Raise Hell
Raise Hell
Interview
Ein ungeschriebenes Gesetz bezeichnet die dritte Langrille einer Band immer als das "Make It Or Break It"-Album. Ich würde sagen, Raise Hell haben es mit ihrem Drittwerk "Wicked Is My Game" "gemacht" und sich endgültig in der oberen Liga des Thrash/Death n‘ Roll (kann man da überhaupt von einer Liga sprechen?) etabliert. Ob das im bandeigenen Hause auch so gesehen wird, ob man immer noch solch jugendlichen Partytexten wie noch auf dem letzten Album frönt oder was bei Raise Hell sonst noch so geht, für alle diese Fragen stand mir Drummer Dennis Ekdahl Freitag abends nach einer arbeitsreichen Woche dennoch geduldig Rede und Antwort.
Ja, sie sind schon ein wenig verschieden. Das ist jetzt unser drittes Album und wir haben sehr hart daran gearbeitet. Die Reaktionen bisher sind großartig. Es ist einfach ein schönes Gefühl.
Viele Leute nennen das Drittwerk immer das „Make It Or Break It“-Album. Hat euch das in irgendeiner Weise beim Arbeiten unter Druck gesetzt?
Ja, ich denke schon. Aber den größten Druck haben wir uns selbst gemacht. Du lernst jedes Mal etwas dazu, wenn du ein Album aufnimmst. Wir wollten am Ende einfach total glücklich mit dem Ergebnis sein. Wir gingen sehr viel ernsthafter an die Sache heran, als das noch in der Vergangenheit der Fall gewesen war. Wir machten eine Vorproduktion, um sicher zu gehen, dass auch wirklich jeder alle Songs mochte.
Würdest du dann sagen „We made it!“ oder „We broke it!“?
Das ist jetzt noch schwer zu sagen. Das Feedback bisher ist zwar enorm gut und wir sind sehr glücklich mit dem Album, aber man kann sich nie sicher sein. Wir müssen erstmal abwarten, wie sich alles entwickelt, wenn das Album draußen ist. Abwarten und Tee trinken heißt die Devise.
Habt ihr mittlerweile euren Stil, Musik zu spielen, gefunden? Zwischen dem Debüt „Holy Target“ und dem Zweitwerk „Not Dead Yet“ war doch ein großer musikalischer Bruch vorhanden, wohingegen „Wicked Is My Game“ eher wie die Weiterentwicklung von „Not Dead Yet“ klingt.
Ja, ich glaube schon, dass wir jetzt unseren Stil gefunden haben. Seit „Holy Target“ haben wir viel experimentiert, um unsere Richtung zu finden, was zu diesem großen Bruch geführt hat. Trotzdem haben wir immer probiert, etwas vom vorhergehenden Album beizubehalten, um nach Raise Hell zu klingen. Das ist auch auf unserem neuen Werk so, bei dem wir auch ein wenig herumexperimentiert haben. Somit glaube, ich dass wir mit „Wicked Is My Game“ endlich das erreicht haben, was wir bei den beiden Vorgängern schon probiert haben.
Aber warum kam es dann nach „Holy Target“ zu diesem krassen Stilbruch weg vom rasenden Black/Death Metal hin zum räudig-rotzigen Thrash Metal von „Not Dead Yet“?
Wir waren sehr jung, als wir unser Debüt aufgenommen haben. Wir sind damals gerade 18 geworden. Deswegen wollten wir nicht als einfacher Dissection-Klon abgestempelt werden. Außerdem wollten wir unser Material live einfach besser an den Mann bringen können, was mit dem schnellen Material von „Holy Target“ sehr schwer war. Also entschieden wir uns, ab sofort etwas langsamer zu werden. So werden die Songs nämlich auch einfacher strukturiert. Das sind die Hauptgründe für den Stilbruch. Jetzt auf „Wicked Is My Game“ sind wir wieder etwas energetischer zur Sache gegangen, aber immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, live mit diesem Material auch alle umblasen zu können.
Also hat sich an euren musikalischen Einflüssen trotz des Stilbruchs nichts geändert.
Nein, auf keinen Fall. Ich glaube, wir haben gar keine bestimmten musikalischen Einflüsse, weil man immer von sehr vielen Bands, die man öfters hört, in irgendeiner Form beeinflusst wird und man gar nicht mehr wirklich darüber nachdenkt.
Hast du ein Lieblingslied auf „Wicked Is My Game“? Mich hat „Another Side“ mit seiner mitreissenden Gitarrenarbeit während des Refrains am meisten umgehauen.
Wenn ich mich jetzt festlegen muss, dann sind das der Titeltrack „Wicked Is My Game“ und „Nightwatcher“, weil das Songwriting und die Aufnahmen zu diesen beiden Songs am meisten Spaß gemacht haben.
Wie seid ihr mit der Produktion zufrieden? Ich finde Anders Friden (der Sänger von In Flames) hat einen jederzeit druckvollen, aber nie glatt gebügelten Sound hinbekommen, der einem einfach nur in den Hintern tritt.
Ja, das stimmt. Mit der Produktion ist jeder absolut zufrieden. Es macht einfach Spaß mit Anders zu arbeiten. „Holy Target“ haben wir ja auch schon mit ihm in demselben Studio, in dem jetzt auch unser neues Album entstanden ist, aufgenommen.Als wir dieses Mal dort im Studio ankamen, fing er auf einmal an, Pro Tools zu benutzen. Wir waren erst etwas skeptisch deswegen, weil wir der Meinung waren, dass analoges Aufnehmen besser für einen heavy Sound sei. Nach zwei Stunden Arbeit waren wir dann jedoch voll von dieser Arbeitsweise überzeugt. Das Aufnehmen der Drums hat gerade mal zwei Stunden gedauert. Außerdem haben wir noch versucht, für dieses Album die Gitarren etwas herunter zu stimmen, was zu einem kräftigen, aber auch jederzeit glasklaren Sound geführt hat. Anders hat da ganze Arbeit geleistet.
Wie sieht euer Songwriting aus? Habt ihr alles fertig, wenn ihr ins Studio geht oder werden manche Sachen dort erst improvisiert?
Diesmal haben wir ja eine Vorproduktion zum Album gemacht. Also waren alle Songs schon komplett fertig geschrieben. Wir mussten sie nur noch aufnehmen, was auch spätestens beim zweiten Take immer geklappt hat. Das ging sehr schnell diesmal. Auf den beiden älteren Alben hat Jonas (Nilson, g & v – Anm. d. Verf.) die meisten Riffs geschrieben. Bei diesem Album waren Torstein (Wickberg, g – Anm. d. Verf.) und Niklas (Sjöström, b – Anm. d. Verf.) viel mehr in das Songwriting integriert. An den Texten hat auch jeder mitgeschrieben. Somit war erstmals die gesamte Band in das Songwriting eingebunden, was man dem Album auch anhört.
Du hast eben die Texte erwähnt. Auf „Not Dead Yet“ ging es um Parties, Mädchen und Alkohol. Worum geht es auf dem neuen Album, auf dem die Lyrics wesentlich düsterer ausgefallen sind?
Das stimmt. Diesmal haben wir die Texte etwas ernster genommen. Die Lyrics von „Not Dead Yet“ sind damals sehr kurzfristig im Studio entstanden. Wir haben dabei die ganze Zeit gelacht und rumgealbert, weswegen das keine ganz so ernste Sache war. Die Lyrics auf „Wicked Is My Game“ sind von Horrorfilmen beeinflusst und befassen sich mit Geistern, Serienmördern, durchgedrehten Menschen, Satanisten. Alles hat ein Thema. Das steht den Songs ganz gut, finde ich.
Das heißt aber nicht, dass ihr keine Party mehr feiert, oder?
Um Himmels willen nein! Natürlich feiern wir noch. (lacht) Wir wollten einfach den Texten einen ernsteren Hintergrund geben. Das ist alles.
Was trinkst du denn auf Parties so am liebsten?
Meistens trinke ich eigentlich Whiskey oder Bier. Aber wenn ich mal weg bin, darf es auch gerne ein White Russian sein.
Was hälst du als Biertrinker von deutschem Bier?
Sehr viel natürlich. Ich liebe deutsches Bier! (lacht)
Das kann ich nur gutheißen. 🙂 Lass uns wieder zurück zum Album kommen und mal das Artwork betrachten. Wo liegt die Verbindung zwischen dem blutigen Bandfoto auf dem Cover und dem Titel „Wicked Is My Game“?
„Wicked Is My Game“ ist ein Bild. Das „Spiel“ steht für das Leben. Also heißt es eigentlich „Wicked Is My Life“. Das Foto nahmen wir, weil wir kein gemaltes Cover wollten. Jeder hat das heutzutage und alle Cover sehen gleich aus. Wir wollten diesmal etwas anderes machen. Wir hatten nur dummerweise nicht viel Zeit dafür, weil die Deadline für das Artwork nur noch eine Woche weit weg war. Also hatten wir die Idee zu einem Foto, das der Vater von Jonas machen konnte. Wir entschieden uns für ein Bandfoto mit einigen Symbolen aus den Texten. Das Schachmuster steht für das Spiel, der Würfel und das Blut für den Horror. Es ist also ein symbolisches Bild.
Stellt das Blut auch eine kleine Verbindung zum Backcover von „Holy Target“ dar, auf dem ihr alle mit Blut beschmiert seid?
Nein, die beiden Bilder haben nichts miteinander zu tun. Wir schossen dieses Foto einzig und allein für „Wicked Is My Game“.
Was steht an geplanten Liveaktivitäten zur Promotion des neuen Albums an?
Bis jetzt ist noch gar nichts in trockenen Tüchern. Wir warten immer noch auf Antworten. Nuclear Blast ist gerade dabei, eine Tour auf die Beine zu stellen. Wir müssen noch ein wenig abwarten. Dieses Mal wollen wir aber viel mehr für das Album tun, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Für „Not Dead Yet“ haben wir gerade mal die Nuclear Blast Festival-Tour gespielt und hatten danach eine ziemlich lange Pause. Wir wollen jetzt auch die Länder beackern, in denen wir noch nicht waren. Dafür werden wir alles in unserer Macht Stehende tun.
Wie zufrieden seid ihr eigentlich mit der Arbeit, die euer Label Nuclear Blast für euch verrichtet?
Bis jetzt war alles großartig. Über die Arbeit für das neue Album kann man noch nicht sprechen, weil wir ja erstmal sehen müssen, was passiert. Da ist es für ein Urteil noch zu früh.
Wie kam es eigentlich 1998, dass ihr sofort von einem solch großen Label wie Nuclear Blast unter Vertrag genommen worden seid?
Wir haben unser damaliges Demotape an zwölf verschiedene Labels geschickt. Wir hatten echt Glück, denn sieben waren sofort an uns interessiert. Zwei von den sieben waren Major Labels, Nuclear Blast und Earache. Beide haben uns kontaktiert und uns Angebote gemacht, die wir verglichen haben. Dann hat aber Nuclear Blast angerufen, dass eine ihrer Promoterinnen gerade in Schweden sei und wir uns treffen könnten, um alle anstehenden Fragen zu klären. Sie kam also zu mir nach Hause und wir bekamen alle Antworten, die wir brauchten. Also unterschrieben wir natürlich sofort den Vetrag.
Euer Bandname Raise Hell suggeriert, dass ihr keine sehr religiösen Menschen seid.
Das stimmt sehr wohl. Mit Religionen, Gott oder Kirche können wir alle überhaupt nichts anfangen und sind dagegen.
Als ich im Internet ein wenig nach Raise Hell gesucht habe, konnte ich nicht allzu viel finden. Seht ihr eine Präsenz in diesem Medium heutzutage nicht als unumgänglich an?
Sie ist unumgänglich, da hast du recht. Unsere Website wird in Kürze am Laufen sein, womit wir dann auch im Netz vertreten wären.
Wie stehst du zur Online-Musik-Piraterie, die mittlerweile die Plattenfirmen regelrecht hysterisch werden lässt?
Ich sehe in diesem Punkt das Internet nicht als durchweg negativ. Sicher ist es nicht gerade förderlich für die Verkaufszahlen von CDs. Aber ich glaube trotzdem, dass sich echte Fans auch heutzutage immer noch das Album im Laden kaufen. Wenn ich da mich mal als Beispiel nehme, ist das genauso. Ich lade mir ein paar Songs einer Band runter und wenn sie mir richtig gut gefallen, gehe ich in den nächsten Plattenladen und kaufe mir das entsprechende Album. Außerdem kann man im Internet eine sehr gute Promotion betreiben, was schließlich auch für Undergroundbands von Vorteil ist, da sie leichter entdeckt werden können.
Genauso sehe ich das auch. Zeitgleich zu „Wicked Is My Game“ erschient noch die Neuauflage eurer ersten beiden Alben zusammen auf einer CD. War das eure Idee oder die des Labels?
Darauf kam Nuclear Blast. Wir hatten damit nichts zu tun, haben aber auch nichts dagegen. So haben die Fans, die diese Alben noch nicht haben, die Möglichkeit, beide zum Preis von einem zu kaufen. Desweiteren ist es natürlich auch eine gute Promotion für uns. Ich kann an dieser Veröffentlichung nichts Negatives erkennen.
Wie erklärst du dir die Stabilität eures Line-ups, das sich seit Beginn nicht verändert hat?
Wir haben uns alle sehr früh in der Schule kennengelernt. Als wir dann die Band formten, hatte jeder die gleichen Ideen und Ziele, weswegen wir als Menschen perfekt zusammen passten. Wir sind sehr enge Freunde, leben alle ziemlich nah beieinander und haben einen großartigen Kontakt untereinander, der unsere Bindung nur noch weiter verstärkt. Natürlich gibt es auf Tour mal den ein oder anderen Streit, aber das ist normal und sogar gut, denn so bleibt eine Band am Leben und schläft nicht ein. Es darf nur nicht zur Regelmäßigkeit werden.
Du sprachst gerade eure Ziele an. Wie sehen sie aus? Haben sie sich seit eurem Debüt verändert?
Ja, haben sie. Am Anfang wollten wir eigentlich nur eine CD veröffentlichen. Das haben wir ja bereits geschafft. Jetzt ist es recht schwer neue Ziele zu setzen, da unsere Art von Musik auf eine Weise recht limitiert ist. Du wirst nie wissen, wo du landen wirst, wenn du diese Musik spielst. Im Prinzip wollen wir aber alles daran setzen, irgendwann einmal von der Musik leben zu können. Das ist das Hauptziel.
Das impliziert, dass ihr jetzt noch nicht von der Musik allein leben könnt. Was machst du nebenbei?
Im Moment bin ich Möbelpacker. (lacht)
Das passt aber doch ganz gut. Du sparst dir das Geld für das Fitness Studio und trainierst dabei sogar noch die Muskeln fürs Schlagzeug spielen. 🙂
Da hast du natürlich recht. (lacht erneut) Aber es macht trotzdem mehr Spass, den ganzen Tag Musik zu machen, als Schränke zu schleppen.
Ja, das ist logisch. Ihr seid trotz eurer drei Alben im Rücken immer noch eine sehr junge Band. Siehst du das als Vorteil oder als Nachteil für das Bestehen in der Szene?
Ich denke, dass es ein Vorteil ist. Natürlich gibt es Leute, die uns auf den ersten beiden Alben nicht ernst genommen haben, weil wir einfach besoffen waren. Aber aus dem Alter sind wir raus. Wir haben eine Menge gelernt, was das Business angeht, und finden uns gut zurecht darin. Deswegen ist es auch ein Vorteil, dass wir jetzt erst 22 sind, denn so haben wir noch viele Alben vor uns. Wir werden auch mit unserem sechsten Album noch nicht zum Altenteil gehören.
Das nenne ich mal gute und anspornende Aussichten. Ich bedanke mich für das geduldige Beantworten meiner vielen Fragen trotz eines harten Arbeitstages und wünsche in diesem Sinne ein erholsames Wochenende. 🙂 Die letzten Worte gehören dir.
Dir auch erstmal danke für das Interview. Leute, checkt das Album an! We’ll hope to see you in Germany as soon as possible to raise some hell! Take care!