Rough Silk
Im Gespräch mit Ferdy Doernberg zum 20-jährigen Jubiläum
Interview
Ein 20-jähriges Jubiläum gehört gefeiert. Und das ordentlich! Mit „A New Beginning“ melden sich ROUGH SILK rund um Frontkoryphäe Ferdy Doernberg nach sechs Jahren Abstinenz und brandneuer Besetzung zurück. Während er sich mit AXEL RUDI PELL die Zeit vertrieben hat, mit diversen anderen Bands auf Tour war und nun das neue Album eingespielt hat, nahm sich der viel beschäftigte Ferdy kurz Zeit für meine Fragen…
Hi Ferdy, wie geht’s dir? Was steht gerade an bei dir?
Vielen Dank, mir geht es sehr gut. Ich bin natürlich gerade mit der Promo für die neue ROUGH SILK-CD beschäftigt. Nächste Woche werden wir ein Video zum Song „Reborn To Wait“ drehen, der sich bei den bereits absolvierten Live-Gigs und sogar auf einem Festival mit ENDSTILLE (was entgegen allerseits geäußerter Befürchtungen sehr gut harmoniert hat – super-nette Kollegen!) sozusagen als der „heimliche Hit“ der CD herausgestellt hat. Davor war ich gerade auf Tour mit AXEL RUDI PELL und habe einige Solo-Gigs absolviert.
Euer 20-jähriges Jubiläum feiert ihr gebührend mit einem neuen Album! Erzähl mir ein wenig von den Arbeiten an dem Album.
Ich kann nur sagen: super easy! Es gab, glaube ich, noch nie so wenig Diskussionen oder Meinungsverschiedenheiten bei der Produktion eines ROUGH SILK-Albums, da alle dasselbe wollten: ein Metal-Album mit allen Trademarks und der nötigen Portion Frische. In der Schlussphase der alten Besetzung gab es immer wieder Probleme, da ich irgendwie der einzige war, der ROUGH SILK nach wie vor als Metal-Band sah und diese Roots auch weiterverfolgen wollte. Den einzigen Stress, den wir hatten, war der Komplettabsturz einer Festplatte, durch den uns viele Daten verloren gingen, da es genau beim Backup passierte und es dadurch auch keine Sicherheitskopien mehr gab. Einige Songs mussten wir dadurch von den Drums an noch einmal aufbauen. Das war natürlich echt ätzend. Kompliment an Alex, dass er das so super hinbekommen hat! Normalerweise sind ja die Drums immer das erste, das aufgenommen wird und der Rest setzt sich dann „drauf“. Seitdem bin ich der „Herrscher der mobilen Festplatten“ – das kannst du dir wohl vorstellen!
Warum hat es so lange gedauert, bis ihr einen Nachfolger parat hattet? „End Of Infinity“ wurde nämlich schon 2003 veröffentlicht!
Ganz einfach: Die Band hatte sich 2003 quasi aufgelöst, nachdem die drei Mitglieder der „End Of Infinity“-Besetzung sich sozusagen in die „Rock-Rente“ zurückgezogen hatten. Damit war das Thema für mich auch eigentlich erledigt. Das Album war eine Art Abschied, auf dem viele uralte Ideen noch aufgenommen wurden. Das waren allesamt überarbeitete uralte Tracks aus Demo-Zeiten, die es nie auf ein Album geschafft hatten und die wir aber zu gut zum Wegwerfen fanden. Nach dem Split konzentrierte ich mich auf meine Solokarriere als Sänger bzw. Songwriter, die erstaunlich erfolgreich verläuft. Weit mehr als ich es erwartet hatte und spielte viel mit AXEL RUDI PELL, in dessen Band ich nun schon seit elf Jahren festes Mitglied bin. Außerdem tourte ich mit ULI JOHN ROTH, HOLY MOSES und anderen.
Wie sieht es nun also besatzungsmäßig aus? Alles im Lot?
Wie gesagt, war ich viel unterwegs, aber irgendwann hatte ich dann viele Ideen für Metal-Songs, die definitiv nicht auf meine Soloalben gepasst hätten und vermisste es irgendwie, eine eigene Band zu haben. Also schloss ich mich mit André Hort und Mike Mandel, mit denen ich schon länger befreundet war, zusammen. So begannen wir, Songs zu schreiben und irgendwann hatten wir dann genug Material für ein Album. Ursprünglich wollten wir der Band einen ganz anderen Namen geben, aber als wir unseren Freunden die Songs vorspielten, sagten alle einstimmig, dass sie mehr nach ROUGH SILK klingen würden als die letzten RS-Alben. Da die anderen Originalmitglieder sowieso nichts mehr machen und ich die Namensrechte besitze, überlegten wir kurz und so wurden wir zur Neuauflage von ROUGH SILK. Nun brauchten wir nur noch einen Drummer, den wir nach kurzer Suche in Alex Wenn fanden. Mir war sehr wichtig, dass alle Mitglieder die Gruppe als eine wirkliche Band ansehen und nicht als ein weiteres Projekt. Das war auch der Grund, warum ich keine satten, nur am Geld interessierten Profi-Musiker aus anderen Bands haben wollte, die, bevor sie ein Instrument anfassen erstmal fragen, wie viel sie denn dafür bekämen. Ich entschied mich für junge und enthusiastische Typen, die wirklich noch Gas geben wollen. Wir wohnen alle im Radius von 20 Kilometern, haben einen Proberaum und sind also eine „richtige Band“ im klassischen Sinn. Das gibt es leider nicht mehr so oft.
Deine ganzen „Nebentätigkeiten“ klingen für mich wie ein Fulltimejob! Wie bist du hinter diese ganzen Kontakte gekommen?
Naja, bei Axel bin ich jetzt schon ewig festes Bandmitglied. So lange sind nicht viele Bands ohne Besetzungswechsel zusammen! Tja, wie fing ich an? Ich habe einfach viel gespielt und nach und nach ist mein Name ein bisschen herumgereicht worden. Als ich anfing mit ROUGH SILK, war ich ein Junge vom Dorf, der absolut niemanden kannte. Inzwischen habe ich mit so verschiedenen Künstlern gearbeitet und habe mir so nach und nach einen Namen machen können.
Lebst du eigentlich rein von der Musik?
Ja, ich unterrichte noch nebenbei und mache so Sachen wie auf Fernseh-Soundtracks (z.B. Tatort) spielen, etc. Der Vorteil, den ich habe, ist, dass meine zwei Hauptinstrumente – Hammond-Orgel und Slide-Gitarre – eher selten sind und es hier in Europa nicht so viele Leute gibt, die sie spielen. Speziell Slide-Gitarre und Lapsteel sind hier nicht so verbreitet. Das ist natürlich ganz gut für mich!
Die Vocals auf dem Album hast du selbst übernommen. Warum hast du dich dazu entschieden?
Die Frage stellte sich eigentlich gar nicht, da ich bei meinen Solosachen auch selbst singe und schon bestimmt 1000 Gigs als Solokünstler absolviert habe. Außerdem waren es bei ROUGH SILK ja schon immer meine Texte. Klar weiß ich, dass sich viele Leute Jan Barnett zurückwünschen und meine Stimme nicht akzeptieren werden. Das Problem hatte auch Thomas Ludolphy, Jans Nachfolger, der von vielen auch nie akzeptiert wurde, obwohl ich ihn speziell auf der „Beyond The Sundown“-CD ausgezeichnet fand. Aber eine Rückkehr Jans war nie ein Thema und wird auch niemals passieren. Außerdem denke ich, dass bei einer Band mit nur einem Originalmitglied, dieses schon die zentrale Figur sein und nicht irgendwo hinten oder an der Bühnenseite eine Alibifunktion erfüllen sollte. Des Weiteren macht es mir auch viel Spaß, live und im Studio zu singen und durch die ganzen Solo-Gigs habe ich auch einige Erfahrungen im Entertainment-Sektor sammeln können. Ich hatte als Halb-Engländer immer ein großes Interesse an den Texten, die nicht nur Klischeereime sind und deshalb natürlich auch an deren Interpretation. Das war in der Vergangenheit, da Englisch nicht die Muttersprache der Sänger war, nicht immer ganz so, wie ich es mir erhofft hatte und deshalb ist das ein weiterer Grund dafür, dass ich selbst singen wollte.
„A New Beginning“ vermischt viele Elemente verschiedener Genres. „When The Circus Is Coming To Town“ ist eher eine Spaß-Nummer, während der Opener „Temple Of Evil“ puren Power-Metal darstellt. Wie kommt es zu einer solchen Mischung?
Das war bei uns schon immer so. Wir haben es als eine der wenigen Bands geschafft, einen eigenen Stil zu entwickeln, der bereits im Bandnamen manifestiert wird: „Rough“ steht für das teilweise sehr harte, thrashige und im Riffbereich sogar Hardcore- und Death Metal beeinflusste Material und „Silk“ für die untypischen, leisen Töne, Songwriter-Elemente und Pianoparts. „Circus… “ ist natürlich die pure Ironie! Übrigens eine wahre Geschichte, ich habe nur die Namen geändert!
Gibt es für dich einen persönlichen Favoriten auf der Platte?
Frag mich in ein paar Jahren wieder, dazu fehlt mir im Moment noch der Abstand. Zurzeit wechselt das von Tag zu Tag!
Das abschließende „A Song For Hilmer“ ist einer der traurigsten und bewegendsten Tracks, die ich in letzter Zeit gehört habe. Kannst du mir erklären, wenn es nicht zu persönlich ist, was es mit Herrn Hilmer auf sich hatte?
Hilmer Staacke war der Originalgitarrist von ROUGH SILK, der 2006 an einem Asthmaanfall gestorben ist. Ich war zu der Zeit gerade in Los Angeles mit ULI JOHN ROTH und wir spielten mit diversen Specialguests wie Warren de Martini von RATT und Roy Z. Hilmer war früher ein großer Fan von Warren und so erzählte ich ihm, dass Hilmer in ein paar Wochen Geburtstag hätte. Am nächsten Tag brachte Warren ein unterschriebenes RATT-Poster für Hilmer mit und zwei Stunden später klingelte mein Handy und ich bekam die Nachricht, dass Hilmer tot sei. Er und ich waren zusammen zur Schule gegangen und hatten zusammen ROUGH SILK gegründet. Das war schon ein ziemlicher Schlag! Irgendwie kamen die Lyrics wie von selbst und ich schrieb sie nieder. Es war eher einer Art Trauerbewältigungstherapie. Die Aufnahmen sind auch nicht perfekt. Als wir dann die CD fertig hatten, dachte ich, dass das der passende Platz für den Song sei, denn ROUGH SILK war ja auch Hilmers Baby. So hat man noch einmal die Chance, einen der unterbewertetsten Gitarristen der Metal-Szene zu hören. Ich bin sehr glücklich, dass der Song auf dem Album gelandet ist und wir damit eine Art Tribut an Hilmer zollen konnten. Oft anhören kann ich mir den Song aber nicht, das ist doch ein ziemlicher Hardcore-Seelenstriptease!
Hast du alle Titel selbst geschrieben?
Etwas über die Hälfte der Songs wurden von unserem Gitarristen Mike Mandel, unserem Bassisten André Hort und mir zusammen geschrieben. Der Rest ist von mir alleine.
Also stellt der Album-Titel einen Hintergrund dar und ist nicht bloß Kosmetik?
Nein, das ist keine Kosmetiksache, wie auch? Es ist ja praktisch eine ganz neue Band, mehr „Neuanfang“ geht gar nicht! Ich war ohnehin immer der Meinung, dass ROUGH SILK mehr, der im Bandnamen beschriebene Stil war, als die jeweils beteiligten Bandmitglieder.
Wer hat das geniale Cover designed?
Meran Karanitant (Darkmouth). Er hat schon die letzten CDs von SIX FEET UNDER (Freunde von uns), HATEBREED und BOLT THROWER gemacht. Er ist wirklich großartig, wir sind völlig zufrieden.
Hast du eigentlich eine professionelle Musik-Ausbildung genossen?
Kann man so sagen. Ich habe mit sechs Jahren eine klassische Klavierausbildung angefangen. Mit neun kam dann Trompete als Zweitinstrument dazu und mit 13 meine erste Punkband „The Wabbles“. Da dort natürlich weder Trompete noch Klavier das geeignete Instrument waren, begann ich mit dem Gitarrenspiel.Heute sehe ich mich sowohl als Gitarrist als auch als Keyboarder. Aber, du wirst lachen, ab und zu spiele ich sogar noch Jazztrompete. Mein Vater ist auch Berufsmusiker (Geiger im Sinfonieorchester in England, Komponist ), insofern bin ich praktisch mit Musik aufgewachsen…
Wie ich sehe, habt ihr auch ein neues Platten-Label an Land gezogen. Warum das und fühlt ihr euch wohl bei Dockyard1?
Absolut, das war unsere erste und einzige Bewerbung. Ich kenne Christine von Dockyard1 schon seit vielen Jahren, wir arbeiteten zum Beispiel schon bei Roland Grapow zusammen und sie arbeitet auch viel mit einem meiner besten Freunde, Mike Terrana. Ich schätze sie sowohl als Freundin als auch als eine der professionellsten Personen im ganzen Business.
Wie sieht es mit einer Tour aus? Planst du etwas in diese Richtung?
Wir hoffen es doch stark, doch bislang gab es noch keine Angebote. Wir haben aber gerade einen neuen Booker gefunden und werden auf jeden Fall überall spielen, wo eine Steckdose ist. Unter dem Motto „Old school – four guys in a van“… Ob eine Supporttour oder ähnliches finanzierbar ist, wird man sehen. Das Business hat sich doch ziemlich gewandelt, aber ich bin sowieso ein großer Fan des „Do-it-yourself-Prinzips“. Dafür sind sich viele gerade im Metal-Bereich zu fein, aber mit meinen Solosachen fahre ich auch jedes Wochenende irgendwohin, baue alles selbst auf, spiele die Show, baue wieder ab und fahre zum nächsten Gig. In Amerika ist das, außer bei den ganz großen Acts, gang und gäbe, aber hier haben alle noch diese Business-Brille auf. Wenn man dann zu einem Konzert geht und 2 Nightliner vor der Tür stehen, im Club ungefähr 20 Leute mit Tourpässen herumstehen aber nur 40 zahlende Gäste kommen, dann fragt man sich doch, wie zur Hölle das finanziert wird?! Da wird es in den nächsten Jahren ein großes Umdenken geben müssen. Das Musikbusiness, wie es jetzt existiert, wird sich gehörig verändern unter anderem wegen des Internets. Das wird von allen bejammert. Ich sehe das aber eigentlich als eine gute Sache an, da sich damit auch die Spreu vom Weizen trennen wird. Dieses Überangebot, das wir zurzeit haben, ist doch Wahnsinn. Jeden Monat erscheinen ungefähr 350 CDs nur im Metal-Bereich. Wer soll denn das alles kaufen? Und das Schlimme daran ist, dass die Hälfte der Bands nur Plastik ist. Projekte, bestehend aus 2 Typen und einem Drumcomputer, die sich fürs Foto ein paar Langhaarige mieten, brav das obligatorische Schwert hochhalten und natürlich nie auch nur ein einziges Konzert gespielt haben. Die wirklich guten und talentierten neuen Bands gehen zwischen diesen ganzen Retortenbands unter, wenn sie nicht wirklich viel Glück bzw. Geld in der Hinterhand haben.
Was sind deine weiteren Pläne für die nächste Zeit?
Demnächst stehen dann Gigs mit ROUGH SILK an, dann eine England-, Irland- und Schottland-Tour mit EDEN’S CURSE und die HEAVEN & HELL-Tour mit AXEL RUDI PELL im Juni.
Was hörst du denn privat gerne? Ausschließlich Rock oder Metal?
Das ist wirklich sehr breit gefächert. Ich höre fast alles von Jazz über Folk und Blues bis hin zu Punkrock und wirklich hartem Zeug. Ich habe auch kein Problem mit gutgemachter Popmusik. Wenn Metal, dann höre ich eher wirklich harte Musik wie zB Thrash, Hardcore und Death Metal. Ich finde, dass Metal eine Stilrichtung ist, die mit, durchaus positiver, Aggression zu tun hat und irgendwo wehtun muss. Deshalb kann ich mit dem, was heute Power-Metal genannt wird, auch nicht ganz so viel anfangen. Für mich sind das oft eher Schlager oder Kinderlieder mit Doppelbass darunter.
Die klassischen US-Powermetalbands wie ARMORED SAINT, OMEN oder VICIOUS RUMORS meine ich damit aber nicht. Das war eine ganz andere Baustelle und eben wirklich coole Bands! Natürlich liebe ich auch nach wie vor die ganzen klassischen Alben der NWOBHM, klassischen Hardrock und auch die ganzen großen Ami-Bands der 70er und 80er. Aber in diesem Bereich kommen irgendwie keine interessanten neuen Bands mehr zu Tage. Ich finde, dass die interessanteren neueren Alben eher aus dem Bereich Hardcore, Thrash und Death-Metal oder sogar von New-Metal-Bands wie LINKIN PARK kommen.
So, jetzt lass ich dich wieder in Ruhe. Oder willst du noch irgendetwas Dringendes loswerden?
Stay open-minded and support live music!
Danke für deine Zeit, Geduld und Mühe.
Ich danke dir…
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