Scarnival
Interview mit der Band zu ihrer Debüt-EP

Interview

Scarnival

Mit ihrer selbstbetitelten Debüt-EP haben die Hannoveraner SCARNIVAL vor kurzem ein Werk veröffentlicht, das tief, tief im melodischen Death Metal der (alten) Göteborger Schule verwurzelt ist, aber dennoch ein Stückchen Eigenständigkeit dabei hat und somit für mich persönlich zu einer ganz heißen Überraschung im Bereich des Melodic Death Metal jüngeren Datums avancierte. Ein Gespräch mit der Band beweist: Die Jungs können nicht nur richtig gut mucken, sondern sind auch noch sympathisch, manchmal herrlich bekloppt, aber vor allem auch sehr auskunftsfreudig.

Scarnival

Moin Jungs!

Zunächst natürlich einmal Gratulation zum Release eurer ersten Scheibe! Die ist um so erstaunlicher, als dass ihr euch meinen Informationen zufolge erst dieses Jahr gegründet habt – das ging ja ganz schön fix. Wie und unter welchen Umständen ist denn die Platte entstanden, dass ihr Bandgründung, Schreiben der ersten Songs und Veröffentlichung der ersten EP alles in ein einziges Jahr datieren könnt?

Gerrit: Danke dafür! Toll, dass es Dir gefällt. Das geht runter wie Öl!

Chris: Also die Grundzüge der Band haben sich bereits 2009/2010 gegründet und damals spielten wir mit unserem alten Sänger Nikki sogar ein paar Shows. Leider haben wir aber außer einer Homerecording-Aufnahme nichts Größeres zustande gebracht und dann kam das Pech: Erst konnte unser Drummer Max ein halbes Jahr lang wegen einer Epicondylitis (Tennisarm) in beiden Armen nicht spielen, dann ging Nikki aus beruflichen Gründen nach Hamburg und war weg. Dann passierte nichts mehr bis 2012, weswegen wir da quasi von einer „Wiedergründung“ sprechen. In dem Jahr zuvor hatten wir erfolglos versucht, einen Sänger zu finden, was wirklich aufs Gemüt schlug. Erst im Frühjahr 2012 kam dann Daniel dazu.

So – und jetzt beantworte ich auch endlich Deine Frage. 😉 Kaum war er da, setzten wir uns auch schon an die Aufnahmen. Die Gesänge und zum Teil auch die Songs selbst entstanden komplett im Studio und alles war ein bisschen improvisiert, aber es war uns wichtig, endlich diese Mauer des Nichtstuns zu durchbrechen und loszulegen!

Laut Promozettel haben zumindest ein paar von euch in einer Alternative-Metal-Band gespielt, bevor ihr SCARNIVAL gegründet habt, wo ihr ja eher Death Metal der alten Schule spielt – wie kam es denn dazu, dass ihr von relativ modern zu sehr old school gewechselt seid?

Chris: Ja, genau. Gerrit, Max und ich haben vorher bei SCHIERLING gespielt, wo ich gesungen und Gitarre gespielt hab. Ich glaub, ihr habt sogar mal was von uns rezensiert. 😉 Irgendwann haben wir die Band zu Grabe getragen, weil wir dort nicht mehr vorankamen. Leider fanden das Konzept (eben ALTERNATIV Metal) nicht alle so geil wie wir, auch wenn ich nach wie vor finde, dass es cool und endlich mal was Neues gewesen ist. Aber egal. Zu der Zeit sang ich zudem noch in einer Pop-Band namens KOSMOPILOTEN, klebte also nicht mehr so an meinem Sänger-Thron und deswegen dachten wir: „Warum nicht eine Band machen, in der Chris sich mal komplett aufs Gitarre spielen konzentrieren könnte?“
So kam es zu SCARNIVAL. Allerdings hatten wir uns damals keine wirklichen Gedanken darüber gemacht, ob die Band jetzt modern klingen würde oder eben nicht. Wir haben Songs geschrieben, von denen wir meinten, dass sie gut klingen würden und das war’s. 🙂 Erst im Zuge der EP – also jetzt vor einem Monat – haben wir uns das erste Mal gefragt: „Was ist das eigentlich, was wir hier machen?!“ Da kam es zu spannenden Kontroversen. Ich sag nur: „Catcore vs. Imetal“

Max: Er mag halt Katzen. Der Oldschool-Charakter kommt wahrscheinlich dadurch zu Stande, dass Henna, Chris und ich dem Schweden-Metal gegenüber seit den späten 1990ern alles andere als abgeneigt sind …

Daniel: Ich hab ja damals sogar ein paar Male den Gastsänger gespielt bei den Jungs von SCHIERLING. Das war auch der Grund weswegen ich ohne großes Zögern die Entscheidung treffen konnte, bei SCARNIVAL einzusteigen.

Als einer eurer Haupteinflüsse würde ich persönlich die älteren AT THE GATES nennen – würdet ihr da zustimmen? Und was würdet ihr hinzufügen bzw. stattdessen nennen?

Max: Aha, da haben wir’s! ATG zählen natürlich auch dazu. Aber da kommt noch mehr zusammen. Ich wurde von der schwedischen Seite stark geprägt von IN FLAMES. Da hat mich die „Colony“ richtig umgehauen, und von SOILWORK, hier am meisten von der „A Predator’s Portrait“ – eine Wahnsinnsscheibe! Darüber hinaus IRON MAIDEN, MACHINE HEAD, PANTERA, BLIND GUARDIAN, SLIPKNOT und natürlich MICHAEL JACKSON!

Henna: Hin und wieder tut auch mal ein bisschen „Stumpf-ist-Trumpf“ ganz gut …

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Und trotz aller Oldschool-Verbundenheit höre ich bei euch gelegentlich auch ein paar moderne Einflüsse heraus – ist das bewusst geschehen oder „so passiert“? Und mal ganz allgemein: Wie würdet ihr euren Stil eigentlich selbst beschreiben?

Daniel: Ich finde, die Mischung macht’s bei uns. Dadurch, dass jeder irgendwie anders gestrickt ist, läuft es bei uns genau wie bei vielen anderen Bands: Man hat eine gewisse Schnittmenge, bei der jeder glücklich ist, und schwupps hat man eigentlich den „perfekten“ Mix. Ich könnte jetzt wieder diverse Combos nennen, in dessen Sparte man irgendwie schlägt, allerdings stehe ich überhaupt nicht auf dieses ewige Vergleichen. Wir selbst machen, worauf wir Bock haben, und wenn das dann auch noch ankommt bei den Leuten und Magazinen, dann freue ich mich natürlich umso mehr.

Max: Ich finde es immer total schwierig, die eigene Mucke zu betiteln. Daher vielen Dank, dass ihr das vorhin für uns schon übernommen habt! 😀

Gerrit: Stimmt, fällt mir auch irgendwie schwer. Habe die Erfahrung gemacht, dass das im Grunde jeder anders wahrnimmt. Allerdings denke ich schon, dass wir irgendwie in die Richtung Death Metal/Melodic Death Metal tendieren. Aber am Ende geht es doch einfach nur darum, ob die Mucke einen im Ganzen emotional berührt. Wenn das passiert, ist doch das Genre tendenziell nebensächlich.

Euren Bandnamen, SCARNIVAL, interpretiere ich als ein Spiel mit der Verbindung aus „scar“ und „carnival“. Da wäre es natürlich naheliegend, an eine Verkleidung (Verschleierung?) der Narben (des – vermeintlich – Hässlichen?) zu denken – bin ich da zumindest ungefähr auf der richtigen Spur? 🙂 Und wenn nicht: Was sind denn eure Gedanken bei dem Bandnamen gewesen?

Chris: Ach, der Bandname! Den zu finden, hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert. Letztlich stellten wir fest, dass wir uns am ehesten auf ein Wortspiel einigen konnten. Nach dutzenden lustigen Vorschlägen, die leider alle nicht verwirklicht werden konnten (Children of Borkum, Sisted Twister, Ramma Gay!) kamen wir irgendwie auf SCARNIVAL. Insofern ist der Bandname ein reines Zufallsprodukt, hatte aber (und da gehst du mit deiner Interpretation des Namens in eine gute Richtung!) dann Einfluss auf den Rest des „Konzepts“: zum Teil auf die Texte, das Artwork, und so weiter.

Max: Du hast Red Rocket vergessen, Chris!

Chris: Stimmt, mea culpa!

Gerrit: Was ich am Bandnamen mag, ist, dass er im Grunde sehr bildhaft daher kommt. Er lässt Raum für Interpretation. Das gefällt mir. Das Tolle dabei ist doch, dass jeder etwas Eigenes, Persönliches mit dem Namen und dem entstehenden Bild verbinden kann. Du interpretierst es z.B. in die Richtung „Verschleierung des Hässlichen“. Ich für meinen Teil, sehe in Narben auch immer eine Geschichte, etwas Vergangenes, das Spuren hinterlassen hat. Geschehnisse, die einen Eindruck hinterlassen haben, nicht zwingend immer etwas Hässliches, Schlechtes. Da man jedoch häufig immer erst hinter die ein oder andere Maske blicken muss, um den wahren Charakter einer Sache zu ergründen, vereint der Name SCARNIVAL dieses Bild sehr gut. Aber lange Rede, gar kein Sinn: Das ist nur meine Interpretation des Wortspiels …

Chris: Das hast du schön gesagt, Gerrit. Bitte nimm mich in den Arm.

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Und (falls ich oben richtig lag) spiegelt sich das auch in euren Songtexten wieder? Ich konnte leider nirgendwo im Netz eure Texte finden, von daher erzählt doch einfach mal, womit ihr euch darin befasst und ob es so was wie ein zu Grunde liegendes Konzept gibt.

Chris: Oh, du hast recht! Wir müssen sie mal hochladen!
Daniel und ich teilen uns das Texten. In meinen Texten geht es immer um Dinge, die mich gerade beschäftigen. Ich folge da nur selten einer Vorgabe. Ich persönlich stehe nicht auf dieses Ding, dass Metal-Texte „böse“ sein müssen. Warum? Metaller sind doch oft nette Kerle und machen sich ernsthafte Gedanken. Und im Ernst: viele sind eher sensible, emotionale Menschen. Warum muss es in den Texten dann also um irgendwelches Gemetzel oder so gehen? Deswegen sind meine Texte in der Hinsicht vielleicht ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Bands, wobei ich viele Metal-Bands höre und liebe, bei denen die Texte auch sehr klischeefrei sind. Daniel, was meinst du? Wie sieht das bei deinen Texten aus?

Daniel: Also ich erfülle teilweise genau dieses Klischee und schreibe über „böse“ Themen. Bei SCARNIVAL liegt mein Hauptaugenmerk allerdings mehr so auf den Themen „Endzeit“ und „Alltag“. Als Beispiel dafür der Text von „One Morning Left“ oder auch „Invincible“. Die Inspiration hole ich mir aus diversen Lebenssituationen oder auch von Bands bzw. Songs, die ich im Augenblick dann so höre.

Das Cover eurer Scheibe zeigt ja einen alten, massiven Holzschreibtisch, an dem der Zahn der Zeit sichtlich genagt hat, inmitten eines spartanisch anmutenden Raumes, Stroh und Dreck liegen herum, die Wände sind mit Ausnahme von zwei Fenstern kahl – was steckt denn dahinter? Die Abwesenheit des „carnival“ wo nur die „scar“ ist? Oder überinterpretiere ich?

Chris: Beim Cover war uns wichtig, eine Endzeitstimmung aufzubauen. Der Tisch ist wie ein letztes Lebenszeichen einer anderen Zeit, die seit Langem vergangen ist. Von der Anwesenheit eines Bewohners zeugt außer dem Tisch nur noch das Bild der Maske an der Wand. Die Verschleierung ist gefallen, geblieben ist nur noch der nackte Rest einer Zeit, die mal war und nie wieder kommen wird … Gott, klingt das pathetisch … pfui!

Gerrit: Aber da ist es wieder, im Grunde ist das Cover somit die Verbildlichung des Bandnamens in meiner Interpretation.

Im November spielt ihr ja zusammen mit drei anderen niedersächsischen Death-Metal-Bands auf der Deathnight in Wolfsburg – ansonsten ist (zumindest auf eurer Facebook-Seite) noch nichts angekündigt. Seht ihr euch denn eher als Studio- oder als Liveband? Und dürfen wir evtl. noch mehr Gigs erwarten?

Max: Definitiv als Live-Band! Der Gig in Wolfsburg stellt quasi unseren Live-Startschuss dar. Wir standen in unserer aktuellen Konstellation so noch nicht auf der Bühne. Aber wir sind tierisch heiß, auch auf den Gig – nicht zuletzt, weil wir mit unseren lieben Kollegen von KINNARA, DIATHORA und BLOODSHED die Bühne zerlegen dürfen.

Gerrit: Auf jeden Fall wird es mehr Gigs geben! Wir haben sehr lange gebraucht, um uns zu sammeln. Haben viel Zeit im Probenraum verbracht. Das ist okay. Aber jetzt ist es an der Zeit, mit anderen coolen Bands und vor allem mit den Leuten vor der Bühne eine coole Zeit zu haben.

Daniel: Ich freu mich auf beide Seiten, die du angesprochen hast. Ich find unsere „Studio-“ bzw. Proberaum-Momente ziemlich geil, aber natürlich darf für jeden Musiker eigentlich die Live-Action nicht fehlen. Darum gehts doch letztendlich: ordentlich auf die Pauke hauen!

Henna: Klar, wir sehen uns auf jeden Fall auch als Liveband!

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Zum Schluss würde ich gerne noch ein bisschen in die Zukunft blicken. Und zwar habe ich in meiner Review erwähnt, dass ich hoffe, ihr würdet auf einem (hoffentlich kommenden) Album nicht die Frische und Spontaneität verlieren, die meiner Meinung nach eure EP ausmacht – ist denn eventuell schon abzusehen, wann dieses Album kommen wird? Und gibt es schon ein paar Songs, sodass ihr vielleicht schon einen kurzen Einblick geben könnt, wie die Scheibe (grob) klingen wird?

Gerrit: Also um ehrlich zu sein, das nächste große Ziel ist ein vollwertiges Album. Es gibt in der Tat weitaus mehr Material als die Songs der EP. Aktuell starten die ersten Planungen zum Album. Da stecken wir aber eher noch in der Brainstorming-Phase. Im Hinterkopf haben wir die erste Jahreshälfte 2013. Im nächsten Schritt soll bis zu den Aufnahmen noch weiteres Material entstehen, um dann am Ende ein große Auswahl zu haben. Songs werden bei uns immer sehr kontrovers diskutiert, da irgendwie alle ihre Geschmäcker einbringen. Das Ergebnis kennste ja. 😉 Dennoch liegt der Hauptanteil des kreativen Schaffens in puncto Songwriting bei Henna, Chris und Max. Da bin ich schon sehr gespannt, was die Jungs so in den letzten Monaten an Ideen auf Ihren Festplatten gelagert haben… Man darf gespannt sein!

Das war’s von meiner Seite aus – ich danke euch für eure Zeit und für die Antworten! Die letzten Worte gehören natürlich euch!

Max: Danke für das angenehme Interview und natürlich vielen Dank für’s Lesen, liebe Leute! Wenn ihr unser Treiben verfolgen oder euch unsere Songs reintun wollt, besucht uns auf Scarnival.de, Facebook, Myspace oder Youtube. Und wenn euer musikalischer Gaumen durch uns verwöhnt worden ist, tragt die frohe Kunde doch bitte in die Welt hinaus – wir sind euch auf ewig dankbar!
Und ganz WICHTIG: Unterstützt die Szene und eure Bands. Besucht die Shows in eurer Umgebung und feiert diese, unsere schöne Musik … cheerz!

Band: Vielen Dank für das Interview!

26.10.2012

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