Running Wild
RUNNING WILD war der Michael Jackson des deutschen Heavy Metals
Interview
Rolf Kasparek, der sich dank BLACK SABBATH mit elf Jahren eine Gitarre wünscht und sich mit dem Verkauf seiner Modelleisenbahn seine erste Gitarre finanziert, gründete 1976 mit Schulfreunden seine erste Band mit dem Namen GRANITE HEARTS, die Ende 1979 in RUNNING WILD umbenannt wurde und heuer, dreißig Jahre später, auf dem Wacken Open Air offiziell die letzte Show absolvierte. Wie der Zufall es wollte, trafen wir in Hamburg einen alten Schulfreund von Rolf, Michael Hofmann, den ehemaligen Schlagzeuger von GRANITE HEARTS. Metal.de ließ es sich nicht nehmen und durchleuchtete die Vorgeschichte einer der wichtigsten Heavy-Metal-Bands Deutschlands.
Hey Michael, du hast damals in Rolfs erster Band als Schlagzeuger gespielt. Lass uns aber gleich zu Beginn mal eine Sache ein für alle Mal richtig stellen: GRANITE HEART hießen gar nicht GRANITE HEART, sondern GRANITE HEARTS, richtig? Kannst du dich noch daran erinnern, wie ihr auf diesen Namen gekommen seid?
Also… Es ist schon eine ganze Weile her, ich glaube aber, dass der Name von Rolf stammt. Ganz sicher bin ich mir allerdings, dass die Band tatsächlich GRANITE HEARTS hieß.
Ihr habt die Band 1976 während eurer Schulzeit ins Leben gerufen und die bestand aus Rolf Kasparek, Uwe Bendig, Jörg Schwarz und natürlich dir selbst. Bis auf Uwe Bendig und Rolf also aus niemandem, der später auch an RUNNING WILD beteiligt war. Wie habt ihr damals eigentlich zueinander gefunden und welche Art von Musik habt ihr gespielt?
Wir haben gemeinsam die selbe Schule besucht und ich war mit Rolf in einem Gitarren-Wahlpflichtkurs. (lacht) Ich weiß eigentlich gar nicht, was er da wollte! Jedenfalls haben wir uns fast jeden Abend bei Rolf getroffen und uns AC/DC und KISS reingezogen, und haben dann irgendwann beschlossen eine Band zu gründen. Ich glaube, dass hat fast jeder Jugendliche zu dieser Zeit gemacht und wenn’s nur auf dem Papier war. Aber bei Rolf war das anders, fast schon fanatisch. Er wollte ganz groß rauskommen, aber nur mit der Musik, die ihm gefiel. Ich fragte ihn damals, ob wir Musik machen wollen die zu der Zeit populär war, Punk, aber Rolf sagte, das ihm der kommerzielle Teil scheißegal ist: „Ich will die Musik machen, die mir gefällt, und wenn sie anderen auch gefällt, umso besser.“ Wir haben also harten Rock gespielt, so wie unsere Vorbilder. (überlegt) Ich weiß gar nicht mehr, wer dann wann dazugekommen ist…aber plötzlich waren wir zu viert.
Gibt es eigentlich noch Aufnahmen aus dieser Zeit, oder habt ihr ausschließlich zum Spaß gespielt und nie ein Demo oder irgendwelche Songs aufgenommen?
Aufnahmen gibt es leider keine. Wir haben nur so zum Spaß gespielt, wobei Rolf natürlich so schnell wir möglich seinen ersten Gig haben wollte. Ha Ha.
Es ist allgemein leider sehr wenig über GRANITE HEARTS bekannt. Wieviel Songs hattet ihr im Repertoire und kannst du dich noch an ein paar Songtitel erinnern?
Ich kann wirklich nicht mehr sagen wie viele Songs es waren, aber es waren nicht sehr viele. Ich glaube so vier oder fünf Songs. Leider kann ich mich auch nur noch an einen Titel erinnern, und der hieß „Little Boy“. Dabei ging es um den Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima.
Das könnte durchaus die Grundidee zum späteren „War Child“ gewesen sein, den Rolf mit RUNNING WILD auf einem Demo aufgenommen hat! Aber zurück zu GRANITE HEARTS… Mindestens ein Live-Auftritt von euch ist dokumentiert. Ich glaube der fand in der Emilie-Wüstenfeld-Schule statt?. Welche Erinnerung hast du speziell von diesem Auftritt?
Ich muss dich korrigieren, das war in der Veermoor Schule, und ich weiß noch, dass allein die Vorbereitungsphase zu diesem Auftritt sehr aufwendig war. Rolf wollte nicht nur vor einem Verstärker stehen, sondern es musste eine ganze Wand sein! Also zogen wir los, um uns entsprechendes Equipment zu leihen. Wie viele Marschall-Türme letztendlich am Ende auf der Bühne standen, weiß ich nicht mehr… Aber dann war er da, der erste Live-Auftritt. Rolf spielte sich in einen völligen Rausch, und bemerkte dabei gar nicht, dass die Gitarre von Uwe total verstimmt war. Ja, er rockte die Pausenhalle und von dem Tag an war mir klar, dass Rolf endgültig der Musik verfallen war. Außer eines kleinen Artikels im Wochenblatt, in dem die Band auch noch falsch benannt wurde, nämlich „Michael Hofmann Band“, was Rolf zu recht ziemlich in Rage brachte, hatte man nichts mehr von uns gehört. Wir trafen uns dann noch einmal nach einer gewissen Zeit bei einer Flasche Wodka und schmiedeten Pläne für die Zukunft. Geprobt wurde auch nicht mehr. Ich glaube der Proberaum in einer benachbarten Schule stand nicht mehr zur Verfügung. Und wurde es auch immer seltener, dass wir uns trafen. Eines Tages stand Rolf dann vor mir und sagte, dass GRANITE HEARTS aufgelöst ist. Es hat mich zu dieser Zeit zugegebenermaßen dann auch nicht wirklich getroffen, da jeder schon anfing seine eigenen Wege zu gehen.
Ihr habt euch also alle schlichtweg aus den Augen verloren?
Ja, so war es, wir haben uns einfach aus den Augen verloren. Als ich Rolf zufällig etwas später noch einmal traf, sagte er mir noch, daß er eine neue Band gegründet hätte, aber das war’s dann auch.
Trotzdem, was ist das für ein Gefühl, zumindest als Teil der Vorgeschichte von RUNNING WILD erwähnt zu werden?
Ich weiß noch, als ich eines Abends auf die Idee kam, mal nach alten Schulfreunden zu googlen. Das muss so vor vier oder fünf Jahren gewesen sein. Jedenfalls gab ich irgendwann dann auch den Namen „Rolf Kasparek“ ein, und ich glaube in diesem Moment sind mir sämtliche Gesichtszüge entglitten: Tausende von Treffern! „Wow!“, hab‘ ich gedacht, „Rolf hat sein Ding durchgezogen, und wie es scheint, hat es sich gelohnt!“ Und als ich dann noch meinen Namen in der Band-History gelesen habe, das muss ich zugeben, war ich schon ziemlich stolz darauf, zumindest ein kleiner Teil seiner Erfolgsgeschichte zu sein.
RUNNING WILD sind kurz nach ihrem Debütalbum „Gates To Purgatory“ in 1984 eingeschlagen wie eine Bombe. Hast du damals je daran geglaubt, dass Rolf mit RUNNING WILD so erfolgreich sein könnte, wie er es war und auch heute noch ist?
Ich habe nie an Rolf gezweifelt. Mir war auch klar, dass er seine Erfüllung nur in der Musik finden würde, aber dass er so erfolgreich werden würde… Nein. Ich bewundere diesen unbedingten Willen, eine Sache bis zum Ende durchzuziehen.
Bereust du bei RUNNING WILD niemals dabei gewesen zu sein?
Natürlich, zurückblickend wäre ich gerne Teilhaber dieser großartigen Erfolgsgeschichte.
Hast du denn die Karriere von Rolf und RUNNING WILD danach verfolgt, oder kennst du das ein oder andere Album? Wenn ja, welche Alben von RUNNING WILD gefallen dir am besten und warum?
Naja, wie schon gesagt, ich habe von Rolfs Karriere erst sehr spät erfahren, zumal ich diese Musikrichtung nach dem Aus von GRANITE HEARTS auch nicht mehr weiter verfolgt habe. Heavy Metal war die Musik meiner Jugend. Deshalb kenne ich auch nur das, was man so im Internet auf MySpace oder YouTube finden kann.
Hast du denn wenigstens die Abschiedsshow in Wacken gesehen?
Leider auch nicht… Nein. Ich wäre gerne zumindest bei dem letzten Konzert dabei gewesen, aber zu der Zeit war ich im Ausland unterwegs.
Spielst du eigentlich selbst noch in einer Band?
Nein, nach dem Aus von GRANITE HEARTS bin ich zwar noch ein paar Jahre mit einer Tanzcombo durch die Lande gezogen – ich weiß, ziemlich abgefahren, dieser Sprung –, und habe auch noch eine ganz kurze Zeit in einer Deutsch-Rock-Band gespielt, doch dann begann die Familiengründung und dafür gab’ es dann keine Zeit mehr für mich.
Was hörst du denn heute so bevorzugt?
Ich habe keine bestimmte Musikrichtung. Musik ist seltsamerweise ein sehr unbedeutender Teil in meinem Leben geworden. Trotzdem denke ich sehr häufig an die alten Musikerzeiten zurück.
Der rote Faden, der sich durch Rolfs Leben zieht, war und ist die Musik. Sie war und ist für ihn persönlich wohl eine Art Freiheit auszuleben und darzustellen. Denkst du, dass Jugendliche heutzutage auch die Chance haben, sich noch über die Musik zu befreien?
Auf jeden Fall! Die Chance ist da, und jeder, der den Wunsch verspürt über die Musik seine persönliche Freiheit zu realisieren sollte nicht zögern, sondern so wie Rolf sein Ziel immer im Auge behalten und sich durch nichts und niemanden aufhalten lassen. Die Musik ist wohl die schönste Art seine persönliche Freiheit zu leben.
Meinst du, dass es heutzutage trotz einem Überangebot an Bands und schnelllebigen Trends trotzdem noch einmal eine deutsche oder auch internationale Gruppe schafft, einen solchen Kultstatus wie RUNNING WILD ihn erreicht haben, zu erreichen?
Nein, ich glaube dieser Erfolg wird nicht wiederholbar sein. Ich glaube RUNNING WILD war der Michael Jackson des deutschen Heavy Metals. (lacht)
(lacht) OK, hast du zum Schluss noch ein paar Wünsche an Rolf, die du an dieser Stelle einmal loswerden möchtest?
Ja. Ich wünsche Rolf, dass er auch weiterhin sein Leben der Musik widmet, denn ich glaube, dass Rolf ganz ohne dieser Droge gar nicht leben kann. Ich ziehe meinen Hut vor diesem unbedingten Willen einen Lebenstraum auch wirklich zu leben und wünsche ihm für seine zukünftigen Projekte alles Gute!
Ich danke dir ganz herzlich für das Interview.