Riefenstahl
Interview mit Sänger Jens "Die Schabe" Esch

Interview

Unsere Musikindustrie in Deutschland ist lethargisch und feige geworden, das liegt aber zum einen an den Konzernen und wiederum auch an den Künstlern selbst.“ Ursprünglich führte ich dieses Interview bereits im Oktober 2004, kurz nach Release des Debüts „Seelenschmerz“, doch dieses Zitat von Jens ‚Die Schabe‘ Esch, Sänger und Frontmann von RIEFENSTAHL, deren zweites Album „Instinkt“ in wenigen Tagen am 25. Mai veröffentlich wird (Review folgt), ist auch heute mehr denn je aktuell und gibt Aufschluss über die Band selbst.

 

Riefenstahl

Hi Jens! RIEFENSTAHL sind musikalisch gesehen unglaublich vielfältig. Wie habt ihr eigentlich als Band zueinander gefunden und wie ist der jetzige Stil entstanden?

Danke für dieses vorzügliche Kompliment! Es war 2002 mitten in der Fussball WM, wir hatten die Idee über den Coversong „Eiszeit“ hinweg eine völlig neue eigenständige Sache zu machen. Im Vordergrund stand immer der Song und die Message. Die Einflüsse kommen überall her, wir hören jede Art von Musik und waren nie festgefahren. Der Sound sollte natürlich hart und brachial aber auch dynamisch sein, um damit gebündelt mit dem Gesang und den Texten unsere Emotionen zum Hörer zu transportieren.

Eure Texte sind deutsch. Wolltet ihr von Anfang an in deutsch singen, oder hat sich das einfach so entwickelt? Meint ihr eigentlich nicht, dass ihr mit englischen Texten ein viel grösseres Publikum ansprechen würdet?

Von Anfang an war klar, dass wir die Songs in der deutschen Sprache machen. Wir wollen einfach auch verstanden werden. Mit Verstehen meine ich auch, dass man ja schliesslich immer mit seiner Muttersprache fühlt und denkt, das ist einfach so. Wenn du dann in den Songs deinen Gefühlen freien Lauf lassen kannst, das ist echt unglaublich gut sowie befreiend, und deine Fans glauben schliesslich an dich. Dann hast du doch dein ganz grosses Publikum! Es gibt zu viele Bands, die dieses Thema allzu oft unterschätzen, die ganze Welt ist voll mit solchen Fakes.

Beim Bandnamen denkt man unweigerlich zunächst an Leni Riefenstahl. Gibt es dazu einen Bezug oder welche Bedeutung hat für euch der Name RIEFENSTAHL? Warum habt ihr gerade diesen Namen für euch als Band gewählt?

Unsere Namensgebung hat nichts mit Leni Riefenstahl zu tun, wird aber immer wieder polarisieren und sicher die Meinungen teilen. Dami leben wir jeden Tag. Der Name spiegelt unsere Musik absolut wieder, hart, nicht glatt und ein Stahl, der dich (wie auch immer) mitten ins Herz sticht. Die Entscheidung für diesen Namen war ohne Zweifel immer genau die richtige Entscheidung!

Ihr engagiert euch sehr für soziale Belange und unterstützt vor allem auch den Kronos e.V. – Eure Texte sprechen dementsprechend mehr als eindeutige Worte. Euer Engagement und die Texte aber, so habe ich den Eindruck, werden es bei einigen sehr schwer haben, weil es mit Sicherheit die „Ich will ganz viel Spass haben“-Leute in ihrem Lebensgefühl irritiert. Wie steht ihr dazu?

Wir sind ja auch keine Spassfraktion. Die Zeit hat sich ausserdem geändert. Schau dich doch um was abgeht, die Leute werden beschissen, belogen und an der Nase herumgeführt. Wir backen halt keine „Plätzchen“ und sagen es so wie es ist, und erreichen damit die Leute, denen es genauso geht und die sich über den Wert des Lebens Gedanken machen. Die Leute, die ständig nur Spass haben wollen und denen alles scheissegal ist, hören sowieso nicht zu, die treiben sich an ganz anderen Orten herum und würden wahrscheinlich nie zu einem Konzert von uns kommen. Kronos e.V., und damit auch sexuell missbrauchte Kinder, liegen uns sehr am Herzen und wir haben mittlerweile eine sehr gute Beziehung aufgebaut und das schönste dabei ist, etwas Gutes zu tun.

Haltet ihr es eigentlich für berechtigt, dass die Musikindustrie aufgrund von Absatzeinbussen stöhnt, im selben Atemzug aber meiner Meinung nach geistigen Abfall wie diese ganzen Casting-Shows und somit eher Eintagsfliegen unterstützt? Wie empfindet ihr eigentlich das heutige Musik-Business?

Vorweg möchte ich erst mal folgendes sagen: Wir müssen auf dieser Welt einfach wieder lernen toleranter zu werden und gewisse Sachen respektieren. Dass wir mittlerweile eine versnobte Gesellschaft sind, ist ja bekannt, und ein Grund warum diese Welt so beschissen ist. …So und nun zu deiner Frage! Unsere Musikindustrie in Deutschland ist lethargisch und feige geworden, das liegt aber zum einen an den Konzernen und wiederum auch an den Künstlern selbst. Die Konzerne haben Angst neue Bands zu entdecken (ja, die machen die Augen nicht auf) weil sie ja viel zu viel Arbeit und Zeit investieren müssen (denken sie). Also geht man auf Nummer Sicher und lässt solche Casting Shows wie Unkraut aus dem Boden wachsen…das lässt sich für sie auch besser kontrollieren. Nun zu den Künstlern! Die meisten jungen Künstler und Bands hier in Deutschland denken sie können über Nacht zum Star werden oder erwarten schon in der Blütezeit das grosse Geld ohne den grossen Einsatz und sind dann auch noch zu faul von Konzert zu Konzert zu reisen. Das wiederum sehen auch die Plattenfirmen, Agenturen etc. So ist das dann, eins kommt ins andere und schon ist die Karre im Dreck. In anderen Ländern (gerade in Amerika) lässt man sich keine Hintertüren offen, dort heisst es nur Straight Forward!! In dieser Hinsicht können wir noch viel von anderen Nationen lernen.

Apropos Musik-Business… Wie hat euch eigentlich die POPKOMM gefallen? Gab es irgendetwas, was euch ganz besonders interessiert oder begeistert hat?

Von der POPKOMM haben wir ja nicht so viel mitbekommen, wir waren ja mit unserem Label im Labelcamp und haben dort viele Gespräche geführt und jede Menge Leute kennen gelernt. Die sogenannte POPKOMM war ja in den anderen Hallen und ich war einmal dort und wurde auf neue NOKIA Handys angesprochen…danach hatte ich keine Lust mehr dort zu verweilen. Ausserdem war alles sehr steril und ich fühlte mich dort eher wie auf einer Messe der Pharmaindustrie. Im Labelcamp war jeden Tag Bewegung. Magazine, Labels, Agenturen und Künstler haben ihre Meinungen ausgetauscht. Wir haben viel mitgenommen und es war wirklich ein Hammerklima. Es waren ja viele Leute am Start, vom Hip Hop, Dance, DJ’s, Rock und Metal und am Ende haben wir wieder erkannt, hey, wir machen alle einfach nur Musik. Es war wirklich ein starkes Erlebnis!

Auf eurer Website hattet ihr ein Foto von der POPKOMM zusammen mit Thomas D. und Michi Beck von den FANTA 4. Welche Gesprächsthemen gab’s denn da zwischen euch? Mögt ihr die FANTA 4?

Wir alle mögen FANTA 4 sehr, nicht zuletzt weil sie eine wirklich ausdruckstarke Band mit guter Message sind. Mit Thomas und Michi haben wir uns ausgetauscht und die Radio Quote angesprochen und unser aktuelles Album vorgestellt. Die FANTA 4 sind immer eine Gesprächsrunde wert!

Zum Schluss noch eine Frage: Wie wichtig sind für euch eigentlich Live-Shows und wird es denn noch ein paar Gigs in diesem Jahr geben?

Live Shows sind doch das was Musik ausmacht, wir stehen voll drauf und wollen immer so viel wie möglich spielen. Dafür ist uns das ganze Ding viel zu wichtig. Dieses Jahr werden wir noch einige Gigs spielen. Auf unserer Site www.riefenstahl-music.com erfahrt ihr immer die aktuellen Daten.

Danke!

01.05.2007

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