Samael
"Das Problem entsteht, wenn du selbst das Werkzeug wirst."
Interview
Dass SAMAEL schon verdammt lange, nämlich 30 Jahre, im Geschäft sind, ist kein Geheimnis. Mit „Hegemony“ legen sie diesen Monat ihr elftes Studioalbum vor. Das erste unter dem nagelneuen Vertrag mit Napalm Records. Wie es die „Jungs“ schaffen, nach so vielen Jahren immernoch so frisch und aufgeschlossen zu wirken, als hätten sie all diese Fragen nicht schon 1000 Mal beantwortet, ist schleierhaft. Ihrem Charme kann man sich aber jedenfalls unmöglich entziehen. Im Rahmen der Albumpromo trafen wir Vorph und Xy in Berlin und quetschten sie zu den Hintergründen des Albums, dem Labelwechsel und allerhand Anderem aus. Dabei plauderten wir am Ende – buchstäblich – über Gott und die Welt.
Hi Jungs! Erst danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Seit dem letzten SAMAEL-Album „Lux Mundi“ sind nun sechs Jahre vergangen. Habt ihr währenddessen durchgehend an „Hegemony“ gearbeitet oder euch auch mal eine Pause gegönnt und habt dann frisch gestartet?
Vorph: Genau, wie du gerade sagtest (lacht). Wir haben gleich angefangen, am Album zu arbeiten, und wir hatten 2013 schon fast alle Songs. Nicht so, wie sie jetzt auf dem Album sind, aber die Struktur war schon da. Dann bekam Xy ein Angebot von der Stadtverwaltung unserer Heimatstadt. Dort gibt es zwei Schlösser und die machen da jedes Jahr eine Lichtshow mit Musik. Sie haben ihn gebeten, die Musik dafür zu machen. Das hat er angenommen, aber es hat ihn etwa ein Jahr gekostet.
Xy: Ja, ein Jahr.
Vorph: Gut ein Jahr sogar, mit dem Komponieren und Aufnehmen. Aber das hat ihm die Möglichkeit gegeben, mit einem kompletten Orchester zu arbeiten, was er schon lange machen wollte. Also ja, wie du erwähnt hast, gab es da eine Pause, und dann sind wir mit einem neuen Blickwinkel wieder an die Songs.
Xy: Das gab uns die Möglichkeit, etwas Distanz zu kriegen, wie man so schön sagt. Ich denke, das war wirklich gut, denn so konnten die Songs sich entwickeln, wir konnten sie neu produzieren, uns die Details nochmal anschauen, Sachen ändern und versuchen, jeden Song auf das bestmögliche Level zu bringen. Wenn man einen Song in Eile macht, hört man ihn sich manchmal ein halbes Jahr später wieder an und denkt sich, „das hätten wir anders machen können“. Das wollten wir vermeiden und uns wirklich die Zeit nehmen. Dann war da noch das dreißigjährige Jubiläum unseres 1994er Albums „Ceremony Of Opposites“. Bei einem Festival haben wir das ganze Album neu aufgerollt, und das dann anschließend auch unter anderem in Kanada und Russland gemacht. Das hat auch etwas Zeit in Anspruch genommen. So kam es also zu dieser längeren Pause.
Vorph: Das ging aber schnell vorbei und hat sich nicht nach sechs Jahren angefühlt.
Xy: Wir waren die ganze Zeit über beschäftigt, waren also nicht untätig.
Jubiläum ist ein gutes Stichwort. Es gibt SAMAEL jetzt seit 30 Jahren und ihr habt euch musikalisch mehrmals neu erfunden. Wie vermeidet ihr künstlerischen Stillstand?
Vorph: Als Künstler weißt du nie, wohin die Reise geht. Der Weg entwickelt sich von selbst. Ich denke, die ersten beiden Alben waren stark davon beeinflusst, was wir selbst zu der Zeit gehört haben. „Ceremony Of Opposites“ ist wahrscheinlich das erste Album, auf dem wir angefangen haben, unsere eigene Identität zu kreieren. Wir hatten ein Keyboard, was neu für uns war. Das gab uns die Möglichkeit, mit Orchestrierung zu arbeiten. Auf dem nächsten Album „Passage“ haben wir dann vom Schlagzeug zu einem Drum-Computer gewechselt. Das war eine große Veränderung. Ich denke, diese beiden Alben haben unseren Sound definiert. Den haben wir dann zu entwickeln versucht, aber die Basis, auch von dem, was wir heute sind, war denke ich damals schon da. (Zu Xy) Oder?
Xy: Ja, stimmt. Wir versuchen auch, nicht nur einem Pfad zu folgen, sondern zu experimentieren und nicht auf ein Ding festgenagelt zu sein. Wir haben auch das Bedürfnis, Neues zu erkunden, und das ist ein guter Weg, die Sache interessant und spannend zu erhalten. Vor allem langfristig.
Zum Albumtitel und zum Artwork fallen mir erstmal zwei Sachen ein. 1. Die USA mit dem Auge der Vorsehung auf der Dollarnote und 2. George Orwells „1984“. Beides würde Sinn machen, auch wenn man sich mal die Texte ansieht. Könnt ihr uns was zu den Inspirationen für das Album sagen?
Vorph: Was das Cover angeht, da hatten wir verschiedene Entwürfe und haben unterschiedliche Sachen ausprobiert. Alle mit Patrick Pidoux, der auch die drei Alben davor schon gemacht hat. Das Cover war seine Idee und wir haben dann noch Details besprochen. Er hatte seine eigene Interpretation, an die ich mich jetzt nicht mehr im Detail erinnere, aber das war eben seine Sichtweise. Wir hatten dann unsere eigene Verbindung dazu. Für mich ist es ein Symbol von Dominanz und Kontrolle. Und mir gefällt die Symbolik des Blitzes, der das Auge angreift. Dass auf dem Cover etwas passiert, und es nicht nur ein statisches Bild ist.
Was die Texte betrifft, es geht viel um die Realität und die Welt, in der wir leben. Das ist das erste Mal, dass wir so auf diese Thematik eingehen. Normalerweise versuchen wir immer, Abstand von der Realität zu nehmen und etwas zu schaffen, das für sich selbst steht. Heutzutage ist das schwer, denn die Nachrichten verfolgen dich. Selbst, wenn dir etwas egal ist, wirst du darüber Bescheid wissen.
In „Dictate Of Transparency“ erwähnt ihr auch die Stasi. Da wir uns passenderweise in Berlin befinden, bietet sich also die Frage an, wie kam es dazu?
Vorph: Ich habe das Stasimuseum hier in Berlin besucht. Das Interessante daran ist, dass man spürt, wie sehr die Leute kontrolliert und beobachtet wurden. Sie haben versucht, sich davor zu verstecken, und heutzutage versuchen die Leute das nicht mehr. Sie freuen sich sogar, wenn jeder alles über einen weiß und geben die Informationen freiwillig her, an jeden, den es interessiert.
Innerhalb von ein, zwei Generationen haben sich die Leute davon, ihre Privatleben zu schützen, dahin entwickelt, zum Beispiel alles auf Facebook zu posten.
Vorph: Weil es für die Leute wichtig war, ein Privatleben zu haben. Ich weiß nicht, ob das heute nicht mehr wichtig ist. Ich meine, für mich, für uns, ist das wichtig. Aber es scheint, als gäbe es Leute, die dazu bereit sind, alles offenzulegen. Da du Facebook erwähnt hast, ich halte das für ein tolles Tool, vor allem für eine Band, um sich zu promoten. Aber es ist ein Werkzeug, und das Problem entsteht denke ich, wenn du selbst das Werkzeug davon wirst und es weiter fütterst. Denn wenn die Leute es nicht nutzen würden, würde es garnicht existieren. Es gibt da einen schmalen Grat. Auf welcher Seite davon willst du stehen?
Xy: Ich denke, die Privatsphäre ist etwas, das man sich erhalten sollte. Man sollte damit richtig umgehen. Das betrifft die moderne Technik, Computer und das Internet allgemein. Das sind Werkzeuge, die toll sind, die aber mit Vorsicht zu genießen sind.
Vorph: Jeder Einzelne muss sich darüber im Klaren sein, dass es Konsequenzen gibt. Manche Leute sind so naiv und fragen sich „wieso passiert mir das?“ Naja, vielleicht hättest du vorher mal drüber nachdenken sollen. Es muss ein Bewusstsein dafür geben, dass man, wenn man alles offenlegt, auch danach beurteilt wird. Daran führt kein Weg vorbei.
Galerie mit 18 Bildern: Samael - Passage Tour 2022 in MünchenMehr zu Samael
Band | |
---|---|
Stile | Industrial Black Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!