Rivers Of Nihil
"Ich bin mir ziemlich sicher, an dem Ort habe ich damals meine erste Zigarette geraucht."
Interview
metal.de: Cool! Ich bin mir nicht sicher ob du die richtige Ansprechperson bist, da du die Lyrics nicht hauptsächlich geschrieben hast, aber die Texte sind wieder einmal sehr vage und offen gehalten, aber es scheint ein wenig Gesellschaftskritik zu geben, aber vielleicht auch die ein oder andere persönliche Geschichte zu beinhalten. So kann der Text von „Clean“ etwa als Kritik an unserer individualisierten, durchkapitalisierten und schnelllebigen Zeit interpretiert werden, aber auch als Drogentrip, Durchleben von Depressionen oder ähnliches.
Und zum Lachen in den Keller geht ihr auch nicht, wenn ich das Ende von „The Void from Which No Sound Escapes“ mit den „One More Song“-Gesängen, die dann mit einem „No“ abquittiert werden, richtig interpretiere. War das vielleicht eine subtile Spitze gegen nervige Fans?
Brody: Ich glaube das Ende von „The Void from Which No Sound Escapes“ soll ein wenig ein Teaser für den nächsten Song „MORE?“ sein. Du hast recht, ich habe die Lyrics nicht geschrieben, ich interpretiere die auch für mich selber. Ich habe Adam (Biggs, Bassist – Anm d. Redaktion), der die Lyrics geschrieben hat, nicht wirklich gefragt, was die Texte bedeuten. Ich wollte das selber für mich interpretieren, so wie die Hörer das auch müssen. Nach meiner Interpretation geht es um die Erwartungen an Künstler auf diesem Song. Es wird von uns erwartet konstant neue Produkte – neue Musik – zu veröffentlichen, zu touren und das wiederholt sich quasi immer wieder.
Der Teil ist sogar relativ spontan und spät im Songwriting entstanden. Es war ursprünglich nur als Witz gedacht. Aber wenn du bedenkst über was der folgende Song thematisch ist, ist das eigentlich ein eher ernster Moment. Es war auch eine nette Möglichkeit, den Hörer ein wenig zu fordern und zu überraschen. Diese „Immer mehr“-Mentalität, auch das ständige Nachfragen „Wo bleibt das neue Album“, und Kritisieren „Das klingt nicht wie das alte Album, ich mag das nicht“ können schon schwer wiegen. Diese Erwartungen an Künstler als Hörer sind grob gesagt einfach das, was diese gewohnt sind und mögen ständig zu wiederholen, zu unterhalten, ein wenig der „Narr“ im Sinne als Unterhalter zu sein. Das Ende von „The Void from Which No Sound Escapes“ ist vielleicht einfach nur ein Künstler, der daran gerade zugrunde geht, denn die Masse verlangt nach mehr, aber keiner hört dem Künstler zu und er geht an diesem Spannungsfeld aus „Liefern müssen“ und sich selber kreativ ausleben zugrunde.
So gesehen ist es mehr ein Skit für „MORE?“, welcher eben diese „Mehr“-Mentalität behandelt, auch wenn vielleicht das persönliche Leben der Künstler komplett darunter leidet. Man fühlt sich „trocken“ auf künstlerischen Gefilden oder überarbeitet. Es ist für uns wirklich ein anderer Typus von Song, aber ich denke es funktioniert wirklich gut auf dem Album.
metal.de: War das etwas, was ihr auch als Band persönlich erfahren habt, vor allem nach dem Erfolg und der Aufmerksamkeit, die ihr nach „Where Owls Know My Name“ auf mal bekommen habt? Also das nicht nur als Band großer Druck auf euch lastete, sondern sich das vielleicht auch ins persönliche Leben irgendwie übertragen hat?
Brody: Ja, vor allem im Jahr 2020. Als Künstler die daran gehindert waren touren zu gehen, also quasi unseren Job zu machen, haben wir uns komplett aufs Album konzentriert und manchmal war es wirklich hart, die nötige Kraft dafür aufzubringen. Kreativ gesprochen kommt unsere Energie als Band davon, rauszugehen, neue Menschen, Orte und Kulturen kennenzulernen und das dann wieder in Musik umzuwandeln und das konnten wir die letzten eineinhalb Jahre nicht tun. Es war wirklich hart für uns teilweise und wir haben wirklich Druck verspürt, dieses Album in diesen besonderen Umständen fertig zu stellen. Es gab hohe Erwartungen an uns und wir wollten die auch angehen, aber wir hatten wirklich phasenweise wenig Energie und manche von uns haben auch kurzzeitig persönlich Probleme gehabt.
metal.de: Im Promoschreiben hast du das Album als „Soundscape“ beschrieben, ich würde es viel eher als „Soundspektrum“ bezeichnen, da man wirklich fluffig-freundliche Momente in Songs wie „Maybe One Day“ oder „Wait“ hat, die eigentlich schon astreiner Pop-Rock sind, aber eben auch die abrasiven, kalten, abweisenden Sounds in Tracks wie „MORE?“ oder „Dreaming Black Clockwork“. Was sind Momente, in denen ein Brody Uttley sich warm und fröhlich fühlt und in welchen Momenten vielleicht kalt, distanziert, traurig, verärgert?
Brody: Puh… das ist eine harte Frage. Es hängt von der Tagesform ab. Ich bin jemand, der lange schon mit Depressionen und Sozialphobie in meinem erwachsenen Leben kämpft. Und an Tagen wo die Sonne scheint und es mir gut geht, schreibe ich wahrscheinlich eher einen Song wie „Wait“ oder „Maybe One Day“ und an anderen Tagen wo mich nur noch Dunkelheit umgibt wird wahrscheinlich das sich auch auf mein Songwriting niederschlagen. Ich arbeite in Baltimore und fahre lange Strecken bei meiner Arbeit und ein großer Teil dieser Fahrten sind nachts. Während dieser langen, nächtlichen und einsamen Fahrten, wo man diesen Tunnelblickmodus hat, kamen die meisten eher dunklen Momente auf dem neuen Album mir in den Kopf. Die fröhlicheren Songs kommen einfacher zu mir an guten Tagen, glaube ich.
metal.de: Das war das perfekte Schlusswort. Danke für deine Zeit, viel Erfolg mit dem neuen Album und hoffentlich sieht man sich mal wieder bald auf Tour!
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Stile | Progressive Metal, Progressive Rock |
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