Scanner
"Die Menschen müssen offensichtlich spinnen"

Interview

Wieder einmal mussten die Fans der deutschen Speed-/Power-Metaller SCANNER ganze neun Jahre auf das neue Album „The Cosmic Race“ warten. Einen Tag vor dem Release war Mastermind und Gitarrist Axel Julius allerdings nicht nur mit Vorfreude beschäftigt, denn ob der anstehenden Release-Shows mussten die Vorbereitungen in Hochgeschwindigkeit vollzogen werden. Dazu plauderte er über Verbindungen zu den ersten Platten und der Frage, was sich Aliens wohl denken, wenn sie die menschliche Rasse auf der Erde walten sehen.

Hallo Axel, nun hat es bis zum Release von „The Cosmic Race“ wieder insgesamt neun Jahre gedauert. Woran liegt es, dass SCANNER-Fans immer besonders lange warten müssen?

Vom normalen Turnus her betrachtet, hätte es wahrscheinlich sowieso fünf Jahre gedauert, da wir keine Band sind, die jedes Jahr ein neues Album herausbringt. Zwischendurch haben wir die „Galactos Tapes“ herausgebracht, was wir ohnehin schon die ganze Zeit einmal erledigen wollten. So zwei, drei Jahre später sollte dann eigentlich das nächste Album folgen. Dann läppern sich plötzlich die Ereignisse. Erst kommt Corona und man stellt fest, dass das Ganze offensichtlich länger dauern würde, weshalb ich den Schreibprozess erstmal gestoppt habe. Du willst ja die neuen Stücke live performen und daher kam ein Release in der Krise nicht in Frage. Da verpufft einfach ein Großteil der Mühe, den du in die Musik hereingesteckt hast. Dazu wollte ich gerne die veränderten Eindrücke, die man von sich und seiner Umwelt in dieser Zeit mitgenommen hat, verarbeiten – aber eben mit Abstand. Dann kommt auf einmal noch Putins Krieg dazu und da war ich erstmal komplett raus aus dem Rennen. Das hat mich persönlich fertig gemacht und vollkommen gelähmt. Ich hatte für nichts eine wirkliche Perspektive und keine Lust auf kreative Arbeit. Lasst mich erstmal in Ruhe!

Das ist also durchaus ein Unterschied zu vielen anderen Bands, die auch aktuell offensichtlich noch aus ihrer Vielschreibphase in den letzten Jahren zehren, weshalb auch 2023 wieder ein sehr starkes Release-Jahr war.

Ja, ich habe dann aufgehört zu schreiben, weil ich dachte, du bereust das nachher, wenn du diverse Dinge mit Abstand dann vielleicht doch ganz anders siehst. Ich wollte dann lieber den Kreativprozess ein wenig herauszögern. Aber klar, manche Bands haben das anders gesehen und veröffentlichen ihr Material entweder heute oder haben es damals direkt rausgehauen.

Zieht man einen Vergleich zum letzten Album „The Judgement“ dann wirkt das neue Album einerseits um Längen epischer, auf der anderen Seite auch hitlastiger. Würdest Du das unterschreiben?

Das unterschreibe ich dir. Auf der einen Seite birgt eine hohe Hitdichte schon auch die Gefahr, dass es dem einen oder anderen vielleicht nicht thrashy genug ist, doch das war eben der Zeit und den damit verbundenen Emotionen geschuldet. Das kann man nicht einfach außer Acht lassen, sondern das fließt irgendwo mit ein, sodass „The Cosmic Race“ weniger straight ist und dafür mehr Melodien parat hat. Ich würde das Album auch nicht ein zweites Mal genauso schreiben.

Diese inhaltliche Auseinandersetzung passt auch irgendwie zur Frage, die ich mir gestellt hatte, weshalb ihr nun wieder konzeptionell auf das Scanner-Thema zurückgeht, wo man natürlich über viele Begriffe stolpert, die zum Beispiel von „Hypertrace“ bekannt sind.

Bei „The Judgement“ ging es im Prinzip auch um den SCANNER, der auf die Erde zurückkommt, um zu sehen, was hier abgeht. Er kam dann zum Resümee, dass die Menschen mit ihren religiösen Ambitionen offensichtlich spinnen müssen. Gerade im Hinblick, was das auch an Kriegen verursacht hat. Der weitere Fortgang wurde dann offengelassen, sodass ich mir gedacht habe, dass die Geschichte ja irgendwie weiter gehen muss. Und tatsächlich muss der SCANNER ja irgendeine Konsequenz aus diesen Erfahrungen ziehen und holt dann einige Menschen zu einem neuen bewohnbaren Habitat. Das wurde damals auf der „Hypertrace“ auch schon angedeutet. Allerdings haben wir damals noch gedacht, im Anschluss wird alles wieder gut.

Auf Basis der aktuellen Ereignisse musste es aber zum Schluss kommen, dass es das eben nicht ist. Du bekommst den Mensch nicht auf „Null“. Er hat wohl im Inneren die Veranlagung, über andere Menschen herrschen zu wollen. Entweder er unterwirft sich oder herrscht über andere. Dazu hat er als kosmische Rasse auch irgendwie das Bedürfnis, andere Welten zu entdecken und sich vielleicht letztlich zu Eigen zu machen. Von daher ist die Überlegung wohl auch gar nicht so falsch, dass eine Besiedelung eines neuen Planeten gar nicht so gut sein könnte. Das wird wahrscheinlich genauso eine Art Katastrophe wie auf der Erde.

Das scheint auf „The Cosmic Race“ auch die Konklusion zu sein: Man verlässt die kaputte Erde mit großer Zukunftshoffnung und irgendwann geht die ganze Kacke wieder von vorne los…

Die Aliens, die das nun vielleicht schon seit Jahrmillionen beobachten, denken sich sicherlich auch über die Menschen: Lass‘ die lieber mal machen. Das ist das Ungeziefer aus dem Weltall. Er befällt andere Planeten und richtet dort wieder alles zugrunde.

Viele Menschen, insbesondere aus den jüngeren Generationen machen sich derweil ja durchaus Gedanken, unter welchen Voraussetzungen das Leben auf der Erde weitergehen kann. Dass der Mensch das Krebsgeschwür der Erde ist, fällt dabei nicht selten.

In meiner Jugend gab es diesen vermeintlich indianischen Spruch: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss verseucht ist und so weiter, dann merkt ihr, dass man Geld nicht essen kann. Das ist zwar nie von einem Indianerstamm geäußert worden, war aber damals ein populärer Ausspruch. Im Prinzip fasst das schon alles recht gut zusammen und es wurde dort schon erkannt und kommuniziert. Jetzt haben wir aber schon einige Beweise und wir konnten sehen, wo diese Prophezeiungen immerhin bis jetzt bereits hingeführt haben. Daraus muss man ja irgendeine Konsequenz ziehen, wozu viele junge Menschen offenbar auch bereit sind. Das finde ich gar nicht verkehrt.

Ich persönlich habe nichts gegen die Letzte Generation und auch nicht gegen Greta Thunberg. Ganz im Gegenteil. Ich kann nicht verstehen, warum alte weiße Männer immer so gegen dieses Mädchen angegangen sind. Wie kann man sich gegenüber einem jungen Mädchen so unhöflich äußern? Man hätte vielleicht lieber mal darüber nachdenken sollen, was man selbst in dem Alter so getrieben hat. Ihre Äußerungen gegenüber Palästina und Israel stehen da auf einem ganz anderen Blatt und das muss man auch anders bewerten.
Sich auf die Straße zu kleben ist sicherlich ziemlich nervig für alle Beteiligten, doch es geht darum, auf Themen aufmerksam zu machen, welche die ganze Menschheit betreffen. Vielleicht ist das auch der einzige Weg.

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Quelle: Zoom-Interview mit Axel Julius
20.01.2024

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