Scars On Broadway
Scars on Broadway
Interview
Viel wurde spekuliert um die Vorgänge und Motive in einer der erfolgreichsten Bands der letzten Jahre. „Auf Eis gelegt“, „getrennt“, „Pause“, „nicht in 20 Jahren“, „irgendwann schon wieder“: Die Aussagen und Gerüchte um den Stand der Dinge bei SYSTEM OF A DOWN schwankten genauso stark wie die Befürchtungen der Millionen Fans, ihre Helden in dieser Konstellation nicht mehr sehen zu können. Während der eine Kreativkopf, Serj Tankian, Solopfaden nachgeht, formierte sich um den anderen Kreativkopf, Daron Malakian, und Schlagzeuger John Dolmayan die Band SCARS ON BROADWAY. Diese gastierte in Köln zum ersten Mal auf einer europäischen Bühne. Grund genug, über Vergangenes, Zukünftiges und Kritisches mit John Dolmayan zu sprechen.
2005 wart ihr bereits mit SYSTEM OF A DOWN auf einem exklusiven Promo-Gig in Köln – nun wieder mit SCARS ON BROADWAY. Was sind die Vorzüge solcher Auftritte?
Normalerweise spielen wir mit SYSTEM OF A DOWN in großen Hallen. Es ist sehr schön, mal wieder in kleineren Clubs aufzutreten, nah an Fans, wo man den Kontakt und den „Vibe“ verspürt, den solch ein Auftritt ausmacht. Was SCARS ON BROADWAY angeht, haben wir einfach noch keine Fanbase, um große Hallen oder Stadien zu füllen. Das muss sich langsam entwickeln, von der Wurzel an. Darüber hinaus wollen wir im Zuge der Promo für ein neues Album nicht nur Pressearbeit am laufenden Band machen, sondern uns auch mit Auftritten auf der Bühne „belohnen“.
Wenn die kleinen Bühnen so schön sind, hättet ihr ja mit SYSTEM OF A DOWN auf kleinen Bühnen bleiben können, oder hätte das mit den Gagen bzw. Ticketpreisen nicht hingehauen?
Kein Kommentar (lacht)
Nun, Eure angehenden Fans kennen Eure Songs noch nicht – zumindest nicht auf legalem Wege. Wo liegt die Herausforderung eines solchen Auftritts?
Die Leute freuen sich trotzdem – sogar während den Shows in den USA. Sie konzentrieren sich aber mehr darauf, zuzuhören und einem beim Spielen zuzuschauen. Das sind die Reaktionen in den Staaten. Wie es in Europa aussehen wird, kann ich nicht sagen, da dies unsere allererste Show heute Abend ist.
Als Serj Tankian, Sänger von SYSTEM OF A DOWN, sein Soloalbum veröffentlichte, entnahm man seinen Statements, dass er einen doch merkbaren Unterschied zum SYSTEM OF A DOWN Material sieht. Viele Fans hingegen beschreiben sein Album als weichere Version von SYSTEM OF A DOWN, ohne sich inhaltlich wirklich zu unterscheiden. Wie sieht das bei SCARS ON BROADWAY aus?
Hast Du Dir das Album bereits angehört?
Ich hatte vor dem Interview einmal die Gelegenheit dazu.
Was hältst Du davon?
Nun, das markanteste ist, dass die Stimmlage dauerhaft ziemlich hoch ist. Der Gegenpol „Serj“ fehlt.
Du bist eben an diese Mischung gewohnt. Stell Dir vor, SYSTEM OF A DOWN hätte es nie gegeben und Du würdest Dir SCARS ON BROADWAY anhören…
…in der Theorie möglich. Aber es ist nun einmal so, dass es SYSTEM OF A DOWN gibt und der Vergleich stets im Hinterkopf bleibt.
Versuch es trotzdem. Tu so, als wäre es etwas ganz Neues. Das ist die einzige Empfehlung, die ich habe.
Glaubst Du, das Album wäre ein Erfolg, wenn nicht Daron und Du in der Band spielen würdet?
Ich denke, dass die Musik stark genug ist, ohne unsere Namen auszukommen. Aber man müsste an diesem Punkt auch „Erfolg“ definieren. Du kannst Erfolg nicht mehr anhand der Verkäufe messen, da früher einfach mehr Scheiben verkauft wurden. Ich definiere Erfolg für mich persönlich, wie zufrieden ich mit dem bin, was ich mache [drei Euro ins Phrasenschwein, bitte – Anm. der Red.]. Und ich bin sehr stolz darauf.
Viele kennen den Song „They Say“. Was kann man musikalisch sonst erwarten?
Man kann Songs erwarten, die etwas gradliniger sind, als bei SYSTEM OF A DOWN. Der Sound ist rockiger, weniger metal-lastig. Trotzdem gibt es einige Lieder, die ziemlich aggressiv sind, wie „Stoner Hate“ oder „Cute Machines“. Man wird aber wesentlich mehr Melodien und Harmonien finden.
SYSTEM OF A DOWN und SCARS ON BROADWAY könnten zusammen auf Tour gehen, weil sie sich musikalisch ganz gut ergänzen.
Soweit ich weiß, wurde SCARS ON BROADWAY bereits vor ein paar Jahren gegründet, also in der Blütezeit von SYSTEM OF A DOWN. Wieso eigentlich?
Wir hatten dann schon beschlossen, eine Auszeit zu nehmen, um unseren musikalischen Geschmäckern oder anderen Dingen nachzugehen. Serj hat sein Soloalbum anvisiert, Shavo hatte ein Projekt mit Mitgliedern des WU TAN CLAN und Daron wollte SCARS ON BROADWAY gründen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Nach 12 oder 14 Jahren SYSTEM OF A DOWN wollten wir einfach mal eine Pause einlegen. Wir wollten nicht an den Punkt gelangen, an dem die Mitglieder sich hassen. In einer Beziehung ist es nicht anders: Wenn man sich andauernd auf der Pelle hängt, ist es ab und zu gut, Abstand zu gewinnen.
Ich hoffe sehr, dass es SCARS ON BROADWAY noch lange geben wird und wir neue Alben herausbringen, ganz unabhängig davon, was SYSTEM OF A DOWN macht. Selbst wenn wir mit „SYSTEM“ wieder aktiv werden sollten, würde ich trotzdem gerne „SCARS“ am Leben halten.
Kann man Parallelen zu SLIPKNOT und STONE SOUR ziehen?
Da kann man sicher einige Beispiele aufführen. Ich würde es gerne dabei belassen, was es ist. Wenn die Platte erscheint, werden sich die Leute sie anhören. Wenn sie das Album mögen, werden sie es hören. Sie werden es nicht hören, weil wir bei SYSTEM OF A DOWN sind oder weil sie mich oder Daron mögen. Wenn es nicht gut ist, dann werden die Leute es nicht hören. Ganz einfach.
Es geht vielmehr darum: Macht es Dir Spaß? Es wird sicher Leute geben, die SYSTEM OF A DOWN lieben, SCARS ON BROADWAY aber hassen werden. Umgekehrt wird es Menschen geben, die SCARS ON BROADWAY lieben, aber mit SYSTEM OF A DOWN noch nie etwas am Hut hatten.
Du hast einige Drumparts für Serjs Soloalbum eingespielt. Wieso hast Du Dich nicht dafür entschieden, Serj als Drummer zu begleiten? Schließlich ist er auf Tour und braucht eine Band, inkl. Schlagzeuger.
Das ist eine sehr gute Frage. Als wir unsere Auszeit planten, bin ich zu jedem SYSTEM OF A DOWN Mitglied gegangen und hab ihm meine Hilfe angeboten, sei es beim Einspielen des Schlagzeugs oder wofür auch immer – auf freundschaftlicher Basis. Serj bat mich darum, das Schlagzeug für ein paar Songs einzuspielen, was ich gemacht habe. Er hat mich jedoch nicht danach gefragt, ob ich Lust hätte, in seiner Band zu spielen.
Anschließend fragte Daron mich, ob ich Lust hätte, bei ihm in der Band mitzuspielen. Anfangs dachte ich, er würde mich für ein paar Aufnahmen haben wollen. Es ging ihm aber darum, eine richtige Band zu formen, etwas mit Substanz, das lange Zeit bestehen bleibt. Um ehrlich zu sein: Du kann ganz sicher bereits jetzt mit einem neuen SCARS ON BROADWAY Album rechnen, obwohl das aktuelle Album noch gar nicht erschienen ist. Wir haben bereits Pläne dafür.
Wenn man sich Euren Internetauftritt anschaut, kann man den Eindruck gewinnen, es handele sich mehr um ein Duett von SYSTEM OF A DOWN-Mitgliedern, als um eine Band. Die anderen habt ihr noch gar nicht gezeigt…
…wir verstecken sie.
Ihr versteckt sie?
Ja. Die sind hässlich. (lacht) Die sehen einfach nicht so gut aus wie wir. Das ist das Problem. Im Ernst: Vieles davon, was Du siehst, ist bereits gestaltet worden, bevor die Band in dieser Form manifestiert wurde. Die Fans werden die anderen schon kennen lernen. Wir haben jetzt so lange daran gearbeitet, um dort zu sein, wo wir sind. Die anderen sollen erst einmal hart arbeiten und es sich verdienen, in der Öffentlichkeit zu stehen, dann werden wir sie auch auf die Bühne holen…und dann werden sie natürlich immer noch nicht so gut aussehen wie wir!
Ich habe letztens einen Artikel gelesen, in dem es darum ging, dass jede erfolgreiche und bekannte/berühmte Persönlichkeit irgendwo einen Knall hat. Je erfolgreicher desto verrückter – oder je verrückter, desto erfolgreicher…ganz wie man es sieht. Du scheinst ein recht ausgeglichener Mensch zu sein. Was also ist los mit Daron?
Was mit Daron los ist? Nichts ist mit Daron los. Mit mir auch nicht. Wir sind besessen von den Dingen, die wir tun. Ich bin besessen vom Schlagzeugspielen. Daron ist besessen, wenn es ums Songwriting geht. Das ist sein Leben. Jeden Morgen, wenn er aufsteht, möchte er Lieder schreiben. Selbst wenn sie nur in seinem Kopf entstehen – er ist stets aktiv. Wir haben dieser Sache unser Leben gewidmet. Ich weiß nicht, ob z.B. ein Arzt verrückt ist, wenn er Arzt wird. Wenn Du nicht vollen Einsatz bei dem bringst, was Du machst, dann bleibst Du Durchschnitt. Gut, es gibt wirklich sehr durchschnittliche Musiker, die sehr erfolgreich sind…
…zum Beispiel?
Äh, ja…Die Grundaussage ist: Wenn Du nicht 100 Prozent investierst, erwarte nicht, dass es auch nur ansatzweise gut wird.
Kommen wir noch einmal auf SYSTEM OF A DOWN zurück: Wenn eine Band zu 100 Prozent in seiner musikalischen Intention harmoniert, gibt es doch augenscheinlich keinen Grund, diese auf Eis zu legen…
…wie gesagt: Nach zwölf Jahren braucht man eine Pause. Es geht nicht um die Bandmitglieder. Ich bin ja jetzt mit Daron in einer Band. Das ist nicht das Problem. Vielmehr ist ein Problem, dass wenn man so lange in „SYSTEM“ ist, man vergisst, wer man selbst ist. Du wirst nur noch über die Band definiert. In Unterhaltungen ging es nicht mehr darum, wie es einem persönlich geht, sondern immer nur darum, was die Band macht. Und davon muss man sich erholen.
Es hat auch einen zusätzlichen Effekt: Mit den neuen Aufgaben werden wir menschlich wachsen, was wiederum das Verhältnis untereinander festigt.
Weißt Du, was das Daron-Malakian-Syndrom ist?
Nein, sagt mir nichts.
Stell dir vor, jemand in der Band spielt Gitarre, schreibt die meisten Songs und produziert wohlmöglich die Alben auch noch. Trotzdem gilt nach außen hin der Sänger der Band als Kopf und Identifikationsfigur der Gruppe. Das stört diese Person und sie versucht es dadurch zu kompensieren, dass sie mehr und mehr die Sängerrolle einnimmt…
…was aber, wenn sie nicht singen kann?
Findest Du, das Daron eine gute Stimme hat? Es ist aufgrund zahlreicher Aufnahmen bekannt, dass er LIVE gerne mal den einen oder anderen Ton gründlich daneben semmelt.
Es kann an der Qualität der Aufnahmen liegen oder an was auch immer. Du wirst uns heute Abend sehen. Sei der Richter. Meiner Meinung nach hat Daron eine ausgezeichnete Stimme. In dieser Band ist er der Frontmann.
Wir kommt es, dass er auf den ersten Alben kaum gesungen hat im Vergleich zu den letzten Veröffentlichungen?
Er wollte damals nicht. Zudem hat er zu „Mezmerize/Hypnotize“ Zeiten schon gewusst, dass Serj ein Soloalbum herausbringen und er mit SCARS ON BROADWAY stimmlich im Mittelpunkt stehen wird. Das war, denke ich, ein ganz guter Weg, den Leuten schon einmal einen Geschmack in die Richtung zu geben. Ein Song wie „Lonely Day“ ist ja nicht wirklich typisch SYSTEM OF A DOWN.
Hat er in der Zwischenzeit Gesangsunterricht genommen?
Kann ich mir nicht vorstellen. Mit Unterricht hat er nicht wirklich was am Hut. Aber ich finde, dass er ein guter Sänger ist. Mich wundert Deine Einschätzung, dass er die Töne nicht trifft. Vielleicht ist er einfach zuviel herumgerannt oder hat einen schlechten Tag erwischt, wer weiß. Ist immer noch besser, als wenn ich singe (lacht).
Jetzt, da ihr mit SCARS ON BROADWAY die Chance habt, eure melodischen Seiten zu offenbaren, können wir in drei, fünf, zehn Jahren mit einem neuen SYSTEM OF A DOWN Album rechnen, dass wieder richtig hart ist?
Alles ist möglich. Niemand weiß, wohin dich das Leben führen wird. [noch einmal drei Euro ins Phrasenschwein – Anm. d. Redaktion]. Viel hat damit zutun, was Du in dem Moment für Musik hörst, in welcher Lebensphase Du dich gerade befindest, wie es Dir geht.
Hängt es auch mit dem Alter zusammen?
Ich denke nicht. SLAYER, zum Beispiel, bringen immer noch harte Alben heraus, eigentlich sogar weniger melodiös als zu Beginn. Ich persönlich wäre ziemlich gelangweilt, wenn jedes unserer Alben genauso klingen würde, wie unser Debüt. Da wir aber die Chance hatten, uns zu entwickeln, Melodien und Harmonien einen wichtigen Punkt in unserer Musik darstellen, ist es für mich deutlich interessanter. Es ist weitreichender. Und genau so würde ich gerne fortfahren. Wenn es sich in diverse Richtungen bewegt, egal wohin, dann bin ich einverstanden, solange es variationsreich bleibt – innerhalb der Alben und zwischen den Alben.
Gibt es ein Gerücht um SCARS ON BROADWAY, das Du gerne aus der Welt schaffen möchtest?
Nein. Ich liebe Gerüchte. Ich weiß nicht, welche Gerüchte Du meinst. Ich habe bis jetzt nichts Negatives gehört. Aber ich bin mir sicher, dass es immer wieder solche Gerüchte geben wird. Selbst Deine Freunde reden doch hinter Deinem Rücken manchmal Scheiße über Dich. So etwas passiert eben. Ich würde es nicht allzu ernst nehmen. Das hat viel mit der Unsicherheit anderer zutun. Wir werden die Leute auf der Bühne zerlegen. Das ist alles, was zählt.
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