Pharaoh
Die Mächte hinter dem Spiegel – Im Interview mit Matt Johnsen zu “The Powers That Be”
Interview
„Jon war in der US-Metalszene eine Punchline und ein Witz.“
Ihr sagtet, der Titel “The Powers That Be” habe etwas mit den politischen Umständen der letzten Jahre in den USA zu tun. Kannst du das näher erläutern?
Viele von uns im Westen verdanken ihre komfortable Situation einem System, das von Ausbeutung und Leiden anderer profitiert. Und wenn du dich beschwerst, steht das System immer hinter dir und fragt: ‘Was? Nicht zufrieden mit deinem Internet und deinem Smartphone? Mit den Klimaanlagen und leckerem Takeaway-Essen? Worüber beschwerst du dich? Wenn es dich ernsthaft stört, kannst du dich all dieser schönen Dinge auch entledigen!’
Irgendeinen Verantwortlichen suchst du, aber egal, wie viele Wege du suchst, du wirst nie zu EINEM Verantwortlichen am Ende des Dickichts finden. Es ist desorientierend, sich so machtlos in der mächtigsten Gesellschaft, die die Menschheit je hervorgebracht hat, zu fühlen. Du wirst verrückt, wenn du versuchst die Person, Institution oder den Prozess zu finden, der uns das alles eingebrockt hat. Das sind die ‘höheren Mächte’ [‘The Powers That Be’ – Anm. d. Red.].
Sie tragen Spiegel als Masken und sagen dir am Ende, du seist das Problem. Uns bleibt nur, ohnmächtig wütend zu sein bis wir mit dem letzten Geleit ‘Ihr habt es nicht anders verdient’ in einem Massengrab verscharrt werden.
In den letzten Jahren gab es eine massive Spaltung in der US-Amerikanischen Gesellschaft. Ist das in den letzten Monaten besser geworden?
Es scheint so, als würde manches langsam besser werden, aber das könnte auch Wunschdenken der nicht-verrückten Mehrheit der Nation sein. Die USA sind in einem schlechten Zustand und viel zu wenige Menschen können überhaupt begreifen, wie schlimm Ausmaß und Widerspenstigkeit der aktuellen Probleme sind. Ich bin noch nicht bereit, die amerikanische Demokratie auf das Totenbett zu erklären, aber ich denke schon, dass es die Möglichkeit eines großen Zusammenbruchs gibt. Das macht mir wirklich Angst.
Nie zuvor waren die Worte von DAMN THE MACHINEs ‘Fall Of Order’ so deprimierend wahr:
Most of all I fear the fall of order
Wealth and white man came, catastrophe again
Most of all I’ll cry for the losing race
Madness joins the chase, the humans live disgrace
Down in the absence of law
Viele Europäische Metalfans waren geschockt von den Aktionen eines gewissen Mr. Schaffer diesen Januar. Kanntet ihr euch persönlich? Was denkst du darüber?
Ich habe Jon ein paar Mal getroffen, aber schon länger nicht mehr. Wir wurden einander 1997, als sie mit JAG PANZER und THE QUIET ROOM in den Staaten auf Tour für “The Dark Saga” waren, vorgestellt. Keith Menser von MYSTIC FORCE war ja kurzzeitig in der Band, beziehungsweise ist auf den Fotos im Booklet des Albums zu sehen und kam von Baltimore nach Philadelphia, um die Show zu sehen und stellte uns vor.
Damals war ich Fan von ICED EARTH, obwohl ich “The Dark Saga” im Vergleich zu “Burnt Offerings” (was bis heute mein Favorit ist) als Rückschritt empfand. [Und damit hast du vollkommen Recht, Matt. – Anm. Johannes Werner] Wir haben aber, glaube ich, nur Heavy-Metal-Smalltalk betrieben. Ich habe ihn ein paar Mal bei anderen Konzerten gesprochen und sie viele Male live gesehen.
Jon war in der US-Metalszene eine Punchline und ein Witz, zumindest für uns prätentiöse Underground-Kenner. Also nein, seine Inhaftierung kam nicht wirklich überraschend. Ich halte ihn für ein rassistisches Arschloch, das eine ordentliche Strafe verdient. Ihn sich aber so schnell von seinen ‘Oathkeepers’ abwenden zu sehen, einer White-Supremacy-Organisation, die Repression und Gewalt fetischisiert, ist wirklich ein Fall von köstlicher [auf deutsch] Schadenfreude. Mir wird er nicht fehlen.
Gibt es eine Chance, dass ihr nach Europa zurückkommt? Die Fans hier dürsten nach Konzerten von PHARAOH.
Wenn du mich persönlich meinst, unbedingt ja. Ich kann es kaum erwarten! Matt Crooks und ich wollten auf die nächste Ausgabe des KEEP-IT-TRUE-Festivals gehen, wie eigentlich schon 2020. Aber die Band? Ich weiß nicht. PHARAOH war als Studioprojekt gedacht und obwohl wir ein paar Shows gespielt haben, würde ich nicht unbedingt sagen, dass sie besonders toll waren. Manche waren ernstzunehmend scheiße.
Das Hauptproblem ist, ein Live-Line-up aufzustellen und mit diesem proben zu können. Chris Kerns hat gar kein Interesse, live zu spielen, also müssen wir ihn ersetzen und wir brauchen einen zweiten Gitarristen. Matt Crooks hat das bisher übernommen, aber der lebt auch weiter weg von mir, also bleibt das ein logistisches Problem. Ich würde gern mehr Shows spielen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das je stattfinden wird.
Mein Traum wäre eine eine kurze Tour mit allen vier PHARAOHs und Crooks; das ist nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Aber sag niemals nie. Meine Zeit ist aber vermutlich besser darauf verwendet, das nächste Album zu schreiben, statt die Dudes zu Gigs zu überzeugen. Um eines zu sagen: Niemals seit dem Debütalbum waren unsere Songs so gut live spielbar wie mit dem aktuellen Album. Selbst “The Longest Night” auf zwei Gitarren zu reduzieren war schwierig, bei Sachen von “Be Gone” und “Bury The Light” ist es teilweise gar nicht möglich. Das neue Album hingegen dürfte live wunderbar funktionieren.
Danke für deine Zeit, Matt und eure großartige Musik!
Danke, dass ihr uns die Stange haltet. Wir wissen das echt zu schätzen. Ich hatte nie Sorge, dass wir zu lange für ein Album brauchen, denn wir sind eine Underground-Band und diejenigen, die nach uns suchen, werden uns immer finden. Wir hätten viel tun können, um unsere Fanbase zu erweitern, aber ich bin einfach nur glücklich, dass die Leute, die PHARAOH kennen, genießen was wir tun. Am Ende will ich dafür in Erinnerung bleiben, ein kleines Bisschen Glück ins Universum gebracht zu haben.
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