Samael
„Wir sind alle sehr glücklich mit dem Material, das wir bisher haben."
Interview
Mit „Passage – Live“, der Liveversion ihres Klassikers „Passage“, meldeten sich SAMAEL kürzlich zurück. Wir trafen Vorph und Xy in der Schweiz, um mit ihnen über das Livealbum und dessen Entstehung zu reden. Dabei blickten wir auch auf die Zeit der Originalversion aus dem Jahr 1996 zurück und ließen es uns nicht nehmen, nach neuem Studio-Material zu fragen.
Hallo zusammen und danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Ihr seid erst vor ein paar Tagen aus Japan zurückgekehrt, wo ihr zwei Shows in Tokyo und Osaka gespielt habt. Davor wart ihr für vier Konzerte in Polen. Erzählt uns doch etwas davon.
Vorph: Es war großartig. Eine tolle Art, das Jahr zu starten. Polen war sowieso schon immer ein guter Ort für uns. Wir haben da 1989 zum ersten Mal gespielt. Und Japan war ein Traum. Unser erster Gig dort war im Jahr 2018 und wir wussten damals nicht, ob wir jemals die Chance bekommen würden, das zu wiederholen, man weiß ja nie, ob das vielleicht eine einmalige Sache bleibt. Doch nun hat es wieder geklappt und es war sogar noch besser, als wir es erwartet hatten.
Xy: Genau, sogar noch besser als letztes Mal.
Gab es große Unterschiede zwischen Polen und Japan?
Vorph: Einige! Wir wussten nicht so viel über die kulturellen Unterschiede in Japan. Als mich zum Beispiel jemand von ESP Guitars in der Firma herumführte, habe ich natürlich sehr bewusst auf mein Verhalten geachtet, um nicht unhöflich zu erscheinen, da es dort andere kulturelle Regeln gibt. Aber das Publikum war den anderen Metal-Crowds eigentlich sehr ähnlich, wobei die Leute sehr diszipliniert waren.
Xy: Am Ende der Show wurden plötzlich alle ruhig und verließen augenblicklich und geordnet die Halle. Es gab dort keine Security, die die Leute „herausjagen“ musste, es wirkte wirklich sehr diszipliniert. Das war etwas Neues für uns, sehr ungewöhnlich.
Lasst uns über eure neueste Veröffentlichung, „Passage – Live“ reden. 2022 wart ihr auf der „Passage 25th Anniversary Tour“, wo ihr die komplette Platte live gespielt habt. Die Aufnahmen für das neue Livealbum stammen vom letzten Konzert der Tour in Krakau, Polen. Warum gerade dieses Konzert und habt ihr auch andere Shows mitgeschnitten?
Vorph: Tatsächlich hatten wir die ganze Tour aufgenommen. Wir wussten vorher nicht, welche Aufzeichnungen wir benutzen würden. Es gab einige gute Kandidaten und Krakau ist es letztlich geworden. Das Publikum war sehr enthusiastisch und es herrschte eine besondere Energie dort.
Xy: Wir haben, wie gesagt, immer gute Erfahrungen in Polen gemacht. Außerdem war es die letzte Show der Tour und die hat immer etwas sehr Spezielles an sich. Man gibt nochmal alles, weil man weiß, danach wird nichts mehr kommen. Ich denke, viele andere Bands sehen das auch so.
Was, würdet ihr sagen, ist der Unterschied zwischen dem Original „Passage“ aus 1996 und der jetzigen Liveversion? Habt ihr irgendwas verändert?
Vorph: Nicht viel. Mit den Vocals hatte ich etwas Spielraum, ich musste bei der Ausdrucksweise nicht komplett beim Original bleiben und denke, der Gesang ist etwas ausgereifter als in der Studioversion. Das Tuning ist anders. Für mich klingt es etwas härter, denn wir haben alles einen halben Ton tiefer gespielt. Wir haben das damals schon gemacht, als wir „Ceremony Of Opposites“ live spielten und haben es so beibehalten.
Xy: Aber viel geändert haben wir nicht. Das Original war gut so wie es ist, also haben wir es größtenteils so gelassen. Vielleicht ist es etwas energetischer als die Studioversion.
Vorph: Die Liveversion hat außerdem eine gewisse Wärme an sich. „Passage“ war als sehr kalt klingendes Album bekannt, vor allem aufgrund des Drumcomputers. Da ging der „menschliche Touch“ etwas verloren. Die Liveaufnahmen geben etwas von dem wärmeren Sound zurück.
Seit „Passage“ benutzt ihr einen Drumcomputer – sowohl für Studioaufnahmen als auch bei Liveauftritten. Warum seid ihr dabei geblieben und bringt das auch Nachteile mit sich?
Xy: Als wir uns damals dazu entschieden, einen Drumcomputer zu benutzen, waren viele Leute dagegen, vor allem das Management und die Plattenfirma. Aber wir dachten, wenn wir damit nochmal von vorne beginnen müssen, dann ist es eben so. Wir wollten an der Idee festhalten und mir gefiel auch der Gedanke, dass es nicht viele Rockbands so machen. Wenn man einen Drumcomputer benutzt, ist das Ergebnis natürlich sehr präzise, man hat eine solide Basis.
Vorph: Was daran vielleicht schwierig ist, ist, dass man damit live nicht improvisieren kann. Wir sind zwar keine Band, die viel improvisiert, aber das verzeiht natürlich keine Fehler. Aber diese „Probleme“ haben Bands mit Klicks und Backing Tracks genauso.
Ihr seid auch eine Band, die als experimentell und innovativ gilt. Seht ihr euch selbst in einer Vorreiterrolle für andere Bands?
Vorph: Darüber haben wir nie nachgedacht. Wir versuchen, es für uns selbst so interessant wie möglich zu halten.
Xy: Es ist immer ein Kompliment, wenn man Einfluss auf irgendetwas oder irgendwen hat, wir selbst sind ja auch von vielen Richtungen beeinflusst worden. Also ja, ich hoffe, wir haben diese Auswirkungen auf andere Bands.
Habt ihr euch eure Karriere so vorgestellt, als ihr damals angefangen habt?
Xy: Es ist sogar noch besser gekommen. (lacht)
Vorph: Ich ahnte damals schon, dass ich nichts anderes machen würde. Also war das eben die Sache, die ich tun würde, bis zu dem Zeitpunkt, an dem es nicht mehr geht. Ich bekam mal die Frage gestellt, ob ich gedacht hätte, nach 30 Jahren immer noch zu spielen. Ich wusste damals nicht, wie lange das alles anhalten würde. Ehrlich gesagt dachte ich nicht einmal, dass ich nach 30 Jahren noch leben würde. (lacht)
Das heißt, ihr hattet früher wilde Zeiten?
Vorph: Wenn man ein Teenager oder in den frühen 20ern ist, achtet man nicht darauf, seine Energie zu einzuteilen oder bewusst zu leben. Man tut einfach, was man will. Und wenn es morgen vorbei ist, dann ist es so. Das geht heute nicht mehr, ich muss zum Beispiel wegen meiner Stimme bewusster leben und kann nicht so viel Party machen wie die anderen in der Band. Das ist eine Einschränkung, die aber absolut ok für mich ist.
Gibt es etwas, was ihr als Band noch erreichen wollt? Träume oder Ziele?
Vorph: Ja, da gibt es sicher viele – zum Beispiel Orte, an die wir gerne wieder zurückkehren würden, wie eben Japan. Oder Länder, in denen wir niemals zuvor gespielt haben, wie Australien oder Südkorea. Ich bin nicht sicher, was ich von China halten soll, aber es wäre eine neue Erfahrung, dort für die Leute zu spielen. Wir wollen, dass das Ganze interessant bleibt und sich weiter entwickelt.
Ihr habt an anderer Stelle erwähnt, dass ihr an neuem Material arbeitet. Wie weit seid ihr denn damit?
Xy: Wir haben schon einige Sachen aufgenommen und ich bin momentan am Bearbeiten. Es gibt noch einiges zu tun, das ist ein langer Prozess, aber er ist im Gange.
Vorph: Wir hätten gerne mindestens einen neuen Song bis zum Ende des Jahres draußen und das Album dann nächstes Jahr.
Xy: Vor Covid waren wir mit einigen Songs schon recht fortgeschritten. Während der Pandemie hatten wir viel Zeit, um daran herumzufeilen. Wir trafen uns oft, Ales und Drop kamen hinzu und gaben ihren Input. Wir nutzen die Zeit also, um alles noch mehr reifen zu lassen.
Vorph: Das ist bis jetzt das Album, an dem wir am längsten gearbeitet haben, dabei war die Zeitspanne zuvor auch schon lang. (lacht) Aber wir sind alle sehr glücklich mit dem Material, das wir bisher haben.
Und wie ist die Zusammenarbeit mit eurem jetzigen Plattenlabel, Napalm Records, bei dem ihr seit 2017 unter Vertrag seid?
Vorph: Wir sind sehr zufrieden. Das waren wir mit Nuclear Blast vorher auch, aber irgendwann wurden sie für uns zu groß. Sie fragen einen danach, etwas zu liefern, man liefert und einen Monat später ist das schon wieder vom Tisch und sie fragen nach dem Nächsten. Mit Napalm Records haben wir hingegen noch Videos für drei Jahre alte Songs gedreht, weil sie wirklich hinter der Platte standen. Für uns ist jedes einzelne Album wichtig, es sollte einen langen Lebenszyklus haben. Napalm Records sind da sehr unterstützend für uns.
Ein anderes Thema – Kunst. Inwiefern seid ihr von Künstlern wie H.R. Giger oder Pierre Soulage beeinflusst?
Vorph: Von Soulage mochten wir natürlich den Panther und wir haben mit ihm gemeinsam, dass wir die Farbe Schwarz mögen. Für uns ist es mehr als nur eine Farbe, wir sehen darin etwas sehr Feierliches, Erhabenes. Giger war sehr präsent in unserem Leben. Der Song „Black Trip“ von „Ceremony Of Opposites” war sehr stark von ihm beeinflusst. Zu dieser Zeit war ich umgeben von ihm. Ich hatte ein Buch von ihm, nahm die Seiten heraus und klebte sie an meine Wände. Alles in meinem Zimmer war von Giger. Ich lebte innerhalb dieser Welt und in dem Song geht es darum.
Xy: Unser Album „Reign Of Light“ wurde im H.R. Giger-Museum in Gruyères vorgestellt. Er war sogar kurz persönlich da und wir konnten „Hallo“ sagen. Es ist nicht so, dass ich ein großer Fan von Dingen oder Personen bin, aber es war ein Moment voller Respekt, als er in den Raum trat. Keiner sprach, alle wurden still. Das war eine besondere Erfahrung.
Wie wichtig ist euch der künstlerische, ästhetische Aspekt bei SAMAEL? Ich meine nicht nur Dinge wie Texte oder Plattencover, sondern vor allem die Live-Performances. Bei euren Shows macht ihr zum Beispiel viele Posen und bewegt euch auf eine spezielle Art.
Vorph: Ich sehe das als Ganzes. Wir versuchen immer die ganze Erfahrung zu geben. Ich liebe die Idee von Trance, wenn man nicht einfach Song für Song spielt, sondern es zu einer Art Flow wird. Daran arbeiten wir auch intensiv, wir proben das für jedes einzelne Konzert. Wenn wir die Vorstellung von einer Setlist haben und merken, dass es beim Proben nicht richtig fließt, ändern wir das Set ab.
Xy: Das Visuelle ist uns wichtig und wir achten immer darauf, damit es nicht „nur“ Musik ist, sondern ein Gesamterlebnis. Das machen sicher auch andere Bands, aber nicht alle. Viele kümmern sich nicht im Geringsten darum, wie ihre Show optisch wirkt. Aber für uns ist es ein wichtiger Aspekt.
Kommen wir zur letzten Frage. Stellt euch vor, ihr trefft jemanden, der SAMAEL nicht kennt, und ihr könnt ihm/ihr nur eines eurer Alben zeigen. Welches würde die Band am besten repräsentieren?
Xy: Wahrscheinlich das bevorstehende. (lacht)
Vorph: Ja, absolut. Ansonsten sicher „Passage – Live“. Es gibt einen Grund, warum wir jetzt diese Liveversion veröffentlicht haben. Es zeigt eine große Vielfalt. Wir haben zwar später noch andere Richtungen eingeschlagen, sodass es sicher nicht alles von uns einfängt, aber es wäre eine großartige Grundlage.
Vielen Dank für das Interview!
Bandfoto: Cyril Perregaux
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Stile | Industrial Black Metal |
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