Portrait
"Der Feind ist allgegenwärtig!"
Interview
Die Schweden PORTRAIT zählen spätestens seit ihrem fabelhaften 2014er-Werk “Crossroads” zu den kompromisslosesten, originellsten und bösesten traditionellen Heavy-Metal-Bands der Szene. Mit jedem Album konnte die Formation um Saitenhexer Christian Lindell und Drummer Anders Persson das Qualitätslevel steigern, ohne in irgendeiner Weise Nummer-sicher-Schemata oder Vorhersehbarkeit zu bedienen. Im Gegenteil: Die Weiterentwicklung denken PORTRAIT stets um die Ecke. Auf ihrem sehr guten neuen Album “At One With None” wird das ein Mal mehr deutlich.
Aus diesem Grund schnappten wir uns einen gut aufgelegten Christian Lindell, um ihm über das neue Album seiner Band auf den Zahn zu fühlen. Der gibt sich zwar gelegentlich etwas großspurig, ist aber auch mit Leidenschaft zutiefst seiner Sache verpflichtet und durch und durch metal as fuck. Curtains aside, behold the mighty PORTRAIT …
„Persönliche Evolution führt zu musikalischer Evolution und Revolution.“
Grüß dich, Christian! Ich muss meinen Hut vor dir ziehen, denn “At None With None” ist einmal mehr ein überragendes Album geworden.
Schön zu hören, danke dir! Wir sind auch sehr zufrieden mit uns selbst.
Euer erklärtes Ziel war es, Songs zu schreiben, die sich nicht nach irgendetwas anhören, was ihr schon mal gemacht habt. Das habt ihr definitiv sehr gut erreicht. Nach dem ersten Hördurchlauf war ich fasziniert und dachte: “Okay, das wird ein bisschen anders, aber es ist auch hundert Prozent PORTRAIT”.
Ja, da geht schon in den ersten paar Minuten des Openers ziemlich viel ab, ich verstehe, was du meinst. Es ist eine Art bizarre Mixtur aus Prog Rock, Neunziger Black Metal und STATUS QUO zur gleichen Zeit. Vielleicht ist das die Kombination, die letzten Endes unseren eigenen Sound ausmacht, haha?
Obwohl – oder vielleicht gerade weil – beide Alben so unterschiedlich sind, ist “At One With None” eine ziemlich logische Weiterentwicklung von “Burn The World”.
Ja, wir haben mit der gleichen Einstellung und dem gleichen Antrieb wie schon bei der letzten Platte weitergemacht. Wir versuchen immer, unseren Sound in verschiedene Richtungen zu erweitern und es fühlt sich für uns total natürlich an. Auch wenn nicht oft an unsere älteren Sachen denken, sind sie ja irgendwie in unserem Unterbewusstsein. Für uns als Musiker wäre es sowieso nicht so schön, immer und immer wieder das Gleiche zu machen.
“Burn The World” war harsch, wütend und beängstigend. “At One With None” ist manchmal immer noch beängstigend, aber auf eine subtilere, bösere Art und Weise. Es strahlt Souveränität, Entwicklung und gereifte Ansichten aus.
Yeah, ich verstehe, was du meinst. Ich kann auch nicht sagen, warum es sich in diese Richtung entwickelt hat. Wir machen, was sich für uns richtig anfühlt und lassen uns von unseren inneren Inspirationen leiten. Unsere Erfahrungen, persönlich und als Band und die daraus gewonnenen Erkenntnisse tragen logischerweise alle dazu bei, aber auf unterschwellige Art. Persönliche Evolution führt zu musikalischer Evolution und Revolution.
Weniger auf den Feind fokussiert, mehr in Richtung spiritueller Einsicht auf sich selbst gerichtet – ist das “at one with none” sein für dich?
Nicht wirklich weniger auf den Feind fokussiert, denn der Feind ist allgegenwärtig! Übrigens auch im Inneren und das ist der wichtigste Teil, der überkommen und entfernt werden muss. Wenn innere Schwächen besiegt sind, bleiben kaum noch äußere Feinde übrig. Das aggressive Element ist also immer noch da; der Unterschied liegt darin, welche Art Waffe benutzt wird. Ich würde sagen: Während “Burn The World” möglicherweise der Soundtrack zu deiner körperlichen Zerstückelung ist, ist “At One With None” der Soundtrack zu deiner Seele, die auf die andere Seite entschwindet.
PORTRAIT: Rising from thraldom through trolldom.
Das Album belegt auch sehr gut, dass ihr unter den klassischen Heavy-Metal-Bands aktuell einen sehr eigenständigen Sound habt. Hattet ihr im Übrigen immer schon. Sind die ewigen Vergleiche mit MERCYFUL FATE und KING DIAMOND langsam passé? (Ups – Anm. d. Red.)
Ich denke, die Leute werden nie damit aufhören, uns mit anderen Bands zu vergleichen, vor allem diese beiden. Natürlich gehören sie seit den Anfangstagen zu unseren musikalischen Inspirationen, aber es gehört so viel mehr zu unserer Musik! Es ist aber nicht wirklich wichtig, was irgendwelche Leute sagen; ob sie uns mit diesen Bands vergleichen oder sagen, wir sind Teil einer “New Wave Of Traditional Heavy Metal” interessiert mich nicht. Für mich sind innere Inspiration und innere Honorierung wichtiger für das Erschaffen und Spielen eigener Musik.
Die Produktion ist ebenfalls beeindruckend. Ihr habt die Gitarren ein bisschen entzerrt, was wiederum mehr Raum für Bass, Drums und sogar Gitarren-Leads schafft. Sogar nach vielfachem Hören findet man noch jede Menge kleiner Details in den Songs.
Klar, aber ich denke, der Hauptunterschied liegt darin, dass wir jetzt einen festen Bassisten haben: Fredrik Petersson. Auf dem vergangenen Album habe ich den Bass selbst eingespielt und meine Performance reicht nicht im Ansatz an sein Können heran. Sein Spiel hebt die Songs hebt die Songs auf ein ganz neues Level. Aber ja, es war uns auch wichtig, dass der Bass in der Produktion weit vorn hörbar ist.
Bist du wieder für die gesamte Musik und Texte bei PORTRAIT verantwortlich, Christian? Was sind deine Quellen der Kreativität?
Nein, war ich auch nie wirklich. Wir erledigen alle Arrangements zusammen und unser Drummer Anders schreibt auch viel Material. Er hat auf “At One With None” drei Songs und einen der Bonus Tracks beigesteuert. Und wie gesagt, wir arrangieren alles gemeinsam, selbst wenn Anders und ich mit den Rohfassungen ankommen. Ich habe aber alle Texte verfasst.
Meine ruhelose Seele und mein böser Geist sind die Quellen meiner persönlichen Kreativität. Es gibt aber auch äußere Faktoren. Zum Beispiel das Lesen eines guten Horror-Schinkens, der den musikalischen “Funken” entfacht, um den Soundtrack zum Gelesen zu schreiben, das später einmal Thema des Songs wird und so weiter.
“‘At One With None’ ist der Soundtrack zu deiner Seele, die auf die andere Seite entschwindet.”
Ich nehme mal an, auf gewisse Weise bist du auch “He Who Stands”. Gegen was? Für was?
It is a song about rising from the state of thraldom through the use of trolldom. Es geht darum, die Illusionen, die der blinde Schöpfer dem Menschen gegeben hat, zu durchschauen und das kosmische Schicksal, die kosmische Tyrannei durch den Gebrauch von Magie zu bekämpfen.
Eines der Album-Highlights “Ashen” hat einen Part, der mich überraschenderweise an DESTRÖYER 666 erinnert hat. Gibt es weitere Einflüsse, die ihr so deiner Meinung nach noch nie verarbeitet habt?
Den Song hat Anders geschrieben. Er hat gewiss eine besondere Atmosphäre und ich kann deinen Vergleich nachvollziehen. Jede Musik, die wir mögen, beeinflusst uns irgendwie und das ist wahrscheinlich auf jedem unserer Alben zu hören, ob greifbar oder nicht. Manchmal ist es eine bestimmte Art des Melodieverlaufs oder Riffs, manchmal aber auch das Feeling oder die Attitüde.
Ist “Curtains (The Dumb Supper)” eine Verballhornung, des “last supper”, des letzten Abendmahls Christi?
Nein, das “stumme Mahl” ist ein paganes Ritual, bei dem den Toten Opfer als Gegenleistung für gewisse Gefälligkeiten dargeboten werden. Der “curtain” ist die Augenbinde, die sich der Mensch freiwillig auferlegt, indem er tut, was die Obrigkeit ihm sagt, weil er glaubt, die gleiche Obrigkeit, sei die Hand, die in füttert.
Das Cover ist grandios. PORTRAIT haben eine eigene visuelle Identität, was immer ziemlich cool ist. War das wieder Adam Burkes Arbeit?
Genau, das war wieder Adam Burke und wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Obwohl wir das nicht beabsichtigt haben, besteht eine Verbindung zum Artwork von “Burn The World”. Die kleine Figur auf ebendiesem Bild, die gegen den Schöpfer rebelliert, ist nun die Hauptfigur auf “At One With None”. Sie entläuft der Sklaverei und betritt mit brennender Hingabe das dunkle Unbekannte, währendihr der Teufel ins Ohr flüstert und den Kelch der Weisheit feilbietet.
Du sagtest, dass ihr es den Verantwortlichen überlasst, ob die nächsten Konzerte legal oder illegal stattfinden werden. Wie meintest du das – möchtest du das weiter kommentieren?
Was ich meinte, war: Wir können das Sterben der Live-Musik nicht hinnehmen. Wir können nicht akzeptieren, dass Politiker entscheiden, wer bei einer Metalshow willkommen ist, obwohl es eine Sache der persönlichen gesundheitlichen Entscheidungen ist. Es werden spannende kommende Monate. Wenn es wirklich so etwas wie Widerstand in der Metalszene gibt, ist es dann an der Zeit, nicht nur zu sprechen, sondern auch den Weg zu gehen.
Danke für das Interview und eure fantastische Musik. Die letzten Worte gehören dir, Christian.
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