Running Wild
Rock´N´Rolf spricht über die letzten zweieinhalb Jahre

Interview

Unlängst ist mit “Blood On Blood” das neue RUNNING-WILD-Album erschienen. Die Platte hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst, was sowohl an der Produktion an sich und das mittlerweile als geradlinig zu bezeichnende Songwriting des Bandvorstandes Rolf “Rock´N´Rolf” Kasparek liegen mag. Wir sprachen mit dem Sänger und Songwriter über die letzten zweieinhalb Jahre, in denen dem Hamburger weit mehr als nur eine weltweite Pandemie Sorgen gebracht hat.

Hallo Rolf, wie geht´s Dir denn?

Ja, mir geht´s gut, alles klar.

Erstmal Glückwunsch zum 17. RUNNING-WILD-Studioalbum. Das ist ja eine gewaltige Zahl…

Jawohl, durchaus…

Nimmt man so eine Veröffentlichung nach all den Jahren eher routiniert und gelassen zur Kenntnis oder warst Du doch ein bisschen aufgeregt?

Das ist schon noch jedes Mal etwas Besonderes. Man macht ja nicht jedes Jahr ein neues Album (lacht). Gerade bei diesem Album, war alles von Anfang an irgendwie anders. Schon als ich mit den Songwriting begonnen habe, wusste ich, dass es etwas ganz Besonderes werden würde.

Kannst Du darauf etwas genauer eingehen?

Es war ein Gefühl, als wäre es ein Debüt-Album. Wie damals bei “Gates To Purgatory”, ich kann´s gar nicht richtig erklären. Es war einfach so ein Gefühl. Es hat sehr lange gedauert, bis ich alles Songs für “Blood On Blood” zusammen hatte. Zwischendurch sind immer wieder welche dazugekommen oder runtergewandert. Deswegen gab es auch zwei Bonus-Tracks, die dann auf der “Crossing The Blades”-Single gelandet sind. Irgendwann war es dann klar, dass ich die zehn Songs für´s Album hatte, die aber alle komplett verschieden sind und doch irgendwie zusammenpassen.

Es liegen auch immerhin fünf Jahre zwischen “Rapid Foray” und “Blood On Blood”…

Jaaa, aber da waren leider ein paar Sachen dazwischen… Aber erstmal war es natürlich so, dass ich einige Schnipselchen schon geschrieben hatte, als ich die “Rapid Foray” gemischte habe. Da ging es schon los, dass ich die ersten neuen Ideen hatte. 2019 kam dann die Single, mit der wir klargestellt hatten, dass wir noch eine ganze Weile brauchen würden, bis das Album auch wirklich fertig ist. Dann kam die Plattenfirma mit der Idee zu dieser Soundtrack-EP, die wir dann gemacht haben. Ich bekam dann so eine Grippe, die aber nicht wirklich ausgebrochen ist. Das ging so acht, neun Tage mit irren Kopf- und Gliederschmerzen und so weiter. Die typischen Grippesymptome waren schon irgendwie da, aber halt nicht so richtig. Das eigentliche Problem war dann aber, dass ich deshalb für zwei, drei Monate ein tierisches Problem mit Asthma und Allergieschüben mit roter Haut und Herzrasen bekommen habe. Bis ich wieder richtig arbeiten konnte, hat es bis in den Januar gedauert. Später habe ich dann realisiert, dass es vielleicht Corona gewesen sein könnte. Aber das ließ sich im Nachhinein natürlich nicht mehr feststellen. Das ist aber gar nicht der springende Punkt. Das Entscheidende ist nur, dass es mich einfach drei Monate aus der Arbeit rausgehauen hat.

Als ich dann wieder arbeiten konnte, waren wir im Lockdown. Glücklicher Weise hatten wir die Drums aber schon davor aufgenommen, ansonsten hätten wir damit ein echtes Problem bekommen. Und so konnte es im Studio wenigstens weitergehen.

Normaler Weise hätten wir uns dann auch langsam auf die Festivals vorbereitet, die aber alle verschoben worden sind. Im Juli habe ich mir dann einen Leistenbruch zugezogen. Rechts und links dazu noch einen angehenden. Das musste operiert werden. Bis es so weit war, musste ich aber zwei Monate damit rumlaufen. In dieser Zeit konnte ich gar nicht arbeiten, denn Du kannst dann weder die Gitarre halten noch singen oder richtig sitzen. Das war ein bisschen doof. Also hat es mich eigentlich zwei Mal für Monate richtig aus der Arbeit gehauen. Beim Leistenbruch fast ein halbes Jahr. Bis die Netzimplantate nach der OP richtig verwachsen waren, konnte ich immer noch nicht richtig singen.

Das war zwar nervig, aber danach konnte ich wieder richtig loslegen und der Rest ist Geschichte. Eine Woche bevor die Platte rauskommen sollte schlug Olly Hahn (Product Manager bei SPV, Anm. d. Red.) dann vor, die Veröffentlichung noch einmal um zwei Monate zu verschieben. Das war natürlich hervorragend, weil ich all die Kleinigkeiten noch abarbeiten konnte, die ich auf dem Zettel hatte. So konnte ich die Songs noch einmal auf ein anderes Niveau hieven. Das sind für mich die letzten fünf bis zehn Prozent, die die Produktion richtig ausmachen.

Mit anderen Worten: Es war ein sehr langer Prozess und ich habe nicht vor, diesen beim nächsten Mal zu wiederholen. Aber es ist ein sehr gutes Album geworden und ich bin sehr zufrieden damit. Insofern müssen wir nur noch abwarten was passiert, wenn es rauskommt.

Gibt es ein zentrales Thema, das auf “Blood On Blood” im Fokus steht?

Ach, es gibt mehrere Themen. Zum einen natürlich diese Musketier-Geschichte, die ja auch etwas mit dem Cover zu tun hat. “Blood On Blood” und “Crossing The Blades” haben da einen Bezug zu. Es gibt aber auch mehrere Songs zum Thema Weissagung und es gibt mit “Wild, Wild Night” und “Wild And Free” zwei Party-Rocker. Und dann gibt es noch dieses Experiment mit “One Night One Day”. Und es gibt auch noch zwei Piratensongs mit “Diamonds & Pearls” und “The Shellback”. Im eigentlichen Sinne gibt es also keinen roten Faden auf der Platte.

“One Night One Day” ist ein gutes Stichwort. Als ich es hörte, war ich einigermaßen überrascht. Immerhin hätte es eine Ballade auf früheren RUNNING-WILD-Alben nicht gegeben, oder?

Ja, ich würde aber fast sagen, dass es eine Hymne mit balladeskem Anfang ist. So kann man das schon sagen und es klingt vielleicht ganz nett (lacht). Es war ein Experiment hinsichtlich des Arrangements, weil es eigentlich gar kein Arrangement gibt. Es gibt keinen Verse, keinen Vor-Refrain und keinen Chorus. Es gibt eigentlich nur den einen Teil, der sich immer wiederholt. Es war schon sehr interessant zu gucken ob es funktioniert, wenn man das Arrangement nur über die Instrumentierung und die Overdubs macht.

Ich habe festgestellt, dass es sehr gut funktionierte. Allerdings wollte ich den Song um eineinhalb Töne transponieren und musste so jeden Teil neu lernen, den ich schon ein Jahr zuvor aufgenommen hatte. Sich daran zu erinnern, was ich damals eigentlich alles gemacht habe, war schon ein bisschen schwierig. Jede einzelne Spur zu übertragen war schon ein Gefummel.

Nun ist das Wort “Oldschool” ja in aller Munde. Und auch der Sound auf “Blood On Blood” lässt mit den vielen Max-Headroom-Echos Vermutungen auf eine Rückbesinnung in die 80er zu. Wie stehst Du dazu?

Über sowas mache ich mir gar keine Gedanken. Ich schreibe einfach Songs und bin im Laufe der Zeit natürlich auch ein besserer Songschreiber geworden. Insofern ist das Songwriting ja auch ein Trademark von RUNNING WILD. Soundtechnisch ist es aber schon so, dass “Blood On Blood” an die 80er angelehnt ist, ohne dabei verstaubt zu klingen. Das war natürlich auch beabsichtigt. Da sich heutzutage viele Bands identisch anhören, war es für mich klar, dass der Sound eigenständig ausfallen musste. Und das habe ich auch auf jeden einzelnen Song bezogen. Deshalb war es auch recht diffizil, jeden Song mit einem eigenen Sound auszustatten. Es gibt keinen Song, der beispielsweise den selben Gitarren-Sound hat. Mir war es aber ganz wichtig, jedem Song seinen eigenen Charakter im Gesangsbereich mit unterschiedlichen und Effekten zu geben.

Wie offen bist Du, wenn es um das Finden und Entwickeln neuer Sounds auf einem RUNNING-WILD-Album geht? Oder anders gefragt: Gibt es Dinge, die Du strikt ablehnst, wie zum Beispiel den Einsatz von Synthesizern…

Also das würde zu RUNNING WILD ja gar nicht passen! Andere Bands würden da vielleicht auch mal ein Orchester dazunehmen und Songs aufblasen. Das ist aber nicht meine Art damit umzugehen. Wir machen immer noch Gitarrenmusik und die Gitarre sollte auch immer noch der wichtigste Teil davon sein. Was den Sound betrifft, habe ich schon viele Sachen mit Gitarren angestellt. Zum Beispiel auf “One Night One Day”, wo die Clean-Gitarren verschiedene Sounds haben. Da bastle ich natürlich schon gern rum. Oder auch diese fliegende Gitarre im Vor-Refrain von “The Shellback”, die man nicht so richtig hört sondern eher fühlt. Das sind so Sachen mit denen ich gerne experimentiere. Aber ich würde es immer nur auf die Gitarre beziehen.

Wie stehst Du in diesem Zusammenhang zu aktuellen Entwicklungen bei Aufnahmetechniken oder gar Tools wie “Garage Band”? Hilft Dir das beim Experimentieren?

Da bin ich oldschool. Ich nutze Pro Tools. Natürlich ist das erstmal rein technisch. Aber ich versuche schon die Sounds zu erreichen, die mir vorschweben. Manche Leute verwenden halt ihre Programme und Plug-Ins und das war´s. Daraus ergibt sich dann aber das Problem, das viele Produktionen relativ gleich klingen, weil jeder die selben Tools verwenden. Das fängt ja schon an, wenn alle Kettner-Amps verwenden. Das tue ich nicht. Ich spiele die Songs mit einem Engl-Amp ein, genau dem gleichen, den ich auf der Bühne spiele. Du musst schon erstmal ein bisschen fummeln, hast aber auch alles, was einen Röhrenamp ausmacht. Und das ist schon auch ein großer Teil der Produktion.

Wahrscheinlich nervt die Frage total, aber wie sind die Aufnahmen zuletzt abgelaufen?

RUNNING WILD haben noch nie einen Song als Band zusammen im Studio aufgenommen. Schon früher habe ich die Guide-Gitarre während der Drum-Recordings eingespielt. Dann kam die Rhythmus-Gitarre drüber, dann der Bass, dann die ganzen Overdubs. Dieses Mal war es so, dass ich die ganzen Demos mit einem programmierten 4/4 Schlagzeug fertiggestellt habe. Wir haben dann zusammen an den Breaks und so weiter gearbeitet und gottseidank waren die Schlagzeugspuren vor dem Lockdown im Kasten. So konnte ich sie dann in die Produktion nehmen und entscheiden, welche Parts ich aus den Demos verwenden konnte und die Produktion richtig in Angriff nehmen.

Ich finde ja, dass Deine Stimme immer noch wie am Anfang Deiner Karriere klingt. Hast Du einen Geheimtipp für alle Sänger, wie Du Dich da fit hälst?

Nun ja, nach “Under Jolly Roger” hatte ich nach einer Stimmbandentzündung richtige Probleme mit der Stimme. Aber ich habe schon auch eine Gesangsausbildung gemacht, wobei es da mehr um die Technik ging. Wie funktioniert das Organ als Instrument und wie kann man sich helfen, wenn man Probleme bekommt. Das ist mal das eine. Der zweite Punkt ist, dass ich nie so ausgiebig getourt bin wie andere Sänger. Du kannst die Stimme wie jeden anderen Muskel auch absingen. Paul Stanley (KISS) hat das Problem jetzt beispielsweise. Brian Johnson (AC/DC) hatte das Problem zeitweilig ziemlich stark… Weil die so viel auf Tour waren. Die Stimme ist halt ein Teil vom Körper und kein Holzinstrument, das Du Dir neu kaufen kannst (lacht) und da muss man schon ein bisschen haushalten.

Plant Ihr aktuell Konzerte?

Es waren ursprünglich vier Festivals für 2020 angesetzt. Unter anderem das Rock-Hard-Festival in Deutschland. Dann noch das Metalfest in Pilsen, das Hellfest und ein Festival in Bulgarien. Dann kam der Lockdown und noch ein paar weitere Angebote, die wir aber erstmal ablehnten um zu warten, bis Festivals wieder stattfinden können. Insofern sind erstmal diese vier Shows gesetzt, ansonsten müssen wir uns noch in Geduld üben. Außerdem wollen wir ja auch keine falschen Erwartungen wecken. Das wäre unfair den Fans gegenüber.

Wo wir gerade über Konzerte sprechen… Was war denn Dein schönster Moment auf der Bühne?

Das ist hart zu sagen… Das sind letztendlich ja doch so viele Shows gewesen, auch wenn wir nie diese Riesen-Tourneen gemacht haben. Wacken 2018 war aber natürlich schon etwas Besonderes, denn wir hatten noch nie zuvor ein so großen Stageset. Wir hatten noch nie so viel Licht und Pyrotechnik wie bei dieser Show. Es war echt nicht klar, ob es machbar sein würde, 22 Tonnen Equipment währen der Umbaupause auf die Bühne zu bringen. Die Reaktion der Fans war dann natürlich noch einmal etwas ganz Anderes.

Verschwendest Du nach der Bandauflösung im Jahr 2009 noch Gedanken ans Aufhören oder machst Du einfach weiter, so lange Du Bock hast?

Genau das. Ich musste damals aufhören, weil ich irgendwie leer war. “Rogues En Vogue” war das letzte Album das ich für Gun Records machen musste um den Vertrag zu erfüllen. Da hatte ich gar keine Chance. Danach konnte ich auch nicht einfach eine Pause machen, ich musste ganz aufhören. Einfach um den Kopf wieder frei zu bekommen, was letztlich dann zu “Shadowmaker” geführt hat. Plötzlich hatte ich nämlich wieder Lust diese Songs zu schreiben und in diese bestimmte Richtung zu gehen. Dazwischen war ja noch die Wacken-Show, also eigentlich war die Pause zwischen 2005 und 2011.

Vielen Dank für Deine Zeit. Die letzten Worte gehören Dir…

Ich hoffe darauf, dass wir 2022 die Festivals spielen und unsere Fans endlich wieder live begrüßen können.

09.11.2021

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