Powerwolf
"Ein Attila morgens im Tourbus kann einem manchmal richtig auf den Sack gehen!"
Interview
Diese „neuen Elemente“ finden sich ja auch insbesondere auf „Incense & Iron“, einem Song, der – ich kann es nicht anders beschreiben – eine Mischung aus folkigem Seemannslied und klassischem POWERWOLF-Sound ist.
(Lacht) Ja, das ist eine sehr treffende Beschreibung. Der Song spielt natürlich sehr mit Folk-Einflüssen, allein schon aufgrund der Instrumentierung mit den Dudelsäcken und der Drehleier. Tatsächlich ist das Lied auch eines dieser Experimente. Ich fand es schon immer spannend, mit solchen Instrumenten zu spielen und auch das hat sich für uns sehr organisch angefühlt. Als wir anfingen mit solchen Elementen zu experimentieren, war die Maßgabe ganz klar, dass wir nichts Neues ausprobieren, nur um etwas Neues ausprobiert zu haben.
Vielmehr ging es uns um unser Bauchgefühl und darum, dass es sich trotz allem noch nach POWERWOLF anfühlt. Bei „Incense & Iron“ hat es keine zehn Sekunden gedauert, bis wir alle gesagt haben: „Ja, klar! Das ist cool!“. Und da wussten wir, dass wir das wirklich machen können.
Neben dem normalen Album enthalten einige Versionen von „The Sacrament of Sin“ noch zusätzlich das Coveralbum „Communio Lupatum“. Darauf haben sich zehn verschiedene Bands, darunter HEAVEN SHALL BURN, BATTLE BEAST oder KADAVAR, an einigen eurer bekanntesten Songs versucht. Wie kam es zu der Idee und wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Auf die Idee kamen wir sehr spontan. Wir waren 2017 mit EPICA auf Tour und eines Tages, während ihres Soundchecks, haben sie unseren Song „Sacred & Wild“ angespielt. Das klang so gut, dass wir uns gedacht haben, man müsste die Jungs und Mädels wirklich mal dazu überreden, das aufzunehmen. Damals haben wir natürlich noch gar nicht an ein ganzes Album gedacht. Bei der nächstbesten After-Show-Party nach ein paar Bier haben wir sie dann natürlich auch gleich gefragt und sie waren begeistert. Als wir dann ein paar Tage später von der Tour zurückkamen, arbeitete dieser Gedanke immer noch in uns und wir haben gesagt, dass man doch eigentlich noch ein paar andere Freunde fragen müsse, ob sie nicht auch Lust auf so etwas hätten.
Das Ganze hat dann eine ziemliche Eigendynamik entwickelt und so sind dann letztendlich diese zehn Songs dabei herausgekommen. Von dem Ergebnis sind wir natürlich ganz begeistert, denn jede einzelne Band hat es geschafft, diese Songs völlig nach sich selbst klingen zu lassen. Chrigel von ELUVEITIE hat uns beispielsweise eines Nachts eine meterlange Mail geschrieben und gefragt, ob er den Text ins Keltische übersetzen dürfe. Das hat er dann auch getan und wir waren völlig begeistert davon. Es war für uns immer ein bisschen wie Weihnachten, wenn ein neuer Song fertig war, weil wir natürlich nicht wussten, was uns erwarten würde.
Angenommen, es gäbe noch einen elften Track auf dem Album und du dürftest entscheiden, wer diesen beisteuern würde. Für welchen Künstler würdest du dich entscheiden und welches eurer Lieder würdest du auswählen?
(Pause) Ich glaube, BLACK SABBATH mit Ozzy würden „When the Moon Shines Red“ covern.
POWERWOLF lebt in großen Teilen von der religiösen Symbolik, die sich in vielen eurer Texten und bei euren Live-Auftritten wiederfindet. Auch andere Bands, wie beispielsweise GHOST, inszenieren sich auf eine ähnliche Weise. Wie erklärst du dir, dass Metal und sakrale Motive so gut zusammen passen?
Ich fand schon als Kind diese große Inszenierung in der Kirche irgendwie morbide beeindruckend. Unabhängig vom Inhalt hat mich das schon damals auch immer an große Konzerte erinnert. Für mich war es nur logisch, das irgendwann einmal auf der Bühne miteinander zu verschmelzen. Das ist einfach eine Symbiose, die wunderbar funktioniert. Zudem muss man sagen, dass wir alle mit dieser Symbolik und den zugehörigen Stereotypen vertraut sind, sodass jeder mehr oder weniger einen ambivalenten Bezug dazu hat – welcher Art auch immer. Es hat gewissermaßen einen morbiden Charme, denn es ist gleichzeitig feierlich als auch unheimlich. Das passt für mich hervorragend zu der Stimmung, die Heavy Metal eben auch erzeugt.
Gerade diese Form der Inszenierung hat euch auch immer wieder Kritik eingebracht. Neben zahlreichen treuen Fans gibt es auch einige Leute, die bereits laut aufstöhnen, wenn sie nur euren Namen lesen. Wie gehst du mit der ablehnenden Haltung einiger Metal-Fans gegenüber POWERWOLF um?
Ich gehe damit sehr entspannt um. Musik ist einfach Geschmacksache. Zudem sind wir uns ja durchaus bewusst, dass unser „Gesamtpaket“ – sei es das Auftreten, der Bandname oder unsere Musik selber – durchaus eine Wanderung auf einem schmalen Grad ist. Aus der Sicht eines Metal-Fans bin ich einfach unglaublich froh über die Vielfalt der Szene. Für mich gibt es auch Bands, mit denen ich nichts anfangen kann. Ich kann über J.B.O. nicht lachen. Trotzdem ist es doch irgendwie cool, dass auf einem Festival J.B.O. spielen kann und danach SATYRICON. Und irgendwie ist dann trotzdem die ganze Gemeinde auf dem Platz und genau das macht die Szene aus. Ich fände es schade, wenn wir keine so bunte Szene hätten und deswegen braucht es einfach auch Bands, die polarisieren.
Sprechen wir noch kurz über die kommende Wolfsnächte-Tour. Wer euch kennt, der weiß, keine Tour ist wie die andere. Womit können eure Fans diesmal rechnen?
Wir sitzen gerade an der neuen Bühnenproduktion und sind gewissermaßen eine „Do it yourself“-Band. Das heißt, wir arbeiten an jedem kleinen Detail mit. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es eine sehr opulente und gleichermaßen aufwendige Bühnenshow wird. Zudem wird alles noch ein bisschen intensiver, schließlich sind auf „The Sacrament of Sin“ einige grandiose Live-Songs. Wir können es kaum erwarten, damit endlich auf der Bühne zu stehen. Außerdem werden wir zum ersten Mal von Show zu Show die Setlist variieren, immerhin haben wir dann bereits sieben Alben im Gepäck. Zu guter Letzt haben wir mit KISSIN‘ DYNAMITE und AMARANTHE natürlich auch noch ein grandioses Line-Up!
Zum Abschluss noch die Frage aller Fragen: Woher nimmt Attila seine ganzen Sprüche, die er regelmäßig live zum Besten gibt?
Das ist eine gute Frage, ich habe leider keine Ahnung, wo er die hernimmt. Attila ist ein unglaublicher Fundus an Sprüchen, Zitaten und auch schlechten Witzen. Woher er die alle hat, weiß ich nicht, aber der Kerl merkt sich so ziemlich jeden Witz, den er irgendwo hört und ich glaube, es gibt kein Thema, zu dem er dir nicht einen Spruch sagen kann. Das kann durchaus auch mal nerven. So ein Attila morgens im Tourbus kann einem auch manchmal richtig auf den Sack gehen (lacht)!
Das kann aber auch wiederum ganz schön sein, denn Attila ist eben jemand, der auch auf der Bühne einfach ist, wie er ist. Er macht auch mal Witze, die gar nicht so gut funktionieren, und wundert sich dann selbst darüber. Genau das sind aber auch die Momente, die wir als Band genießen. Es geht ja bei uns auch irgendwie um den humoristischen Moment. Als Fan möchte ich doch nicht einfach eine perfekt durchchoreographierte Show geliefert kriegen, sondern will sehen, dass die Band da oben auf der Bühne gerade eine gute Zeit und mit dem Publikum zusammen den Spaß ihres Lebens hat. Und deswegen ist es mir lieber, dass Attila mal eine absolut dämliche Ansage macht, als dass die ganze Show einfach nur statisch abläuft.
Das war’s, vielen Dank für das Interview!
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