Quadrivium
Interview mit Erlend Antonsson zum Album "Methocha"

Interview

Quadrivium

Welch ein Unterschied: Sein letztes musikalisches Lebenszeichen war das vorzügliche NÀTTSÒL-Debüt, das ganz in der Tradition der Naturmystik früher ULVER stand, und jetzt hat sich Erlend Antonsson mit seiner aktuellen Band QUADRIVIUM ganz progressiven Black-Metal-Klängen verschrieben. Und er hat mit „Methocha“ keine halben Sachen gemacht. Keine Frage: Ein Interview mit dem Norweger musste her – und wir erwischten ihn just an dem Tag, für den vermeintlich ein Maya-Kalender das Ende der Welt prophezeite. Nun, die Welt ist nicht untergegangen, und Erlend ist nach wie vor bester Stimmung, wie er uns direkt bestätigt:

Derzeit schalte ich mal einen Gang herunter und erwarte das Ende eines weiteren Jahres. Auch feiern, dass die Welt am heutigen Tag nicht untergegangen ist, selbst wenn das jetzt keine so große Überraschung ist. Aber immerhin ist es eine gute Entschuldigung, um das eine oder andere Bier zu verhaften.

Ich möchte mal ein bisschen in der Vergangenheit anfangen: Vor zweieinhalb Jahren hast Du mit NÀTTSÒL das großartige „Stemning“-Album rausgebracht. Aber schon kurz nach Veröffentlichung hast Du die Band verlassen. Warum hast Du dieses Kapitel abgeschlossen?

Nach ein bisschen Sessionarbeit und dem „Stemning“-Album ist mir klar geworden, dass ich das neue QUADRIVIUM-Album niemals fertigbekommen würde, wenn ich so weitermache. Im Grunde genommen habe ich also alles andere beendet, um mich komplett der Fertigstellung von „Methocha“ zu widmen. QUADRIVIUM war eigentlich immer die Band, die mir am meisten am Herzen liegt, und „Stemning“ war eher ein Vorstoß in eine andere Art von Metal. Nach der Veröffentlichung fühlte ich, dass in diesem Genre von meiner Seite aus einfach alles gesagt worden war, was meinen Ausstieg umso leichter gemacht hat. Aber ich bin wirklich froh darüber, dass die anderen Jungs mit der Band weitermachen.

Im ersten Moment wirkt QUADRIVIUM wie das komplette Gegenteil von NÀTTSÒL: Während „Stemning“ hauptsächlich auf Stimmungen und Atmosphäre basiert, steht „Methocha“ eher auf der progressiven und technischen Seite der Musik. Wie siehst Du diesen Unterschied? Oder gibt es auch Gemeinsamkeiten?

Gute Frage. Sie klingen sicherlich unterschiedlich, aber für mich sind sie einfach nur unterschiedliche Seiten meiner Persönlichkeit. Stimmungen und Atmosphäre sind auf „Methocha“ auch wichtig, aber sie sind wesentlich verschachtelter und komplexer ausgedrückt und die Musik malt ein ganz anderes Gemälde. Sie sind wie zwei Gebäude, die gewissermaßen mit unterschiedlichem Werkzeug erschaffen wurden. Konkret habe ich „Stemning“ komplett auf einer Akustikgitarre geschrieben, während „Methocha“ fast ausschließlich auf einem Synthesizer komponiert wurde.

Gibt es irgendeine Idee davon, wie sich QUADRIVIUM anzuhören hat? Weißt Du beim Songwriting von vornherein, was zur Band passt und was nicht?

Ich denke, hinter QUADRIVIUM steckt keine weitere Mission oder Absicht, als die Musik zu veröffentlichen, mit der ich meine Persönlichkeit ausdrücke. Wenigstens war das bislang der Fall. Seit wir das Line-Up erweitert haben, steckt natürlich auch von den anderen Bandmitgliedern viel in der Musik. Auch wenn ich also die gesamte Musik und alle Texte geschrieben habe, wäre das Album ohne das Zutun der anderen Mitglieder nicht das, was es ist. Sie haben sich alle gut eingebracht. Ein Beispiel sind die Sänger, die ihre Gesangsparts selbst arrangiert haben und mit Gesangslinien ankamen, auf die ich wahrscheinlich nie gekommen wäre. Es ist also immer mehr zu einer Teamarbeit geworden, und ich würde das in der Zukunft gern noch weiter ausbauen.

Wenn ich wissen möchte, ob etwas in dem Song stimmt, schließe ich die Augen, höre es mir an und merke dann aus dem Bauch heraus, ob es richtig oder falsch ist. Wenn es falsch ist, bekomme ich ein entsetzliches Gefühl. Es hat also viel mit Instinkt zu tun, wenn du so willst, mit dem Bauchgefühl. Ich kenne mich kein bisschen mit Musiktheorie aus, also kann ich nichts auf dieser Basis beurteilen.

„Methocha“ ist Teil des Namens einer Art Sandwespe, aber wenn ich mir den Text zum Titeltrack durchlese, scheinst Du das eher symbolisch zu verwenden. Deine Texte scheinen eher persönliche Betrachtungen von Themen wie Verstand oder Religion zu sein.

Du hast Deine Hausaufgaben gemacht! Es ist richtig, dass das der Name dieser schrecklichen Sandwespe ist. Schau Dir mal Videos auf YouTube an – dann siehst Du, wie sie arbeitet. Dann ist es nicht schwer zu sehen, an welche andere bestimmte Spezies sie erinnert.

Ich denke, alle anderen Texte sind tendenziell ganz ähnlich. Ich möchte da aber gar nicht zu sehr ins Detail gehen, was ich wie gedacht habe, als ich den Text geschrieben habe. Wenn andere erzählen, was sie aus den Texten herauslesen, ist das eigentlich immer viel interessanter. Ich möchte nur exemplarisch für die Lyrics zu „Destroyer“ kurz meine Storyline erläutern: Darin geht es um die Zerstörung der Erde durch eine riesige Bestie, erzählt aus der Sicht einer Person, die diese Bestie begrüßt und ihr zujubelt. Macht das Sinn?

Was inspiriert Dich dann zu Deinen Lyrics?

Die Songs, in denen sie verwendet werden. Ich höre sie mir immer und immer wieder an, um zu sehen, welche Bilder sie in meinem Kopf malen. Darauf basierend schreibe ich dann die Texte.

Auch wenn Du in der Musik eine Menge Einflüsse verarbeitest, passt in den Songs doch alles sehr gut zusammen. Beispielsweise gibt es in „Phobos Anomaly“ eine orientalisch inspirierte Gesangsmelodie, später versprüht der Track eine Art Cabaret-Feeling…

Cabaret-Feeling ist wirklich ein exzellenter Ausdruck dafür. Ich halte es für diese Art Noir-Metal. Als wenn ich das Stück in den 1920er Jahren oder so geschrieben hätte. Es enthält auch Einflüsse aus diesen alten Mystery-Sendungen im Fernsehen oder Detektivgeschichten. Ich habe den Song sogar wie eine Mord und Mystery-Geschichte strukturiert: Die Sache fängt normal an, und dann gibt es an jeder Ecke Abweichungen, Wendungen und vermeintliche Abschlüsse der Geschichte. Das zu schrieben war eine sehr interessante Erfahrung, und es war schwierig, das ganze nicht zu zerstückelt klingen zu lassen.

Gibt es einen Track, auf den Du besonders stolz bist?

Nein, eigentlich habe ich keinen speziellen Lieblingssong auf dem Album, ich mag sie alle. Aber „Phobos Anomaly“ ist immer noch sehr interessant, und „The Labyrinth Of Infinity“ mag ich wegen seiner dunklen Ausstrahlung und weil er so unendlich erscheint. „Deep Syphon Focus“ mag ich auch sehr gern.

Wie auf dem NÀTTSÒL-Album sind auf „Methocha“ wieder viele Gastmusiker beteiligt. Beispielsweise wurden alle Gitarren von Session- oder Gastmusikern eingespielt. Haben sich durch ihren Einfluss die Songs nochmal verändert?

Eigentlich wollten wir diesmal auf keinen Sessiongitarristen zurückgreifen, aber unser regulärer Gitarrist Thor-Axel Eriksen hatte einfach keine Zeit, als wir die Aufnahmen starten wollten. Wie ich ja schon sagte, wäre das Album ohne die Einflüsse der anderen nicht das geworden, was es nun ist. Etienne Gallo ist meiner Meinung nach einer der besten Metaldrummer derzeit. Er vereint die rare Kombination, Blastbeats und diesen Doublebassdrum-Kram hinzulegen, dann aber auch sehr groovige Rhythmen, wie beispielsweise einen Shuffle in halber Geschwindigkeit. Sehr unterbewertet, wie ich finde. Natürlich haben die Sänger auch ihren Fingerabdruck auf dem Album hinterlassen. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir Leif-Johan Godø gefunden haben, als klar wurde, dass Lars Jensen diesmal nicht den Gesang übernehmen kann.

Nach dem „Adversus“-Album war ich davon überzeugt, dass es eine gute Idee sein würde, noch mehr Musiker mit einzubeziehen, und es hat sich als richtig herausgestellt. Manchmal war ich überrascht über die Dinge, die sie einbrachten, aber meistens hat es doch so am besten gepasst, wie ich es von Anfang an vorgesehen hatte.

Du hast gesagt, dass Lars Einar Jensen diesmal nicht bei den Aufnahmen dabei war. Warum nicht?

Lars ist derzeit eher ein Mitglied im Geiste. Vor einiger Zeit hat er beschlossen, eine Auszeit von der Musik zu nehmen, und derzeit scheint er sich immer noch in dieser Auszeit zu befinden. Als die Aufnahmen zu „Methocha“ anstanden, mussten wir uns einen Ersatz suchen, den wir in Leif-Johan Strode Godø gefunden haben, und er ist in der Tat ein würdiger Ersatz. Da hatten wir ein weiteres Mal ein glückliches Händchen bei der Auswahl. Ich hoffe wirklich sehr, dass Lars wieder zu seiner Musik zurückfindet und das MYRKGRAV-Album fertigstellt, das verblüffend werden wird. Er ist bei uns jederzeit willkommen und er erkennt das an, was wir derzeit machen.

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Es gibt noch zwei Gastmusiker, die nicht aus Norwegen stammen: Einmal Etienne Gallo aus Kanada Attila Bakos aus Ungarn. Wie hast Du diese talentierten Musiker zusammenbekommen?

Bei Attila Bakos war es so, dass er uns direkt nach Veröffentlichung des „Adversus“-Albums kontaktiert hat. Er sagte, dass er die Musik mag und dass er gerne bei uns einsteigen würde, um Teile des Gesangs zu übernehmen. Ganz ehrlich, ich habe nicht viel erwartet, aber ich war so nett und habe ihn gefragt, ob er nicht etwas aufnehmen könne, was ich mir dann anhören kann. Ich brauche nicht zu betonen, dass er mich mit seinen Aufnahmen beeindruckt hat und sehr glücklich war, als er schließlich zu uns stieß.

Nachdem wir unsere Aktivitäten rund um das „Adversus“-Album beendet hatten, habe ich beschlossen, dass ich auf dem nächsten Album einen richtigen Drummer haben möchte. Zu der Zeit hatte ich schon ein paar Schlagzeuger im Blick, aber irgendwann sah ich ein Video von den Aufnahmen von Etienne Gallo mit seiner Band AUGURY, und ich war hin und weg von seinen Fertigkeiten und seiner Kreativität. Sein Stil hat mir gefallen und passte irgendwie perfekt zu meiner Musik, weswegen ich ihm ins Blaue hinein eine E-Mail schrieb. Dankenswerterweise mochte er die Musik, die ich bis dahin fertig hatte, und er sagte für die Aufnahmen zu. Wenn du möchtest, dass ein Metalalbum gut klingt, brauchst du einen guten Schlagzeuger und eine gute Ausrüstung, also haben wir ihn ins Wild Studio in Kanada geschickt. Ich denke, das Resultat spricht für sich. Da wir aber so weit auseinander leben, müssen wir die meiste Arbeit per E-Mail oder über Skype erledigen, wodurch alles ein wenig länger dauert. Aber im Endeffekt hat sich alles gelohnt.

Gibt es denn unter diesen Voraussetzungen irgendwelche Pläne, vielleicht mit Sessionmusikern live aufzutreten?

Zur Zeit gibt es keine Pläne. Dort, wo ich lebe, gibt es einfach nicht so viele gute Metalmusiker. Und selbst wenn ich in ein städtischeres Umfeld ziehen würde, würden wir doch immer eine Studioband bleiben. Das liegt mir eigentlich am ehesten, und von daher richte ich meinen Fokus auf das nächste Album. Auch wenn ich ab und zu davon träume, unsere Musik live aufzuführen. Das wäre zumindest interessant!

Das war’s auch schon. Danke für das Interview!

Danke selbst! „Methocha“ ist jetzt draußen – für alle von Euch, die darauf stehen, wenn Metal avant-garde, komplex und trotzdem heavy ist.

23.12.2012

- Dreaming in Red -

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