Pulse
Interview mit Bassist Jagan

Interview

Pulse

Die französische Dance-Metal-Band PULSE befindet sich genau in der Schnittmenge zwischen Modern Metal und einer Vielzahl an Dance Projekten aus den Neunzigern. Dass die Band damit nicht jeden Geschmack trifft, ist Bassist Jagan, der uns zu einem Interview zur Verfügung stand, absolut bewusst. Aber gerade darin besteht eine gewisse Herausforderung, die die Jungs und das Mädel gerne auf sich nehmen…

 

PULSE ist eine Band, die noch ganz am Anfang steht und deshalb auch noch völlig unbekannt ist. Stell die Band doch bitte kurz vor…

In unserer Heimatstadt Toulouse, das ist im Süden von Frankreich, gibt es viele Musiker, und ein Großteil von diesen Leuten fühlen sich im Metal-Genre zu Hause. Vielleicht haben wir uns von dieser enthusiastischen Aufbruchstimmung einfach mitreißen lassen, das weiß ich nicht mehr so ganz genau. Aber irgendwann habe auch ich mit ein paar Freunden angefangen Punk Rock zu spielen, und etwas später dann auch richtig harten Metal. Wir haben allerdings schon damals immer darauf geachtet, harte und melodische Parts in unseren Songs zu verbinden. Aber das war uns noch nicht genug. Wir wollten viel mehr aus dieser Idee herausholen und haben uns diesbezüglich von DEADLOCK beeinflussen lassen: Pop-Female-Vocals meets Metal! Diese Kombination war für uns eine Offenbarung, etwas ganz anderes als typisch klingender Symphonic Metal. Wir wollten aber auch keine Kopie sein, deshalb haben wir versucht, die Extreme einfach noch etwas auszuloten, unsere Songs noch melodischer klingen zu lassen und insgesamt einfach noch einen Schritt weiterzugehen. Die entscheidende Eingebung hatte ich schließlich, als wir eines Tages vom Plattenladen nach Hause zurück kamen und ich die beiden CDs, die ich gekauft hatte – eine von CASCADA und eine von DIMMU BORGIR – nebeneinander auf dem Tisch liegen sah und ich dachte: „Das ist total verrückt!“ – Dieser Tag war die Geburtsstunde von PULSE.

Ich habe ehrlich gesagt noch keine andere Metal-Band gehört, die so melodisch ist wie PULSE. Das Debüt, „Move On“, war wie eine Offenbarung und erinnert oft an Dance Projekte meiner Jugend. In meinem Review zum Album habe ich zum Beispiel DUNE erwähnt. Aber wer oder was hat euch tatsächlich beeinflusst, um die Musik zu machen, die jetzt zu hören ist?

PULSE war bereits von Anfang ein Problem für sich, insofern, dass wir zwei völlig unterschiedliche Musikstile versuchen miteinander in Einklang zu bringen. Damit das funktioniert, verwenden wir fast ausschließlich Elemente, die einfach umzusetzen und auch gut anzuhören sind. Wir haben uns also gegen moderne, elektronische Spielereien entschieden – das können andere besser als wir – und uns Euro- und Dream-Trance-Projekten gewidmet und genau solche Melodielinien mit simpleren Metal-Parts verbunden, um die Musik nicht zu überladen und den Zuhörer letztendlich auch nicht zu überfordern. Auf Hardcore-Elemente und Old School Heavy Metal haben wir bewusst verzichtet. Für einige Leute ist unser Sound damit aber immer noch eine harte Nuss, für andere weniger. Du empfindest das Album wahrscheinlich deshalb so melodisch, da wir Metal-Songs schrieben, während wir tatsächlich Techno gehört haben! Interessant, nicht wahr? Natürlich fällt auch ein Großteil deines Empfindens auf unsere Sängerin zurück. Ihre Stimme ist ausschlaggebend dafür, dass wir überhaupt poppige Songstrukturen in unseren Songs integrieren können.

Habt ihr eigentlich mal daran gedacht, anstatt Metal ein reines Dance Projekt zu machen? Was ist überhaupt so wichtig für euch, Metal-Elemente in eure Songs zu integrieren?

Das ist schwierig zu beantworten… Natürlich hätten wir ein reines Dance Projekt starten können, denn wir wollten ja Musik machen, die einfach ist und gut anzuhören. Auf der anderen Seite aber sind wir in erster Linie Musiker, die aus einem Rock- und Metal-Umfeld stammen, und auf diese Musik nicht verzichten wollen. Im Prinzip wollten wir einfach etwas anderes machen als andere, in gewisser Weise etwas verrücktes, genauso wie etwas, das uns und anderen eine Menge Spaß macht. Das Konzept der Band beruht jedenfalls von Anfang an darauf, zwei völlig unterschiedliche Energien zu kombinieren, zwei Musik-Stile, die wir tagtäglich für sich allein hören und auch mögen. Für mich persönlich ist der Reiz außerdem folgender, dass es möglich ist zu tanzen und zu headbangen, und das alles während einer einzigen Show. Es kommt auch schonmal vor, dass wir im Auto einen Song von CASCADA mitsingen, während zuvor und im Anschluss MESHUGGAH läuft. PULSE ist also so etwas wie ein „All-In-One“-Projekt. Wir haben viele Fans auf Facebook, die uns immer wieder sagen, dass wir genau die Musik spielen, wonach sie immer gesucht haben… Also können wir doch gar nichts falsch machen, oder? (lacht)

Du weisst doch aber, dass „Metalheads“ nicht gerade aufgeschlossen sind? Experimente und vor allem Dance oder Trance hat für viele Leute nichts im Metal zu suchen. Du hast doch sicherlich auch die Kommentare zum Review eures Albums gelesen… Wie geht ihr denn mit solchen Meinungen um? Ärgert euch so etwas oder interessiert euch das überhaupt nicht?

(lacht) Ich kann nicht behaupten, dass mich solche Meinungen gar nicht interessieren, aber ärgern tut mich das jetzt auch nicht. Ich meine, uns war von Anfang an klar, dass PULSE eine Band ist, die unheimlich stark polarisiert. Entweder du liebst unsere Musik, oder du hasst sie. Es gibt keinen Mittelweg. Meiner Meinung nach haben wir aber gerade im Metal die tolerantesten und aufgeschlossensten Fans. Es gibt kein anderes Genre, das so viele Experimente hat mit sich machen lassen, wie Metal. Aber du hast recht wenn du sagst, dass Metal heute sehr viel breiter gefächert ist als jemals zuvor. Zu sagen: „Ich höre Metal!“, hat heute aus diesem Grund fast gar keine Bedeutung mehr, denn du findest mittlerweile eigentlich fast alles im Metal: Hip Hop, R’n’B, elektronische und symphonische Elemente…es gibt eigentlich nichts, was nicht im Metal Verwendung findet.

Wie reagiert eigentlich das Publikum auf eure Live-Shows?

Da wir bis jetzt noch ziemlich unbekannt sind, reagiert das Publikum immer sehr überrascht, so dass wir bisher überwiegend positive Reaktionen hatten: Metalheads in den ersten Reihen schütteln ihre Matte, die Leute weiter hinten genießen die melodischen Parts und fast jeder bewegt sich zu unseren manchmal fast schon kitschig klingenden Dance-Parts. Wir wussten, wie gesagt, dass es hart werden würde die Leute in unser kleines Universum hineinzuziehen, aber mit einer großartigen Bühnenshow mit Neons, Lasern und Rauchmaschinen konnten wir bisher wirklich jeden begeistern. Wir involvieren das Publikum zum Beispiel auch direkt in unsere Shows, indem wir fluoreszierende Stäbe ins Publikum reichen und die Leute animieren, die Stäbe in der Luft zu schwenken.

Leider haben wir bisher noch keine Shows außerhalb von Frankreich gespielt. Aber am 24. September 2011 wird es eine Show in der Matrix in Bochum geben, als Support für FAILED PERFECTION. Und wenn ich mir unsere Verkaufsstatistiken so anschaue stelle ich fest, dass wir vor allem in den USA, in Japan, in Kanada, in Großbritannien und in Deutschland ziemlich gut ankommen. Insofern werden sicherlich bald weitere Shows im Ausland folgen.

Ein weiterer Aspekt neben der Musik sind natürlich die Texte. Ich habe den Eindruck, dass eure Texte nicht wie üblich von dunklen und melancholischen Themen handeln, sondern eine gute Stimmung erzeugen. Kannst du dir vorstellen, dass eure Songs auch mal vom Tod handeln?

Das ist alles etwas komplizierter, als es den Anschein hat. Denn obwohl unsere Songs durchaus fröhlich klingen und auch die Texte nicht immer auf dem ersten Blick eine melancholische Seite offenbaren, verstecken sich darin sehr wohl auch düstere Themen! In unseren Texten versuchen wir ein Thema immer von mehreren Seiten aus zu betrachten, und das ist auch der Grund dafür, dass du tatsächlich auch positive Lyrics hörst. Aber – und deshalb haben wir zwei Sänger – es gibt auch immer eine Seite, die genau das Gegenteil der positiven Elemente verkörpert. Ein weiterer Punkt ist sicherlich auch, dass wir als noch junge Band mit einem großen Horizont Themen bedienen, die im traditionellen Metal unüblich sind. Wir sprechen nämlich über UNSERE Generation und UNSERE Probleme! „Synthetic Feelings“ zum Beispiel handelt von Perversen und Vergewaltigern, die ihre Opfer im Internet wie in einem Bestellkatalog ausspähen… „Eden Prime“ hingegen ist eine Zukunftsvision unseres sterbenden Planeten, und „Afterlife“ handelt…vom Tod! Aber aus der Sichtweise einer immer größer werdenden atheistischen Generation, die der Ansicht ist, dass wir nach dem Tode weder bestraft noch in irgendeiner Art und Weise belohnt werden – wir sterben, und das wars. Solche Themen haben vor zehn Jahren noch keine so bedeutende Rolle gespielt. Verstehst du was ich meine? Und das sind ganz sicher keine Themen, die überschwänglich positiv sind! (lacht)

Wenn ich mir allerdings Hiros Screams und Growls anhöre, so klingen diese auch nicht wirklich immer unglaublich böse… Ich würde sagen, dass Hiro mit seinem Gesang so eine gewisse Art von „positiver Aggressivität“ transportiert. Kannst du mir denn diesbezüglich zustimmen?

Yeah, das ist gut beobachtet und trifft auch zur Hälfte zu. „Positive Aggressivität“ (kichert) – das ist cool… Aber im ernst, seine Screams sind immer im Einklang mit dem aktuellen Thema, das wir im jeweiligen Song zur Sprache bringen. In „Eden Prime“ zum Beispiel schreit sich Hiro die Seele aus dem Leib, weil er die Generation unserer Väter und deren Väter an den Pranger stellt, weil diese Generation unseren Planeten aufgrund von Ignoranz und Eigennützigkeit langsam aber sicher völlig zerstört hat. Aber wir wollen ihre Fehler ausbügeln und wieder aufbauen was zerstört wurde. Insofern hat Hiro einen negativen als auch einen positiven Part zu intonieren. Aber ganz allgemein gesehen versuchen wir immer, dass unsere zwei Sänger auch zwei ganz unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck bringen. In „Synthetic Feelings“ spielt Anna das junge Mädchen, das ahnungslos im Internet Freunde sucht, und Hiro den Vergewaltiger, während sich beide hinter ihren Monitoren näher kommen. Das ist eine simple Art eine Geschichte zu erzählen, und die Screams nutzen wir als Gegenpart zu den Clean Vocals von Anna.

Kommen wir noch einmal auf euer Album zu sprechen… Welchen Titel magst du persönlich denn am liebsten und warum?

„Move On“ hat als Album für jeden von uns eine große Bedeutung. Außer für Anna, die vorher mit R’n’B- und Dance-Acts gearbeitet hat, liegen unsere Roots im Metal, und deshalb war jeder Song eine neue Erfahrung und auch eine Herausforderung für uns. Wir haben neue Sounds ausprobiert, neue Songstrukturen entwickelt und an neuen Melodien gearbeitet. Jeder einzelne Song hat seine eigene Persönlichkeit. Und da wir viele Monate an diesem Album gearbeitet haben, fällt es ehrlich gesagt sehr schwer nur einen bestimmten Song herauszupicken. Ich liebe sie alle!

Ich hoffe doch, dass ihr bereits an neuen Songs arbeitet? Denn ich möchte noch viel mehr von PULSE hören. Welche Pläne habt ihr im Moment? Was gibt es in Zukunft von PULSE zu hören?

Wir hatten natürlich gehofft, dass wir für unser bisher in Eigenregie verkauftes erstes Album auch noch einen handfesten Album-Deal bekommen könnten, aber das blieb bisher aus. Den Kopf in den Sand stecken wollen wir jedenfalls nicht, auch wenn es hart ist, nach einem Jahr harter Arbeit und unglaublich viel an investiertem Geld für „nichts“ weiterzuarbeiten. Wir haben deshalb lange hin und her überlegt, ob wir weitermachen sollen oder nicht, aber die vielen positiven Stimmen, die in der Zwischenzeit auf uns zugekommen sind, haben uns nach einer ersten Niederlage doch wieder auf die Beine gestellt. Wir haben unsere Arbeitsweise mittlerweile auf einen neuen Stand gebracht und versuchen jetzt erst mal unsere Songs etwas einheitlicher klingen zu lassen. Das bedeutet, dass Dance- und Rock- bzw. Metal-Parts nicht mehr voneinander getrennt sind, wie es bisher der Fall war, sondern wir integrieren beide Stile sehr viel homogener als zuvor. PULSE klingen aber immer noch wie PULSE. (lacht) Einen Song kannst du dir übrigens bereits jetzt anhören: „Still Alive

Wir denken auch gerade darüber nach, ein Musikvideo zu drehen. Schließlich hat sich YouTube bisher als guter Weg für uns entpuppt, neue Fans zu finden. Also werden wir auch diese Plattform für unsere Zwecke weiterhin nutzen!

Ich danke dir für das Interview und wünsche euch weiterhin viel Erfolg. Möchtest du noch etwas ergänzen?

So lange die Leute headbangen und tanzen, wird uns nichts erschüttern. Merci!

20.07.2011
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