Roadrunner United
Roadrunner United
Interview
Dass es sich bei "ROADRUNNER UNITED – The All-Star Session" um ein Projekt ungekannten Ausmaßes handelt, muss nicht länger erläutert werden. Wo haben schon über 50 Musiker auf einem Album mitgewirkt, um den Geburtstag ihres Labels zu feiern? Zu diesem Anlass stand Robert Flynn, einer der vier Team Captains und Kopf seiner Band MACHINE HEAD, entsprechend gut gelaunt Rede und Antwort, um auch der langen und wegweisenden Historie von Roadrunner in der Metalszene zu huldigen, auch wenn die Beziehung nicht immer glatt lief. Doch die gute Laune hat auch einen anderen Grund: MACHINE HEADs neues Album nimmt Formen an…
Ich war ziemlich aufgeregt. Als Monte Connor mich angerufen hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt fähig war, dies zu bewältigen, denn wir waren 20 Monate lang auf Tour zu unserer CD „Through The Ashes Of Empires“. Zu Zeitpunkt seines Anrufs waren es immer noch 8 Monate und es sah nicht so aus, als würden wir zwischen drin eine Pause machen. Also habe ich zunächst „nein“ gesagt, da ich nicht halbherzig an die Sache rangehen wollte. Zwei Monate später kam er schon wieder angebettelt. Zum Glück tat sich ein kleiner Freiraum in meinem Kalender auf. Ab da an war ich nur noch aufgeregt darüber, da ich es für eine großartige Idee hielt.
David: Es gibt so viele Bands, die aus vier oder fünf Mitgliedern bestehen und dabei schon Schwierigkeiten haben, sich während der Schreib- und Aufnahmeprozesse zu koordinieren. Bei Roadrunner United waren über 50 Musiker involviert. Wo lag die größte Herausforderung aus deiner Sicht? Vielleicht der Zeitdruck?
Die größte Herausforderung lag eigentlich bei der Koordination der Aufnahmen beim eigentlichen Recording. Ich habe alle Songs geschrieben und sie auf eine Demo gebracht. Als es nun zu den eigentlichen Aufnahmen kam, sah es so aus, dass der erste einflog und dann schnell wieder weg war, der nächste einflog und wieder verschwand und so weiter. Ich musste also an alles denken, was noch zu erledigen war, denn wenn es nicht an dem Tag erledigt worden wäre, dann…fuck. Aber es war trotzdem großartig!
David: Wie hast du die Arbeit mit MACHINE HEAD unter einen Hut bekommen?
Im Unterschied zu MACHINE HEAD habe ich hier alles geschrieben, obwohl Phil [Demmel, Machine Head, Anm. d. Verf.] und Dave [McClain, Machine Head, Anm. d. Verf.] auch Riffs für mich geschrieben haben. Dave hat sogar einen ganzen Song mitgeschrieben. Das komische war, dass es einfach nur ein Jamen mit Leuten war. Wir haben nie geprobt, da wir ja keine Band sind. Es war eine sehr schöne Lernerfahrung, das mit Sicherheit!
David: Als wir in der Redaktion zum ersten Mal den Song „The Dagger“ hörten, dachten wir: Scheisse, hoffentlich macht MACHINE HEAD in Zukunft keinen Metalcore! Aber nachdem ich alle Songs auf der Scheibe gehört habe, war es erstaunlich zu hören, dass jedes Lied auf den Stil des Sängers zugeschnitten war, auch wenn du nicht ganz so experimentell warst, wie die anderen Team Captains. Wo lag die Herausforderung dabei?
Ich habe in der Regel die Songs so geschrieben, dass sie zu den Stärken des Sängers passten. Ich habe nicht so sehr darauf geachtet, aus einem bestimmte Stil auszubrechen, um einen anderen zu machen. Ich finde es cool, was die anderen gemacht haben, aber wenn das jeder gemacht hätte, wäre die Platte totaler Mist geworden. Das sollte eine Metalscheibe werden, Roadrunner ist ein Metal-Label. Deren großer Slogan hier in Amerika zu ihrem 25. Geburtstag ist: „25 Jahre Rock!“, was für mich totaler Bullshit ist. Roadrunner Records war und ist ein Metal Label. Nur um ihre Sache zu feiern, wollte ich nicht ein paar Rock und Pop Songs schreiben. Ich habe Metal Songs geschrieben.
Songs für jemand anderen zu schreiben, ist nicht so wie für MACHINE HEAD. Ich kenne meine Stärken und meine Grenzen, daher schreibe ich dementsprechend. Die anderen Jungs gehören zu den besten Sängern des Labels. Howard Jones [Killswitch Engage, Anm. d. Verf.] hat eine unglaubliche Stimme. Ich wollte ihn unbedingt haben. Corey Taylor habe ich einen sehr langen, melodischen, dunklen Song zugeschnitten, damit er sowohl seine emotionale Stimme aus STONE SOUR als auch seine harte Stimme aus SLIPKNOT einbringen kann… es ist unglaublich. Diese beiden Songs wurden im Land zu den besten auf dem Album nominiert. Es war ziemlich cool, dass mein Shit die Scheibe eröffnen durfte, haha.
David: Wer hat deiner Meinung nach den besten Job gemacht, was die Songvariabilität angeht?
(überlegt lange) Ich denke, Matt Heafy von TRIVIUM. Der hat einen Killer-Job gemacht. Ich liebe diesen King Diamond Song, der ist unglaublich. Ich verehre ihn.
David: Es gab sicherlich eine große Auswahl an potenziellen Captains, aber Monte Connor hat euch ausgesucht. Warum?
Puh, ich denke, weil wir die einzigen waren, die zur Verfügung standen, haha. Ich glaube, wir besitzen einen starken Wiedererkennungswert für das Label. Viele Leute kennen uns. Einverstanden?
David: Nö, haha. Hattest du während des Schreibprozesses nicht manchmal das Gefühl: Verdammt, dieser Idee ist viel zu gut, um sie für ein Roadrunner Album zu verschwenden?
Bei „The Dagger“ habe ich – als einzigen Song – gedacht, dass dies ein cooler MACHINE HEAD Song seien könnte und vielleicht Teile von „Independent“. Speziell Corey Taylors und Tim Williams’ Song könnte ich mir nie als MACHINE HEAD Song vorstellen. Was die als Sänger dem Song gegeben haben, war um einiges besser, als ich hätte jemals als Sänger geben können. Die gehören zu den besten Sängern, die ich je gehört bzw. mit denen ich je eine Bühne geteilt habe.
David: In dem „Making of“ Teil der Machine Head DVD zu „Through The Ashes Of Empires“ wird verdeutlicht, dass man euch fast dazu gezwungen hat, eine Radiosingle zu schreiben. Den Song, den ihr dafür vorgeführt hattet, hatte die selbe Melodie wie der Song „Army Of The Sun“ auf der Roadrunner United Scheibe. Wieso ist dieser Song am Ende nicht auf die Machine Head Platte gekommen?
Weil er scheisse war…
David: Bitte? Aber für ein Roadrunner Album reicht er?
…scheisse als Machine Head Song, haha. Es ist ein tolles Lied, aber ich kann so nicht singen. Ich konnte es ums verrecken nicht, ich konnte es einfach nicht. Ich habe den Song also in die Hände von Tim Williams gelegt, der meiner Meinung nach ein wesentlich besserer Sänger als ich ist, und das Lied wurde großartig.
David: Nach welchen Kriterien hast du denn deine Teammitglieder ausgesucht?
Einfach nach der Fähigkeit. Ich brauchte Leute, die sowohl groovige als auch richtig schnelle Sachen spielen konnten. Mit Christian [Wolbers, Fear Factory, Anm. d. Verf.] hatte ich z. B. jemanden, der den schnellen Gitarrenparts gut folgen konnte. Als ich Jeff Waters von ANNIHILATOR aussuchte, brauchte ich einen Schredderer und der ist es…der ist fucking sick!
David: Mal nebenbei: Wie war das Gefühl, dein Idol Max Cavalera herumkommandieren zu dürfen?
Herumkommandieren? Haha! Ich habe zwar Howards Vocals aber nicht Max’ produziert. Er wollte, dass ich es mache, aber dann konnte er nicht kommen, da er irgendwie einen Trauerfall in der Familie hatte. Also hat er seine Parts in Phoenix aufgenommen.
Der ganze Song basiert auf Dimebag Darrell. Einen Tag nach seinem Tod hatte ein Kerl namens William Grimm, der für eine sehr konservative Website hier in den USA namens „The Iconoclast“ [www.iconoclast.ca, Anm. d. Verf.] schreibt, einen Artikel mit der Überschrift „Dimebag Darrell: Rest in Peace and Good Riddance“ [„…ruhe in Frieden und ein Glück, dass ich ihn los bin“, Anm. d. Verf.] verfasst. Es ging wohl grob darum, dass Dimebag ein Arsch war und alle Menschen, die Metal hören Untermenschen sind. Das schlimmste daran war, dass es wirklich einen Tag nach seinem Tod herauskam. Ich fühlte mich dadurch angegriffen. Also habe ich den ganzen Artikel kopiert und mit dem Vorschlag an Max geschickt, dies doch als Grundlage für die Lyrics zu benutzen. Er dachte nur: Fuck, dieses Arschloch. Genau darüber werde ich schreiben.
David: Wenn du auf die Geschichte von Roadrunner zurückblickst, welche Rolle spielt das Label für die Metalszene als Ganzes?
Die haben die Welt auf einige der besten Metal Bands aufmerksam gemacht. Ohne so einige Roadrunner Bands wie SEPULTURA, FEAR FACTORY oder BIOHAZARD gäbe es wahrscheinlich kein MACHINE HEAD, da sie uns sehr beeinflusst haben. Wegen diesen Bands wollten wir zu Roadrunner gehen. Die haben geholfen, so einige Bands zu formen, die du jetzt hörst. Es ist ziemlich cool, dass jede Roadrunner Generation die nächste Roadrunner Generation beeinflusst. Uns haben die genannten Bands inspiriert, wir haben Bands wie SLIPKNOT oder KILLSWITCH ENAGE inspiriert.
David: Wo waren die Hochs und Tiefs in eurer Beziehung zu Roadrunner?
Offensichtlich war das Tief als wir keinen Vertrag mehr dort hatten. Aber sie haben uns sehr früh eine Karriere ermöglicht und wir sind nun immer noch hier mit dem bis jetzt erfolgreichsten Album unserer Karriere. Sie haben sehr viel in uns investiert und haben uns finanziell unterstütz, so dass wir uns verwirklichen konnten.
David: Wenn du noch mal auf dieses große Projekt zurückblickst, was hast du – wie man so schön sagt – für dein Leben bzw. für deine Karriere gelernt?
Ich habe ein wenig besser noch gelernt, wie Leute ticken. Ich habe Musiker produziert, mit denen ich noch nie gearbeitet habe bzw. die ich noch nie wirklich kannte und versucht, das beste aus ihnen herauszuholen.
David: Könnte so ein Leben nach Machine Head aussehen, bei dem du in die Produzentenschiene wechselst?
Kann sein. Ich denke aber nicht so weit.
David: Also wirst du auch mit 60 auf der Bühne stehen?
Fuck yeah! Haha
David: Ich nehme dich beim Wort! Eure DVD spiegelt diese energiegeladene Freude auf der Bühne sehr gut wider…auch wenn die Circle Pits im Publikum nicht wirklich funktionieren wollten, haha. Einziger Kritikpunkt: Die Konzertlänge. Wieso war es nicht möglich mehr Songs auf die DVD zu packen?
Das war eigentlich das Set, was wir auf der Tour gespielt haben. Wir haben auch noch einige Cover gespielt, aber dafür verlangen die Leute einfach zuviel Geld…also nein.
David: Was nun jeden Machine Head Fan neugierig macht: Wie sieht es mit eurer neuen Scheibe aus? Könntest du uns ein paar Details darüber erzählen?
Wir arbeiten gerade daran. Ich mache just in diesem Moment, während wir reden, ein Demo dazu. Wir schreiben seit drei Monaten daran und haben ca. 14 Teile, halbe Songs, die sehr heavy und schnell sind, aber doch sehr musikalische und traurige Melodien – fast schon mit einem klassischen Vibe – in sich tragen. Aber nicht, dass ihr denkt, wir würden uns in diese Richtung bewegen. Nein, es sind immer noch die zerschmetternden Machine Head Riffs. Unser Ziel ist es, „Master Of Puppets Teil 2“ zu schreiben.
David: Oh ha! Das lass ich jetzt einfach mal so stehen. Vielen Dank für das Interview!
Ich habe zu danken, Mann!