Powerwolf
"Ein Attila morgens im Tourbus kann einem manchmal richtig auf den Sack gehen!"
Interview
Bereits seit einigen Jahren gelten POWERWOLF als das Aushängeschild der deutschen Heavy-Metal-Szene. Wirklich überraschend ist das wohl nicht mehr, immerhin entern die Wölfe mit ihrem Mix aus furiosen Riffs, sakralem Orgelspiel und ironisch angehauchten Texten regelmäßig die europäischen Alben-Charts. Auch Album Nummer sieben wird da vermutlich keine Ausnahme sein.
Wir sprachen mit POWERWOLF-Gitarrist Matthew Greywolf über das neue Album „The Sacrament of Sin„, das viel diskutierte Image der Band, Attila Dorns Witz-Repertoire und die im Herbst anstehende Wolfsnächte-Tour.
Hallo Matthew, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! Ihr steckt ja gerade mitten in der Promophase und habt schon unzählige Interviews hinter euch, deswegen frage ich einfach direkt: Welche Frage kannst du schon gar nicht mehr hören?
(Lacht) Ach, die üblichen Fragen: Wann wir auf Tour kommen, warum das Album ein Jahr später als sonst erscheint und sowas. Aber es ist ja auch nicht so, dass man die Fragen nicht mehr hören kann, denn irgendwie sind das doch berechtigte Fragen. Ich finde es eigentlich auch immer wieder interessant, Fragen zu beantworten, denn jedes Interview ist anders, so wie auch jede Show anders ist. Du spielst zwar auch die gleichen Songs, aber jede Situation und jedes Publikum ist anders. So ist das auch mit den Gesprächspartnern. Ich habe viel Spaß an Interviews!
Am 20. Juli erscheint mit „The Sacrament of Sin“ euer siebtes Studioalbum. Nun ist es ja so, dass es sowohl sieben Sakramente als auch sieben Todsünden gibt. Ein Zufall kann das ja wohl kaum sein, oder?
Nein, ein Zufall ist das natürlich nicht. Aber um ehrlich zu sein, ist das auch nicht der Grund, warum das Album „The Sacrament of Sin“ heißt. Uns ist tatsächlich aufgefallen, dass das ja auch ganz nett passt, allerdings haben wir genau diesen Titel ausgewählt, da der Großteil der Songs auf die ein oder andere Weise das Konzept von Sünde und Vergebung behandelt. Der Albumtitel bezieht sich darauf, wie im Katholizismus die Sünde eigentlich etabliert wird.
Der Mensch wird dort ja als Sünder geboren. Noch bevor man überhaupt das erste Sakrament, nämlich das der Taufe, empfängt, ist man schon definiert als Sünder. Ein Sakrament ist ein feststehendes Ritual einer Glaubensgemeinschaft, das den Gläubigen letztendlich definiert. In diesem Sinne wird die Sünde ja tatsächlich wie ein Sakrament verwendet. Genau dieses Konstrukt – um es einmal so zu nennen – fanden wir sehr spannend!
Für die Aufnahmen der neuen Platte habt ihr euch in die Fascination Street Studios in Örebro zurückgezogen. Bereits der Großteil eurer vorherigen Alben entstand ebenfalls in Schweden. Welche Gründe sprechen dafür, für Arbeiten am neuen Album immer wieder dorthin zurückzukehren?
Naja, in erster Linie sitzen dort ein paar hervorragende Produzenten (lacht). Es ist aber wohl tatsächlich eher Zufall, dass wir davor mit Fredrik Nordström in Schweden gearbeitet haben und Jens Bogren eben auch ein Schwede ist. Es gibt mit Sicherheit auch gute Produzenten in den USA oder in England, deswegen würde ich sagen, dass das eben doch eher ein Zufall ist.
Wir mögen Schweden jedoch als Land natürlich sehr. Du hast ja schon erwähnt, dass wir sehr viel Zeit in Örebro vebracht haben, noch dazu im Januar. Da war gerade so richtig schön dicker schwedischer Winter und die Fascination Street Studios sind auch im wahrsten Sinne des Wortes absolut im Nirgendwo. Das heißt, man konnte sich so richtig auf die Aufnahmen fokussieren, denn es gab rund ums Studio nichts als Natur. Und so haben wir uns mit Leib und Seele den Arbeiten am neuen Album verschrieben.
Lass uns doch direkt über einige der Songs auf dem Album sprechen. Als erste Singleauskopplung habt ihr mit „Demons Are A Girl’s Best Friend“ einen Song in typischer POWERWOLF-Manier ausgewählt: Dynamisch, melodisch, aber auch sehr geradlinig. Wieso fiel die Wahl auf einen eher klassischen Song?
Deine Aussage überrascht mich ein bisschen, denn wir finden den Song eher untypisch (lacht). Er ist natürlich insofern klassisch, da sich in ihm durchaus Anleihen von unseren früheren Platten finden. Ich denke da an Songs wie „Kiss of the Cobra King“ von unserem Debüt „Return in Bloodred„. Für mich ist der Song jedoch eindeutig weniger Power Metal. Verglichen mit Auskopplungen, die wir in der Vergangenheit hatten, beispielsweise „Amen & Attack“, hat „Demons Are A Girl’s Best Friend“ für mich eher so eine Art Stadion-Rock-Schlagseite.
Du hast es ja schon erwähnt, es ist ein extrem geradliniger, fast poppiger Song. Wir fanden es ziemlich spannend, mit einem Song rauszugehen, der dann letztendlich doch nicht so typisch für POWERWOLF ist. Oder besser gesagt: untypisch für das POWERWOLF der letzten Jahre.
Tatsächlich gibt es auf dem Album aber noch „untypischere“ Songs. „Where the Wild Wolves Have Gone“ wäre da ein gutes Beispiel…
Richtig, allerdings wäre es dann wohl doch ein bisschen zuviel des Guten gewesen, wenn wir mit unserer allerersten Ballade als erste Auskopplung rausgegangen wären. Ich glaube, damit hätten wir dann vielen Leuten vor den Kopf gestoßen. Wo du das Lied aber erwähnst, es wird auch definitiv irgendwann noch ein Video zu „Where the Wild Wolves Have Gone“ geben, denn der Song ist auf jeden Fall ein erklärter Liebling von uns allen und mit Sicherheit eines der außergewöhnlichsten Stücke auf dem Album.
Wie kam es dazu, dass ihr ausgerechnet auf diesem Album euer Repertoire um eine Ballade erweitert habt?
Ich muss gestehen, dass ich seit Jahr und Tag ein großer Fan Balladen in Rock und Metal bin. So kitschig die auch sein mögen, ich liebe das einfach! Ich habe vor Jahren mal mit Attila darüber gesprochen und er hat mir gestanden, dass er auch immer ganz gerne die Balladen hört. An dem Tag haben wir beschlossen, irgendwann schreiben wir einmal eine Ballade. Allerdings hatten wir in der Vergangenheit nie wirklich das Gefühl, als wären wir bereit, das auch zu tun.
Der ganze Ansatz von „The Sacrament of Sin“ war jedoch, etwas aufgeschlossener und in gewisser Weise auch breiter aufgestellt zu sein. Also haben wir einfach mal ein bisschen mehr nach links und nach rechts geschaut und andere Dinge ausprobiert. In der Stimmung, die wir damals hatten – das war so eine Art Aufbruchstimmung, wo man auch einfach mal mit neuen Elementen experimentiert – war dann plötzlich die Grundlage dafür da, diese besagte Ballade zu schreiben.
Diese „neuen Elemente“ finden sich ja auch insbesondere auf „Incense & Iron“, einem Song, der – ich kann es nicht anders beschreiben – eine Mischung aus folkigem Seemannslied und klassischem POWERWOLF-Sound ist.
(Lacht) Ja, das ist eine sehr treffende Beschreibung. Der Song spielt natürlich sehr mit Folk-Einflüssen, allein schon aufgrund der Instrumentierung mit den Dudelsäcken und der Drehleier. Tatsächlich ist das Lied auch eines dieser Experimente. Ich fand es schon immer spannend, mit solchen Instrumenten zu spielen und auch das hat sich für uns sehr organisch angefühlt. Als wir anfingen mit solchen Elementen zu experimentieren, war die Maßgabe ganz klar, dass wir nichts Neues ausprobieren, nur um etwas Neues ausprobiert zu haben.
Vielmehr ging es uns um unser Bauchgefühl und darum, dass es sich trotz allem noch nach POWERWOLF anfühlt. Bei „Incense & Iron“ hat es keine zehn Sekunden gedauert, bis wir alle gesagt haben: „Ja, klar! Das ist cool!“. Und da wussten wir, dass wir das wirklich machen können.
Neben dem normalen Album enthalten einige Versionen von „The Sacrament of Sin“ noch zusätzlich das Coveralbum „Communio Lupatum“. Darauf haben sich zehn verschiedene Bands, darunter HEAVEN SHALL BURN, BATTLE BEAST oder KADAVAR, an einigen eurer bekanntesten Songs versucht. Wie kam es zu der Idee und wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Auf die Idee kamen wir sehr spontan. Wir waren 2017 mit EPICA auf Tour und eines Tages, während ihres Soundchecks, haben sie unseren Song „Sacred & Wild“ angespielt. Das klang so gut, dass wir uns gedacht haben, man müsste die Jungs und Mädels wirklich mal dazu überreden, das aufzunehmen. Damals haben wir natürlich noch gar nicht an ein ganzes Album gedacht. Bei der nächstbesten After-Show-Party nach ein paar Bier haben wir sie dann natürlich auch gleich gefragt und sie waren begeistert. Als wir dann ein paar Tage später von der Tour zurückkamen, arbeitete dieser Gedanke immer noch in uns und wir haben gesagt, dass man doch eigentlich noch ein paar andere Freunde fragen müsse, ob sie nicht auch Lust auf so etwas hätten.
Das Ganze hat dann eine ziemliche Eigendynamik entwickelt und so sind dann letztendlich diese zehn Songs dabei herausgekommen. Von dem Ergebnis sind wir natürlich ganz begeistert, denn jede einzelne Band hat es geschafft, diese Songs völlig nach sich selbst klingen zu lassen. Chrigel von ELUVEITIE hat uns beispielsweise eines Nachts eine meterlange Mail geschrieben und gefragt, ob er den Text ins Keltische übersetzen dürfe. Das hat er dann auch getan und wir waren völlig begeistert davon. Es war für uns immer ein bisschen wie Weihnachten, wenn ein neuer Song fertig war, weil wir natürlich nicht wussten, was uns erwarten würde.
Angenommen, es gäbe noch einen elften Track auf dem Album und du dürftest entscheiden, wer diesen beisteuern würde. Für welchen Künstler würdest du dich entscheiden und welches eurer Lieder würdest du auswählen?
(Pause) Ich glaube, BLACK SABBATH mit Ozzy würden „When the Moon Shines Red“ covern.
POWERWOLF lebt in großen Teilen von der religiösen Symbolik, die sich in vielen eurer Texten und bei euren Live-Auftritten wiederfindet. Auch andere Bands, wie beispielsweise GHOST, inszenieren sich auf eine ähnliche Weise. Wie erklärst du dir, dass Metal und sakrale Motive so gut zusammen passen?
Ich fand schon als Kind diese große Inszenierung in der Kirche irgendwie morbide beeindruckend. Unabhängig vom Inhalt hat mich das schon damals auch immer an große Konzerte erinnert. Für mich war es nur logisch, das irgendwann einmal auf der Bühne miteinander zu verschmelzen. Das ist einfach eine Symbiose, die wunderbar funktioniert. Zudem muss man sagen, dass wir alle mit dieser Symbolik und den zugehörigen Stereotypen vertraut sind, sodass jeder mehr oder weniger einen ambivalenten Bezug dazu hat – welcher Art auch immer. Es hat gewissermaßen einen morbiden Charme, denn es ist gleichzeitig feierlich als auch unheimlich. Das passt für mich hervorragend zu der Stimmung, die Heavy Metal eben auch erzeugt.
Gerade diese Form der Inszenierung hat euch auch immer wieder Kritik eingebracht. Neben zahlreichen treuen Fans gibt es auch einige Leute, die bereits laut aufstöhnen, wenn sie nur euren Namen lesen. Wie gehst du mit der ablehnenden Haltung einiger Metal-Fans gegenüber POWERWOLF um?
Ich gehe damit sehr entspannt um. Musik ist einfach Geschmacksache. Zudem sind wir uns ja durchaus bewusst, dass unser „Gesamtpaket“ – sei es das Auftreten, der Bandname oder unsere Musik selber – durchaus eine Wanderung auf einem schmalen Grad ist. Aus der Sicht eines Metal-Fans bin ich einfach unglaublich froh über die Vielfalt der Szene. Für mich gibt es auch Bands, mit denen ich nichts anfangen kann. Ich kann über J.B.O. nicht lachen. Trotzdem ist es doch irgendwie cool, dass auf einem Festival J.B.O. spielen kann und danach SATYRICON. Und irgendwie ist dann trotzdem die ganze Gemeinde auf dem Platz und genau das macht die Szene aus. Ich fände es schade, wenn wir keine so bunte Szene hätten und deswegen braucht es einfach auch Bands, die polarisieren.
Sprechen wir noch kurz über die kommende Wolfsnächte-Tour. Wer euch kennt, der weiß, keine Tour ist wie die andere. Womit können eure Fans diesmal rechnen?
Wir sitzen gerade an der neuen Bühnenproduktion und sind gewissermaßen eine „Do it yourself“-Band. Das heißt, wir arbeiten an jedem kleinen Detail mit. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es eine sehr opulente und gleichermaßen aufwendige Bühnenshow wird. Zudem wird alles noch ein bisschen intensiver, schließlich sind auf „The Sacrament of Sin“ einige grandiose Live-Songs. Wir können es kaum erwarten, damit endlich auf der Bühne zu stehen. Außerdem werden wir zum ersten Mal von Show zu Show die Setlist variieren, immerhin haben wir dann bereits sieben Alben im Gepäck. Zu guter Letzt haben wir mit KISSIN‘ DYNAMITE und AMARANTHE natürlich auch noch ein grandioses Line-Up!
Zum Abschluss noch die Frage aller Fragen: Woher nimmt Attila seine ganzen Sprüche, die er regelmäßig live zum Besten gibt?
Das ist eine gute Frage, ich habe leider keine Ahnung, wo er die hernimmt. Attila ist ein unglaublicher Fundus an Sprüchen, Zitaten und auch schlechten Witzen. Woher er die alle hat, weiß ich nicht, aber der Kerl merkt sich so ziemlich jeden Witz, den er irgendwo hört und ich glaube, es gibt kein Thema, zu dem er dir nicht einen Spruch sagen kann. Das kann durchaus auch mal nerven. So ein Attila morgens im Tourbus kann einem auch manchmal richtig auf den Sack gehen (lacht)!
Das kann aber auch wiederum ganz schön sein, denn Attila ist eben jemand, der auch auf der Bühne einfach ist, wie er ist. Er macht auch mal Witze, die gar nicht so gut funktionieren, und wundert sich dann selbst darüber. Genau das sind aber auch die Momente, die wir als Band genießen. Es geht ja bei uns auch irgendwie um den humoristischen Moment. Als Fan möchte ich doch nicht einfach eine perfekt durchchoreographierte Show geliefert kriegen, sondern will sehen, dass die Band da oben auf der Bühne gerade eine gute Zeit und mit dem Publikum zusammen den Spaß ihres Lebens hat. Und deswegen ist es mir lieber, dass Attila mal eine absolut dämliche Ansage macht, als dass die ganze Show einfach nur statisch abläuft.
Das war’s, vielen Dank für das Interview!