Pulled Apart By Horses
Interview mit Sänger und Bassist Rob Lee

Interview

Pulled Apart By Horses

Zeiten ändern sich. Was früher eine Foltermethode war, ist heutzutage ein gewöhnlicher Bandname. Wir sprachen mit Rob Lee von PULLED APART BY HORSES über deren aktuelles Album „Blood“. Bei den vier Herren in England scheint noch heile Welt zu sein, denn demokratisch und kreativ geht es bei PULLED APART BY HORSES zu „…wir möchten die Persönlichkeit und Kreativität jedes einzelnen stets präsent haben…“, aber lest selbst, was es mit Friede, Freude und Eierkuchen auf sich hat.

PULLED APART BY HORSES, jedes Bandmitglied vorgestellt mit einem Satz

Hi, ich bin Rob Lee, zuständig für Bass, Gesang, schlechte Witze und den verzweifelten Versuch, alles zusammenzuhalten.
Tom Hudson: Gitarre und Gesang, schlechtes Benehmen auf die unmöglichste Art und Weise und ein großes schnell schlagendes Herz.
James Brown: Gitarre, Camp Oddball, Verteiler des magischen Staubs und gleichermaßen auch im Stande, möglichst viel kaputtzumachen.
Lee Vincent: Schlagzeug, Mistantroph mit dem eisernen Willen zu überleben.

Wie wurde aus euch PULLED APART BY HORSES?

Es war unser Schicksal! Wir zogen alle nach Leeds, um dort Kunst zu studieren, außer Lee, der kam wegen der Musikszene. Wir hatten alle bereits in Bands gespielt, die sich aber aufgelöst hatten, und wollten unbedingt wieder Musik machen. Ich traf James 2008, er war so eine Art zentrale Figur in der Musikszene in Leeds. Er betrieb ein kleines Label und veranstaltete darüber eine Menge Gigs. Von seiner vorherigen Band IT TAKES BRIDGES hatte ich schon eine Menge gehört und ich mochte die Musik, die sie spielten, sehr. Also drängte ich ihn dazu, eine neue Band zu gründen und glücklicherweise hatte er über das Musikerforum in Leeds Kontakt mit Lee Vincent aufgenommen. Den hatte ich wiederum schon mit seiner vorherigen Band CONCENTRATION CHAMP gesehen und ich fand sie furchteinflößend gut. Wir drei taten uns also zusammen und begannen, harte riffbasierende Songs rund um die Zeilen von „The Jesus Lizard“ zu schreiben. Nach ein paar Proben stellte uns James dann Tom vor, der in einer Band namens MOTHER VULPINE war. Auch die hatte ich vorher schon mal gehört und fand sie eigentlich ganz gut, konnte mir aber nicht vorstellen, dass das irgendwie zu dem passen könnte, was wir spielten. Als er aber dann über unsere Riffs schrie, war sofort klar – er war das fehlende Stück gewesen und nun war der Kreis komplett.

Wo siehst du die Hauptunterschiede zwischen „Blood“ und dem letzten Album „Tough Love“?

Na ja, für „Blood“ haben wir uns mehr Zeit genommen, für die Aufnahmen und für das Schreiben. Als wir „Tough Love“ schrieben, waren wir auf Tour und hingen die ganze Zeit zusammen. Ein Großteil davon, was die Texte reflektieren, sogar der Titel, handelt irgendwie davon, wie es ist in einer Band zu sein. Die Musik wurde dann daheim geschrieben oder während des Soundchecks. Das Album hat etwas sehr Direktes, wir hatten zwei Wochen für die Aufnahmen und generell einen sehr straffen Zeitplan. Das dritte Album „Blood“ entstand schon sehr viel natürlicher, hatte mehr Zeit zu wachsen und sich zu entwickeln. Wir nahmen es innerhalb einiger Wochen in Leeds auf, ließen es liegen, kamen dann zurück und arbeiten weiter daran. Wir nahmen uns außerdem ein ganzes Jahr eine Auszeit vom Touren, um daran zu schreiben. Es ist also sehr viel reflektierter, musikalisch und textlich. Auf mich wirkt es dadurch größer, weitläufiger und atmosphärischer. Wir hätten das ganz sicher schon mit „Tough Love“ erreichen können, hatten damals aber nicht die Zeit, um uns dem Album entsprechend zu widmen.

„Hot Squash“ ist ein toller erster Song, mit einem Hauch Stoner Rock, und „you should have known“ wird immer wieder intensiv wiederholt. Die große Frage ist: Was ist es, was man „hätte wissen müssen“?

Der Song entstand, nachdem Lee, Tom und ich unabhängig voneinander den Film „The Master“ gesehen hatten, er hatte uns allen sehr nachgehangen und uns beschäftigt. Wir hatten starke Texte basierend auf den Themen Kontrolle, Fundamentalismus und blinder Glaube geschrieben. Politik und Religion finden wir alle gleichermaßen frustrierend. Die Worte „Ich hätte es wissen müssen“ sind die Stimme eines Menschen, der auf die andere Seite kommt. Einer der merkt, dass er kontrolliert und manipuliert wurde. Es ist zwar traurig, dass er betroffen war, aber gleichzeitig hat er daraus gelernt und ist gestärkt.

„ADHD in HD“ and „Outahead“ sind beide sehr vom Bass dominiert. Oft wird diesem Instrument nicht soviel Präsenz zugestanden, aber auf „Blood“ hört man ihn sehr gut. Wurde bewusst Wert darauf gelegt?

Wir haben eine sehr gut funktionierend Demokratie in der Band, verbringen viel Zeit miteinander und agieren als Team, wir möchten die Persönlichkeit und Kreativität jedes einzelnen stets präsent haben. Ein Großteil unserer Songs sind riffbasierend, also braucht es auch einen guten Untergrund, um die großen Riffs spielen zu lassen. Die meisten unserer Lieblingsbands wie BLACK SABBATH, QUEENS OF THE STONE AGE oder auch RAGE AGAINST THE MACHINE haben sehr viel Bass im Mix. Ich denke, das ist eine wichtige Schlüsselzutat, um harte, groß klingende Musik zu machen. Wenn du die Gitarren nur so hoch wie möglich cranken lässt, stiehlst du der Band viel davon, was sie eigentlich als Ganzes ausmacht. Wenn die Musik ausgewogener gemixt wird, dann kannst du mehr vom eigentlichen Zusammenspiel hören, das kann letztendlich alles aufwerten.

„Grim Deal“ ist ein smoother Song mit aufmüpfigem Text. Findest du das der Rock mehr Dreck und Rebellion vertragen kann? Gerade die Briten haben sich noch ein Stück mehr Rock bewahrt.

Ich denke es geht in erster Linie darum ehrlich zu bleiben. Wenn du gezwungen versucht rebellisch oder dreckig zu sein, dann sieht man, dass es falsch ist. Das Lied ist eine Art Hangover-Song. „Grim Deal“ handelt davon, sich verwundbar zu fühlen und einen harten, ehrlichen Blick auf sich selbst zu gönnen, darum die „Schande aufzusaugen“ und sich damit abzufinden. Es geht um Versagensangst und andere Dinge in der Art. Es ist also ein sehr verletzlicher Song. Tough oder rebellisch zu klingen war nicht beabsichtigt, aber ich denke schon, dass jeder eine gewisse Rebellion in sich trägt und sagen möchte, was er denkt und mit nichts zurückhalten will.

„Golden Monument“ ist ein zeitloser Song, das beste Kompliment für einen Song, aber er basiert auf einem sehr einfachen Grundgerüst. Was fällt euch leichter, komplexe Arrangements mit vielen Tricks oder eingängige, simple Stücke?

Wir setzten uns selbst keinerlei Regeln. Immer, wenn uns Leute fragen, welche Art von Band wir sind, dann sind wir stolz, sagen zu können, dass wir das selbst nicht so genau wissen. Wir haben einen sehr breiten Geschmack und es sind unterschiedliche, starke Persönlichkeiten in der Band, also sind wir  gegenüber allem, was wir mögen, offen. Alles ist gut, was für den Song gut ist. Wenn es einfach und direkt sein muss, dann ist es das. Wir machen niemals gezwungen etwas Komplexes, nur um es getan zu haben, außer wenn ein Lied sich zu etwas Komplexem entwickelt und mehrschichtig wird, dann gehen wir den Weg.

Sei mal ein böser Vater und verrate mir, welches deiner Kinder auf „Blood“ dein Liebling ist und warum?

Mir gefällt wirklich gut, wie „Blood“ als Einheit klingt. Ich vermute, das ist es auch wirklich, was ein Album tun sollte – am Stück hörbar und nicht nur einzelne, herausgepickte Songs. „Grim Deal“ ist eines der Stücke, die ich momentan sehr gerne live spiele. Wie ich ja schon vorhin sagte, es ist einer unserer verletzlichsten Momente, nicht nur textlich, sondern auch musikalisch und unterscheidet sich auch sehr von dem, was wir bisher gemacht haben. Er ist langsamer, ruhiger und hat mehr Raum zwischen den einzelnen Parts. Die Leute erwarten von unseren Konzerten, dass wir hauptsächlich voll auf die Mütze geben und chaotisch sind. Sie kommen, um sich gehen zu lassen, was auch toll ist. Aber „Grim Deal“ ist eine schöne Möglichkeit, sich mit den Fans auf einer ganz anderen Ebene zu verbinden.

In meiner Review nannte ich euch eine „Arbeiterband“, mir scheint ihr arbeitet sehr intensiv an jedem Song, es scheint alles sehr kraftvoll und klingt nach viel Arbeit. Wir seid ihr beim Songwriting für „Blood“ vorgegangen?

Es gibt keinen konkreten Plan, aber wir haben immer eine sehr starke Arbeitsmoral. Der Schreibprozess variiert von Song zu Song und wir schreiben auch allesamt. Manchmal bringt jemand nur eine vage Idee, manchmal einen komplett fertigen Song, aber wir arbeiten immer alle gemeinsam daran. Wir spielen ihn immer und immer wieder, verändern hier und da was, streichen, fügen etwas dazu, solange, bis es wie ein PULLED APART BY HORSES-Song klingt. Wir müssen alle interessiert sein und uns gleichermaßen als ein Teil von dem Song fühlen. Bevor wir dann ins Studio gehen, fertigen wir selbst ein Demo an, entwickelen den Gesang und nehmen ihn auf, hören uns alles mehrmals an und ändern auch häufig noch etwas, bevor wir dann ins Studio gehen.

Eure Band hat den gewissen NIRVANA-Vibe, so viele ganze Songs und Momente auf eurem neuen Album erinnern mich an diese Grunge-Legende. Hatte diese Band einen großen Einfluss auf euch?

Definitiv! Das ist die Band, die uns alle verbindet. Wir sind alle mit der Musik von NIRVANA aufgewachsen, bevor wir uns getroffen haben und sie hatten einen sehr großen Einfluss auf Musiker unserer Generation. Sie waren die erste Band, die mich auf den Gedanken brachten, dass ich auch in einer Band spielen könnte. Wenn man ganz genau aufpasst, hört man ihren Einfluss in sehr vielen tollen Bands.

England ist sehr ergiebig, was gute Musik angeht, so viele tolle Bands kommen aus diesem Land. Aber wie seht ihr, als vergleichsweise neue Band, die Situation für Engländer, ihre Musik auch im Ausland an den Mann bringen zu können?

Die meisten englischen Bands, die ich kenne, lieben es im Ausland zu touren, besonders in Europa. Touren kann sehr teuer sein, aber wenn du einen Weg findest, es möglich zu machen, dann kann es sich definitiv lohnen. Wenn wir in Europa waren, war es immer großartig. Die Europäer scheinen offener zu sein, beschäftigen sich mit der Musik, ohne auf das Genre zu achten. Für uns ist es eine gute Möglichkeit, unsere Musik zu den Leuten zu bringen, um bekannter zu werden. Im Vergleich dazu ist England natürlich ein kleiner Bereich, da ist es einfacher für Leute uns zu kategorisieren. Für die Entwicklung einer Band ist es sehr wichtig, so viel wie möglich live zu spielen. Eine unserer ersten Touren war in Spanien, ein Typ kontaktiere uns über das Internet, nachdem er einige sehr schlechte Aufnahmen von uns gehört hatte. Er lud uns ein und wir nahmen nichts außer unseren Gitarren mit, schliefen auf Treppen, fuhren in Vans rum und machten es einfach möglich.

Du hast eine Zeitmaschine für einen Tag zur freien Verfügung. Zu welcher musikalischen Begebenheit – ganz egal ob Zukunft oder Vergangenheit – würdest du reisen, um ein Teil davon zu sein?

Ich würde so gerne NIRVANA live sehen, in einem kleinen, verschwitzen Club irgendwo, ganz nah und persönlich und zwar bevor sie groß wurden.

Erschaffe deine eigene Supergroup mit lebenden und auch bereits verstorbenen Künstlern.

(lacht). Das wäre wohl furchtbar. Wenn du jeden einzelnen deiner musikalischen Favoriten aus einer anderen Band hast, dann klappt es mit ihnen zusammen wahrscheinlich nicht. Ich würde etwas Verrücktes probieren und MICHAEL JACKSON zu THE MELVINS packen.

Was ist das Verrückteste das vor, während oder nach einem PULLED APART BY HORSES-Konzert passiert ist?

Backstage ist es meistens sehr langweilig, das Verrückteste passiert später, wenn jemand zu viel getrunken hat. Aber daran kann ich mich dann nicht mehr erinnern.

Wer soll „Blood“ von PULLED APART BY HORSES kaufen und warum?

Ich bin sehr dankbar für jeden, der unser Album überhaupt kauft. Es ist so einfach, Musik umsonst herunterzuladen und ist es wirklich sehr hart für Bands, überhaupt noch Alben zu verkaufen. Alles, was wir mit der Band verdienen, stecken wir sofort wieder in die Band rein, um sie am Laufen zu halten.

Kauft nicht nur unser Album, sondern bitte so viele Alben wie ihr könnt, wenn ihr wollt das die Leute weiterhin Musik machen können, so wie wir es eben tun.

14.12.2014
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