Sabaton
Irgendwann mal in Wacken spielen
Interview
Das Schwedische Panzerbataillon SABATON ist mittlerweile kaum noch aus der europäischen Metalszene herauszudenken. Schließlich hat es schon einen Stammplatz als Headliner für das Wacken ergattert. Am 04. März 2022 veröffentlicht die Power-Metal-Formation ihr neues Album „The War To End All Wars“. Wir haben uns daher mit Sänger Joakim Brodén in einem Berliner Luxushotel getroffen und ihn ein wenig dazu ausgequetscht.
Wie stabil hat sich der SABATON-Panzer in der Corona-Krise gehalten?
Haha! Nun, größtenteils schlecht. In gewisser Weise hat jeder Künstler, genauso wie Theater, Sport und so weiter, unter den sich immer wieder ändernden Maßnahmen gelitten. Es ist einfach brutal, Zeitpläne zu vereinbaren. Wenn es eines gibt, das wir nun gelernt haben, dann, Politikern nicht zu trauen. Natürlich könnte man aus der Militärgeschichte lernen. Aber ja. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es für alle Bands schlecht. Aber die Tatsache, dass wir ein neues Album produzieren konnten, zeigt, dass es uns nicht so wirklich getroffen hat. Ob ich jetzt zuhause sitze und Musik schreibe oder nach Schweden zu Chris ins Lagerhaus fahre, wo wir unser Zeug lagern und da Songs verfasse. Vielleicht muss ich auf dem Weg zurück eine Grenzkontrolle passieren. Aber das ist nur der externe Teil. Genauso, wenn wir im Studio sind. Es ist nicht so, dass Hannes – wenn wir 2,5 Monate aufnehmen – die ganze Zeit da sein wird. Er spielt seine Schlagzeugparts. Und wenn er irgendwann neugierig ist, kommt er nochmal auf einen Besuch vorbei. Der gesamte Aufnahmeprozess des Albums war somit zu 99 Prozent der gleiche.
Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Bands hattet ihr die Ehre, mit den legendären JUDAS PRIEST in den USA auf Tour zu gehen. Zunächst einmal: Wie war es, einen Rekrutierungsanruf vom PRIEST-Management zu bekommen? Konntet ihr tatsächlich glauben, was passieren wird?
Nun, wir haben diese Tour schon vor einer ganzen Weile geplant. Ich kann schon gar nicht mehr sagen, wie lange das her war. Genau genommen haben wir das erste Mal 2011 zusammen hier in Berlin gespielt. Als direkter Support. Wir haben schon seit einer Weile darüber gesprochen, zusammen auf Tour zu gehen. Und es hätte total Sinn gemacht, in den USA auf Tour zu gehen. Anlass war ihr 50. Jubiläum, das schon vergangenes Jahr stattfinden sollte. Es tat richtig gut, wieder auf Tour zu gehen.
Wie hat euch das Publikum in den USA empfangen? Ist es die gleiche Energie wie hier in Europa oder speziell in Deutschland?
Es kommt auf den Ort an. Jedes Land hat seine eigene Kultur. In Lateinamerika dreht die Menge immer durch. In Skandinavien ist das ganz anders. Ich sage nicht, dass es dort schlecht ist. Aber sie drehen nicht so durch. Außer sie sind betrunken.
Genauso wie die Deutschen?
Hahaha, die Deutschen sind viel besser als die Skandinavier. Absolut. Aber bei den Amerikanern finden viele Konzerte in eigentlichen Sportstätten statt. Und in den meisten Fällen sind die bestuhlt. Normalerweise stehen die Leute auf und gehen ab. Daher hatten wir die Herausforderung, die Leute von den Stühlen zu holen. Und zum Ende der kurzen drei Wochen wurden wir immer besser darin.
Habt ihr die „Noch ein Bier“-Gesänge vermisst?
Nicht so wirklich. Aber die Amerikaner haben sie gelernt. Sie sind eigentlich nicht so gut mit Fremdsprachen. Aber sie haben die Wacken-Auftritte gesehen.
Würdest du sagen, dass sich die Stimmung oder die Energie des Publikums nach dem Lockdown verändert hat? Hattest du den Eindruck, dass die Leute mehr Appetit auf Live-Musik hatten?
Das kann ich jetzt nur aus der anhand des EXIT Festivals in Serbien, dem Festival in Moravský Krumlov, Tschechien [gemeint ist das Rock Castle Festival] und den elf Shows in den USA beurteilen. Es ist jetzt nicht wie Tag und Nacht, also kein riesiger Unterschied. Es könnte jetzt nur mein Verstand oder zu wenig Probematerial sein. Aber ich meine gesehen zu haben, dass die Menschen ein wenig glücklicher und ausgelassener sind. Nach dem Motto: Yeah, fuck, wir können wieder auf Festivals! Es wirkte so, als wäre alles etwas entspannter.
Im August werden SABATON ihr eigenes Festival – das Sabaton Open Air – in Falun veranstalten. Kannst du uns mehr darüber erzählen, was das Publikum davon erwarten kann?
Dieses Mal wird es schon etwas besonderes. Ich meine, das erste ist jetzt schon ein paar Jahre her. Seit 2020/21 gab es das nicht mehr. Es wird also das erste in drei Jahren sein. Wir hatten eine Menge Bands, die schon für die vorherigen Jahre gebucht wurden. Es wird wirklich etwas Besonderes. Ich glaube, wir haben etwas mehr Musik als wir normalerweise hätten. Der Trick ist, 2020 hatten wir ein festes Line-up und natürlich wollten wir für das nächste Jahr das gleiche präsentieren. Aber nicht alle konnten es schaffen. Also mussten wir es etwas umstellen. Und jetzt für 2022.
Musstet ihr es wieder ändern?
Genau! Aber jetzt stabilisiert es sich etwas. Wir wissen, dass es stattfinden wird. Wir sind uns da ziemlich sicher. Und jetzt gibt es etwas mehr Bands. Denn einige Bands, die es 2021 nicht schaffen konnten, schaffen es 2022.
Am Ende seid ihr noch das größte Festival, wenn in Europa keine anderen stattfinden können.
Ah, mach dir darum keine Sorgen! Es wird andere Festivals geben.
Wird es einen besonderen Auftritt von Sabaton geben?
Wir haben noch nicht wirklich entschieden, was wir dieses mal machen. Irgendetwas, das wir schon in der Vergangenheit gemacht haben. 2013 spielten wir zum Beispiel das ganze Album „The Art of War“, was wir bis dahin noch nie gemacht haben. Wir haben das ganze „Carolus Rex“ auf schwedisch gespielt, was wir bis dahin auch noch nie getan haben. Wir hatten Udo Dirkschneider und Chris Boltendahl von GRAVE DIGGER, die uns 2011 oder 2012 unterstützt haben. Wir machen normalerweise etwas besonderes, aber das kann kein Muss sein. Wo sollen wir dann noch hin? Nachdem wir jedes Album gespielt haben…es müsste dann immer größer und größer sein. Ab einem bestimmten Punkt können wir nicht gezwungen werden, etwas zu tun, nur weil wir etwas machen müssen. Aber diese Dinge passieren meistens auf unseren Festivals oder der Cruise.
Und werden Fans aus aller Welt dieses Festival per Streaming verfolgen können?
Nein, ich glaube, wir werden es nicht streamen. Auf keinen Fall.
Außerdem werdet ihr nächstes Jahr auf eine große Europatournee gehen. Wie sehr freut ihr euch darauf?
Wirklich sehr! Wenn es eines gibt, was wir wollen, dann wieder zurück auf die Straße zu gehen. Es war so frustrierend. Als wir in den USA mit JUDAS PRIEST angefangen haben, konnten wir wegen Covid und begrenzten Zeitfenstern für Visa zwar mit der ganzen Band, aber nicht mit allen Crew-Mitgliedern kommen. Die restlichen Crew-Mitglieder kamen dann nach und nach. Doch als wir wir wieder vollkommen waren und wir richtig gute Shows dort spielen konnten, kam der Shutdown. Es hat eine Zeit gebraucht, bis wir wieder in die richtige Stimmung kamen. Und ich will das wieder haben.
Was glaubst du, wie die Fans nach so einer langen Zeit drauf sein werden?
Jaja, hier gab es eine wesentlich größere Pause. Abhängig von dem Land natürlich. In einigen Ländern konnten ja noch Konzerte stattfinden. Das ist der schwierige Part: Viele Länder mit unterschiedlichen Regeln, die sich täglich ändern können. Die USA haben zum Beispiel viele verschiedene Staaten, aber es gibt eine zentrale Regierung, mit der wir uns rumschlagen müssen. Das hat es also etwas einfacher gemacht. Jetzt im frühen Januar spielen wir 29 Shows in Schweden. Das ist ebenfalls einfacher. Denn alles, was wir tun müssen, ist auf eine Regierung zu achten. Auf der Europa-Tour…Huh, das sind viele Regierungen und PolitikerInnen auf die wir uns verlassen müssen. (lacht) Aber ich mache mir da eigentlich gar keine Sorgen.
Alleine in Deutschland gibt es ja schon zwischen den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen.
Genau! Ich habe das gestern mitbekommen, dass es in Bayern ziemlich streng ist. Aber wer bin ich zu sagen, was richtig und was falsch ist? Fakt ist, dass es hart ist, aktuell eine Tour zu planen. Ich meine, wir haben es davor geschafft. In einigen Orten bist du komplett frei, in anderen muss sich das Publikum testen lassen oder Impfpässe vorzeigen.
Diese Tour wird euch auch in die größten Arenen bringen. Kannst du eigentlich glauben, wie weit Sabaton in den letzten Jahren gekommen sind?
(lacht) Nein! (lacht) Ich erinnere mich noch, wie wir Bier trinkend „Painkiller“ von JUDAS PRIEST oder HELLOWEENs „Keeper Of The Seven Keys“ als Teenager gehört haben. Unser Traum war es damals noch, vielleicht irgendwann einmal bei Wacken zu spielen. Aber nicht, es zu Headlinen. Aber auf der anderen Seite ist es nichts, was mich täglich beschäftigt. Schon vor einer Weile haben wir realisiert, dass wir uns keine gewissen Ziele setzen können, zum Beispiel Wacken zu Headlinen. Es gibt dann zwei Optionen: Entweder schaffen wir es nicht. Das wäre schade für uns. Oder wir machen es, aber dann was? Das war das Ziel, das wir uns gesteckt haben. Oder Erfolg. Wir wollen in die größten Arenen. Was dann? Wenn du es nicht schaffst, ist es Versagen. Wenn du es schaffst, was machst du als nächstes? Das gleiche gilt für alles: Berühmtheit, Geld – irgendwo muss da ein Ende sein. Denn du musst dir irgendwann eine Grenze setzen. Wir fokussieren uns lieber darauf, das nächste Album besser zu machen als das vorherige. Dass die nächste Show unsere Beste überhaupt wird. Wir sind vielleicht nicht in der Lage, das immer zu schaffen, aber es ist immer möglich. Und es bedarf nicht unendlich viel Zeit. Du kannst es nicht jedem gerecht machen. Manchmal mag einer den einen Song oder die eine Show nicht. Vielleicht war jemand auch krank und wir konnten an dem einen Tag nicht die Beste Show spielen. Aber dann versuchen wir es an dem anderen Tag. Wenn wir daran arbeiten, ist alles, die großen Arenen, das Geld, der Ruhm, die Verkaufszahlen, eine Konsequenz von unserem Anspruch, ständig besser zu werden. Deswegen dachten wir, lass uns das versuchen. Bisher hat es gut funktioniert.
Wenn ihr mit SABATON die Bühne betretet, sehen wir euch immer voller Energie und Selbstbewusstsein. Aber gibt es immer noch Momente, in denen ihr nervös werdet, bevor ihr die Bühne betretet?
Eigentlich sehr häufig. Mehr als manche glauben mögen. Nicht jedes Mal. Aber ich habe immer so ein kitzliges Gefühl, bevor ich die Bühne betrete. Aber normalerweise ist es nicht mehr da, wenn ich sie betreten habe. Wenn ich da draußen bin, ist es ziemlich einfach und ich bin nicht nervös. Fast jedes Mal. Nicht jedes Mal, aber fast. Aber manchmal werde ich richtig nervös. Zum Beispiel bei der Wacken-Show. Denn es gab so viel, an das ich mich erinnern musste: Bei dem Song musste ich so und so lange Reden, damit das Ding im Hintergrund passieren kann. Jemand muss ein Kabel verbinden, damit etwas passiert. Oder wir starten die andere Bühne. All diese Dinge, die da abgingen. Und ich war die ganze Wacken-Show über total nervös, bis wir Tina [Guo] für die letzten Songs rausbrachten. Dann war alles erledigt. All die kleinen Überraschungen. Dann konnte ich es genießen und entspannen.
Je größer das Konzert, umso größer der Druck?
Nein, nicht wirklich. Ich bin immer nervös, wenn ich für eine Weile nicht gespielt habe. Wirklich, wirklich nervös. Aber wenn wir eine große Festival-Show in der Mitte Europas spielen, sagen wir Deutschland, Tschechien und so weiter, geht es immer darum, an wie viel ich mich in meinem Kopf erinnern muss. Aber wenn es Songs sind, die ich kenne, die wir kurz zuvor noch einmal geübt haben, ist es mir auf der Bühne egal, ob es eine große Produktion ist oder wir vor 20 Leuten spielen. Ich kann mich sowohl wohl fühlen und nervös sein. Es hat also nichts mit der Größe des Publikums, der Show oder der Produktion zu tun. Denn bei der Produktion – vor allem, wenn wir sie schon ein paar mal gemacht haben – vertraue ich auf die Crew. Ich bin es, dem ich nicht traue. (lacht) Es geht also eher darum, an wie viel ich mich erinnern kann. (lacht)
Die Tour ist auch eine Feier zu eurem neuen Album „The War to End All Wars“. Auf euren vorherigen Alben habt ihr meist einzelne Geschichten von verschiedenen Kriegen oder Schlachtfeldern erzählt. Dieses Mal haben Sabaton ein ganzes Konzeptalbum über den Ersten Weltkrieg gemacht. Wie seid ihr auf die Idee zu diesem Konzept gekommen?
Oh, das ist wahrscheinlich eine natürliche Entwicklung. Das vorherige Album „The Great War“ handelte ebenfalls schon vom Ersten Weltkrieg. Wir hatten das Gefühl, dass es noch so viele Geschichten gab, die wir nicht erzählt haben. Zum Beispiel „The Christmas Truce“, die Single, die wir kürzlich veröffentlicht haben. Der Song „Hellfighters“ ist über die Harlem Hellfighters. Wir wollten die Geschichte schon auf dem vorherigen Album erzählen. Aber wir hatten nicht die richtigen Songs. Wir können nicht sagen: Hier ist die Musik, hier der Text – Los! Wir wollten, dass es richtig ist. Und wenn wir es nicht richtig machen können, lassen wir es lieber. Also haben wir uns entschieden, sie nicht zu machen. Aber das hat sich falsch angefühlt. Und als wir auf Tour gingen und angekündigt haben, dass das Album vom Ersten Weltkrieg handeln wird, haben wir so viel Zuspruch von unseren Fans erhalten. Manche haben uns E-mails geschrieben mit: „Habt ihr schon davon gehört?“ Dadurch haben wir viele neue Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt. Und dann mussten wir die Tour für das Album wegen der Pandemie im März 2020 absagen. Und dann dachten wir, wenn wir ein anderes Album zu einem ganz anderen Thema machen, zum Beispiel den napoleonischen Kriegen, dann hätten wir auch die Bühne dementsprechend aufbauen müssen. Doch in diesem Setting würden Songs aus dem Ersten Weltkrieg fehl am Platz sein. Wie können wir…Es gibt viele Menschen auf der Welt, die keine Chance hatten, die „Great War“-Songs live zu sehen. Anstatt diese also auszulassen und Leute zu enttäuschen, machen wir ein anderes Album zu dem Thema, sodass wir all die Geschichten, die wir sowieso erzählen wollten mit den durch unsere Fans entdeckten kombinieren und einen Erste-Weltkrieg-Teil in die Show einbinden können, wo dann beide Alben repräsentiert sind.
Habt ihr auch Zeitzeugenberichte gelesen, um den Schreibprozess zu unterstützen? Bücher wie „Im Westen nichts Neues“ oder so? Oder haben Sie sich allein auf die historischen Fakten konzentriert?
Das Buch habe ich tatsächlich in der Schule gelesen. Mit 12 oder so. Es ist eines der ersten Bücher, dass wir in schwedischen Schulen lesen. Zumindest war das früher so. Aber nein, nicht wirklich. In diesem Fall haben wir uns darauf fokussiert, die Geschichten des vorherigen Albums und die neuen von den Fans fertigzustellen. Natürlich bedeutet das manchmal, dass man Bücher lesen muss oder Webseiten aus anderen Sprachen zu übersetzen. Der Google-Übersetzer hilft da nur bedingt. Aber es war ein witziger Prozess. Es ist immer spaßig, neue Aspekte der Geschichte zu entdecken.
Der Erste Weltkrieg ist der eine große Krieg, der nicht nur die Welt an sich, sondern auch die Kriegsführung im Allgemeinen verändert hat. Es war der brutalste Krieg, den es bis dahin gab. Viele junge Soldaten wurden durch die falsche Ehre der Eliten auf das Schlachtfeld gelockt. Wie hat dieses Thema die Songs auf „The War to End All Wars“ beeinflusst?
Nun, es gibt immer eine gewisse Dunkelheit. Ich weiß nicht warum, aber der Erste Weltkrieg scheint immer einer der düsteren Konflikte in der Geschichte gewesen zu sein. Ich meine, wir singen über Krieg, es ist immer düster. Aber aus irgendwelchen Gründen scheint dieser Konflikt stärker zu sein, als all die anderen. Vielleicht – und das ist eine gute Beobachtung – weil er die Kriegsführung verändert hat. Denn am Anfang wurden noch vereinzelt Pferde benutzt, wie noch in den napoleonischen Kriegen. Doch innerhalb dieser vier kurzen Jahre springen wir von da zu massiver Artillerie, industrialisierte Tötungsmaschinen. Panzer, U-Boote, Flugzeuge – nichts von dem hat vorher auf dem Schlachtfeld existiert.
Und chemische Kampfstoffe.
Chemische Kampfstoffe! Genau! Zum Ende des Konflikts können wir die Hinweise oder Geburtsstunde von dem sehen, was ein erster Geschmack für moderne Kriegsführung ist. Eine Menge der damaligen Technologie wird noch heute eingesetzt. Es ist ein neuer Panzer, aber es ist ein Panzer auf dem Schlachtfeld. Das meiste, mit dem sie damals angefangen haben, sieht man heutzutage nicht mehr. Aus diesem Blickwinkel ist es ein sehr interessanter Konflikt. Die Menga an technischem Fortschritt ist erstaunlich. Aber was die Leute ebenso berücksichtigen müssen, ist der medizinische Fortschritt in dieser Zeit. Ich meine die moderne plastische Chirurgie von Soldaten, deren Gesichter weggesprengt worden sind. Wir sprangen quasi vom verdammten Mittelalter, wo wir nichts über Bakterien oder sauberen Krankenhauslaken wussten, zum Begreifen all dieser Dinge. Also im medizinischen Bereich – und ich will damit jetzt nicht Krieg rechtfertigen – ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass nicht nur unsere Tötungsmaschinen größer wurden. Auch unsere Fähigkeiten des Heilens wuchsen ebenso stark an.
Genauso die Psychologie.
Ja! PTBS [posttraumatische Belastungsstörung] kannte zu dem Zeitpunkt noch niemand. Man wusste nicht, warum die Leute sich so verändert haben, als sie nach Hause kamen.
Das Album beginnt mit dem Song „Sarajevo“ und endet mit „Versailles“. Beide Songs stehen für den Beginn und das Ende des Ersten Weltkriegs. Folgt das Album der Geschichte eines Soldaten von Anfang bis Ende oder wird es sich mit einzelnen Geschichten beschäftigen?
Wir haben versucht, es chronologisch anzugehen. Aber das wäre ein wirklich sehr komisches Hörerlebnis. Zum Beispiel wenn wir das Album mit einem schnellen Track starten wollen, dann brauchst du etwas langsameres, bevor man wieder aufdreht. Wenn wir es chronologisch gemacht hätten – und wir haben es versucht – wäre es kein angenehmes Erlebnis für die HörerInnen gewesen. Aber wir haben „Sarajevo“ und „Versailles“ als eine Art Rahmen benutzt. So als wenn du einen Film schaust und er fängt an, aber da ist kein Dialog, sondern ein Erzähler. Und am Ende hast du dann das Gleiche. Das ist in etwa das, was wir hier getan haben.
Inwieweit wurden die Songs durch die Erstellung eines echten Konzeptalbums beeinflusst? War der Schreibprozess anders als bei den vorherigen Alben?
Nun, wir haben sowas ähnliches schon zuvor gemacht. Das geschlossenste und kompakteste Konzept, das wir entworfen haben, war das über das schwedische Reich – „Carolus Rex“. Da war auch alles chronologisch und das zu machen, war brutal. Und ich sage nicht, dass wir das nie wieder machen. Aber ich mag eher die lockeren Konzepte oder Themen auf einem Album. Denn das bringt alles irgendwie zusammen. Das ist wirklich angenehm. Aber das Konzept zu weit auszuführen und zu streng damit zu sein, das nimmt etwas von dem Spaß, Musik zu erschaffen. Und wenn es den Spaß raus nimmt, warum zum Teufel machen wir es dann?
Ihr habt bereits die erste Single „Christmas Truce“ mit zwei verschiedenen Videos veröffentlicht. Eines mit Live-Action und eines mit Animationen. Was war die Idee, zwei verschiedene Versionen zu machen?
Nun, in der zweiten Version – der animierten – gibt es mehr Kontext. Du hast eine Geschichte mit einem Davor und Danach. In diesem Fall sind die meisten wahrscheinlich schon mit dem Konzept und der Idee über den Weihnachtsfrieden vertraut. Aber es gibt da noch Dinge, die die meisten Leute noch nicht kennen. Dadurch eignet sie sich perfekt als Werkzeug zum Geschichten erzählen. Das betrifft jeden Sabaton Song mit einem animierten Video. Bei einigen dieser Songs haben die Leute keine Ahnung davon, worum es geht, solange sie sich nicht mit Geschichte beschäftigen. Daher hilft es total, dieses durch Visualisierung und Narration zu erzählen. Mit dem anderen Video wollten wir einen Film machen. Denn das Team hinter dem Animationsvideo hat noch nie ein Musikvideo gemacht. Doch hier haben wir ein richtiges Filmteam engagiert.
Der Song zeigt SABATON auch aus einer anderen Perspektive. Ein Song, in dem es darum geht, dass Soldaten an verschiedenen Fronten in friedlicher Harmonie Weihnachten feiern. Würdest du sagen, dass dieser Song auch eine Botschaft an unsere moderne Welt und die Zeiten, in denen wir leben, ist?
Nicht wirklich. Ich meine, es ist eine fantastische Geschichte, von der jeder lernen kann. Es ist gut, dass du das fragst. Unsere Aufgabe ist es nicht, Antworten zu liefern. Wir wollen Menschen nicht sagen: So sollte es sein, wählt dafür, iss das, bete zu diesem Gott und so weiter. Es gibt schon genug Menschen, die das machen. Wir werden die Typen sein, die nicht in diesem Spektrum agieren. Wenn wir jedoch Leute dazu bringen, Sachen zu hinterfragen, warum Dinge so sind, wie sie sind, dann ist das eine gute Sache. Denn über etwas nachzudenken, Fragen zu stellen und kritisch zu denken – das ist eine gute Eigenschaft.
Vielleicht auch ein Song, der sich an alle SABATON-Hasser richtet? Denn schließlich sind wir ja eine große Szene von Musikliebhabern?
Nein. Genaugenommen…SABATON-Hasser…mich interessieren die nicht. Sie sind gut. Je mehr die hassen, umso besser. Also her damit!
Es macht euch stärker?
Jajaja. Schau, mich interessiert das wirklich nicht. Es ist gut, dass Leute eine Meinung über uns haben und ich unterstütze die Meinungsfreiheit. Was mich aber beschäftigt, ist, wenn sich die Leute nicht für SABATON interessieren. Das ist sogar viel schlimmer.
Siehst du dieses Album als eine Art Wendepunkt in der Geschichte von SABATON?
Das weiß ich nicht. Das liegt an den Fans. Es liegt an ihnen, ob die Musik gut oder schlecht ist. Denn jeder mag andere Sachen. Aus Sicht der Produktion, was mehr objektiv ist, glaube ich, dass es das absolut am besten klingende Album, das wir je gemacht haben. Ich bin wirklich glücklich mit den Songs. Ich bin wirklich stolz auf sie. Ob sie anderen Leuten gefallen, kann ich nicht garantieren. Aber ich hoffe! (lacht) Aber nein. wir sind eine sich weiterentwickelnde Band. Wir schreiten immer voran, aber nicht zu schnell. Wenn man immer zwei aufeinanderfolgende Alben anhört, gibt es immer Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Aber wenn man sich unser erstes Album anhört und direkt danach „The War to End All Wars“ – das ist wirklich ein Unterschied. Evolutionär betrachtet, hoffentlich in die richtige Richtung. Lass es die Fans entscheiden, ob es die richtige oder falsche Entscheidung war.
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Eine Band, die Kriegsthematik mit Schlager-Metal verbindet, können wir ja jetzt echt gut gebrauchen. Nun, ich vermute mal, das Interview liegt schon etwas länger in der Schublade und wurde nicht innerhalb der letzten paar Tage geführt. Anderenfalls wäre das der reinste Hohn.
Ach, Metal-Themen (neben anderen) sind doch generell Bullshit. Merkt man halt in bestimmten Situationen mehr. Krieg, Tod, Gewalt usw… alles in echt nicht so geil, besonders, wenn man selbst betroffen ist. Zynismus und Eskapismus funktioniert halt nicht so wirklich, wenn man in echt vor etwas fliehen muss/will..