Saltatio Mortis
Interview zum neuem Album "Brot und Spiele"
Interview
Auf dem MPS in Speyer angekommen, treffe ich mich gleich mit den Mittelalterrockern von SALTATIO MORTIS zum Interview. Die Band hatte ja offen Kritik an der Review unseres Kollegen Klaas zu ihrem neuen Album geübt, welcher mir auch noch ein kurzes Statement mitgegeben hat. Timo Gleichmann alias Lasterbalk der Lästerliche empfängt mich in der Drachenschänke zum Gespräch.
Danke, dass Ihr Zeit habt, Platz eins in den Album Charts, herzlichen Glückwunsch, hättet Ihr damit gerechnet?
Tatsächlich war es im Vorfeld nicht abzusehen. Wir haben sehr sehr starke Konkurrenz gehabt diese Woche und die Deutschrap-Szene ist halt im Moment sehr kräftig und das ist eine ganz andere Klientel als die wir ansprechen. Streaming macht mittlerweile in der Chartwertung eine die deutliche Rolle und die Kollegen von UFO (Anm.: Rapper von UFO361) haben sehr sehr viel gestreamt, deshalb ist es so schwer zu berechnen. Zum Beispiel, sowohl Booking als auch Management haben gesagt, keine Chance, schafft ihr nicht, dem entsprechend ist es umso toller, das wir es doch noch gepackt haben.
Euer neues Album heißt „Brot und Spiele“ – wie seid Ihr auf den Namen gekommen?
„Brot und Spiele“ ist ja ein Zitat im Prinzip von Juvenal, ein alter römischer Dichter, der über den Untergang der römischen Republik sinniert hat, um es vielleicht mal einfach darzustellen, und letztendlich in den in den Stücken geht es genau darum, dass letztendlich die Popularen, also die römischen Populisten, auf die berühmte Rostra stiegen und sagen „Die Ausländer fressen euch das Brot weg, Römer, eure Politiker verstehen euch nicht mehr, ihr seid nicht mehr vertreten, wir können das besser“. Und diese Parolen, die kann man heute… also ich glaube, dass jeder, der mal eine Zeitung in die Hand nimmt, erkennt die Zeichen der Zeit auch heute wieder. Nun ja, die Republik ging unter, Caesar überquerte den Rubikon und es kam die Diktatur, die Cäsaren oder die Kaiserzeit. Tatsächlich, wenn ich heute die Wahl habe, möchte ich eigentlich ganz gerne eine Demokratie bleiben, eine freiheitliche pluralistische Gesellschaft und eben keine Diktatur, deshalb „Brot und Spiele“.
Habt Ihr als Band einen Lieblingssong in eurem neuen Album auserkoren?
Wir sind acht Leute, dementsprechend haben wir wahrscheinlich 80 Lieblingssongs, ich kann dir nur sagen welche mir gerade jetzt gefallen, aber das ist tatsächlich tagesformabhängig noch.
Habt Ihr eine Live-DVD zum Album geplant?
Nein, Live-DVD wird es definitiv nicht geben.
Ihr habt für das neue Album das Plattenlabel gewechselt. Warum?
Das stimmt so nicht. Eigentlich war „Zirkus Zeitgeist“ schon ein Labelwechsel, das war eine Kooperation zwischen Napalm und Universal. Insofern ist das jetzt das zweite Album, welches wir mit den Damen und Herren aus Berlin machen.
Es gab im Vorfeld zu eurem neuen Album einige kritische Worte, auch unser Review war nicht ganz positiv ausgefallen. Man hat auf eure Reaktion hin gemerkt, dass Ihr sehr viel Herzblut in das Album gesteckt habt. Wieviel SALTATIO MORTIS steckt in dem neuem Album noch aus eurer Sicht?
Danke für die Steilvorlage. Zunächst mal kann ich das tatsächlich nicht nachvollziehen, dass irgendjemand sagt, dieses Album ist nicht SALTATIO MORTIS, denn wir haben diese Songs geschrieben, wir haben sie eingespielt, wir spielen sie live, unser Herzblut hängt da drin. Wie kann etwas, das so deutlich von uns, aus uns kommt, nicht wir sein? Es ist etwas ganz anderes, wenn mir jemand sagt, mir gefällt das Album nicht, das ist eine subjektive Wahrnehmung, völlig in Ordnung, überhaupt kein Stress. Das andere ist einfach dummes Zeug. Ich kann es mal nicht anders sagen. Um da gleich mal mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen, weder eine Plattenfirma, noch ein Produzenten, noch eine Booking- oder Management-Agentur sprechen mit, wir fragen Leute natürlich, klar wie findet ihr den Song, wie gefällt euch das. Was auf das Album kommt und wie es aufs Album kommt entscheiden 100 % nur wir, Punkt. Und dementsprechend ist jeder Song wo SALTATIO drüber steht auch SALTATIO, der kann dann gefallen oder auch nicht gefallen, fein. Aber wenn jemand dann schon Kritik übt, dann sollte er sie wenigsten fachlich fundiert üben und genau da setzt meine Kritik an eurem Artikel an. Da steht mehr oder weniger drin, dass sich irgendwie die Wir-gegen-die-Attitüde durch alle Songs zieht und das ist einfach mal nicht wahr, wenn Du dir die Texte von diesem Album durchliest, dann stellst Du fest, wenn überhaupt „Dorn im Ohr“, da kann man das sagen. Bei allen anderen Texten, der soll mir mal bitte erklären wie bei „Mittelalter“ oder „Nie wieder Alkohol“ oder „Sie tanzt allein“ eine Wir-gegen-die-Attitüde steht, die er dann mit Deutschrock oder mit vermeintlichen Deutschrock-Bands gleichsetzt. Das ist jetzt mal nur ein Beispiel, blind rausgegriffen, ich sag: „Lieber Rezensent, da hast du deinen Job nicht gut gemacht.“
Die große Kritik ist ja unter anderem auch, Ihr würdet euch von einer Mittelalterband, zu einer gesellschaftskritischen Punkrock-Band entwickeln…
Puh, also vielleicht muss man da mal anfangen – was ist denn eine Mittelalterband? Also wenn du Mittelalterband definierst, als eine Band die mit Dudelsäcken und ohne E-Gitarre spielt, dann stimmt das, aber stimmt natürlich auch nur zur Hälfte, es gibt das Konzert, was wir gerade gespielt haben, wo bis auf letzten Song auch keine E-Gitarre drin war. Letztendlich, was mich da stört, ist irgendwie, dass da mit zweierlei Maß gemessen wird und vor allem das es nicht sauber begründet wird. Also wenn, wie gesagt eine Mittelalterband keine E-Gitarre haben darf und nur über historische Themen singen, dann sind wir ganz sicher keine Mittelalterband. Wenn eine Mittelalterband sich dadurch kennzeichnet, dass sie tatsächlich im nennenswerten Umfang und zwar auch auf „Brot und Spiele“, mit historischen Instrumenten spielt, dann sind wir wohl eine Mittelalterband.
„Spur des Lebens“ ein wunderschöner Song, aber auch dieses Liedes aus unserer Sicht sehr weit vom Mittelalter (-Rock) entfernt. Warum habt ihr dieses Lied so weit vorne in der CD platziert und wie wichtig ist dieser Song für euch?
Die Platzierung eines Songs auf der CD hat natürlich nicht immer etwas mit Wichtigkeit zu tun oder eigentlich gar nicht. Letztendlich geht‘s immer um eine Dramaturgie. Es soll ja Leute geben die das Shuffle Play verbannt haben und tatsächlich noch Platten von A nach Z durchhören, also ich gehöre dazu und dem entsprechend sind wir uns auch relativ einig, dass wir die Songs versuchen in eine saubere Dramaturgie zu packen. Da ist es halt klar, wenn du eine Vollballade und eine Halbballade hast, „Träume aus Eis“ in dem Fall, dass du die ein bisschen dramaturgisch geschickt ins Album packen musst. Daran liegt es, dass „Spur des Lebens“ etwas früher kommt. Mir persönlich ist der Song sehr wichtig, ich finde der Text ist ein sehr persönlicher Text, das kann man jetzt mögen oder nicht, es ist aber etwas, mit dem ich mich gerade sehr auseinander setze. Und ich finde als Musiker hat man die Möglichkeit, Dinge, die ein gerade beschäftigen, ebenfalls eben in Wort und Note unterzubringen. Ich findet es sehr schön, wenn das andere Musiker machen und dementsprechend mache ich das mit den Themen, die mich beschäftigen, auch.
Wie würdest du folgende Aussage kommentieren: „Ich höre Musik um mich abzulenken und nicht über Politik nach zu denken“ – was auch eine der Kritiken an eurem Album war.
Also tatsächlich ist es ja nicht nur so, dass wir seit dem Album jetzt plötzlich politische Texte machen oder politische Aussagen treffen. In Wahrheit ist es schon immer in der DNA der Band, selbst als wir noch Instrumentalsongs gemacht haben, haben wir in den Ansagen sehr klar Stellung bezogen. Natürlich vor sehr viel weniger Leuten und dem entsprechend auch mit sehr viel weniger Verbreitung. Ich würde zu der die Aussage, die du mir da gerade vorgelesen hast, ganz klar sagen ja, man kann das so machen, es ist aber nicht mein Weg und auch keiner den gut finde. Ich verstehe, dass jemand persönlichen Eskapismus betreiben will und sagt, die Welt ist dunkel, schlecht und schwarz, davon will ich aber jetzt nichts hören. Kann ich absolut verstehen – und auch dafür gibt es Lieder von uns, es ist ja nun mal nicht so, dass jeder Song irgendwie sagt, die Welt ist schlecht und ihr müsst gefälligst folgende politische Meinungen haben, das ist ja nun mal einfach gelogen. Das ist auch etwas, was ich deinem Rezensenten vorwerfe, wir haben zwei politische Songs von 13 Tracks auf der einen und wenn Du beide CDs zusammen nimmst 26 Tracks, dann vielleicht noch einen halben, wenn du den gesellschaftskritischen Text „Brot und Spiele“ mit dazu nimmt. Drei von 13 bzw. drei von 26, ist eine politische Platte? Ich glaube nicht.
Habt ihr so viel Kritik erwartet? Seid ihr von der Resonanz in den Musikmagazinen enttäuscht?
Tatsächlich ist das wieder eine Wahrnehmungsgeschichte, also tatsächlich haben wir nicht mehr oder weniger schlechte Kritik als bei dem „Zirkus Zeitgeist“ gehabt. Was passiert ist, dass tatsächlich einige Schreihälsen lauter schreien, das stimmt, aber es ist einfach nicht wahr, dass das überwiegende Feedback negativ ist. Ganz im Gegenteil, wir haben extrem viele gute Kritiken, gerade auch von Magazinen. Wir haben extrem viele gute Kritiken von Online-Magazinen. Ja, auch da gibt es einige, die das Album nicht gut finden und es auch gut begründen. Ja, so what, es ist Musik, es ist völlig in Ordnung. Ich glaube, was da passiert, ist tatsächlich, dass mittlerweile Meinungsbildung über soziale Medien stattfindet und soziale Medien haben einfach einen Algorithmus, der relativ klar laute Wut-Kommentare nach oben pusht. Das sieht man nicht nur bei Bands, dass sieht man eben auch bei Politik, bei Zeitschriften oder wo auch immer. Also immer bei jeder Feedbackschleife im Netz.
Damit sind wir mit den wichtigen Fragen auch schon am Ende. Das letzte Wort gehört euch.
Danke fürs Interview, danke fürs Kommen. Ich habe gerade kurz das Statement von Eerem Kollegen gelesen. Zumindest zu den ersten Punkten habe ich bereits Stellung genommen, schade das ich es nicht persönlich machen kann, aber vielleicht ergibt es sich ja mal irgendwann…
Galerie mit 22 Bildern: Saltatio Mortis - Summer Breeze Open Air 2018
Nachsatz:
Aktuell kann man sich die musikalische Entwicklung der Band wunderbar bei YouTube anschauen. Auf dem Kanal der Musiker sind momentan fast alle Alben inklusive „Brot und Spiele“ in voller Länge verfügbar.
https://www.youtube.com/channel/UCDGhwUyQMvcNqz15fmO6xlw
Galerie mit 22 Bildern: Saltatio Mortis - MPS Speyer 2018