Refused
"Refused are fucking alive"

Interview

 

Wenn ich dich das Album so beschreiben höre und ihr gerade auf dem Weg zum „Ruhrpott Rodeo“ seid, einem wirklich reinen Punk-Festival, da frage ich mich: Wie steht ihr zur Punk-Szene und fühlt ihr euch überhaupt in irgendeiner Szene wohl?

Ich würde nicht sagen, dass wir uns über irgendwelchen Szenen bewegen oder uns darin nicht wohlfühlen. Allerdings hast du Recht, wir passen bei keinem Festival zu 100 Prozent ins Line-Up. Aber es ist toll für uns, solche Arten von Punk-Festivals zu spielen und alle Genres irgendwie mitnehmen zu können. Ich finde, es ist ein Luxus, theoretisch überall spielen zu können, den nicht viele Bands haben.

Refused

Eine Sache, in der ihr aber immer noch durch und durch Punk seid, ist die Attitüde, die sich vor allem in euren Texten niederschlägt. Die sind auf „Freedom“ noch immer sehr politisch, sehr kritisch und nehmen kein Blatt vor den Mund. Verfolgt ihr in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit auch eine politisierende Mission?

Ich würde nicht behaupten, dass wir uns auf einer Mission befinden, die die Menschen politisieren soll. Ich persönlich noch am Allerwenigsten. Aber ich denke, dass die politischen Texte in Kombination mit der Musik REFUSED ausmachen. Diese Kombination ist sehr wichtig. Auf der anderen Seite fände ich es aber anmaßend zu behaupten, wir brächten politisches Verständnis zu den Leuten.

Versucht ihr manchmal bewusst, einen Kontrast zwischen Musik und Text zu erschaffen? Auf „Freedom“ gibt es beispielsweise den Song „Françafrique“, in dem ein Kinderchor wiederholt die Worte „Exterminate the brutes“ singt.

Ich bin froh, dass du das ansprichst. Auf jeden Fall gibt es bei unseren Songs oft eine gewisse Ironie zwischen Musik und Text. In „Françafrique“ ist sogar die musikalische Sprache absurd Rock ’n‘ Roll-artig, während es im Text um die Kolonialisierung des Kongo durch die Franzosen geht. Und ja, ich glaube wir suchen auf jeden Fall nach derartigen Kontrasten und du hast Recht: Das war auch der Gedanke bei dem „Exterminate the brutes“-Kinderchor.

Trotzdem noch einmal zu eurer Message als Band. Findest du es okay, wenn Fans euch einfach nur für euren Sound feiern und sich keinerlei Gedanken über die Texte machen?

Ich finde, jeder kann mit der Musik machen, was er will. Ich bin ohnehin immer skeptisch, wenn Leute behaupten, es gibt etwas aus dieser Musik zu erlangen. Musik ist Musik. Klar haben wir diese Texte, aber musikalische Erfahrungen passieren auf einer viel abstrakteren Ebene. Wir machen keine Musik, um Leute dazu zu bringen, etwas Bestimmtes zu tun. Die Musik spricht für sich selbst. Ich glaube, Musik drückt all das aus, was man eben nicht mit Worten sagen kann. Und was auch immer Leute wegen unserer Musik machen, am Ende machen sie es selbst. Zumindest sehe ich die Sache so. Innerhalb der Band mag es da möglicherweise andere Sichtweisen geben.

Vor einiger Zeit habt ihr aber auf eurer Facebook-Seite einen Link gepostet, über den eure Fans „Elektra“ downloaden konnten und dabei gleichzeitig Geld an die Opfer des Nepal-Erdbebens gespendet haben. Das ist doch eine Verknüpfung zwischen Musik und erwünschter Offline-Aktion.

Natürlich, aber das ist auch eine andere Sache. Ich finde es super, wenn wir Menschen auf Probleme aufmerksam machen können. Es ist immer schön, wenn man Musik und den guten Zweck verbinden kann.

Da du ja Gitarre spielst, will ich natürlich auch noch ein paar Fragen zur musikalischen Seite der Songs stellen. Habt ihr schon ein paar der neuen Sachen live gespielt?

Das haben wir, drei um genau zu sein. Wir fliegen morgen nach Las Vegas und beginnen dort unsere US-Tour. Ich denke, da werden wir auch noch ein paar mehr neue Sachen spielen. Vielleicht vier oder fünf. Heute wird es aber erst einmal nur drei geben.

Und welche?

Wir spielen „Elektra“, „Dawkins Christ“ und „Françafrique“.

Waren die neuen Songs live eine Herausforderung? Besonders „Françafrique“ stelle ich mir nicht so leicht vor.

Ich glaube, wir gehen live einfach anders an die Sachen heran. Es gibt wirklich einen komplett anderen Sound. Natürlich erkennt man den Song, aber wir müssen ihn schon an die Live-Situation anpassen. Der Kinderchor kommt aber natürlich vom Band. Ich finde es aber toll, dass wir so zwei verschiedene Versionen eines einzigen Songs haben. Es gibt immer die Albumversion und die Live-Version. Aber „Françafrique“ und „Old Friends / New War“ müssen natürlich trotzdem stellenweise anders gedacht werden, damit sie live funktionieren können.

Gut, dass du „Old Friends / New War“ erwähnst. Ich habe mich gefragt, wie ihr darauf gekommen seid, dort im Refrain und am Anfang, diese seltsam verzerrte, tiefe Stimme einzusetzen.

Also die Idee dahinter kam aus dem Hip-Hop. Ich habe diesen, ich glaube es war A$AP ROCKY-Song gehört und habe mir einfach gedacht, wir sollten so was machen. Ich meine der Song hat irgendwie so eine Art Hip-Hop-Swagger. Und wusstest du, dass die Zeile am Anfang von einem russischen Dichter stammt? Da hast du wieder diese Ironie, einen A$AP-ROCKY-Effekt mit einem russischen Gedicht zu kombinieren. Ich finde das lustig und vor allem finde ich, dass es wirklich funktioniert.

Ihr seid also auch vom Hip-Hop beeinflusst?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben unglaublich viele Referenzen in diese Richtung. Konkret lieben David und ich beispielsweise KANYE WESTs „Yeezus“-Album. Und KENDRICK LAMAR und diese Art von „kreativem Hip-Hop“. Diese Künstler sind unglaublich frei in ihrer Art sich musikalisch auszuleben und extrem kreativ. Und trotzdem machen sie extrem kommerzielle Musik. Wir denken uns immer: Wir sollten auch so frei und kreativ und erfolgreich wie diese Typen sein. Wir sind nicht halb so kommerziell wie sie es sind. (lacht)

Galerie mit 22 Bildern: Refused - Speedfest 2015

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25.06.2015

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