Savage Messiah
Eingängigkeit statt "Angel Of Death"
Interview
SAVAGE MESSIAH haben sich mit ihrem neuen, vierten Album „Hands Of Fate“ einen recht großen Schritt von ihrer eigenen Vergangenheit gelöst: Neues Label, teilweise neues Line-Up, und auch stilistisch hat sich bei der in London beheimateten Band einiges getan. Die alten Thrash-Metal-Wurzeln schimmern nur noch vereinzelt durch – ansonsten regiert Heavy Metal mit Hooks, Melodien und teils stadiontauglichen Refrains. Wir sprachen mit Bandgründer, Gitarrist und Sänger Dave Silver über eingängige Musik und Touren mit CRADLE OF FILTH. Außerdem verrät er uns, welcher BLACK SABBATH-Sänger seiner Meinung nach der beste ist.
Ihr wart gerade mit CRADLE OF FILTH auf Tour. Für deutsche Verhältnisse ist das ein ziemlich ungewöhnliches Package.
Auf dem Papier ergibt das vielleicht keinen Sinn, das stimmt. Wir touren ja nur im UK in dieser Kombination, in Kontinentaleuropa sind wir mit MOONSPELL unterwegs. Im UK werden CRADLE wie eine Mainstream-Metalband angesehen, eine Metal-Hammer-Band, man sieht sie auf dem Bloodstock und Download-Festival. Das Publikum, das sie hier haben, steht viel mehr in einer Linie mit AMON AMARTH oder TESTAMENT. Hier im UK werden sie nicht als extreme Black-Metal-Band angesehen, wie beispielsweise EMPEROR oder MAYHEM – das ist ein komplett anderes Publikum.
Wie kam zu dieser Kombination?
Warum wir aber auf der Tour gelandet sind, liegt daran, dass CRADLE vor ein paar Monaten eine Testshow für ihre Welttournee in Portsmouth veranstaltet haben – um die Crew zu testen und zu sehen, ob alles passt. Dahin wurden wir eingeladen, und natürlich haben wir zugesagt. Das Publikum hat sich als total phantastisch herausgestellt, und das Billing hat funktioniert. Für die Fans ist es doch auch nett, dass es an einem Abend unterschiedliche Musikstile zu hören bekommt. Bei einer Black-Metal-Tour mit sechs Bands geht es dann den ganzen Abend so: „tadadadadada“ (imitiert Blastbeats und Screams, um in Gelächter zu enden) – das ist einfach zu viel.
Ihr habt Eure Richtung mit den letzten Alben immer mehr von Thrash Metal zu immer melodischeren Stilen geändert. War das eine bewusste Entscheidung?
Ja. Wir waren ja immer ambitionierter, als bloß eine weitere Thrash-Band zu sein. Schon auf dem ersten Album hatten wir Heavy-Metal-Einflüsse und viele Melodien. Was mit uns selbst passiert ist, ist, dass wir immer mehr Selbstvertrauen gewonnen haben, andere Stile zu spielen. Schon auf den letzten Alben hat unser Produzent Scott Atkins uns gesagt, dass Thrash Metal eigentlich nicht gut zu uns passt. Es gibt einfach unzählige Bands, die besser sind. Was gut zu uns passt, sind große Songs mit großen, eingängigen Refrains, also das, was auf großen Bühnen gut klingt. Das hat uns zu denken gegeben, gerade weil das nächste Album so wichtig für uns ist. Und diesmal wollten wir nicht bloß mit dem kleinen Zeh ins Wasser gehen, sondern komplett. Und das haben wir gemacht.
Warum hat Euch das Thrash-Ding nicht so gut gestanden?
Stilistisch haben wir einen gewissen Sinn für Melodien. Ich bin auch eher ein traditioneller Sänger, ich kann nicht so gut schreien und kreischen. Objektiv gesehen sind unsere Stärken, auch auf unseren ersten Alben, dass wir überzeugende dreieinhalbminütige kommerzielle Songs schreiben können. Auf einem übersättigten Markt mit vielen Thrash-Metal-Bands… weißt du, wir werden niemals einen Song schreiben können, der so gut ist wie „Angel Of Death“. Wir haben einfach diese Fähigkeit nicht, aber: Wir können supereingängige Songs schreiben. Da brauchen wir nicht lange zu überlegen.
Okay. Welcher Song auf dem neuen Album „Hands Of Fate“ ist deiner Meinung nach denn am eingängigsten?
(wie aus der Pistole geschossen) „Solar Corona“. Der ist wirklich sehr eingängig, und ich mag ihn sehr. Textlich ist er auch etwas außergewöhnlich, und der Song hat auch das beste Gitarrensolo auf dem Album.
„Lay Down Your Arms“ ist etwas düsterer als die anderen Titel und erinnert bei Melodieführung und Gesang an MORGANA LEFAY, was ich ziemlich cool finde.
Yeah, wir kennen natürlich MORGANA LEFAY. Und ja, das Stück hat fette Riffs, die besonders auf Festivals gut abgehen werden. Was den Text angeht: Wir mögen keine politische Band sein, aber vieles von dem ist inspiriert von dem, was gerade in der Welt los ist – der Krieg in Syrien, die Vertreibungen und die ganzen Tragödien, die sich tagtäglich dort abspielen.
Auf „Eat Your Heart Out“ habt Ihr anfangs einen kleinen DEF LEPPARD-Moment eingebaut, um dann aber doch ziemlich heavy weiterzuspielen.
Du bist der erste, der das sagt, und es ist auch ein wenig lustig. Aber schlimm ist es nicht, da die DEF LEPPARD-Sachen aus den Achtzigern – allen voran „Pyromania“ – ziemlich gut produziert sind. An und für sich ist der Song unseren Stücken auf den bisherigen Alben am ähnlichsten. Es hat auch einen leichten JUDAS PRIEST-Touch.
Wie schreibt Ihr Songs? Startet Ihr mit Melodien, mit Riffs?
Das ist unterschiedlich, aber was immer am Anfang steht, ist Inspiration. Einer der besten Wege, zu etwas inspiriert zu werden, ist mit dem Songtitel anzufangen. Damit hast du ein Konzept, du weißt, worüber du schreibst. Wenn du dann die Farbe, den emotionalen Inhalt hast, kannst du weitermachen. Nimm beispielsweise „Lay Down Your Arms“, das ein Antikriegssong ist, und dazu passte richtig schweres, maschinenartiges Riffing. Letztlich klingt das Riff so, als ob sich ein Panzer in Bewegung setzt. Wenn man Inspiration für einen Song hat, geht der Rest einfacher von der Hand. Das ist auch die Art und Weise, wie Popsongs geschrieben werden.
Was steckt hinter dem Albumtitel „Hands Of Fate“?
Hinter „Hands Of Fate“ steckt der Begriff ‚locus of control‘ (zu Deutsch ‚Kontrollüberzeugung‘), der aus der Psychologie stammt. Grundsätzlich geht es bei diesem Konstrukt darum, dass einer Person Dinge passieren, gute oder schlechte. Dann wird geschaut, was die Person denkt, was größeren Einfluss auf diese Dinge hat – eigenes Handeln oder nicht, was man als interne oder externe Faktoren bezeichnet. Wenn dir also ein starker interner locus of control zugeschrieben wird, bist du eine Person, die für die Dinge, die dir passieren, Verantwortung übernimmt. Frei nach dem Motto: Das hat nicht funktioniert, aber ich hätte es besser machen können. Wenn dir hingegen ein starker externer locus of control zugeschrieben wird, wirst du eher ablenken: Yeah, das hat nicht funktioniert, aber das war nicht mein Fehler, sondern jene Person hat dies und das gemacht. Ich fand dieses Konstrukt eine sehr interessante Dichotomie. Und was den Albumtitel angeht, ist es natürlich sehr interessant, darüber nachzudenken, in wessen Händen unser Schicksal liegt – in unseren eigenen oder in denen anderer Leute.
Du hast vorhin gesagt, dass ein Songtitel häufig am Anfang eines Stücks steht. Stand dann der Albumtitel „Hands Of Fate“ von Anfang an fest?
Nun, wir hatten den Titel ziemlich früh, wussten aber nicht, ob er wirklich der Albumtitel wird. „Hands Of Fate“ greift die derzeitige Situation der Welt, aber auch der Band auf. Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, sind bei einem größeren Label. Es fasst die Bandsituation in den letzten zwei Jahren ziemlich gut zusammen. Wir haben unseren Plattenvertrag bei Earache auslaufen lassen und das neue Album quasi in Eigenregie produziert – erstmal ohne Deal. Und dann haben wir uns mit dem fertigen Album bei Labels beworben und hatten keine Ahnung, wo wir landen würden. Wir haben also quasi gewürfelt und wussten nicht, was dabei rauskommt. Es hätte auch sein können, dass wir ein fertiges Album in der Hinterhand haben, und niemand möchte es veröffentlichen.
Ihr seid eine multinationale Band – Sam S. Junior und Du kommen aus dem UK, Drummer Andrea Gorio ist Italiener, und Bassist Mira Slama kommt aus der Tschechischen Republik. Müsst Ihr Euch zum Proben langfristig verabreden?
Wir wohnen alle in London, insofern ist das kein Problem. London ist ja eh eine sehr internationale Stadt, und dort treffen sich sehr viele Musiker, die ursprünglich nicht aus England kommen. Für uns ist das alles kein Thema, solange wir miteinander kommunizieren können. (lacht)
Sam oder Du – wer ist der bessere Gitarrist?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Sam ist definitiv der technisch beschlagenere Gitarrist. Vielleicht habe ich das bessere Feeling, aber das kann ich nicht beurteilen. Rhythmisch passen wir aber bestens zusammen.
Ihr kennt Euch auch schon lange bevor Sam in die Band gekommen ist.
Ich kenne Sam, seit er zwölf ist – er ist noch ein junger Kerl, heute ist er 23. Er hing die ersten Jahre vor unserem Proberaum ab und wurde irgendwann unser Gitarrentechniker. Und dann ist er nach ein paar Jahren bei uns eingestiegen. Er kennt unsere Sachen also auch schon seit langem, und deshalb spielen wir richtig gut zusammen. Das ist schon einzigartig.
Welche sind Deine Idole an der Gitarre?
An der Rhythmusgitarre gibt es keinen besseren als James Hetfield (METALLICA) – und es wird vermutlich auch keinen besseren mehr geben. Als Leadgitarrist mag ich Adrian Smith (IRON MAIDEN), Steve Clark (DEF LEPPARD) und Criss Oliva (SAVATAGE). Skolnick (Alex Skolnick, TESTAMENT) auch ein bisschen. Ich mag Gitarristen, die ungewöhnliche Noten spielen – dazu gehört eben Adrian Smith. Technisch muss das nicht immer schwierig zu spielen sein, aber es ist sehr innovativ. Ich halte Steve Clark auch für sehr unterschätzt, er hatte ein besonderes Feeling. Aber ich höre mir heute nicht mehr so häufig diese Art von Musik an, das habe ich mit ungefähr 16 gemacht.
Ein bisschen Bandarchäologie: Deine frühere Band hieß HEADLESS CROSS, was offensichtlich vom gleichnamigen BLACK SABBATH-Album inspiriert war.
Yeah, korrekt. Ich komme ja ursprünglich aus Birmingham – wie BLACK SABBATH – und „Headless Cross“ ist ein kleiner Ort vor den Toren der großen Stadt. Der Albumtitel und unser Bandname sind also auch eine Referenz an diesen Ort.
BLACK SABBATH Ist mit der abgeschlossenen Abschiedstournee jetzt offensichtlich Geschichte. Welcher ist Dein Lieblingssänger?
Eigentlich habe ich drei: Ozzy, weil er Ozzy ist. Dio, weil er Dio ist. Und dann Tony Martin. Dio sang seine Songs am besten, war aber bei den Ozzy-Songs nicht so gut, Ozzy singt seine Songs am besten, aber ob er Dio-Songs singen kann, kann ich nicht sagen – ich habe ihn noch nie einen Dio-Song singen gehört. Und Tony Martin hat alle Songs drauf. Er ist wirklich ein großartiger Sänger und ziemlich unterschätzt.
Danke für das Interview!