Pharaoh
Die Mächte hinter dem Spiegel – Im Interview mit Matt Johnsen zu “The Powers That Be”
Interview
Die Magie der PHARAOH-Familie
Wie nahezu jede Band sind auch PHARAOH der Pandemie zum Opfer gefallen. Wie schlimm war es bei euch?
Nicht zu schlimm, ehrlich gesagt. Außer dem Gesang und ein paar Soli war zu dem Zeitpunkt als Corona anfing bereits alles aufgenommen. Wir haben sogar direkt vorm ersten Lockdown eine Vocal-Session gehabt. Ich glaube, Tim hat mein Haus eine Woche, bevor alles dichtgemacht wurde, verlassen. Also mussten wir dann ein paar Monate warten, während die Welt herausfand, wie schlimm die ganze Sache insgesamt war. Als dann der öffentliche Zugverkehr wieder lief, konnte Tim mich wieder besuchen.
Wobei der ganze Lockdown speziell das Aufnehmen der Vocals erleichtert hat, weil ich zu Hause arbeiten konnte und als Programmierer mehr Freiraum habe, meine Stunden zu verteilen. So konnten Tim und ich sehr produktiv sein. Ich habe in einem Zimmer gearbeitet, während Tim im anderen Zimmer an Lyrics und Melodien arbeitete oder sich den Kopfhörermix zum Aufnehmen zurechtschob. Wenn ich also fertig mit meinem Dayjob war, konnten wir direkt mit der Arbeit an PHARAOH beginnen.
Die größten Auswirkungen hatte die Pandemie sicher auf den Inhalt der Texte, die wir direkt schrieben, nachdem alles begann. Es fühlte sich falsch an, überhaupt nur an andere Inhalte zu denken. Ein weiterer schwieriger Punkt war der Mix des Albums, weil wir Matt Crooks normalerweise einen vorbereiteten Basismix des Albums geben und ich dann in sein Studio in Virginia komme, wo wir ihn gemeinsam fertigstellen. Dieses Mal musste Crooks alles allein machen, was ihm aber ehrlich gesagt super gelungen ist. Wie du dir vorstellen kannst, habe ich starke Ansichten darüber, wie unsere Alben zu klingen haben, aber nicht sein technisches Wissen. Ich bin also nicht so wahnsinnig hilfreich im Studio. Ich kann sagen “So und so möchte ich es nicht auf dem Album haben”, aber ich kann ihm nicht sagen, wie es besser geht. Ich musste Matt also vertrauen, aber das lief gut, denn dies ist meiner Meinung nach sein bester Mix und der beste Mix in der Geschichte von PHARAOH. Deswegen werde ich beim nächsten Mal wohl auch darauf verzichten, ihn im Studio zu besuchen.
Eine der größten Stärken von PHARAOH ist, dass jedes einzelne Bandmitglied im Prinzip ein individueller Songwriter ist. Kannst du die einzelnen Mitglieder dahingehend charakterisieren?
Ich stimme zu, dass dies eine unserer Stärken ist. Ich kenne kaum eine andere Band, bei der die Mitglieder jeweils so viel eigenständig kreativ beitragen wie PHARAOH. Tim schreibt generell keine Riffs oder kompletten Songs – er schreibt üblicherweise Melodien und/oder Texte für bereits fertige Songs. Tim weiß, was er singen kann und ist in der Regel willens, sich mit schwierigen Gesangslinien selbst zu pushen. Chris Black schreibt ebenfalls viele Melodien und Texte für bereits auskomponierte Songs, aber natürlich auch eigenständige, komplette Stücke. Dieses Mal war der einzige Song, den er komplett schrieb “Freedom” und er war sich gar nicht sicher, ob er überhaupt auf das Album sollte, aber ich habe darauf bestanden. All’ unsere Alben haben mindestens einen geradeaus gehenden, straight rockenden Song, denn diese balancieren meine eher progressiven Stücke super aus. Seine Gesangsmelodien haben in Songs, zu denen ich die Musik schrieb, häufig die gleiche Funktion.
Chris und ich haben sehr unterschiedliche Stile beim Songwriting, doch über die Jahre haben wir gut gelernt, miteinander zu arbeiten und unsere Songs über das Level zu heben, das wir in der Lage wären, allein zu erreichen. Kerns hingegen ist so etwas wie unserer Überraschungsjoker. Man weiß nie, wie seine Songs ausfallen werden; sie ähneln nie denen von Chris Black oder mir. Seine Songs bringen uns alle an wirklich sonderbare Orte und haben das größte Überraschungspotenzial. Auf diesem Album ist “Waiting To Drown” das offensichtlichste Beispiel dafür.
Ich hingegen scheiße einfach nur Riffs aus, haha. In der Regel entscheide ich nur, welcher Part eine Strophe, ein Chorus und so weiter sein wird, aber ich mache mir kaum Gedanken um Vocals. Mein Ziel ist es, Riffs zu schreiben, die für sich stehen können. Egal, ob da jetzt Gesang drüber kommt, oder nicht und das versuche ich bei jedem Riff zu erreichen.
Euer Line-up hat sich in der gesamten Geschichte PHARAOHs nie verändert. Das führt mich zu der Annahme, dass ihr ein tolles, respektvolles Verhältnis untereinander teilt. Wie würdest du es beschreiben?
Das Geheimnis unseres Erfolges ist, dass wir uns nicht oft sehen, denke ich. Wir kennen uns natürlich schon Ewigkeiten und sind alle gute Freunde, aber wir leben weit weg voneinander. Nur Kerns und ich sehen uns regelmäßig; zumindest bis zum Beginn der Großen Plage. Unser musikalisches Arbeiten ist daher fast schon als ‘professionell’ zu bezeichnen. Wir alle wollen nur die bestmöglichen Alben für PHARAOH erreichen. Und wir sind alle in der Lage, darauf hinzuarbeiten, ohne dass unsere Egos im Weg stehen. Ich weiß nicht zu hundert Prozent, wie wir es geschafft haben, den Laden so lange am Laufen zu halten, aber ein bisschen Magie ist offenbar schon im Spiel.
“The Powers That Be” hat nicht nur saustarke Songs, sondern auch eure bisher beste Produktion. War das eine bewusst entschiedene Verbesserung?
PHARAOH sind nicht wirklich PHAROH ohne Matt Crooks, unseren lieben Freund, Producer und manchmal Live-Gitarrist. Unser erstes Album haben wir noch mit einem anderen Engineer in einem anderen Studio aufgenommen; aber als Matt sein Studio fertig hatte, waren wir immer dort. Er hat auch andere Bands betreut, aber definitiv die meiste Zeit mit uns verbracht. Je bessere Musiker und Songwriter wir wurden, desto besser wurde er auch als Toningenieur. Also klingt dieses Album in gewisser Weise besser, weil Matt bei der Produktion die meiste Übung hatte.
Wir haben aber auch in der Band gelernt, wie wir unsere Alben eher klingen lassen wollen und wie wir unsere Vorstellungen erreichen. Ich habe schon erwähnt, wie schwierig der Mix beim letzten Mal war. Die Entscheidung, die Arrangements ein bisschen zu straffen, schuf neue Möglichkeiten zum Ausprobieren beim Mixen und ich denke, Matt hat einen fantastischen Job gemacht.
Wir haben auch zum ersten Mal nicht in seinem Studio aufgenommen. Normalerweise würden Chris und ich nach Virginia reisen, wo er seine Drums aufnimmt, ich den Bass überwache und meine Gitarren aufnehme. Mit Tim habe ich sowieso seit “Be Gone” in meinem Haus aufgenommen. Dieses Mal hat Chris Black, wie zum Beispiel auch bei HIGH SPIRITS, alles in seinem eigenen Homestudio aufgenommen. So konnte er sich auf einen Song konzentrieren, ihn bestmöglich üben, aufnehmen und sich dann den nächsten Track vornehmen. Das Resultat spricht wohl für sich.
Ich habe zu Hause aufgenommen, aber das hat wohl alles verlangsamt, ha ha. Ich bin oft zu verkopft, wenn ich die Verantwortung habe, selbst zu recorden. Zum Glück kann ich das gerade gut genug, um Takes zu erreichen, die genauso gut sind, als hätte ich bei Matt Crooks im Studio aufgenommen. Ich brauche nur einfach länger. Aber insgesamt waren die Aufnahmen einfacher. Matt war auf den Mix besser vorbereitet und wir haben endlich jemanden zum Mastern gefunden, den wir wirklich gut finden, Dan Swanö. Nicht, dass unsere bisherigen Master schlecht gewesen wären, aber wenn es dazu kam, war ich nach den Aufnahmen meist viel zu ausgebrannt, die Qualität des Masters verlässlich beurteilen zu können. So lange sich keiner davon angegriffen fühlte, wurde das Master gebilligt. Dieses Mal haben wir zum ersten Mal eines erhalten, das wir alle wirklich mögen.
Mehr zu Pharaoh
Band | |
---|---|
Stile | Heavy Metal |
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!