war vorbei. Ich habe noch viele Bilder von damals in meinem Kopf. Du bist Profimusiker mit Mitte 20. Du erhältst einen Vorschuss, mit dem es ins Studio geht. Das hat sich alles gut und richtig angefühlt.

Platz zehn in der Hitparade. „Mit Leib Und Seele“ hat Schandmaul ein Werk erschaffen, wo Tracks wie „Feuertanz“, „Vor der Schlacht“ oder „Kein Weg Zu Weit“ zu finden sind. Ist der Titel des Albums Programm gewesen?

Ja, das war ein Album „Mit Leib Und Seele“ gemacht. Wir waren ein verschworener Haufen damals. Es gab nichts, was zwischen uns stand. Wir sind nach Thüringen gefahren auf die Runneburg, wo wir auch einige Konzerte gespielt haben. Wir kannten den Burgbetreiber, und dadurch durften wir uns dort einquartieren. Wir haben zu sechst zehn Tage auf der Burg gewohnt und haben den ganzen Tag Musik gemacht. Wir haben Songs aufgenommen und die Platte quasi auf der Burg geschrieben. Da war „Mit Leib Und Seele“ wirklich Programm. Mit Leib und Seele Musik machen, mit Leib und Seele das Musiker- und Bandleben zelebrieren und dann eine Scheibe kreieren, welche ich persönlich als etwas zu lang empfinde. Am Ende sind zu viele Songs drauf, aber auch einige richtig starke Tracks, wie zum Beispiel „Feuertanz“.

„Anderswelt“ schafft es auf Platz acht der Charts. „Frei“, der Titeltack oder auch „Krieger“ sind vielen Fans noch heute im Ohr. Welche Entwicklung lag zwischen „Mit Leib Und Seele“ und „Anderswelt“?

Die Entwicklung lag vor allem bei Konzerten darin, dass unser damaliger Lichtgestalter versucht hat, die Band weiterzubringen. Das hat zum Teil funktioniert, wir waren dann aber einen Schritt zu weit gegangen. Die Show wurde zu sehr durchchoreografiert bezüglich wo welches Licht angeht und wer wo stehen muss. So wirkte die Show statisch und die Reaktionen vom Publikum während der Shows als auch in unserem Forum, welches zu damaliger Zeit ein Kommunikationsstandard war, waren entsprechend nicht positiv. Wir mussten uns besinnen, dass wir wieder mehr die Musik in den Fokus stellen als die Show.

Die goldene Schallplatte für mehr als 100.000 verkaufte Exemplare. SCHANDMAUL sind keine „Traumtänzer“, sondern kommerziell eine angesagte Band. Was denkst Du, machte den Erfolg von „Traumtänzer“ aus?

Wir haben bei „Traumtänzer“ zehn Jahre als Band durchgehalten. Wir haben eine Szene mitbegründet und aufgebaut und wir sind sehr kontaktfreudig. Die Menschen können uns vor oder auch nach den Konzerten erreichen und wir haben viele Fantreffen gemacht. Damals haben die Fans noch CDs und LPs gekauft. Wir hatten viel Rückenwind, den wir uns aber auch selbst erarbeitet haben.

Für mich ist „Unendlich“ eine der stärksten Scheiben in der Bandhistorie

Platz zwei in den Charts, wieder eine goldene Schallplatte gab es für „Unendlich“. Eine Scheibe für die Unendlichkeit nach dem Wechsel zu Vertigo/BMG? „Kaspar“, „Bunt Und Nicht Braun“ oder das Trinkerlied „Der Teufel“ dürften der Anhängerschaft jederzeit über die Lippen kommen. Ein Highlight in der Diskografie von Schandmaul?

Für mich ist „Unendlich“ eine der stärksten Scheiben in der Bandhistorie. Das geht mit dem Design los bis zu den Songinhalte wie dem angesprochen „Bunt Und Nicht Braun“. Es gab Leute, die uns in eine Ecke stellten, wo wir nie anzusiedeln waren. Thomas hat halt kurze Haare, und so kamen Menschen auf komische Ideen. Mit dem Statement in „Bunt Und Nicht Braun“ konnten wir diesen Menschen klar machen, wo wir zu finden sind. Ein anderer wichtiger Song ist „Euch Zum Geleit“ , welcher bei YouTube von den Click-Zahlen bei elf oder zwölf Millionen liegt. Es ist ein Song, der viele Menschen begleitet in einer schweren Stunde und ein wenig Kraft und Trost spenden soll.

Der Schritt zu Universal/BMG war ebenfalls wichtig. Wir hatten weitere gute, zum Teil sogar bessere, Angebote. Das Argument für Universal war, dass dort uns bekannten Menschen waren, mit denen wir unbedingt gemeinsam arbeiten wollten. Der Schritt hat sich wichtig und gut angefühlt. Viele Fans waren der Meinung, dass SCHANDMAUL nun kommerziell werden mit dem großen Label. Am Ende haben die uns genauso wenig reingeredet in dem, was wir umsetzen, wie FAME Recordings oder jetzt Napalm Records. Wir sind trotz eines großen Label-Namens in einem Nischensegment der Musik, so dass die Labels uns einfach machen lassen.

Es geht aufs Meer mit „Leuchtfeuer“ und es ist die erste SCHANDMAUL-Scheibe, welche den ersten Platz der Charts erreicht. Ist SCHANDMAUL ganz oben angekommen?

Die Chart-Platzierungen sagen nicht so viel aus und waren uns nie wirklich wichtig. Wichtig ist, dass uns und den Fans die Musik gefällt. Ich persönlich bin kein so großer Fan von „Leuchtfeuer“. Da sind nicht so viele Songs drauf, welche ich gerne höre. Einer meiner Favoriten ist der Tjark Evers. Die Variante mit Thomas am Klavier und Malte auf platt (Anmerkung der Redaktion: Malte Hoyer, Sänger von VERSENGOLD) ist eine sehr schöne Interpretation. Malte hat sich im Nachhinein geärgert, dass er selbst nicht auf die Idee gekommen ist, über die Geschichte einen Song zu schreiben. Ich war damals mit Thomas an der Nordsee auf einem Kurzurlaub, und da sind wir über die Geschichte von Tjark Evers gestolpert. Ich habe Thomas die Story in einem Reiseführer gezeigt, und er hat daraus dann den Song geschrieben. Für mich war die Zeit mit „Traumtänzer“ und „Unendlich“ die Ära, wo wir ganz oben angeklopft haben, in dieser Nische, in der wir unterwegs sind.

Der endgültige Abschied von Anna Kränzlein, und Saskia Forkert ist neu dabei. Die erste Veränderung in der Band nach mehr als 15 Jahren. Was hat sich bei „Artus“ noch verändert im Hause SCHANDMAUL?

Anna wurde zweimal Mutter. Die „Leuchtfeuer“-Ära war eine nicht so schöne Zeit. Aus gesundheitlichen Gründen mussten wir die Tour mehrfach verschieben oder Konzerte ganz absagen. Das führte dazu, dass sehr viel Frust bei Fans entstand. Die Show in München zum Beispiel mussten wir dreimal verschieben. Da standen Fans aus Frankreich vor der Halle, die sich einen Flieger buchten aber nicht das gewünschte Konzert besuchen konnten, weil wir wieder abgesagt haben. Wir waren innerhalb der Band frustriert, da wir nicht wussten, ob und wie es weitergeht. Anna hat nicht mehr dran geglaubt und ihre Koffer gepackt.

Die „Artus“ ist vom Sound auch anders als der Vorgänger „Leuchtfeuer“. Mit unserem langjähriger Produzenten Thoms Trosien war es eine super Zeit. Es musste aber einfach frischer Wind rein. Wir haben uns mit dem Simon Michael Schmitt, dem Drummer von SUBWAY TO SALLY und ein guter Freund von mir, zusammengesetzt. Simon Michael ist neben seiner Tätigkeit als Musiker auch Produzent. So wurde Simon Michael Co-Produzent und Fabio Trentini der Hauptproduzent. Fabio hat unter anderem bereits für die GUANO APES gearbeitet. Gemischt wurde „Artus“ im Wisseloord Studio in den Niederlanden von Roland Prent, daher klingt die Scheibe komplett anders als seine Vorgänger.

Im Proberaum klingen wir wie auf „Knüppel Aus Dem Sack“

Eine Pandemie später, härter und dunkler lassen SCHANDMAUL anno 2022 den „Knüppel Aus Dem Sack“. Das Label hat sich genauso verändert wie der Produktionsprozess. Hat die Pandemie SCHANDMAUL verändert?

Wir müssen ehrlicherweise zugeben, dass „Knüppel Aus Dem Sack“ zu großen Teilen bereits vor der Pandemie geschrieben war. Die Masse der Songs hat nichts mit der Pandemie zu tun. Dass der Sound an Härtegrad zugelegt hat, liegt daran, dass die Aufnahmen von Simon Michael gemischt und produziert worden sind. Es war aber uns auch ein Anliegen, härter zu spielen. Die Band SCHANDMAUL will so klingen. Im Proberaum klingen wir wie auf  „Knüppel Aus Dem Sack“. Die Gitarre ist laut, druckvoll und präsent. Das wollten wir auch auf Platte haben. Das ist uns auf den Vorgängen und mit den Produzenten, mit welchen wir gemeinsam gearbeitet haben, nicht so gelungen. Michal Simon ist bei uns auf offene Ohren gestoßen bezüglich des Härtegrades. Das neue Label Napalm Records hat damit überhaupt nichts zu tun. Aussagen in Richtung „SCHANDMAUL gehen zu einem Metal-Label, und nun klingen die auch so“ sind unbegründet. Wir wollten genau so klingen.

Der zweite Teil des Interviews mit Stefan Brunner zur neuen Scheibe „Knüppel Aus Dem Sack“ folgt am 04. Juni 2022.

Quelle: Zoom Interview mit Stefan Brunner am 18.05.2022
01.06.2022

Ein Leben ohne Musik ist möglich, jedoch sinnlos

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